Arcor-Kündigung
Sehr geehrte Damen und Herren,
aufgrund der aktuellen Entwicklung beim Thema "Internetsperren" [1] und Ihrer aktiven Rolle bei dieser Thematik [2] sehe ich mich gezwungen, meinen Vertrag bei Ihnen aufzulösen. Ich kündige daher den Vertrag über "Arcor Sprache/Internet" zum nächstmöglichen Termin.
Die Gründe habe ich bereits einer Ihrer Mitarbeiterinnen telefonisch auf meine Anfrage vom 18.04.2009 erläutert. Es ist mir einfach unverständlich, wie Sie die geplanten Internetsperren der Regierung unterstützen können beziehungsweise auch noch so bereitwillig eine aktive Vorreiterrolle übernommen haben, indem Sie noch vor Gesetzesbeschluss einen Vertrag bzgl. solcher Internetsperren unterzeichnet haben [3].
Ich denke nicht, dass eine Zugangserschwernis respektive Zensur hilft, dass es weniger Kindesmisshandlungen gibt. Ganz im Gegenteil bedeutet das eher, dass Sie jeden Ihrer Kunden zum Wegschauen zwingen. Die Worte, die ich bei den Politikern aus der Debatte heraushöre, sind deutlich: "Es soll keine Kinderpornographie im Netz zu sehen sein - daher hängen wir einen Vorhang davor und schließen die Augen." Ich bezweifel, dass dies der richtige Weg. Den Missbrauchsopfern ist damit sicherlich nicht geholfen, wie auch Christian Bahls vom Verein "MissbrauchsOpfer gegen InternetSperren†(MOGIS) sagt [4].
Zusätzlich widerspricht eine Zensur in meinen Augen Artikel 5 des Grundgesetzes. Sicherlich ist die Darstellung von kinderpornographischen Inhalten nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt, aber es ist und bleibt eine Zensur. Der staatlicher Eingriff lässt mich darüber hinaus an den Fähigkeiten der Ermittler zweifeln. Dass nicht Wegschauen, sondern eine Abschaltung der Server der bessere Weg wäre, scheint niemand von Ihnen zu begreifen. Dass es möglich ist, das Material aus dem Netz zu verbannen, hat der Verein CareChild bewiesen [5].
Und nicht nur ich sehe die Gefahren eines solchen Eingriffes [6]. Unter den über 130.000 Unterzeichnern der Online-Petition [7] gegen die Internetsperren sind sicher auch zahlreiche Ihrer Kunden. Ich kann nur hoffen, dass diese die gleiche Konsequenz wie ich ziehen.
Daneben bietet eine solche staatlich verordnete Zensurinfrastruktur die sehr hohe Möglichkeit eines Missbrauchs, denn bei der Sperrung von kinderpornographischen Seiten wird es nicht bleiben - egal was Sie oder die Politiker heute behaupten. Die ersten Rufe nach weiteren Sperren werden bereits laut [8].
Ich finde Ihren eingeschlagenen Weg sehr schade und hoffe, dass Sie sich vielleicht doch noch eines Besseren besinnen. Egal, wie Sie oder die Regierung sich im Endeffekt aber entscheidet, meine Wahl habe ich getroffen. Vodafone und Arcor sind für mich keine vertrauenswürdigen Vertragspartner mehr. Daher löse ich den Vertrag mit Ihnen auf.
Ich bitte um Bestätigung der Kündigung und Mitteilung des Datums der Vertragsauflösung.
Hochachtungsvoll
Referenzen
[1] Bundestag verabschiedet Gesetz für Web-Sperren
http://www.heise.de/ct/news/meldung/140746
[2] Vodafone gegen Gesetz für Web-Sperren
http://www.heise.de/newsticker/meldung/140525
[3] Fünf Provider unterzeichnen Vertrag zu Kinderporno-Sperren
http://www.heise.de/newsticker/meldung/136327
[4] Missbrauchsopfer gegen Netzsperren
http://www.zeit.de/online/2009/17/netzsperren-missbrauch
[5] Internetzensur: CareChild-Versuch blamiert Deutsche Politiker
http://www.carechild.de/news/politik/internetzensur_carechild_versuch_blamiert_deutsche_politiker_566_120.html
[6] Verschleierungstaktik - Die Argumente für Kinderporno-Sperren laufen ins Leere
http://www.heise.de/ct/artikel/135867
[7] Petition: Internet - Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten
https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=3860
[8] CDU-Politiker prüft Websperren für Gewaltspiele "ernsthaft"
http://www.heise.de/ct/news/meldung/140763
Ich habe den Brief veröffentlicht, sollte es mir jemand gleich tun und von seinem Zensurprovider wechseln wollen.