Das Problem
Da ich dieses Jahr „nichts Besseres zu tun hatte“, hatte ich mich entschieden, bei der Ubucon 2011 mitzuhelfen. Vorrangig wollte ich bei der Organisation der Vorträge und Workshops mitmachen, d.h. Referenten betreuen, „Raumplan“ erstellen etc., zumal ich so eine ähnliche Funktion bereits bei freiesMagazin inne habe.
Ich kann nach dem halben Jahr Arbeit besten Gewissens sagen: Noch einmal werde ich das nicht machen. Nicht, dass es extrem viel Arbeit war, aber die Gesamtorganisation der Ubucon ist so durcheinander, dass es mich im Nachhinein wundert, dass überhaupt eine Veranstaltung daraus geworden ist. Auf der anderen Seite kann ich so auch definitiv verstehen, dass die Hauptverantwortlichen aus dem letzten Jahr dieses Jahr nicht mehr mitmachen wollten. Dummerweise hat man dabei aber vergessen, das Zepter an einen Nachfolger zu übergeben.
Mangelnde Verantwortung
Worum geht es konkret? Vorrangig wurde die Organisation über die Mailingliste und das ubuntuusers-Wiki geplant. Für mich war der erste Punkt schon schlecht, da ich aus persönlichen Gründen grundsätzlich nicht auf Mailinglisten schreibe. Das ist aber mein Problem und nicht das der Organisatoren. Ein größerer Nachteil ist vielmehr, dass (ich denke, dass) nur ein Bruchteil der deutsche Ubuntu-Community die Mailingliste kennt bzw. auf ihr angemeldet ist. Wieso die Absprachen nicht in einem modernerem Medium wie einem Forum stattfinden, kann ich nicht verstehen. (Es sei angemerkt, dass nur ich ein Forum für ein moderneres Medium halte. Es gibt keine wissenschaftliche Erkenntnis, die beweist, dass die Mithilfe bei der Kommunikation über ein Forum besser ist als bei einer Mailingliste. Ich finde aber, es käme mal auf einen Versuch drauf an …) Auf viele Anfragen auf der Mailingliste wird oftmals von niemanden reagiert. Nicht nur in Bezug zur Ubucon, sondern auch auf andere Einträge bzgl. Messe und Community.
Das zweite Problem ist die Verantwortlichkeit. Auf die Frage meinerseits, wer denn für die gesamte Ubucon verantwortlich ist, hieß es von mehreren Seiten „ich nicht“. So richtig wollte sich niemand diesen Hut aufsetzen. Das führt dann auch dazu, dass Dinge nicht oder nur spät und dann nicht richtig erledigt werden (siehe unten). Gleiches gilt für viele andere Aufgabenbereiche auch. Nach außen hin ist es absolut intransparent, wer für etwas zuständig ist. Bei einer Frage kann man sich nur an die Mailingliste wenden und hat keinen konkreten Ansprechpartner. Diese Aussage gilt vorrangig für die Anfangszeit der Ubucon-Planung in April bis Juni, bevor auf der Webseite die E-Mailadresse für die verschiedenen Ansprechpartner veröffentlicht wurde. (Wobei dies auch nur Makulatur war, denn im Endeffekt landeten die E-Mails alle in einem Ticketsystem, siehe unten). Die späte Veröffentlichung der Kontaktseite lag im Übrigen daran, dass niemand dafür verantwortlich sein wollte, die Adressen einzurichten. Ein zuständiges Ubucon-Webteam gibt es nicht bzw. gab es nur halbherzig. Fragen an das Webteam/Serverteam mussten wieder nur allgemein an die Mailingliste gestellt werden und blieben dann mehr oder weniger unbeantwortet. (Hinweis: Die Mailingliste ist nur für Mitglieder einzusehen – was aus Gründen der Offenheit schlecht finde, aus Gründen des Datenschutzes sehr gut. Ich kann somit aber keine Referenzlinks angeben, die meine Aussagen untermauern.) Das heißt, man erhielt ggf. eine Antwort, dass eine Aufgabe irgendwann vielleicht erledigt wird, wenn sich die Zeit ergibt. Die Zeit ergab sich meistens nicht.
Dies war auch etwas, was mir extrem missfallen hat, wenn ich gefragt habe, wer denn zum Beispiel für den Webseiteninhalt verantwortlich ist. Es hieß dann, wie auch an anderer Stelle oft, „Alle bzw. jeder, der es in die Hand nimmt“ (privater E-Mailverkehr). Wie einige von Euch aber vielleicht wissen, ist „alle“ und „jeder“ gleichbedeutend mit „keiner“. Wenn niemand konkret angesprochen wird, ist es eher selten, dass sich jemand einer Aufgabe annimmt. Sehr oft denken die Helfer auch „Das macht ja schon jemand anderes.“ Bei der Webseite hat das dann dazu geführt, dass ich mir mit einer anderen Person diese vorgenommen und mit Inhalt befüllt habe. Sonst hätte es wirklich niemand gemacht. Auf der uu-Wikiseite hatte sich zwar jemand für diese Aufgaben eingetragen, im Endeffekt aber nichts gemacht und auch auf Privatnachrichten nicht mehr reagiert.
Dies ist dann auch schon ein weiteres Problem der Nicht-Verantwortlichkeit: Es gibt niemanden, der sich darum kümmert, dass alle Teilbereiche (zusammen)arbeiten. Ich kam mir bei der Arbeit an der Webseite und der Betreuung der Referenten nicht wie ein Teil eines großen Organisationsteams vor, sondern eher wie jemand, der alleine vor sich hinwerkelt. Auf die gleiche Art haben (vermutlich!) auch die anderen Gruppen gearbeitet. Das erinnert mich dann an die Bergleute, die von zwei Seiten einen Eisenbahntunnel in einen Berg graben. Und wenn sie Glück haben und die Berechnungen stimmen, treffen sie sich sogar in der Mitte. (Falls nicht, ist die Strecke zweigleisig.) Wie gesagt, bin ich umso mehr beeindruckt, dass die Ubucon zustande kam.
Wozu führte das also? Wie im Januar geschrieben, gab es auf den Servern einen Datencrash und alle Informationen der vorherigen Ubucons landeten im Nirvana. Das war tragisch, da auch die meisten Schulungsunterlagen etc. damit verloren waren. Daran war aber nichts zu ändern. Leider hat die (wie gesagt nicht vorhandene Ubucon-Organisation) versäumt, den Server wieder herzustellen. Erst im Mai (als die Planung für die Ubucon 2011 im Gange und man den Call for Papers starten wollte) wurde von einer Person eine Drupal-Installation eingerichtet. Dieses leider unter Zeitdruck, wie mir scheint, denn die Installation war und ist sehr unsauber. Der RSS-Feed geht bis heute nicht (zumindest nicht, wenn man das Icon in der Adressleiste des Browsers nutzt) und auch Anhänge konnte man anfangs auch nicht herunterladen. So konnten Referentenbilder nicht eingebunden und Vortragsunterlagen, die wir anbieten sollten, nicht angezeigt werden. Durch einen kleinen Workaround gelang es dann trotz fehlerhafte Installation, die Anhänge anzuzeigen. Aber auch hier gilt wieder, dass sich niemand wirklich für die Installation zuständig fühlte. Die Person, die Drupal einrichtete, zog sich aus Zeitmangel zurück (was ihr gutes Recht ist), es gab aber eben keinen Nachfolger oder anderen Ansprechpartner hierfür.
Schlechte Kommunikation
Ein großes Ärgernis meinerseits war und ist teilweise noch OTRS (lustigerweise gab es dazu sogar einen Vortrag auf der Ubucon). Diese Kanone der Prozessverwaltungssoftware wurde benutzt, um die Beiträge der Referenten und die Besucheranmeldungen (auch als Spatzen zu bezeichnen) zu verwalten. Zum einen arbeitet das System recht unintuitiv. Mit ein bissel Klickerei bzw. der (recht guten) Ticket-Suche kam man aber irgendwie doch zum Ziel. Was mich mehr gestört hat, war zum einen, dass das System den einfachen Prozess der Kommunikation stark verkomplizierte und zum anderen, dass das System auf unabhängige Bearbeiter ausgelegt ist. Dies führt bei Antworten auf eine Anfrage von Bearbeiter X an einen „Kunden“ (also z.B. ein Referent) dazu, dass Bearbeiter Y davon nichts erfahren hat. Aber nicht nur das, es wurde mir auch extrem schwer gemacht, dass ich überhaupt feststellen konnte, was mein Teamkollege so alles Neues bearbeitet hat. Im Endeffekt hat das dazu geführt, dass man sich doch wieder in einem anderen Medium wie IRC oder Jabber persönlich absprechen und synchronisieren musste. Ich mag mir nicht vorstellen, was passiert, wenn vier oder fünf Leute in einem Team (!) und nicht autonom mit OTRS arbeiten wollen. Ggf. war das System auch nur falsch konfiguriert.
Nach einem halben Jahr Arbeit bin ich zumindest am Ende, was die Verfolgung der Kommunikation angeht, mit OTRS doch noch einigermaßen zufrieden gewesen. Das heißt nicht, dass die Software nicht dennoch übertrieben für die Aufgabe ist, aber mit einer einfache Suche (ein richtiges Browsing gab es nicht) habe ich zumindest alle Diskussionsstränge schnell wieder gefunden. Ein simples IMAP-Konto hätte ich aber für wesentlich effektiver gehalten, wobei das auch nur meine Meinung ist. Wir kommen bei freiesMagazin damit sehr gut zurecht.
Bei OTRS zeigt sich aber auch ein weiterer Nachteil der Nicht-Verantwortlichkeit: Anfragen von Besuchern und Helfern bleiben liegen oder verschwinden im Nirvana. Ich habe mich bewusst für die Referentenbetreuung gemeldet, weil ich denke, dass ich das kann und weil es mir Spaß macht. In dem Ticketsystem landen aber auch E-Mails von Helfern, die z.B. Plakate aufhängen oder Flyer verteilen wollen. Da ich davon keine Ahnung habe (Gibt es überhaupt Plakate und Flyer? Wie kommen die dann zu den Helfern? Gibt es eine zentrale Verteilungsstelle?), kann ich demjenigen nicht kompetent antworten. Ich könnte nur auf die Mailingliste verweisen, was eigentlich witzlos ist (siehe oben), aber im Endeffekt musste ich das tun, sonst hätte derjenige nie eine Antwort erhalten. Wieso es also eine Helfer-Adresse gibt, die Helfer dann aber niemand betreut, ist sehr fraglich und zeigt wieder die fehlende Gesamt-Organisation.
Dies zeigt also auch, dass das Problem einer Ubucon nicht unbedingt fehlende Helfer gibt. Von diesen gibt es sicherlich einige. Aber es gibt niemanden, der die Helfer richtig betreut und organisiert. Im OTRS blieben sehr viele Dinge liegen und ich musste mich am Ende sogar bei manchen Leuten entschuldigen, weil andere Teamkollegen ihre Aufgabe nicht richtig wahrnahmen und nicht antworteten. Diese Verzögerung gibt es im Übrigen bei freiesMagazin auch und ist völlig normal, da nicht alle Menschen 24/7 am PC sitzen (ich ja auch nicht). Wenn aber bei freiesMagazin ein Autor oder Leser innerhalb von 48 Stunden keine Antwort vom angesprochenem Redakteur bekommt, springt normalerweise ein anderer Redakteur ein und antwortet stattdessen. Dies klappt aber nur, wenn die anderen Teamkollegen von dem Versäumnis erfahren – was wie oben geschrieben bei OTRS nicht der Fall war. Ich musste also aktiv nach offenen Vorgängen suchen, um zu sehen, ob noch Antworten ausstehen.
Aber selbst wenn man einige Leute mit der Nase auf eine Arbeit stieß (indem man ihnen ein Ticket zuwies mit der Bitte um Bearbeitung), reagieren sie nicht darauf. Dies tut mir für die Leute die eine Frage gestellt habe, extrem leid. Es ist also kein Wunder, dass ich auf der Ubucon mehrfach betont habe, dass ich nicht zur Ubucon-Organisation gehöre, da ich auf so eine Teamzugehörigkeit alles andere als stolz sein könnte.
Das End' vom Lied
Mein Fazit: Die Ubucon macht Spaß – aber nicht, wenn man mithelfen will. Sollte es nächstes Jahr wieder eine Ubucon geben, werde ich meine Vorträge vorbereiten und halten und auch vor Ort aushelfen, wenn es nötig ist und ich die Zeit dafür habe. Aber im Vorfeld werde ich mich wahrscheinlich dezent zurückhalten, das lief dieses Jahr einfach zu abschreckend unorganisiert ab. Für mich war es frustrierend, wenn man eine Anfrage an andere Teammitglieder stellt und keine Antwort bekommt. Noch frustrierender war es aber, wenn jemand engagiert helfen wollte und man praktisch zusehen konnte, wie derjenige vergrault wurde, weil sich niemand um ihn kümmert.
Natürlich kommen jetzt sicherlich wieder einige auf die Idee: „Dann übernimm Du doch die Hauptorganisation.” Ehrlich gesagt würde ich das, wenn ich vorgeben könnte, wie gearbeitet wird. Das wäre dann aber etwas straffer und organisierter als es heute der Fall ist. Und das würde dazu führen, dass ich Leuten in den virtuellen Hintern trete. Und wenn jemand seine Aufgabe, für die er sich freiwillig gemeldet hat, nicht erledigt, fliegt er aus dem Team und jemand Kompetentes nimmt die Stelle ein, wenn es diesen denn gibt. Das mag hart klingen für ein Community-Projekt, aber nur so klappt die Organisation vernünftig.
Einige Leute verwechseln die freiwillige Arbeit in einem Community-Projekt nämlich gerne damit, dass es ihnen freigestellt ist, etwas zu tun oder nicht. Das ist falsch! Wenn man sich für etwas meldet, sollte man dies auch erledigen. Vor allem, wenn man nicht gezwungen wurde, eine Aufgabe zu übernehmen, sondern sich freiwillig gemeldet hat. Ich kann einfach nicht verstehen, wie man die anfallende Arbeit und Aufgaben dann einfach liegen lassen kann.
Die meisten Open-Source-Projekte gehen im übrigen so vor, dass es einen oder mehrere Entscheider gibt (ggf. demokratisch gewählt), die die Richtung des Projektes vorgeben. Es ist eher selten, dass es ganz viele Projektmitglieder gibt, aber niemanden, der sie organisiert. Bei Anonymous mag das funktionieren, die Ubucon ist aber anders. Und wieso es bei der Ubucon nicht möglich sein soll, dass es einen Chef gibt, verstehe ich nicht so recht.
Ich möchte am Ende dennoch Torsten für die großartige Zusammenarbeit bei der Referentenbetreuung und Webseitengestaltung bedanken. Wir haben zusammen einige Klippen umschifft, die uns die Drupal-Installation vorgelegt hat, und waren manchmal auch gemeinsam über die nicht vorhandene Ubucon-Organisation frustiert. Das hat es am Ende zumindest leichter gemacht, den Ärger gemeinsam zu bewältigen und weiter zu machen.