Spielbericht vom Auryn 2016
Jedes Jahr findet in Böblingen im Waldheim ein Spielefest statt, das Auryn 2016. 48 Stunden lang kann man von Freitag bis Sonntag zahlreiche Spiele austesten, viel Spaß haben und viel essen. Veranstaltet wird das Ganze vom Spieleverein FsF e.V. (Verein zur Förderung spielerischer Freizeitaktivitäten).
In dem Artikel will ich ein paar der Spiele vorstellen, die ich gespielt habe.
Aufbruch zum roten Planeten
Aufbruch zum roten Planeten ist ziemlich neu in Deutschland und erst vor drei Monaten bei Heidelberger erschienen. Jeder Spieler hat ein gleiches Set von Handkarten, die verschiedene Personen/Berufe und damit unterschiedliche Aktionen darstellen. Alle wählen gleichzeitig geheim eine Karte. Dann wird von 9 bis 1 heruntergezählt und nach ein nach die jeweilige Personenkarte mit der richtigen Nummer aufgedeckt. Dabei gilt: Je niedriger die Nummer, desto mächtiger ist die Aktion, aber umso später kommt man auch dran.
Unter den Aktionen ist per Standard, dass man ein oder zwei seiner Astronauten auf eines der zahlreichen Raumschiffe setzen kann, die in Richtung Mars unterwegs sind. Jedes Schiff landet dabei auf unterschiedlichen Regionen des Planeten. Nach einer gewissen Anzahl Runden gibt es eine Auswertung, wer in welchem Gebiet die Mehrheit an Astronauten hat und somit die jeweiligen Kristalle ernten kann, die dort wachsen und die am Ende des Spiels Siegpunkte wert sind. Zusätzliche Auftragskarten bringen noch etwas mehr Variabilität rein.
Das Spiel hat notwendigerweise einen hohen Interaktionsgrad. Raumschiffe können zerstört werden. Astronauten verschwinden im Nichts (wo sie natürlich nicht sterben, sondern glücklich weiterleben). Raumschiffe landen nicht zwingend an dem Ziel, das sie ursprünglich anvisiert hatten. Der Ärgerfaktor ist also hoch und darauf muss man sich einlassen. Man kann das Spiel nicht durchplanen und ähnlich wie bei Broom Service kann die gewählte Aktion sogar komplett verpuffen und nichts Sinnvolles einbringen.
Da die Personenkarten gleichzeitig ausgewählt werden, ist die Downtime recht gering. Einzig beim Runterzählen kann es sein, dass man etwas länger warten muss – vor allem, wenn man eine niedrige Nummer gewählt hat. Ansonsten spielt sich das Spiel aber recht schnell und macht viel Spaß. Aber: Ich würde es mir nicht kaufen. Dafür fehlt mir einfach das gewisse Etwas. Aber ich spiele es gerne wieder mit.
Stadt der Spione
Stadt der Spione wiederum würde ich mir kaufen. :D Ebenfalls von Heidelberger und ebenfalls sehr neu war mir das Spiel aber bis zum Spielefest total unbekannt. Nachdem wir uns in die Regeln eingearbeitet hatten (leider kannte niemand der Erklärer das Spiel), hatten wir in der erste Runde immer noch keine Ahnung, was wir eigentlich tun. Und dann fiel der Groschen …
In „Stadt der Spione“ hat jeder Spiele am Anfang die gleichen Charakterkarten auf der Hand. (Nein, ich schreibe nicht von „Aufbruch zum roten Planeten“ ab …) Diese eigenen Spione kann man auf die sechs unterschiedlichen Schauplätze schicken, um den dort befindlichen neutralen Spion für die eigene Seite zu rekrutieren. Damit es lustiger ist, legt man in der Regel die Spione geheim hin. Das heißt: Niemand weiß, welchen Spion man gelegt hat, welcher Stärke oder Spezialfähigkeit dieser hat. Ist es ein starker Charakter (die Seite mit dem größten Stärkewert rekrutiert den neutralen Spion) oder hat er als Spezialfähigkeit, erst einen anderen Spion auszuschalten? Glücklicherweise geben die drei bis unterschiedlichen Orte an den sechs Schauplätzen, die Möglichkeit unter die geheim gelegten Spionkarten der anderen Spieler zu schauen.
Nachdem alle Spieler gelegt haben, arbeitet man einen Schauplatz nach dem anderen ab. Dies führt dazu, dass sich ggf. auch Veränderungen an den angrenzenden Schauplätzen ergeben und dort Stärke-Mehrheiten verschoben werden. Auf die Art ergibt sich ein hoch-interaktives und spannendes Bluff-Spiel. Da das auf Dauer aber auch nicht so unterhaltsam wäre, wählt am Ende jeder Runde die sechs Spione aus, die man in die nächste Runde mitnehmen will. Die anderen werden in den Ruhestand geschickt. Auf die Art spielt man einige Runde, sodass man am Ende des Spiels die Spione auf der Hand hält, die zum einen die meisten Siegpunkte aufgedruckt haben und zusätzlich am besten noch die meisten Ziele erfüllen.
Wie erwähnt, hatte ich vorher noch nie von „Stadt der Spione“ gehört. Umso erstaunter war ich, was für ein sehr gutes, interaktives und spaßiges Spiel der Verlag mesboardgames damit veröffentlicht hat. Das ist auch der Grund, wieso ich „Aufbruch zum roten Planeten“ nicht kaufen werden, dafür aber „Stadt der Spione“ auf meiner Liste stehen habe.
Kodama
Kodama ist ebenfalls neu, aber gibt es bisher noch nicht auf Deutsch. Ich habe es per Zufall in einem Spieleforum erstanden, weil ich die andersartige Spielidee so großartig fand.
In Kodama lassen wir einen Baum wachsen. Jeder Spieler hat eine Baumstammkarte vor sich liegen. Danach wählt man von vier ausliegenden Astkarten reihum eine Karte aus und lässt seinen Baum damit wachsen, indem man die Karte an seinen Baumstamm anbaut. In folgenden Zügen kann man natürlich auch bestehende Äste weiter wachsen lassen. Für jede gelegte Karte gibt es Punkte in Anzahl der abgebildeten Symbole auf der Astkarte (Würmer, Glühwürmchen, Sterne, Pilze, Blumen), die in einer ununterbrochenen Linie Richtung Stamm abgebildet sind. Das klingt komplizierter als es ist … am kompliziertesten am Spiel ist immer noch die Siegpunktleiste, die mit zwei Markern, die Einer- und Zehnerstellen darstellt. Vor allem bei den Überträgen kommt man ständig durcheinander.
Aus Versehen spielten wir das Spiel zu sechst und wunderten uns, dass die Astkarten nicht für alle Spieler ausreichten. Insgesamt hat es aber sehr viel Spaß gemacht und obwohl es um Siegpunkte gibt, steht das hübsche Baum bauen im Vordergrund. Als Entspannungsspiel ist Kodama also sehr gut geeignet.
Codenames-Dixit-Mashup
Codenames Pictures steht bereits in den Startlöchern und wird in Essen im Oktober erscheinen. Wer nicht so lange warten will und gerne Knoten im Hirn hat, kann sich ja an einem Codenames-Dixit-Mashup versuchen. Anstelle der 25 Begriffe, legt man 25 Dixit-Karten (oder Mysterium-Karten, wenn es darum geht) aus und versucht diese zu sinnvollen Oberbegriffen zu verbinden.
Funktioniert das? Ja, schon irgendwie. Macht es Spaß? Mir nicht. Wieso nicht? Weil die Dixit-Karten zu viel abbilden. Man muss als Erklärer sehr lange nachdenken, ehe man überhaupt eine Verbindung sieht – die dann wiederum auf anderen Karten aber auch vorkommen kann. Manchmal passt es sehr gut, insgesamt hat mich die Wartezeit aber schon gestört.
Wichtig: „Codenames Pictures“ hat wesentlich einfacherer Grafiken, die zwar auch mehrere Dinge zeigen, aber nicht so interpretationsfähig sind wie Dixit. Dennoch: Wer es mal versuchen will und beide Spiele daheim hat, kann sich an einem Codenames-Dixit-Mashup versuchen.
Sushi Dice
Ich mag keine Geschwindigkeitsspiele – vor allem, weil ich so langsam bin. Daher ist Sushi Dice auch nicht so recht das Wahre für mich. Jeweils zwei Spieler würfeln um die Wette und versuchen ein bestimmtes Sushi-Gericht „herzustellen”. Die anderen Spiele passen auf und wenn beide Spieler gleichzeitig ein bestimmtes Symbol würfeln, können die Außenstehenden reinrufen und die Spieler wechseln.
Durch das Aufpassen und Reinrufen sind alle Spieler involviert, auch wenn nur zwei aktiv etwas tun. Daneben spielt es sich sehr schnell, dennoch muss ich nicht zwingend wieder mitspielen. Wenn es um Sushi geht, bevorzuge ich das für mich bessere Sushi Go.
Krazy Words
Krazy Words steht auf der Empfehlungsliste zum Spiel des Jahres. Das ist auch der Grund, wieso ich es mir zugelegt habe – und ich wurde nicht enttäuscht. Die Spieler ziehen Erklärungskarten („Etwas Glitschiges“, „Ein anderes Wort für Tierarzt“ etc.) und dazu noch drei Vokale und sechs Konsonanten. Aus den neun Buchstaben muss dann jeder Spieler ein Wort legen, das es (im Deutschen) nicht gibt. Alle Erklärungskarten werden zusammengewürfelt und vorgelesen und die Spieler müssen die gelegten Wörter den Erklärungen zuordnen, wofür es Punkte gibt.
Aber wer ahnt es nicht? Die Punkte sind irrelevant. Krazy Words spielt man, um zu Lachen und Spaß zu haben und nicht, um zu gewinnen. Aus dem Grund kommt das Spiel wie andere „Partyspiele“ in unterschiedlichen Gruppen auch anders an. In einer Gruppe, die sonst immer Hardcore-Strategiespiele mit extrem viel Denkanteil spielen, kann es passieren, dass diejenigen versuchen, echte Wörter zu legen oder zumindest von der Lautschrift ähnliche. Aber auch hier gilt natürlich: Die Regeln einfach nicht zu eng interpretieren und schon kann auch das Spaß machen.
Insgesamt hatten wir auf dem Auryn sehr viel Spaß und haben Tränen gelacht bei einigen Wörtern. Viel lustiger als das direkte Zuordnung war noch zu den Wörter selbst Erklärungen zu suchen. Und es war erstaunlich, wie oft die Mitspieler einen Begriff mehrheitlich einer Erklärung zuordnen, weil sie dies einfach stärker assoziieren als die richtige Lösung.
Tiefseeabenteuer
Abschluss des ersten Abends war das Tiefseeabenteuer. Es erinnerte mich sehr stark an Celestia oder Willkommen im Dungeon, was hauptsächlich daran liegt, dass es ein Push-Your-Luck-Spiel ist, bei dem man die anderen mit ins Verderben reißen kann.
Die Spieler sind Taucher, die nach Schätzen tauchen. Mittels Würfelwurf rückt man auf der Leiste immer tiefer hinab. Irgendwann entscheidet man sich einen Schatz aufzuheben und ab jetzt beginnen die Probleme. Zum einen muss man beim Auftauchen pro Schatz, den man gerade trägt, einen Punkt vom Würfelwurf abziehen. Man ist also langsamer! Daneben verbraucht für jeden Schatz auch noch einen Sauerstoff. Das wäre nicht ganz so tragisch, wenn sich nicht alle Spieler einen gemeinsamen Sauerstoffvorrat teilen. Wenn der aus geht und man nicht in Sicherheit des Bootes ist, geht man leer.
Durch den gemeinsamen Sauerstoffvorrat gibt es notgedrungen einen hohen Grad an Interaktion. So reitet einen ein Mitspieler mit in den Untergang, weil derjenige zu gierig ist und versucht drei Schätze gleichzeitig zu heben. Als gieriger Mitspieler macht das natürlich auch Spaß und dennoch kann man es in Sicherheit schaffen.
Was mich etwas stört ist der recht hohe Zufallsfaktor. Es kann sein, dass jemand mit drei Schätzen unterm Arm schneller vorwärts kommt, wenn derjenige immer Sechsen würfelt, als jemand ohne Schatz, der dummerweise immer nur Einsen würfelt. Taktisch kann man hier auch nichts entscheiden. Irgendwann muss man auftauchen und wenn die Würfel nicht mitspielen, geht man eben unter. Das gefällt mir bei Celestia und Willkommen im Dungeon besser, da man zumindest nach dem Würfeln bzw. Ziehen einer Karte eine Möglichkeit der Entscheidung hat („Steig ich aus oder bleib ich dabei.”). Das fehlt mir bei Tiefseeabenteuer.
Oben und Unten
Am Sonntag hatte ich Standdienst und konnte daher nur ein Spiel mitspielen. Die Wahl fiel bereits am Vortag auf Oben und Unten. Ich hatte es zuvor nur einmal zu zweit gespielt und wollte es mal in voller Besetzung erleben.
In „Oben und Unten“ baut jeder Spieler ein Dorf aus, in denen Menschen leben. Die Startbevölkerung (bestehend aus drei Personen) kann neue Personen anheuern, das Dorf ausbauen oder auf ein Abenteuer in den Höhlen unter Grund gehen. Die Abenteuer funktionieren in der Art eines „Choose Your Own Adventure“-Spiels. Man würfelt und dann wird aus einem Buch eine kleine Geschichte vorgelesen. Hier kann man sich für verschiedene Proben entscheiden, die unterschiedlich schwer sind. Je nach Ausgang der Probe bekommt man eine Belohnung in Form von Gegenständen, die wiederum als Siegpunkte fungieren. Wenn man eine Höhle erkundet hat, kann man dort auch Gebäude bauen. Und so wächst das Dorf oben und unten.
„Oben und unten“ hat das Problem, dass die Zielgruppe nicht ganz klar ist. Für Strategen sind die zufälligen Proben mit ihren Würfelwürfen ein No-Go. Für Rollenspieler sind die Dorf-Aufbau-Entscheidungen wiederum nicht ganz passend und die Abenteuer auch zu langweilig und wiederholend. Aber: Mit der richtigen Gruppe macht es Spaß! Und wie ich festgestellt habe, gehören Kinder dazu. Wir haben das Spiel mit zwei Kindern (ca. 10) gespielt, obwohl das Spiel erst ab 14 ausgewiesen ist. Beide stritten förmlich darum, wer die Geschichten für die anderen Spieler vorlesen durfte. Das war zwar mitunter etwas holprig beim Vorlesen, hatte aber den Vorteil, dass die Kinder besser Lesen lernen konnten – und das sogar freiwillig. Und ohne, dass die Erwachsenen groß geholfen haben, konnte die Zehnjährige das Spiel sogar gewinnen.
Ich gebe zu, dass mir die Inklusion von Kindern am besten gefallen hat und ggf. entfaltet „Oben und Unten“ hierbei sein volles Potential. Als Spieler hätte ich mir natürlich auch etwas mehr Abwechslung gewünscht. In der Regel geht man einfach auf die Probe, die man am ehesten schaffen kann. Auswirkungen gibt es selten welche. Selbst eine Auflösung gibt nur selten. Nur ganz am Ende des Buches gibt es Abenteuer, bei denen man je nach Entscheidung, an einer zweiten oder dritten Stelle im Buch weiterlesen darf. Das würde ich mir für den Nachfolger Near and Far wünschen, sodass noch mehr Abenteuer mit ins Spiel kommt. Ich denke, dass man Kinder damit noch mehr begeistern kann.
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