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(Neu) Gespielte Spiele im Februar 2021

Auch im Februar gab es die meisten Spiele nur online und meistens nur allein, um mal das ein oder andere neue Spiel auszutesten. Dabei bin ich aber tatsächlich auch über großartige Spiele gestolpert, die ich zuvor nicht kannte.

Obsthain (Board Game Circus, 2018)

Irgendwie habe ich im Kopf, dass „Obsthain“ von Mark Tuck (im Englischen „Orchard“) erst auf der SPIEL.digital 2020 als neues Spiel vorgestellt wurde (vermutlich aufgrund dieses Threads im unknows-Forum). Zumindest habe ich auf der Messe das erste Mal von dem Spiel gehört, obwohl es bereits 2018 als Print'n'Play herauskam und 2019/20 über Kickstarter finanziert wurde. Jedenfalls war von „Obsthain“ nach der SPIEL.digital viel zu lesen – vor allem von Solo-Spielern, denn es handelt sich um ein reines Solitär-Spiel.

Ich spiele einen Stapel mit neun Karten herunter. Gestartet wird mit einer ausliegenden Karte, die sechs Bäume von oben in drei Farben (rot, blau, gelb) zeigt. Ich ziehe zwei Handkarten und muss eine davon auslegen bzw. einen Teil der bestehenden Auslage farbig passend überdecken. Dadurch wachsen die Bäume und bringen mir bei der ersten Überdeckung 1, bei der zweiten 3, dann 6 und zum Schluss 10 Punkte. Festgehalten werden die Punkte durch Würfel.

Ich habe zwei Partien „Obsthain“ bei Tabletopia online gespielt. Die Regeln sind sehr einfach und passen (mit kleiner Schrift) auf eine DIN-A4-Seite. Die Komplexität ist nicht sehr hoch, da ich nur ein bisschen Mustererkennung betreiben muss. Sprich, ich halte und drehe meine zwei Handkarten gegen die Auslage und rechne aus, wo es die größtmögliche Überdeckung gibt. Entsprechend schnell (ca. 10 Minuten) ist das Spiel bei nur neun Karten auch gespielt. Dass das Thema nicht wirklich herauskommt, ist dabei nicht so wichtig.

Wenn ich solo spielen würde, könnte ich mir „Obsthain“ sehr gut als Füller vorstellen – entweder in der Werbepause (okay, haben die Streamingdienste nicht) oder wenn der Rechner mal wieder etwas hängt. Die in den zwei Partien erreichten 45 Punkte sind jedenfalls noch ausbaufähig.

Obsthain (Tabletopia online)
Obsthain (Tabletopia online)

Wertung: (7,5)

Der Kartograph (Pegasus, 2019)

Letztes Jahr (2020) wurde „Der Kartograph“ zum Kennerspiel des Jahres nominiert. Auch wenn „Die Crew“ gewonnen hat, hat mich das Draft'n'Write-Spiel damals schon interessiert. Auf Tabletopia konnte ich online drei Partien solo und zu zweit spielen. Wobei es bei Kartograph fast egal ist, ob ich es solo spiele oder nicht. Es ändert sich nur eine einzige Regel und die Wertung ist minimal anders. Daher eignet sich die Solovariante sehr gut, um einen Eindruck vom Mehrpersonenspiel zu bekommen.

Wie geschrieben ist „Der Kartograph“ ein Draft'n'Write-Spiel. Das heißt, ich ziehe eine Karte, auf der ein Geländetyp und eine Form angegeben ist. Diese Form zeichne ich dann irgendwo auf meiner Landkarte passend ein. Nach einigen Karten (abhängig von deren Wert und der aktuellen Jahreszeit) findet eine Wertung statt. Ähnlich wie in „Isle of Skye“ werden dabei in der ersten Runde (Frühling) die Ziele A und B gewertet, in Runde 2 (Sommer) dann B und C, danach im Herbst C und D um zum Schluss im Winter wieder D und A. Neben dem Einzeichnen gibt es auch noch Hinterhaltkarten, bei denen mein rechter oder linker Mitspieler in meine Karte Monster einzeichnen darf, die Minuspunkte bringen.

„Der Kartograph“ spielt sich ziemlich schnell und zügig. Durch die Zielkarten ist recht klar, was ich einzeichnen will. Die zufällig gezogenen Karten beeinflussen das natürlich entsprechend, sodass es passieren kann, dass ich bei einem Ziel mit 0 Punkten herauskomme, weil einfach nicht das richtige Gelände gezogen wurde. Das Einzeichnen der Gelände mit unterschiedlichen Farben macht sicherlich Spaß, ich stelle es mir aber auch etwas aufwändig vor, da es über simples Ankreuzen oder Zahlen eintragen hinausgeht. Im Online-Spiel bei Tabletopia war es aber nicht weniger aufwändig, da alle Formen durch einzelne Plättchen manuell zusammengelegt werden mussten. Auf die Art wurde das Spiel zwar gut bzw. überhaupt irgendwie umgesetzt, es ist aber dennoch etwas umständlich.

Das Spiel selbst ist relativ leicht zu erlernen. Einzig die Punktevergabe der Soloregel habe ich nicht richtig verstanden, sodass ich am Ende des Spiels mit ca. -60 Punkte da stand. Nachdem ich die Punkte korrigiert hatte, landete ich bei 34 Punkten, was bereits als höchste Stufe „Legendärer Meisterkartograph“ bezeichnet wird. Zumindest Solo reizt mich deshalb wenig, diese Punkteausbeute noch mehr zu optimieren. Mit mehreren Spielern würde ich es dennoch gerne einmal testen.

Dabei hat das Spiel aber natürlich das gleiche Problem wie (fast) alle Spiele dieser Art: Bis auf die Hinterhalte spielt und zeichnet jeder vor sich hin. Das erklärt auch die Spieleranzahl-Angabe von 1-100 Spielern auf der Verpackung. Von dieser Art Spiel gefällt mir „Welcome to“ ein kleines bisschen besser, da es weniger aufwändig ist. Dennoch ist „Der Kartograph“ ein ziemlich guter Vertreter seiner Art.

Der Kartograph (Tabletopia online)
Der Kartograph (Tabletopia online)

Wertung: (8,5)

Treclipse Festival (Self-Published, 2021)

„Treclipse Festival“ ist ein reines Solitär-Spiel, über das ich bei Tabletopia gestolpert bin. Das Spiel hat tatsächlich (noch) keinen BGG-Eintrag. Vermutlich, weil es während des Global Game Jam Online im Januar 2021 als rein digitales Spiel entstanden ist. Aber es ist ein Brettspiel, daher habe ich es mir angeschaut.

Das Spielprinzip ist recht einfach: In einer Runde bewege ich den Blorgbozoid (die Alienfigur) um ein Feld. Lande ich auf einer Station, erhalte ich ein zufälliges von sechs (abstrakten) Gegenständen. Danach kommt ein zufälliges von sechs Aliens auf die Bühne, falls noch keines vorhanden ist. Ziel des Spiels ist es, diese Aliens glücklich zu machen, denn sie haben bestimmte Anforderungen, welche Gegenstände sie haben wollen (z.B. zwei beliebige, zwei gleiche, zwei Pärchen etc.). Dabei haben die Aliens noch ein Zeitfenster, bis wann ich die Gegenstände bei ihnen abliefern muss (die ganz einfachen in der nächsten Runde, die schwersten nach sechs Runden). Schaffe ich es, ein Alien glücklich zu machen, kommt ein grüner Marker auf die Station bzw. ein roter verschwindet. Schaffe ich es nicht rechtzeitig, kommt ein roter Marker hin bzw. ein grüner verschwindet. Gewonnen habe ich, wenn alle sechs Stationen einen grünen Marker haben. Oder verloren, wenn alle einen roten haben.

Man kann es sich fast denken: Bei „Treclipse Festival“ regiert der Zufall. Welche Gegenstände ich bekomme oder welche Aliens erscheinen, alles wird gewürfelt. (Randnotiz: Es gibt neben den Stationen noch Außenbereiche zum Hinbewegen, die mir einen bestimmten Gegenstand geben, aber die sind nur einmalig nutzbar.) Als wäre das nicht genug Zufall: Alle drei Runden wird ein zufälliges Ereignis gezogen, was ordentlich Chaos in die Planung bringt. So werden Aliens oder Gegenstände komplett – natürlich zufällig – ausgetauscht oder Gegenstände abgelegt. Bei mir lief das zufällig recht gut, sodass ich nach 16 Runden bereits auf vier der sechs Stationen einen grünen Marker liegen hatte. Mir selbst war das aber viel zu viel Zufall und ziemlich unplanbar. Aus dem Grund habe ich das Spiel auch an der Stelle abgebrochen.

Als problematisch sehe ich auch, dass sich das Spiel ggf. ewig zieht. Als Spieler versuche ich grüne Marker auf das Feld zu legen, das Spiel sorgt durch Ereignisse aber dafür, dass diese Marker auch wieder verschwinden bzw. rote hinkommen. Die roten kann ich dann wieder durch glückliche Aliens wegbekommen. Dieses Tauziehen durch Grün und Rot kann prinzipiell einfach durch das zufällige Würfeln endlos gehen.

Zwei weitere (kleinere) Kritikpunkte. Zum einen wäre da die gewählte Schriftart für Überschriften. Diese soll wohl außerirdisch und fremd wirken, aber sie ist leider nur unleserlich. Es ist für mich in der Anleitung aber auch auf den Stationen kaum zu entziffern, was gemeint ist. Auch die Spielschachtel ist nicht zu entziffern, wenn ich nicht wüsste, wie das Spiel heißt. Zum anderen gibt es einen kleinen Fehler in der Anleitung, da das Ereignis „Teleportation Station“ den Text von „Biomorphic Unification“ enthält. Ich habe anhand der Kurzbeschreibung auf der Ereignis-Übersichtskarte leider nicht herausgefunden, was das Ereignis genau bewirken soll.

Natürlich muss ich dem Spiel zugutehalten, dass es bei einem Game Jam, das heißt in dem Fall in vier Tagen, erstellt wurde. Und dafür ist das Ergebnis eigentlich nicht schlecht. Absolut gesehen als Spiel, was es bei mir auf den digitalen Tisch schaffen soll, ist es aber durchgefallen.

Treclipse Festival (Tabletopia online)
Treclipse Festival (Tabletopia online)

Wertung: (3,5)

Bullet (Level 99 Games, 2021)

„Bullet“ ist ein Kickstarter-finanziertes Spiel, welches derzeit ausgeliefert wird. Das Spielprinzip ist recht simpel: Jeder Spieler wählt einen Charakter (alle sind ausschließlich weiblich), der eigene Aktionen, eine Sonderfähigkeit und ein eigenes Deck an Muster-Karten mitbringt. Zusätzlich hat jeder Spieler ein Spielbrett mit fünf farbigen Spalten mit jeweils sechs Kreisen. Jede Runde werden aus einem zentralen Säckchen zufällig eine gewisse Anzahl an „Bullets“, also Pistolen-Kugeln-Plättchen, in mein eigenes Säckchen gelegt. Diese ziehe ich nach und nach. Die Plättchen sind farbig und haben Werte von 1 bis 4. Ich muss die Kugel an den passenden entsprechenden Platz (also farbige Reihe und dann von oben abzählen) legen. Belegte Felder werden dabei übersprungen. Landet eine Kugel unterhalb der sechsten Reihe, ist das ein Treffer und ich verliere in Leben.

Die Kugeln kann mein Charakter durch die Muster-Karten abwehren. Drei davon habe ich auf der Hand. Sie zeigen bestimmte Bedingungen, wo Kugeln – manchmal in bestimmten Farben – liegen müssen und wo ich im Gegenzug Kugeln entfernen darf. Diese werden dann als Angriff zu einem meiner Mitspieler geschickt. Durch die Charakter-Aktionen kann ich die Kugeln auf dem Spielbrett umherschieben, um die Muster entsprechend zu erfüllen. Wer als letztes überlebt, gewinnt.

„Bullets“ liegt ein sehr simples Spielprinzip zugrunde. Das Pattern-Matching mochte ich bereits in „Tash-Kalar” sehr gerne. Mir macht es einfach Spaß, bestimmte Dinge nach bestimmten Vorgaben anzuordnen. Das Entfernen der Kugeln wiederum erinnert ein bisschen an „Bejeweled“. Zusammen mit den Aktionen ergibt sich ein sehr schönes, kleines Puzzle, was sich sehr schnell spielt.

Auch grafisch gefällt mir das Spiel sehr, da ich den Manga-Stil der Charaktere mag. Positiv zu erwähnen ist, dass die Heldinnen nicht leicht bekleidet dargestellt werden. Wenn ich dann aber konkret auf das Thema schaue, dann bleibt nicht viel übrig. Es wurde zwar versucht über sehr ausführliche Hintergrundinformationen der Charaktere, als auch Flavor-Text und Muster-Bezeichnungen etwas thematische Tiefe einzubringen, aber im Kern ist es ein eher abstraktes Spiel, was mich aber gar nicht stört.

Es gibt neben dem normalen Angriffsspielmodus noch weitere Modi: Zum einen das Teamspiel, bei der je zwei Spieler im Team spielen. Und danach auch zwei Solo-fähige Modi: Die „Score Attack“ (bei der es aber gar nicht um Punkte, sondern um überlebte Runden geht) und der wesentlich interessantere „Boss Battle“ (der aber ebenfalls bis zu vier Spieler als kooperatives Spiel unterstützt). Jeder Charakter hat auf seiner Rückseite einen Bossgegner, gegen den wir (mit anderen Charakteren logischerweise) antreten können. Der Boss hat ein eigenes Boss-Muster-Deck. Hierauf sind Bedingungen gegeben, die ein jeder Spieler auf seinem Spielbrett mit den Kugeln erfüllen muss. Falls er dies zum Rundenende nicht schafft, erhält er eine Strafe. Ziel ist es, alle Schilde des Bosses durch das Abwehren der Kugeln zu knacken. Jedes Schild löst aber wiederum beim Entfernen ein negatives Ereignis für die Spieler aus. Auf die Art skaliert das Spiel sehr schön mit dem Fortgang einer Partie.

Mir hat „Bullet“ extrem gut gefallen. Da ich es nur Solo gespielt habe (sowohl „Score Attack“, das ich eher langweilig fand, als auch den „Boss Battle“) kann ich nicht sagen, wie es sich mit realen Mitspielern spielt. Der Boss-Battle hat solo aber sehr viel Spaß gemacht. Sogar so sehr, dass ich mich am Morgen beim Aufstehen auf den Abend gefreut habe, wo ich das Spiel erneut testen konnte. Interessant ist es vor allem alle acht Charaktere einmal gegen alle acht Bosse antreten zu lassen (das sind 56 Spiel-Kombinationen), da sich die Charaktere wirklich anders spielen. Der Boss-Battle ist dabei kein Kinderspiel, aber machbar. Mit einem kleinen Regelfehler habe ich im zweiten Anlauf den Boss sogar besiegt. :)

Wenn es das Spiel auf Deutsch gäbe, käme ich in große Versuchung, das Spiel zu kaufen. So bleibt es vermutlich bei Tabletopia-Partien. Ansonsten ist das aber mein Überraschungshit des Monats Februar.

Bullet (Tabletopia online)
Bullet (Tabletopia online)

Wertung: (8,5)

Carnegie (Quined Games, 2021)

Andrew Carnegie war ein US-Industrieller Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts. Vor allem war er ein sehr reicher Mann, der viel Geld spendete. Xavier Georges hat um diese Person herum ein Brettspiel namens „Carnegie“ gestaltet.

Gespielt wird „Carnegie“ über 20 Runden. Jede Runde wählt der aktive Spieler eine Aktion aus „Personal“, „Verwaltung“, „Entwicklung“ und „Bau“. Hiermit aktiviert er alle zugehörigen Abteilungen auf dem eigenen Unternehmenstableau. Personalabteilungen können beispielsweise Arbeiter im Unternehmen in andere Abteilungen verschieben. Verwaltungsabteilungen lassen neue Abteilungen aus einer Auslage hinzukaufen. Entwicklungsabteilungen lassen neue Projekte vorbereiten (in den vier Bereichen „Wohnungen“, „Kommerz“, „Industrie“ und „Infrastruktur“) oder die Transportgeschwindigkeit (Karren, Kutsche, Eisenbahn) in den vier Regionen der USA vorantreiben. Und mit der Bauabteilung kann ich die vorbereiteten Projekte in den Städten der USA bauen. Nach dem aktiven Spieler folgen alle anderen Spieler reihum ohne Einschränkungen.

Getrieben wird das Ganze durch meine Arbeiter, die in den Abteilungen stehen. Sehr oft muss ich, um eine Aktion ausführen zu dürfen, den Arbeiter in den vier Regionen der USA auf Mission schicken. Der Arbeiter steht mir so lange nicht zur Verfügung, bis er über das Aktionstableau wieder zurückgeholt hat. Neben der Aktion sind dort nämlich die vier US-Regionen Westen, Mittlerer Westen, Süden und Osten abgebildet. Wähle ich also eine Aktion, kehren auch alle Arbeiter dieser Region ins Unternehmen zurück und generieren anhand der Transportfähigkeit noch einen kleinen Bonus.

Zum Schluss gibt es noch die Möglichkeit der Spenden, was nicht anderes ist als die Generierung von Siegpunkten am Ende des Spiels anhand von beispielsweise der Ausbaustufe der Transportgeschwindigkeit, der Anzahl an Projekten in einer US-Region oder bestimmte Abteilungen im Unternehmen. Neben diesen Siegpunkten gibt es auch Siegpunkte, wenn ich es geschafft habe, die großen Städte San Francisco, New Orleans, Chicago und New York alle oder teilweise miteinander durch Projekte zu verbinden.

Carnegie (Boardgamerena online, solo)
Carnegie (Boardgamerena online, solo)

„Carnegie“ ist ein Eurogame, wie es im Buche steht, mit einer gehobenen, aber keiner zu hohen Komplexität. Die Verzahnung der Aktionswahl, Abteilungsaktivierung, indirektem Arbeitereinsatz, Projektforschung und -bau hat mir sehr gut gefallen. Es ist recht leicht verständlich, was in meinen Augen auch an der sehr guten Anleitung liegt. Grafisch ist das Spiel sicherlich eher funktional geraten, aber das ist bei einem Eurogame ein bisschen zu verschmerzen. Die Ikonographie ist dafür sehr eindeutig. Während der ersten Partie musste ich kaum etwas im Regelheft nachschlagen (wobei das Spiel über die Boardgamearena entsprechende Hilfetexte als Popup einblendet, was sicherlich geholfen hat).

Schade finde ich dennoch, dass das eigentliche Thema sehr wenig zum Tragen kommt. Die weißen Würfel stellen irgendwelche beliebigen Güter dar und die Projekte werden durch Scheiben dargestellt. Welche Art von Projekt ich gestalte, ist absolut unwichtig für mich. Relevant ist nur, welche Boni das Projekt generiert (Geld, Güter, mehr Arbeiter, Siegpunkte) und in welche Stadt ich es dann passend bauen kann. Auch die Spenden für Ausbildung, Menschenrechte, Wohlfahrt und Gesundheit sind irrelevant. Wichtig ist nur, wo ich meine Scheibe platziere, um dieses Spendenfeld zu besetzen und Siegpunkte am Ende dafür zu erhalten.

Kritik am Thema bzw. an der Personenwahl von Carnegie gibt es im Netz dennoch, da er laut Wikipedia neben den guten Taten Menschen in seinen Stahlwerken ausbeute und auch nicht viel von Frauenwahlrecht hielt und sich nicht gegen Sklaverei positionierte. „Shut up and sit down“ widmen sich in einer Podcast-Episode dem Spiel, aber auch der Person.

Ich habe eine Partie solo gegen den Automa „Andrew“ gespielt und eine Partie zu dritt. Beide haben mir gut gefallen. In meiner Erstpartie gegen Andrew verlor ich knapp mit 110:111, was mir aber zeigt, dass das Spiel auch beim ersten Mal schon einigermaßen gut verstanden werden kann. Dank des automatischen Ablaufs bei Boardgamearena dauerte die Partie auch „nur“ 90 Minuten, wobei ich mir natürlich Zeit ließ. Die zweite Partie zu dritt dauerte ca. 130 Minuten (hochgerechnet, weil wir an einem Punkte eine Pause machen mussten und asynchron weiterspielten). In dem Zusammenspiel gefällt mir sehr gut herauszulesen, welche Aktionen die Mitspieler wohl machen werden, von denen ich profitieren kann bzw. umgekehrt selbst Aktionen zu wählen, für die meine Mitspieler keine aktiven Arbeiter, keine Güter, kein Geld etc. haben.

Ich bin froh, das Spiel bei Boardgamearena ausprobiert zu haben. Bei Tabletopia (oder real) wäre mir der Verwaltungsaufwand, vor allem für den Automa, viel zu viel gewesen. Ansonsten handelt es sich um ein sehr gutes Eurogame, das ich sehr gerne wieder mitspielen werde. Für einen eigenen Kauf reicht es bei mir aber nicht, dafür ist es mir zu unthematisch.

Carnegie (Boardgamerena online)
Carnegie (Boardgamerena online)

Wertung: (8,0)

Anachrony (Mindclash Games, 2017)

Das Thema von „Anachrony“ ist etwas komplizierter, wie das oft bei Zeitreise-Aspekten der Fall ist. Auf das Essentielle heruntergebrochen: Die Erdbevölkerung wurde durch eine Explosion vor Hunderten von Jahren nahezu ausgelöscht. Die Überlebenden teilten sich in vier Gruppen auf – und experimentieren mit Zeitreisen. Denn ein Asteroid rast auf die Erde zu und könnte alles Leben komplett auslöschen. Seltsamerweise scheint die Energiesignatur des Asteroiden der Explosion hunderte Jahre zuvor zu entsprechen.

Mechanisch handelt es sich um ein Arbeitereinsetzspiel. Es gibt zwei Bereiche dafür: Zum einen die Hauptstadt, in der ich mit meinen Mitspielern um die begehrten Plätze buhle. Zum anderen meinen lokalen Bereich, der aus 4x3 Feldern für Gebäude besteht. Gebäude und neue Arbeiter erhalte ich in der Hauptstadt. Die lokalen Gebäude verschaffen mir meist Ressourcen wie Titan, Gold, Uran, Neutronium (vom Asteroiden), Energie oder Wasser, auch wenn die Ressourcen im Spiel – wie bei vielen Eurogames – irgendwann zu generischen Farbwürfeln degradiert werden. Da brauche ich für den Bau eines Gebäudes eben nur 2 grüne Würfel, 2 schwarze und 1 gelben und 2 Wasser. (Wasser wurde nicht durch Würfel dargestellt, sondern durch Wassertropfen, sodass wir ganz automatisch immer bei der thematischen Wortwahl blieben.) Für den Einsatz in der Hauptstadt muss ich die Arbeiter in Exosuits (von uns auch „Mechs“ genannt, weil wir Exosuit nicht korrekt aussprechen konnten) stecken, die ich noch vor dem Arbeitereinsatz einplanen und mit Energie versorgen muss. Viele Aktionsfelder haben dabei die Bedingung, dass nur bestimmte Arbeitertypen (Ingenieur, Forscher, Verwalter, Genie) diese nutzen können.

Den Ausbau des eigenen Tableaus mit Gebäuden habe ich letztens erst in „Carnegie“ wiedergesehen. Mir gefällt das, weil ich mir dann selbst meine Aktionsfelder zusammensuchen kann, wie ich das für richtig halte. Ebenfalls gefallen haben mir die gemeinsamen Aktionsfelder in der Hauptstadt. Aufgrund der Beschränkung der Felder kamen wir uns zu zweit sehr oft in die Quere – was bei einem Arbeitereinsetzspiel den Reiz ausmacht. Beides zusammen führte aber zu einem seltsamen Rundenablauf: Zuerst stürzten wir uns mit unseren Mechs auf die Hauptstadt-Felder. Das war hoch-interaktiv, frustrierend und spaßig. Und danach setzten wir die restlichen Arbeiter, soweit es noch möglich war, auf unserem lokalen Tableau ein. Das war reines Solitär-Puzzeln und mir war absolut egal, was mein Mitspieler macht. Das ist ungewohnt für ein Arbeitereinsetzspiel, denn meist leben diese von der Behinderung und Aktionsknappheit. Ich gebe zu, dass mich das etwas gestört hat. Es fühlte sich für mich wie zwei Arbeitereinsetz-Mechanismen an, die irgendwie nicht richtig zusammenpassen.

In der Hauptstadt gibt es die wichtigen Felder, um das eigene Tableau mit Gebäuden zu erweitern oder auch neue Arbeiter anzuheuern. Da ich die Arbeiter nicht ernähren muss, bietet es sich an, viele davon zu haben. Zu viele ist aber nicht sinnvoll, denn wenn ich keine Mechs oder lokalen Aktionsfelder habe, kann ich diese nicht alle gleichzeitig einsetzen. Da die Arbeiter nach dem Einsatz meist erschöpft werden (analog zu „Nah und Fern“ – ich versuchte auch ständig die Arbeiter auf die Rückseite zu drehen, aber sie waren beidseitig gleich bedruckt), ist ein kleiner Überhang an Arbeitern nicht schlecht. Aber prinzipiell läuft es optimal, wenn ich alle Arbeiter einsetzen und sie nächste Runde wieder aufwecken kann. Diese Optimierung zwischen Arbeitern und Aktionsfeldern erinnerte mich auch stark an „Dice Hospital“, bei dem mir dieser Aspekt schon gefallen hat.

Anachrony
Anachrony

Der Zeitreise-Aspekt ist durch eine variable Zeitleiste umgesetzt, die gleichzeitig auch die Rundenanzahl angibt. In jeder Runde können die Spieler sich Ressourcen nehmen, die sie später zurückzahlen müssen. Solange ich mir in der Vergangenheit etwas ausgeliehen und noch nicht zurückgezahlt habe, erhalte ich Anomalie-Marker. Habe ich zu viele davon, muss ich einen Gebäudeslot abdecken, was mich ein klein wenig blockiert und mir Minuspunkte bringt. Richtig neu ist das nicht, denn es handelt sich um ein simples Kredit-Zins-Tilgungs-Prinzip. Also nichts anderes als zum Beispiel in „Prêt-à-Porter“, in dem ich Geld als Kredit aufnehmen kann und den irgendwann zurückzahlen muss oder Strafzinsen dafür zahle. In „Anachrony“ wurde dies nur erweitert für Ressourcen und sogar Arbeiter.

In unserer Partie nutzten wir diese Mechanik der Ressourcen-Ausleihe nur spärlich. Anfangs kam mir die Bestrafung mit Anomalie-Markern und blockierten Gebäudeslots sehr groß vor. Nach der Partie dachte ich mir, dass ich viel mehr darauf hätte gehen müssen, um gewinnen zu können. Grund ist, dass es eine Siegpunktleiste gibt für Zeitsprünge in die Vergangenheit (über bestimmte Gebäude), bei denen ich dann eine der ausgeliehenen Ressourcen zurückzahle. Ich hatte ein anderes Gebäude, womit ich die Ressourcenmarker ohne Zeitreise (und ohne Rückzahlung der Ressource) einfach ablegen konnte. Im Nachhinein war dies aber ein Fehler, denn so ging ich auf der Zeitsprung-Siegpunktleiste keinen Schritt vorwärts.

Wichtig ist auch, dass in dieser Zeitleiste nach vier Runden der Asteroid „entdeckt“ wird und die Spieler nur noch drei Runden Zeit haben, um von der Erde zu fliehen. Genau genommen handelt es sich bei der Flucht aber nur um ein neues Aktionsfeld, auf das ich mich mit einem Mech setzen kann, um Punkte zu machen. Wofür es Punkte gibt, steht auf meinem ausgewählten Charakter. Das war bei uns sehr generisch: Punkte für ein Paar aus Ressource plus Arbeitertyp. Durch diese generischen Aufgaben fiel das Thema für mich völlig hinten runter. Insgesamt haben die vier unterschiedlichen Fraktionen, in welche die Menschheit zersplittert sind, in unserem Spiel kaum Auswirkungen gehabt. Natürlich gibt es andere Startressourcen und die zwei gewählten Charaktere haben Spezialfähigkeiten, aber die waren mir einfach zu abstrakt. Unterschiedliche Fraktionen in dieser Art (Erde, Himmel, Wasser etc.) kenne ich bereits aus „Euphoria“. Dort kommen die Völker aber besser zum Tragen, da das ganze Spiel und das Spielbrett auf die vier Fraktionen zugeschnitten ist. Da fand ich schade, dass ich in „Anachrony“ nie das Gefühl hatte, den Pfad der Harmonie (Pflanzen) beschritten zu haben.

Die Spieldauer finde ich für das, was „Anachrony“ mir geliefert hat, etwas zu lang. Sicherlich lag das an der Erstpartie, aber 2 1/2 Stunden für ein Zweispieler-Spiel – wo das Spiel selbst 30 Minuten pro Spieler angibt – ist sehr viel. Auch die Erklärung dauerte seine Zeit: Nach ca. einer Stunde konnten wir erst loslegen. Daran sieht man auch, dass „Anachrony“ kein Leichtgewicht ist. Dávid Turczi hat aber bereits bei anderen Werken wie „Tekhenu“ oder „Tawantinsuyu“ gezeigt, dass er es komplex und verzahnt mag.

In Summe bleibt für mich eine durchwachsene Erfahrung. Das lag auch an der (mir fehlenden) Übersicht. Denn in der vorletzten Runde hatte ich schon geplant, meine Leute von der Erde fliehen zu lassen. In der letzten Runde bemerkte ich, dass ich mir keine Siegpunkte dafür genommen hatte – und zwar, weil ich die Aktion gar nicht ausgeführt hatte. Dummerweise hatte ich meine Ressourcen, die ich zum Punkten benötigt hätte, schon fast alle ausgegeben, weil ich gedacht hatte, ich bräuchte sie nicht mehr. Das war sehr ärgerlich! Mit 47:71 habe ich also mit weitem Abstand verloren. Ich würde „Anachrony“ nach der Erstpartie gerne noch einmal zu dritt oder viert spielen. Am besten mit Personen, die das Spiel kennen, denn noch einmal eine einstündige Spielerklärung will ich mir nicht geben.

Anachrony
Anachrony

Wertung: (7,0)

New York Zoo (Feuerland Spiele, 2020)

In „New York Zoo“ versuchen wir einen Zoo aufzubauen und Kängurus, Pinguine und Flamingos in passende Gehege zu setzen. Das Spiel stammt von Uwe Rosenberg und ist ein weiteres Puzzle-Spiel mit Polyominos (tetrisartige Plättchen).

Der Spielablauf ist sehr einfach und erinnert an „Patchwork“: In einem Kreis liegen die Polyominos oder jeweils zwei Tiere aus. Ich wähle von der aktuellen Position (definiert durch einen Elefanten) eines der nächsten vier Felder aus, setze den Elefant dorthin, nehme mir dann das Polyomino bzw. zwei Tiere und baue diese in meinen Zoo ein. Ab und an läuft der Elefant über ein „Paarungssymbol“, zu dem nur die abgebildete Tierart Nachwuchs bekommt (wie in „Agricola“). Von der Tierart müssen mindestens zwei Tiere in einem Gehege stehen. Und es dürfen maximal zwei Gehege Nachwuchs bekommen. Danach darf ich in einem weitere Gehege noch einmal Kinder bekommen. Wenn ein Gehege voll mit Tieren ist, werden diese bis auf ein Tier abgeräumt und ich erhalte als Belohnung eine Zoo-Attraktion, die ich in meinen Zoo einbaue. Wer zuerst alles voll gebaut hat, hat gewonnen.

Ich fang mit dem positiven an: Die Tierfiguren sehen sehr hübsch aus. Das war's leider auch schon. Ich habe den Spielreiz in „New York Zoo“ leider nicht gefunden. Zu zweit dauerte es bei uns ca. 60 Minuten und für eine Stunde trägt das Spiel einfach nicht, denn es gibt keinerlei Spannungsbogen, da ich immer das gleiche mache: Elefant bewegen, Gehege nehmen, Tiere nehmen und einbauen, irgendwann vermehren sie sich, Gehege ist voll, Gehege leeren und von vorne starten. Ich habe nicht verstanden, worin in dieser einstündigen Wiederholung der Spielreiz liegen könnte.

Aber nicht nur ohne Spannung kommt das Spiel daher, auch das Thema ist aufgesetzt. Dass ein alleinstehendes Tier keinen Nachwuchs bekommt, ist logisch. Aber wenn ich in drei Gehegen Erdmännchen stehen habe, wieso bekommen nur zwei Gehege Nachwuchs? Und wieso darf ich nach dem Nachwuchs in einem weiteren Gehege Nachwuchs zeugen? Fühlen sich die Pinguine derart von der Erdmännchen animiert, dass sie gleich mitmachen wollen? Ich habe auch nicht verstanden, wieso ein volles Gehege geleert wird. Habe ich so viele Tiere im Zoo, dass ich diese auswildern muss – und dann als Ersatz für die Horde Pinguine ein Riesenrad hinbaue? Meist blieben die geleerten Gehege auch leer, denn es ist sinnvoller, neue zu bauen, um das Tableau voll zu bekommen. Und da auch die Mechanik des Spiels wie ein „Best of Rosenberg“ wirkt (Tiervermehrung aus „Agricola“, Plättchen und Zugmechanismus aus „Patchwork“), gibt es weder Spannung, noch konsistentes Thema, noch innovative Spielideen.

Wir spielten es online bei Tabletopia. Anfangs ließen sich die Tierfiguren sehr gut auf die Felder setzen. Aber spätestens beim Leeren eines Geheges war die Bedienung eher umständlich. Die Polyominos passten nicht richtig ins Raster und lagen manchmal aufeinander, sodass die Tierfiguren umfielen. Angeblich (laut einiger Reviews) ist dies in der realen Version aber ähnlich umständlich, wenn das Zootableau sehr vollgebaut ist und man dort etwas umherschieben will. Dann spielt man ungewollt Domino mit den Tierfiguren.

Für mich ist „New York Zoo“ also komplett durchgefallen. Als Familienspiel ist es vielleicht okay, aber die Spieldauer wäre mir dann zu lang und die fehlende Spannung bleibt. Und da ältere Rosenberg-Spiele die Mechaniken besser umsetzen, würde ich lieber zu diesen greifen als „New York Zoo“ noch einmal zu spielen.

New York Zoo (Tabletopia online)
New York Zoo (Tabletopia online)

Wertung: (5,0)