Bericht von der SPIEL '19 in Essen – Mittwoch, 23.10. und Nachtrag, 29.10.
Der eine oder die andere wird sich wundern, ob die Spielemesse bereits einen Tag früher die Pforten geöffnet hat. Nein, hatte sie nicht bzw. hatte sie es doch genau genommen. Am 23.10. fand die Spiel-Preview-Night statt. Dort waren wir aber nicht, denn obwohl wir am Mittwoch anreisten, entspannten wir lieber in der Unterkunft und spielten am Abend gemeinsam. Das hatte den lustigen Effekt, dass wir erstmals Spiele zu einer Spielemesse mitbringen mussten, weil wir noch nichts gekauft hatten.
Zusätzlich haben wir uns direkt nach der Messe am Dienstag getroffen, um ein paar der neuen Errungenschaften auszuprobieren. Da ich die Spiele nach der Messe gespielt habe, zählen ich sie auch nicht zu meinen Highlights dazu, auch wenn sie sehr gut waren.
Manitoba (dlp games)
In „Manitoba“ sind die Spieler Häuptlinge von kanadischen Eingeboren-Clans. Über einen cleveren Aktionswahlmechanimus können die Spieler auf der kleinen Landkarte Ressourcen einsammeln, welche nach jeder Runde Siegpunkte bringen. Dazu kann jeder Spieler in vier „Fortschrittsbäumen“ voranschreiten und dadurch Boni freischalten. Clever an der Aktionswahl ist, dass es für jede Aktion farbige Scheiben, die übereinander gestapelt werden. Möchte ich als aktiver Spieler eine bestimmte Aktion ausführen, wähle ich die Scheibe, nehme den ganzen Stapel ab dieser Scheibe aufwärts und drehe ihn um, sodass meine gewählte Scheibe oben liegt. Als aktiver Spieler darf ich dann Ressourcen nehmen und auf dem Fortschrittsbaum passend zur Scheibenfarbe voranschreiten. Alle passiven Spieler dürfen nur eine der beiden Aktionen machen, dafür aber mit allen Scheiben, die unter meiner gewählten Scheibe liegen.
Die Aktionswahl fand ich wirklich gut, auch wenn es bei uns oft passierte, dass wir nur die oberste Scheibe vom Stapel nahmen, mitunter auch, um den Mitspielern keine zu steile Vorlage für eine Aktion zu bieten. Dadurch ist die Interaktion recht groß, auch weil alle Spieler in jedem Zug Aktionen ausführen können. Dass der Scheibenstapel einen Marterpfahl oder Ähnliches darstellen soll und deswegen ein Pappadler auf den Stapel gestellt wird, ist dabei aber mehr störend als praktisch. Wir haben den Adler jedenfalls nach zwei Runden beiseite gelegt. Die restlichen Komponenten und auch die Grafik des Spiels sind dagegen sehr schön.
Über die drei gespielten Jahreszeiten Frühling, Sommer und Herbst wirkte das Spiel für mich sehr wiederholend. Dadurch dass ich bei einer Wertung meine Ressourcen abgeben muss, stehe ich oft wieder wie am Anfang mit leeren Händen da und fange erneut an, Ressourcen zu sammeln. Die Boni von den Fortschrittsleisten sind hilfreich, ändern den Spielablauf aber nicht so groß, als dass es viel am Spiel ändert. Ärgerlich ist ein kleines bisschen der Zufallsfaktor, weil nur die aktuelle Jahreszeit mit ihren Zielen ausliegt. Was in der nächsten Jahreszeit gewertet wird und auf was man spielen und sammeln soll, ist völlig unklar.
Aus den zwei Gründen ist das Spiel zwar okay und ich spiele es vermutlich wieder mit, aber mir fehlt auch nichts, wenn ich es nicht noch einmal spielen kann.
Wertung:
Warpgate (Wolff Designa)
„Warpgate“ ist ein kleines Weltraum-Strategiespiel. Jeder Spieler verkörpert eine Rasse. Durch das Ausspielen von Karten kann ein Spieler entweder durch den Weltraum fliegen, Planeten besiedeln, gegen gegnerische Raumschiffe kämpfen oder Handel (mit dem Spiel selbst, nicht mit anderen Spielern) treiben. Für bestimmte Aktionen müssen bestimmte Planeten gehalten oder eingenommen werden, sodass der Area-Control-Aspekt eine große Rolle einnimmt.
Pro Runde hat jeder Spieler vier Züge und das Ausspielen einer Karte ist dabei an den Zug gebunden. Je später ich eine Karte spiele, desto stärker wird sie und ich kann mehr Schiffe setzen oder weiter fliegen etc. Das fand ich sehr gut, weil man so genau abwägen muss, wann man mit welcher Karte in welchem Zug eine Aktion ausführt. Leider gibt es pro Runde nur vier Karten aus dem Deck auf die Hand, sodass ich mitunter gar keine große Wahl hatte, was ich als Aktion machen konnte. Das schränkt mich schon etwas ein und ich hätte mir fünf Karten gewünscht, um auch beim vierten und letzten Zug eine Wahlmöglichkeit zu haben.
Wie bei „Manitoba“ kamen mir die Aktionen zu wiederholend vor. Irgendwann liegen auf jedem Planeten ein oder mehrere Schiffe. Dann reist jeder umher und es gibt Kämpfe, was ein ständiges Hin und Her bedeutet, bei mir aber keine richtige Stimmung aufkommen ließ. Obwohl es die Kämpfe und den Area-Control-Aspekt gab, fand ich die Interaktion eher gering. Wenn ich nicht gerade angegriffen wurde, war es mir egal, was meine Mitspieler machten.
Die Kämpfe wirkten für mich ebenfalls sehr zufällig. Bei einem Kampf zieht jeder Spieler zwei Karten von seinem Kampfdeck – das man auch mit besseren Karten aufwerten kann – und wählt eine Kampfkarte geheim aus. Die Karten haben Effekte und eine Kampfstärke, die mit der Anzahl der Schiffe multipliziert wird. Wenn man dabei schlecht zieht – es gibt auch die Kampfstärke 0 – helfen einem auch 10 Schiffe an einer Stelle nichts. Immerhin müssen sich die Schiffe nur auf einen anderen, eigenen Planeten zurückziehen und werden nicht zerstört. Dennoch wirkte der Kampf auf die Art sehr zufällig und teils unbefriedigend.
„Warpgate“ wurde über Kickstarter im zweiten Anlauf finanziert, nachdem der erste in 2017 abgebrochen wurde. So richtig empfehlen kann ich das Spiel aber aus oben genannten Gründen aber nicht. Das Spiel ist okay, aber ich komme auch ohne weitere Partien aus.
Wertung:
Dreamscape (Sylex)
Es ist interessant, dass ich fast alle Spiele von David Ausloos spielen konnte. „Panic Station“ haben wir 2012/13 auf fast jedem Spieleabend gespielt. 2014 gab es dann einige Partien „Dark Darker Darkest“, was mir aber nicht so gut gefallen hat. Vor allem regeltechnisch gab es viele offenen Fragen. Und „Rogue Agent“ fiel auf der SPIEL 13 komplett durch. Nun gibt es also ein neues Spiel von ihm. Und interessanterweise ist diesmal alles hell und freundlich …
In „Dreamscape“ muss ich das Thema schon sehr tief versteckt suchen, denn in meinen Augen handelt es sich um ein rein abstraktes Pattern-Building-Spiel. Jede Runde bewegen sich die Spieler mit ihrer Figuren auf sechs Orten umher. Dort können sie farbige Scheiben einsammeln oder Auftragskarten ziehen. Die gesammelten Scheiben dürfen die Spieler nach ihrem Zug auf dem eigenen Tableau einsetzen, um bestimmte Muster zu bauen. Ziel ist es, das Muster der eigene Aufträge zu legen, um diese zu erfüllen.
Es gibt zwar noch ein paar Feinheiten, aber im Prinzip war dies das ganze Spiel. Und wenn man vom aufgesetzten Thema absieht, hat mir „Dreamscape“ sehr gut gefallen. Die Überlegung, was der optimale Zug ist, um möglichst viele passende Scheiben zu bekommen, machte mir zumindest Spaß. Ebenfalls ist es recht hübsch, eine Art Traumlandschaft mit Seen, Bergen und Wäldern entstehen zu lassen, auch wenn die Scheiben eher abstrakt sind. Immerhin gibt es kleine Bäume, die man mit grünen Scheiben bauen kann und optisch Abwechslung bringen. Und auch grafisch ist das Spiel extrem schön anzusehen. Ein bisschen verträumt und verspielt trifft es genau das Thema, das man darstellen wollte.
Wenn ich etwas kritisieren kann, dann ist es, dass man sehr solitär spielt. Eine direkte Interaktion mit den Mitspielern gibt es nicht. Einzig die Scheiben nimmt man sich ab und zu per Zufall weg. Behindern kann ich aber niemanden. Und so baut jeder seinen Traumlandschaft auf, wie er es wünscht, was ich aber gar nicht so schlimm finde. Etwas negativer ist es, dass die Zielkarten manchmal sehr gut passen und manchmal gar nicht. In unserem Spiel konnte jemand wirklich sein Grundmuster einfach immer weiter ausbauen, da seine Auftragskarten sich super ergänzten. Bei mir dagegen musste ich ständig Scheiben durch die Gegend schrieben, zurücknehmen, umbauen. Es war also ein sehr unruhiger Traum, weswegen ich auch verloren habe.
Dennoch hat mir die Spielmechanik und das Spiel gefallen und ich hatte viel Spaß daran, meine Traumlandschaft zu gestalten.
Wertung:
TEAM3 Pink (Abacusspiele)
Zum Abschluss noch ein unterhaltsames Partyspiel für drei Personen. Nicht zwei und auch nicht vier. Nein, drei ist Anzahl, mit der man „TEAM3“ zwingend spielen muss. Grund ist, dass wie bei den drei Affen sich die Mitspieler zu selbigen machen und mit recht großen Tetris-Klötzchen Türme zusammenbauen müssen. Dabei darf nur Spieler 1 das geforderte Bauwerk sehen, darf Spieler 2 aber nur mit Gesten ohne Sprache erklären, welches Teil wohl wo hingehört. Spieler 2 erfasst das Sichtbare und muss nun Spieler 3 mit Worten erklären, was er zusammenbauen muss. Wo ist die Schwierigkeit? Spieler 3 hat die Augen geschlossen, was Hinweise wie „Jetzt nimm endlich das blaue Teil.“ ziemlich fies für Außenstehende wirken lassen. Wenn man aber in der Rolle des nicht hörenden Affen ist, wird man schnell merken, wie leicht solche Sätze aus dem eigenen Mund kommen.
„TEAM3“ ist ein super spaßiges und auch forderndes Spiel, was sehr gut für Teambuilding-Maßnahmen genutzt werden kann. Allein deshalb lohnt sich der Kauf vermutlich schon. Aber auch wenn mehr als drei Spieler am Tisch sitzen, ist die Wartezeit von vier Minuten sehr gering und der Unterhaltungswert für die Nicht-Spieler ebenso hoch, wenn nicht sogar höher als die der Spielenden.
Die unterschiedlichen Versionen Pink und Grün unterscheiden sich nur minimal in einer Mini-Erweiterung und den unterschiedlichen Bauwerken. Ansonsten sind sie identisch.
Wertung:
Kitchen Rush (Pegasus Spiele)
„Kitchen Rush“ ist nicht neu. 2017 erschien es bei Artipia Games und wir spielten es auch gleich auf der Stuttgarter Spielemesse im Herbst. In 2019 gibt es nun eine deutsche Übersetzung von Pegasus, wobei das Spiel relativ sprachneutral ist, denn im Spiel tragen jetzt vor allem die Gerichte einen deutschen Titel. Die Anleitung wurde natürlich auch übersetzt und stark überarbeitet. Vor allem hat Pegasus einen modularen Aufbau eingebracht, mit dem man nach und nach immer mehr Module dazu nehmen kann, die es entsprechend schwerer machen. In Stuttgart 2017 spielten wir in vollem Umfang und verloren beide Partien. Nach Essen 2019 spielten wir die ersten drei Einstiegsspiele und gewannen jedes recht locker.
„Kitchen Rush“ in Kurzform erklärt (mit möglichst wenig Copy-and-Paste): Wir sind Restaurantbetreiber mit jeweils zwei Angestellten in Form von Sanduhren. Mit diesen versuchen wir unser Nobelrestaurant am Laufen zu halten. Gerichte entgegen nehmen ist noch einfach. Danach geht es in die Lagerkammer, um die richtigen Zutaten zusammenzusuchen. Dann in die zweite Lagerkammer laufen, weil ich übersehen hatte, dass in der ersten nicht alles Zutaten vorrätig waren. Alle Zutaten in den Kochtopf schmeißen und während ein Angestellter rührt, wühlt der andere die Gewürze aus dem Regal … äh, Stoffbeutel. Ggf. noch einmal eine Runde erhitzen und fertig ist das Gericht.
Für die Aktionen gibt es separate Felder in den Teilbereichen der Küche, auf welche die Sanduhren umgedreht gestellt werden. Erst, wenn die Zeit durchgelaufen ist (ca. 30 Sekunden), darf ich meinen Arbeiter woanders einsetzen. Und natürlich gibt es nirgends genug Platz für alle, sodass wir uns gegenseitig ein bisschen abstimmen müssen, wer genau wo arbeitet.
In den Einstiegsmodulen ist das alles noch ganz einfach. Richtig unter Zeitnot kamen wir nie. Es gab aber auch kaum eine große Abstimmung zwischen uns, da jeder irgendein Gericht kochte. Aus Stuttgart weiß ich noch, dass das volle Spiel wesentlich hektischer war und wesentlich mehr Absprache-Aufwand bedurfte. Das fehlte mir hier, aber kann bzw. wird natürlich noch kommen. Das tolle Gefühl einer hektischen Küche wird jedenfalls auch in der deutschen Version vermittelt.
Wertung:
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