Neu gespielte Spiele März/Mai 2020
Reale Spieleabende finden derzeit eher nicht statt. Über virtuelle Spiele habe ich letztens geschrieben, aber es ist einfach nicht das Gleiche. Das Material anfassen, den Gegner bei seinen Überlegungen zu sehen, all das fehlt in der virtuellen Welt. Mit ca. anderthalb Monaten Pause gab es jetzt unter entsprechenden Auflagen wieder einen kleinen Spieletreff (nur zu zweit, mit Abstand und mit Maske). Deswegen habe ich das eine Spiel von März und die neuen aus Mai zusammengefasst.
Die Klinik (Giant Roc, 2020)
Ich mag Spiele mit einem nicht komplett abgenutzten Thema. Es muss nicht zwingend extrem innovativ sein, aber das x-te Mittelalter-Aufbauspiel oder die y-te Weltraum-Erkundungsschlacht reizt mich nicht wirklich. Deswegen hatte ich auf der SPIEL 2014 (Oder war’s 2015?) auch „Clinic“ auf meiner Liste – nur kam ich nie dazu, das Spiel anzutesten. Inzwischen gibt es eine Deluxe-Version, die in Deutschland über die Spieleschmiede herausgebracht wurde.
Der Name „Die Klinik“ lässt ein bisschen erahnen, worauf sich die Spieler einlassen müssen: möglichst optimal und lukrativ Patienten im eigenen Krankenhaus behandeln. Hierfür können die Spieler ihrer Klinik zum Beispiel neue Behandlungsräume hinzufügen, um mehr Patienten zu heilen. In einem zweiten Gebäude oder einem anderen Stockwerk darf man auch eine neue Abteilung aufmachen. Wieso nur psychologische Probleme angehen, wenn es auch eine Augenklinik oder Orthopädie sein kann? Warum das wichtig ist? Schließlich verletzen sich die Patienten ja nicht immer an der gleichen Stelle.
Fünf verschiedene Krankheitsarten gibt es. Und man sollte sich ganz genau überlegen, welche Patienten man zu sich in die Klinik lockt. Denn ohne entsprechende Abteilung wird ein Patient nur immer kränker und kränker und na ja … bringt Minuspunkte nach dem Ableben. Viel besser ist es, wenn man den passenden Arzt hat. Passen muss dabei interessanterweise nicht die Profession, denn jeder Arzt kann alles heilen, wenn er sich im richtigen Behandlungsraum befindet. Ein Arzt kann sich aber per Standard nur um die Patienten kümmern, die seinem Ausbildungsgrad entsprechen. Ein extrem schlauer Arzt, der ganz lange an der Universität war, behandelt natürlich nur die schwersten Fälle. Mit einem simplen Knochenbruch gibt der sich nicht ab. Dagegen kann ein Frischling oder ein extrem erschöpfter Arzt grade mal noch so einen Splitter aus dem Finger entfernen. Arzthelfer können dem Chef aber unter die Arme greifen und ein bisschen aushelfen … oder ablenken, sodass er auch kränkere oder gesündere Patienten behandeln kann.
Thematisch klingt das natürlich etwas seltsam. Noch seltsamer ist, dass man für die schwerkranken Patienten die meisten Punkte bekommt. Okay, das ist nicht seltsam, sondern entspricht unserem Gesundheitssystem. Es fühlt sich aber komisch an, dass man absichtlich die Patienten in der Notaufnahme herumlungern lässt, bis der Gesundheitszustand kritisch ist und man die meisten Kohle an ihnen verdient.
Seltsam ist auch der Bildungs- bzw. Erschöpfungsgrad der Ärzte. Wenn ein Arzt die Schicht im Labor verbringt, wird er schlauer, was recht sinnig klingt. Ebenso passend ist es auch, dass wenn ein Arzt eine Schicht schuften muss, er erschöpfter wird und die ganz schlimmen Fälle nicht mehr behandeln kann. Wenn ein Arzt aber eine Schicht nur Däumchen dreht, weil beispielsweise gerade kein passender Patient vor der Tür steht, dann wird er „dümmer“ und wird ebenfalls degradiert. Irgendwie klingt das komisch. Zum einen kann er sich in der Zeit auch erholen, zum anderen vergisst man nicht so schnell, wie eine Herzoperation funktioniert. Auf Aufleveln von Ärzten ist dabei ungleich schwerer als der automatisch Downgrade am Rundenende, sodass am Spielende oft nur langweilig viele Weißkittel (die unterste Stufe) in den Abteilungen herumlungern – und die wenigsten Siegpunkte einbringen.
Wenig thematisch ist auch das Bauen der Räume. Wieso darf eine Abteilung nicht mit einer anderen zusammenwachsen? Hassen sich der Herzchirurg und der Augenarzt so sehr? Bzw. wieso gibt es so strikte Regeln für das Anlegen von Behandlungsräumen, die in einem Standardkrankenhaus nie und nimmer gelten würden. Hier wurde das Thema der Mechanik untergeordnet. Von diesen kleinen Problemchen abgesehen passt das Thema aber sonst recht gut. Sogar an die kleinen Autos wurde gedacht, welche die Patienten und Ärzte mitbringen und aufgrund der schlechten Parksituation die Bauplätze verstopfen. Wieso ein entlassener Patient mit dem Auto des Herzspezialisten wegfährt, lässt sich aber nur mit Not aufs Car-Sharing schieben.
„Klinik“ spielte sich ganz okay. Im Laufe des Spiels wurde es sogar etwas besser, weil viel mehr Dinge bei der Planung aufgingen als am Anfang des Spiels. Hier war ich doch schon überfordert, was es alles zu beachten gibt. Vor allem die Anlegeregeln und Kleinigkeiten vergasen wir immer wieder, weil es einfach nicht intuitiv ist. Aus dem Grund werde ich die Erweiterung vermutlich nicht mehr testen. Sie würde mich zwar interessieren, aber auch so sind es schon zu viele Informationen und Regeln, sodass ich nicht noch mehr davon brauche. Da gefällt mir das etwas eingängigere, aber dennoch nicht triviale „Dice Hospital“ besser.
Wertung:
Dizzle (Schmidt Spiele, 2019)
Roll&Write-Spiele (Würfeln und Ankreuzen) gibt es inzwischen sehr viele. Früher spielte man Kniffel, heute eher so etwas wie „Ganz schön clever“ oder eben das neuere „Dizzle“. Und das Konzept bleibt beibehalten: Ein Spieler würfelt. Dann suchen sich reihum die Spieler einen Würfel auf und legen diesen auf ihr Blatt mit der entsprechenden Augenzahl. Würfel müssen dabei angrenzend zu anderen Würfeln gelegt werden. Falls das nicht geht (zum Beispiel beim ersten Würfel), dann angrenzend an ein Kreuz. Oder man kann in manchen Fällen auch neu würfeln, falls gar nichts passt. Nachdem alle Würfel liegen, kreuzt man die Felder auf dem Blatt ab und beginnt von vorne für eine gewisse Anzahl an Runden. Am Ende gibt es dann Punkte für bestimmte Symbole, die unter den Augenzahlen auf dem Blatt stehen und angekreuzt wurden.
„Dizzle“ zählt für mich eher zu den einfacheren Roll&Write-Spielen. Ein kleines bisschen kann man taktisch schon schauen, welche Würfel man zuerst nimmt, sodass man danach weitere Würfel noch einbauen kann. Oder man schaut, was der Gegner braucht und versucht ihm da etwas wegzunehmen. Das geht ganz gut zu zweit, zu viert kann man den Überblick vermutlich eher nicht behalten. Zu viert fällt es auch schwer auf eine bestimmte Augenzahl zu spekulieren, was zu zweit wesentlich besser klappt – außer der Gegner würfelt neu, was ärgerlich, aber auch ganz spaßig ist (je nach Sichtweise). Dennoch ist es eben schon sehr glückslastig, ob man einen Würfel gebrauchen kann.
Dem Spiel liegen vier „Level“, also Spielpläne, bei, die immer anspruchsvoller werden. Das erste Level ist tatsächlich sehr simpel und auch ein bisschen langweilig. Danach wird es interessanter. Ich denke aber, dass ich „Ganz schön clever“ oder „Welcome To“ immer bevorzugen werde.
Wertung:
Schwungfedern (Heidelberger, 2016)
Wenn „X-Wing“ und „Maus und Mystik“ ein Kind hätten, würde es „Schwungfedern“ heißen. „Schwungfedern“ ist eine Art Fortsetzung des Miniatur-Rollenspiels für Kinder „Maus und Mystik“. Die Mäuse müssen gegen die Ratten kämpfen und setzen sich dafür auf Vögel, um sich so wie bei „X-Wing“ zu umkreisen und anzugreifen. Geplant werden können auch Missionen, mit denen das eigene Fußvolk das gegnerische Nest angreifen, andere Vögel oder andere Missionen angreifen kann.
Zuerst das Positive: Die Optik des Spiels ist herausragend. Alle Mäuse, Ratten und Vögel sind sehr detailliert gestaltet. Vor allem für Personen, die gerne Figuren bemalen, ist das Spiel vermutlich einen Kauf wert. Auch technisch funktioniert es super. Die Vögel sitzen auf ihren Basen und können gut bewegt werden.
Spielerisch ist das Spiel leider für mich etwas zu viel des Guten. Neben den normalen Regeln zum Fliegen, Starten, Landen und Angreifen haben die Vögel auch noch Sonderfähigkeiten, ebenso wie die Mäuse und Ratten. Die wir natürlich so gut wie alle vergaßen, weil wir damit beschäftigt waren, die Standard-Regeln im Regelheft nachzuschlagen. Selbst das erste Szenario hat so viele kleine Regeldetails, auf die man achten muss, dass ich mir nicht vorstellen kann, was da noch alles dazu kommen soll. „X-Wing“ (14+) spielt sich in der ersten Mission vergleichsweise einfacher – und das, obwohl „Schwungfedern“ für eine jüngere Zielgruppe (9+) gedacht ist. Uns war jedenfalls auch nach mehrmaligem Regellesen oft nicht genau klar, wie die Vögel sich genau bewegen bzw. was sie dürfen und wie beispielsweise der Sturzflug genau funktioniert.
Von der Idee her ist „Schwungfedern“ also ganz gut, aber nicht mein Fall. Ich bevorzuge dann doch das etwas einfacherer „X-Wing“. Und „Maus und Mystik“ habe ich auch nur wenige Male gespielt, sodass mir das Universum nicht wirklich fehlt.
Wertung:
Fantasy Realms (2017-2020)
„Fantasy Realms“ gibt es bisher nicht auf Deutsch, aber so etwas kann man ja selbst übersetzen. :)
Im Kern handelt es sich bei „Fantasy Realms“ um ein Sammelspiel. Die Spieler ziehen Karte vom verdeckten Stapel oder der Auslage. Wenn 12 Karten in der Auslage liegen und jeder Spieler 7 Handkarten hat, wird gewertet. Die Karten interagieren dabei sehr stark miteinander. Jede Karte einen Grundpunkte-Wert. Und je nach Interaktion gibt es für andere Karten Plus- oder Minuspunkte. So gibt das Einhorn 10 Punkte, mit der Prinzessin zusammen aber 25. Ein andere Bestie bringt 35 Punkte, tötet dafür aber alle anderen Tiere – ja, auch Einhörner. Dann bringt die Prinzessin aber nichts mehr. Die Karte „Rauch“ allein bringt gar nichts, da der ausgeht, wenn man nicht eine Flamme dabei hat. Und so weiter.
Vom Prinzip her finde ich das Spiel sehr gut. Wir haben es auch dreimal gespielt, da es innerhalb von 15 Minuten vorbei ist. Dennoch wiegt mit der Zufall etwas hoch. Zumindest zu zweit kommen ungefähr nur die Hälfte der Karten ins Spiel. Wer hier also eine Kombination aufbaut und zwingend eine bestimmte Karte braucht, geht ggf. bis zum Ende des Spiels leer aus und das gesamte Deck ist kaum etwas wert. In meinen Augen kann man aber fast gar nicht anders, als auf kommende Karten zu spekulieren, da man sonst keine Strategie verfolgen kann. Und so passierte es mir in allen drei Runden, dass nie die Karten kamen, die ich gebraucht hätte, um auch nur sinnvoll mitspielen zu können.
Ich gebe zu, dass mir hier die dreifache Niederlage tatsächlich das Spiel verleidet hat. Ein Spiel ist für mich dann gut, wenn es trotz Niederlage Spaß macht, mitzuspielen. Bei „Fantasy Realms“ war ich aber nur frustriert, weil sich einfach nichts richtig zusammenfügte. Ich weiß nicht, ob ich es nochmal spielen werde.
Wertung:
Under Falling Skies (2019)
„Under Falling Skies“ beweist mal wieder, dass man mit wenig Material ein gutes Spiel gestalten kann. Das Spiel besteht nur aus 9 Karten, die aneinander gelegt werden, sieben Würfeln und ein paar Markern. Und auch wenn es sich um ein Solospiel handelt, spielt es sich auch gut zu zweit als kooperative Variante.
„Under Falling Skies“ erinnert ein bisschen an „Space Invaders“ oder „Independence Day“. Ein Alien-Mutterschiff bewegt sich langsam auf die Erde zu. Kleine Alien-Schiffe greifen die Städte an und wollen diese zerstören. Derweil arbeitet ein Forscherteam an einer Verteidigungsanlage. Hierfür benötigt man Energie und muss die Forschungsanlage unter der Erde erst noch weiter ausbauen.
Die Aktionen wählt man durch fünf Würfel, die am Anfang einer Runde geworfen werden. In jede der fünf Spalten auf den Aktionskärtchen darf nur ein Würfel gelegt werden. Die kleinen Alien-Schiffe bewegen sich entsprechend der Augenzahl auf die Erde zu. Je stärker die Aktion, desto schneller sind die Aliens also auf der Erde. Über besondere Felder und eine Raketenaktion kann man zwar bestimmte Alien-Schiffe abschießen, die aber gleich danach in der nächsten Runde wieder aus dem Mutterschiff entsandt werden. Eine Besonderheit sind die zwei weißen Würfel: Werden diese benutzt, muss man zwingend die verbliebenen Würfel neu würfeln. So ergibt sich ein sehr interessante und spannende Abwägung zwischen dem Zeitpunkt, wann ich welchen Würfel einsetze, und in welche Spalte ich ihn lege.
„Under Falling Skies“ von Tomáš Uhlíř gewann den 2019er „9-Card Nanogame P&P Design“-Wettbewerb. Im Herbst soll eine Variante bei Czech Games Edition veröffentlicht werden. Ich denke nicht, dass ich mir das Spiel kaufe, weil ich eher kein Solo-Brettspieler bin. Aber zu zweit oder dritt würde ich mir definitiv noch einmal den Kopf darüber zerbrechen.
Wertung:
Raging Bulls (2017)
„Shut Up & Sit Down“ haben im April ein schönes Video veröffentlicht mit Solitär-Print-and-Play-Spielen. Im Mai folgt eine weitere Folge, in der auch „Under Falling Skies“ zur Sprache kam.
Aus dem ersten Video habe ich aber „Raging Bulls“ mitgenommen. Eigentlich als Print-and-Play habe ich bei „Happy Meeple“ eine umweltfreundliche Online-Version gefunden, die nicht so viel Papier kostet und in die Regeln einführt.
„Raging Bulls“ ist eigentlich ein simples Logik-Rätsel: Auf einer Weide stehen Bullen. Die Weide hat Zaunpfähle mit den Zahlen 1–6 an jeder der vier Seiten stehen. Drei Würfel werden gewürfelt. Davon sucht man sich zwei aus und verbindet die entsprechenden Zahlen und zieht so einen Zaun auf der Weide. Wurde ein Zaunpfahl schon benutzt, kann dieser nur mit einem Pasch noch einmal benutzt werden. Ziel des Spiels ist es, alle Bullen einzuzäunen. In der Online-Version kommen dann auch noch Kühe, Schafe und Ställe dazu, die da Spiel etwas anspruchsvoller machen.
Mir hat „Raging Bulls“ als Knobelaufgabe sehr gut gefallen. Die Webversion ist praktisch, da sie einem viel Arbeit an Vorbereitung und Zäune zeichnen abnimmt. Zusätzlich gibt es mehr anspruchsvolle Herausforderungen. Aber auch Offline spielt sich das „Raging Bulls“ gut und ist innerhalb von 20 Minuten gespielt.
Wertung: