Spielemesse in Stuttgart 2017
Wie fast jedes Jahr war ich auch 2017 wieder in Stuttgart auf der Spielemesse. An beiden Tagen war ich hauptsächlich am Stand des FsF e.V. aus Böblingen. Entweder um Spiele zu erklären oder selbst welche zu spielen. Vor allem einige der Neuheiten aus Essen, die ich dort nicht spielen konnte/wollte, konnte ich somit nachholen. Hier meine Eindrücke …
Azul
Azul besticht durch seine farbenfrohen und haptischen Plastiksteine. Und auch wenn man sich thematisch als portugiesischer Fliesenleger im Spiel wieder findet, ist es doch ein rein abstraktes Spiel.
Reihum wählen die Spieler in der Vorbereitungsphase von mehreren Plättchen á vier Fliesen alle gleichartigen Fliesen aus, die sie dann bei sich einbauen müssen. Nicht gewählte Fliesen wandern dabei in die Mitte, sodass dort langsam ein größerer Haufen entsteht. Wer zuerst Fliesen aus der Mitte nimmt – natürlich wieder alle gleichartigen – wird auch Startspieler, bekommt dafür aber einen Minuspunkt. Wenn man Fliesen nicht mehr in das eigene Tableau einbauen kann, fallen diese runter und gehen zu Bruch, was ebenfalls Minuspunkte gibt.
In der Wertungsphase baut man nun aus jeder vollständigen Reihe der Planungsphase exakt eine Fliese in den endgültigen Fliesenspiegel ein. Hierfür gibt es Punkte, je nach weiteren, angrenzenden Fliesen in der Reihe und Spalte. Zusätzlich gibt es Punkte für volle Reihen oder Spalten.
Azul ist schnell erklärt und spielt sich auch relativ schnell. Man kann zwar ein bisschen planen, was man bauen will, irgendwann bleiben aber nur noch Fliesen in der Mitte übrig, die man zwingend nehmen muss. Das kann im schlimmsten Fall echt daneben gehen, sodass eine Menge Fliesen zu Bruch gehen. Ebenso kann man einem Spieler natürlich auch die letzte Fliese wegnehmen, die diejenige zum Vervollständigen einer Reihe brauchte. Ansonsten kommt man sich aber eher nicht ins Gehege.
Für mich war das Spiel okay. Auch wenn die Spielsteine recht hübsch gestaltet waren, gibt es bessere, abstrakte Spiele wie z.B. Patchwork.
Bunny Kingdom
Wer wollte nicht schon immer mal mit Hasen ein Königreich erobern? In Bunny Kingdom kann man genau dies tun. Wobei „erobern“ vielleicht etwas übertrieben ist.
Jeder Spieler erhält 10 Handkarten. Hiervon sucht er zwei aus, die er ausspielen/behalten will und gibt den Rest weiter. Danach sucht er wieder zwei aus und so weiter bis alle Karten gespielt sind. Auf den Karten findet man entweder die Koordinaten des Brettspiels von A1 bis J10, auf denen man dann eines seiner Häschen platzieren darf, oder Siegpunktbedingungen für das Spielende. Auf die Art spielt man vier Runden. Am Ende jeder Runde gibt es ein Siegpunkt in Form von goldenen Möhrchen je nach Anzahl der Türme in einem Lehen (Zusammenschluss von mehreren benachbarten Gebieten) multipliziert mit der Anzahl unterschiedlicher Ressourcen in dem Lehen.
„Bunny Kingdom“ spielt sich einfach und sieht sehr niedlich aus. Das ist auch der Grund, wieso man es spielen kann. Aber es hat auch Nachteile: Zum einen ist die Auswahlzeit sehr hoch. Glücklicherweise wählen alle Spieler gleichzeitig ihre zwei Karten, aber es dauert wirklich sehr lange, dass man von 10 Karten genau die zwei herauspickt, die gut zur aktuellen Strategie passen. Schade ist, dass man keine Handkarten zurückhalten kann. Denn wenn man eine passende Karte einem Mitspieler vorenthalten will, muss man sie selbst ausspielen, was einem unter Umständen gar nicht passt. Und allgemein kann es sein, dass das letzte Kartenpärchen einer Runde einem ein Strich durch die strategische Rechnung macht. Aber in der Regel ist man mit seinem eigenen Hasenvolk selbst gut beschäftigt, dass man gar keine Zeit hat, auf den Nachbarn zu schauen.
Ansonsten spielt jeder eher vor sich hin und am Ende gewinnt jemand. Vor allem durch die Siepunktkarten kann man noch einmal enorm aufholen. Sollte man im Spiel mit den vier Zwischenwertungen nur auf 30 Punkte kommen, kann man durch die Endabrechnung gerne noch einmal 120 Punkte holen und an allen vorbeiziehen. Das ist recht nett, nur wer gerade vorne liegt, sieht man so nicht. Auf der anderen Seite beeinflusst man sich aber sowieso nicht, wie gesagt, sodass es relativ egal ist, wo die Gegner siegpunktetechnisch stehen.
Etwas kompliziert bzw. unübersichtlich ist das Werten der Lehen. Ggf. liegt es nur an mir, aber am Ende des Spiels war es echt nicht einfach zu sehen, wo das eine Lehen anfängt und das andere aufhört. Schade eigentlich, denn insgesamt will mir das Spiel Spaß machen. Es schafft es aber leider nicht ganz.
Clank! In! Space!
Auf Deutsch kam gerade erst Klong! (auf Englisch „Clank!“) heraus, da macht sich das Diebesvolk bereits mit Clank! In! Space! in den Weltraum auf. In dem Deckbauspiel geht es darum, auf einer Weltraumstation – oder irgendsowas – einen Schatz – oder irgendsowas – zu stehlen und schnell wieder zu entkommen – oder irgendsowas. Das Ganze findet auf einem nicht sehr intuitiv begreifbaren Spielplan statt und dann gibt es noch einen bösen Gegner, der einem Clanks! abnimmt und Schaden macht.
Okay, ich gebe zu, ich war ggf. nicht ganz bei der Sache, aber das Spiel hat mich auch leider gar nicht angesprochen. Das Spielbrett war für mich wirklich komplett unübersichtlich. Der Deckbauteil ist ein solitäres „Ich lege alle Karten hin und schaue, was passiert“. Insgesamt muss ich das nicht noch einmal spielen. Vielleicht ist das eher erdige Dungeon-Spiel besser, sollte ich mal dazu kommen, es zu testen.
Kitchen Rush
Nach den diversen Kochshows im TV war es ja nur eine Frage der Zeit, bis das Thema auch in einem Brettspiel verheizt wird (und ja, ich weiß, dass es andere Kochspiele wie À la Carte gibt ...) In Kitchen Rush sind wir eine Gruppe junger und energischer Restaurantbetreiber, denen jeweils zwei Angestellte in Form von Sanduhren untergeben sind. Mit diesen versuchen wir gemeinschaftliche den neuen Nobelschuppen am Laufen zu halten, was einfacher gesagt als getan ist. Einer muss sich um die neuen Gäste kommen und Bestellung aufnehmen, der nächste bringt die Bestellungen in die Küche, wo dann jemand in den Lagerraum rennen muss, nur um festzustellen, dass die Auberginen, äh, ich meine Fleischstücke ausgegangen sind. Also muss ein weiterer Arbeiter shoppen gehen und Nachschub besorgen, sodass der Teller richtig angerichtet wird. Dann noch schnell in die Küche flitzen, alles kochen – und am Ende der Runde feststellen, dass man das Salz am Essen vergessen hat und dafür Minuspunkte kassiert.
„Kitchen Rush“ vermittelt das hektische Gefühl einer Restaurantküche extrem gut. Die Gewürze befinden sich beispielsweise in einem Beutel. Nein, man zieht sie nicht per Zufall, aber allein das Rausfummeln fühlt sich wie der Griff in das heimische Gewürzregal an, bei dem verdammt noch mal wieder jemand die alphabetische Sortierung durcheinander gebracht hat. Die Hektik kommt natürlich auch daher, dass ein 4-Minuten-Timer (nicht beigelegt durch ein funktionstüchtiges Smartphone, welches der Besitzer des Spiels hoffentlich sein Eigen nennt) gnadenlos herunterläuft. Und wenn die Faulenzer von Angestellten dann nach jeder Aktion auch noch 27,69 (gestoppte!) Sekunden Auszeit nehmen wollen, wird es schon sehr eng mit der ganzen Planung.
Wir haben das Spiel zweimal gespielt. Einmal auf „Normal“ zu zweit – und versagten dabei gnadenlos. Wir waren nicht einmal ansatzweise in der Nähe der zu erreichenden Siegpunkte, erfolgreich ausgelieferten Gerichte oder angehäuften Geldes. Und einmal spielten wir es auf „Leicht“ zu viert – wo die Hektik aufgrund des Übereinandergreifens auf dem nicht arbeitsoptimal aufgebauten Spielbrett noch stärker ausbricht – und versagten immerhin nur, weil wir am Ende immer noch bei -1 Geld waren und +12 brauchten.
Ich bin unsicher, ob das man Spiel überhaupt gewinnen kann oder ob man es auch auf der leichtesten Stufe mehrfach gespielt haben muss, um ein eingespieltes Team zu sein. Aber selbst wenn man verliert: Es macht extrem viel Spaß! Das Durcheinander, die Hektik und das 4x4 Minuten lang. Nicht zu kurz und nicht zu lang, nach insgesamt 30 Minuten ist alles vorbei und jeder hatte Freude dabei. Super!
Aktuell gibt es das Spiel noch nicht auf Deutsch. Prinzipiell ist es bis auf die Gerichtenamen auf den Karten, einiger Bonuskarten und natürlich der Anleitung sprachneutral gehalten. Wer aber das volle Flair haben will, sollte auf eine deutsche Adaption warten. Ansonsten gibt's eine uneingeschränkte Kaufempfehlung.
Photosynthese
Eines der Hype-Spiel der Messe war Photosynthesis. Mit großen und bunten 3-D-Pappbäumen pflanzt man sich in einem Wald fort und versucht möglichst viel Licht zu ergattern. Blöd, dass die Sonne sich um die Welt bewegt (Galileo würde wohl widersprechen) und andauernd andere Bäume einem im Licht stehen. So kann man das Einheimsen der Lichtpunkte vergessen, denn nur mit denen kann man sich größere Bäume leisten bzw. diese entsprechend wachsen lassen.
Mit dieser Kurzerklärung ist auch alles gesagt. Das Spielprinzip ist thematisch und grafisch sehr schön umgesetzt. Es macht Spaß, seine Bäumchen wachsen zu lassen. Und es ist auch nicht Zufall, wo was wächst, sondern man kann taktisch und strategisch sehr gut vorgehen, um eine möglichst optimale Lichteinspeisung zu erhalten.
Problematisch scheint, dass wenn man ein paar Mal von den anderen in den Schatten gestellt wurde – man also wenig Lichtpunkte generiert hat – es kein Entkommen aus der Degenerationsspirale gibt. Ohne Lichtpunkte keine größeren Bäume und ohne größere Bäume keine Lichtpunkte. Das könnte dem einen oder anderen ggf. bereits nach der Hälfte der Spielzeit die Laune vermiesen.
Auf alle Fälle würde ich gerne noch einmal die Expertenvariante spielen, bei der nur die Bäume wachsen dürfen, die auch im Licht stehen. Das macht das Spiel noch taktischer, vermutlich werden kleine Fehler aber noch weniger verziehen.
Rajas of the Ganges
Als ich das Spielbrett von Rajas of the Ganges sah, musste ich sofort an Auf den Spuren von Marco Polo denken. Und das hat nicht damit zu tun, dass es in beiden Spielen eine Menge Würfel gibt.
In dem Arbeitereinsetzspiel versucht man Würfel zu ergattern, um diese zusammen mit den Arbeitern gegen Plättchen für den Ausbau des eigenen Tempel- und Marktableaus auszutauschen. Die Tempel geben Siegpunkte anhand einer ausbaufähigen Siegpunkteskala (erinnerte mich irgendwie an Tzolk'in) und die Märkte geben Geld. Beides zusammen verhilft einem zum Sieg. Denn es gewinnt die Person, die beide Leisten für Siegpunkte und Geld schnellstmöglich aufeinander treffen lässt – was natürlich nur einen Sinn ergibt, weil diese gegeneinander laufen.
Thematisch ist „Rajas of the Ganges“ leider völlig austauschbar. Wieso es Würfel gibt, die ich auf einer Kali-Statue sammel? Keine Ahnung. Warum ich die dann gegen Plättchen eintausche? Wurscht. Und dass mir Karmapunkte helfen, Würfel umzudrehen, ist mir egal, Hauptsache ich bekomme den besseren Wert. Aber das ist zu verschmerzen, denn sonst macht das Arbeitereinsetzwürfelverwaltungsplättchenlegeschiffszugpiel wirklich Spaß.
Zahlreiche Aktionen hängen zwar vom Würfelwert ab, aber glücklicherweise gibt es genügend Alternativen, was man machen kann. Dabei ist es eigentlich schade, dass sich die Arbeiter so selten in die Quere kommen, auch wenn ich mein Gegenüber bei meinen Zügen zahlreiche Male aufstöhnen hören habe. Auf der anderen Seite kann man so seine eigene Taktik verfolgen und stolpert nur manchmal über die gegnerischen Arbeiterbeine.
Klasse finde ich, dass nicht nur Geld oder nur Siegpunkte wichtig sind, sondern man prinzipiell viele Taktiken fahren (nur Geld, nur Siegpunkte oder eine Mischung aus beiden „nur“s) und damit auch gewinnen kann. Für mich war „Rajas of the Ganges“ jedenfalls eine echte Überraschung und nach „Kitchen Rush“ das zweitbeste Spiel der Messe.
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