(Neu) Gespielte Spiele im Mai 2021
Es gibt wenig Neues. Die meisten Spiele sind auf zwei Personen beschränkt oder liefen online ab. Aber auch das kann ja viel Spaß machen.
Hippocrates (Game Brewer, 2021)
Nach dem recht guten „Stroganov“ hat Game Brewer mit „Hippocrates“ ein weiteres Kickstarter-Projekt gestartet. Thematisch befinden wir uns im alten Griechenland und wollen Hippocrates (den mit dem Eid) beerben, da er sich zur Ruhe setzen möchte. Unsere Aufgabe ist es, möglichst effizient Ärzte und Patienten aus verschiedenen Regionen der Welt zusammenzubringen und durch deren Heilung Siegpunkte abzustauben. Gespielt habe ich sowohl eine Solo- als auch eine Zweipersonen-Partie.
Vor dem Krankenhaus reihen sich jeweils drei Patienten aus sechs Regionen in sechs Spalten auf. In der ersten Phase kann jede Spielerin maximal drei davon zu sich holen. Auf welche Patienten aus der Schlange gerade Zugriff besteht, wird durch sechs Würfel mit Werten 1-3 bestimmt. Nur, wo ein Würfel liegt, kann ich auch den zugehörigen Patienten holen. Zusätzlich darf ich aber auch nur eine Spalte wählen, aus der noch niemand etwas genommen hat. So ist es manchmal schon sehr ungünstig, wenn ich Letzter in Spielerreihenfolge bin. Die Reihenfolge wiederum wird im Spiel dadurch bestimmt, aus welcher Spalte ich zuletzt etwas genommen habe. Je weiter links, desto eher bin ich dran. Durch drei Assistenzplättchen, die ich erhalten kann, kann ich die Position der Würfel oder den gewählten Patienten beeinflussen. Jeder Platz in der Reihe bringt neben dem Patienten auch noch andere Boni/Mali mit wie beispielsweise Siegpunkte, Geld, Medizin (in drei Farben) oder Ansehenspunkte. Wenn alle Spielerinnen ihre bis zu drei Patienten genommen haben, wird abkassiert: Jeder Patient bringt Geld mit sich, welches wir gleich benötigen.
Die Ansehenspunkte sind für den zweiten Teil einer Runde wichtig. Im Krankenhaus sammeln sich Ärzte aus den sechs Regionen. Die Ärzte jeder Region können mit unterschiedlicher Medizin umgehen, entweder nur mit einer Art oder mit zwei Arten, nie mit allen dreien. Von jeder Region steht ein Arzt zur Auswahl. Zusätzlich gibt es immer vier regionslose Ärzte. Die Spielerin mit dem größten Ansehen darf sich zuerst einen regionslosen Arzt reservieren und dann entsprechend die anderen Spielerinnen folgend. Danach erst besteht Zugriff auf die regionalen Ärzte. Wie zuvor darf die Spielerin mit dem größten Ansehen zuerst wählen: Entweder einen regionalen Arzt oder ein Medizinkit (welches einfach vergünstigt Medizin gibt) oder – wenn ich genug Geld habe – sogar beides aus der gleichen Region, um damit ein zusätzliches Bonusplättchen zu erhalten. Die Bonusplättchen geben mir beim Anwerben von Patienten Vorteile oder sie bringen gar neue Patienten und Ärzte mit sich. Es ist nicht essentiell, dass ich beim Ansehen ganz vorne stehe, aber als Letzter stehen mir eben auch nur noch drei Ärzte zur Auswahl.
Im dritten Teil einer Runde fügen alle Spieler dann gleichzeitig Ärzte, Patienten und Medizin zusammen. Ein Arzt hat ein bis drei Kapazitäten frei, an die ich die Patienten zum Heilen anlegen kann. Ein Patient wiederum kann nur von maximal zwei Ärzten behandelt werden. Dies ist ein Muss-Kriterium, wenn ein Patient alle drei Medizinarten benötigt, da die Ärzte ja nur maximal zwei Medizinarten beherrschen. Wenn ich das gut mache, werden alle Patienten geheilt und ich erhalte neben einem Ansehen pro Patient auch noch deren Siegpunkte. Hat ein Arzt alle seine Kapazitäten ausgeschöpft, verlässt er mich wieder, hinterlässt dafür aber Siegpunkte und muss in der nächste Runde nicht bezahlt werden.
Am Ende wird alles aufgefüllt, nicht vollständig behandelte Patienten wandern in den Notfall-Bereich. Werden sie in der nächsten Runde immer noch nicht behandelt, wandern sie in den Hades und bringen am Ende des Spiels Minuspunkte. Nach vier Runden ist Schluss und die Spielerin mit den meisten Siegpunkten gewinnt und beerbt Hippocrates.
Die Regeln von „Hippocrates“ sind sehr eingängig, dennoch würde es helfen, wenn man eine Rundenübersicht hätte (die leider nicht beiliegt und auch nicht im Regelheft steht, weswegen ich eine erstellt haben), um keinen Punkt zu vergessen. So wurden bei uns vor lauter Heilung und Siegpunkte nehmen oft die Ansehenspunkte vergessen. Auch wenn die Regeln einfach sind, das Regelheft in Version 1.4 ließ noch einige Fragen offen oder hatte kleinere Fehler (fehlende Symbole, falsch abgedruckte Plättchen). Inzwischen enthält die Version 1.7 einige Überarbeitungen, es wurden sogar kleinere Regelteile überarbeitet und verändert – was das Spiel zu zweit etwas komplizierter machte, wenn einer mit den Regeln aus 1.4 spielt, und einer mit 1.7. Ich denke aber, dass bis zur Auslieferung des Spiels die meisten Fragen geklärt sind.
Das Krankenhaus-Thema wurde in meinen Augen gut umgesetzt. Die Patienten stehen in einer Schlange an, auch wenn wir aus der Schlange herauspicken, wer als nächstes drankommt. Daneben brauchen sie unterschiedliche Medizin und bringen auch (leicht) unterschiedlich Geld mit. Die Ärzte aus den sechs verschiedenen Regionen kennen sich mit unterschiedlicher Medizin aus und haben unterschiedliche Kapazitäten frei. Und nach der Heilung verschwinden die Patienten wieder. Wieso auch die Ärzte gehen, fand ich etwas seltsam. Laut Anleitung gehen wir nur Verträge mit den Ärzten ein und wenn sie ihre Kapazität erschöpft haben, gehen sie wieder und es gibt keine Möglichkeit, sie zum Bleiben zu bewegen. Die sechs Spalten für die Patienten mit unterschiedlichen Boni kann ich mir aber nicht erklären, auch wenn es natürlich praktisch ist, dass manche Patienten ihre Medizin gleich mitbringen. Die Grafik unterstützt das Thema ganz gut. Mir hat die Illustration und Symbolik gefallen.
Der Aspekt, dass Ärzte und Patienten gehen, ist in meinen Augen der große Unterschied zu anderen Krankenhaus-Spielen wie „Dice Hospital“ oder „Die Klinik“. „Hippocrates“ ist kein Engine-Builder. Das heißt, wenn ich effizient spiele – was von Vorteil ist – und jede Runde alle Patienten und Ärzte wieder entlassen kann, fange ich die nächste Runde exakt wieder genauso an. Das habe ich im Solo-Spiel bis auf eine Runde hinbekommen (auch, weil ich die regionalen Ärzte fälschlicherweise zu früh aufgedeckt hatte und die in meine Überlegungen mit einbeziehen konnte). Durch dieses Vorgehen erhalte ich viele Siegpunkte, aber dadurch fühlt sich jede Runde auch sehr ähnlich an, da ich immer bei Null anfange. Spannender, aber siegpunkttechnisch auch wesentlich schlechter, fand ich die Zweipersonen-Partie, als ich in der ersten Runde nicht alle Patienten heilen konnte. Dadurch verließen mich die Ärzte auch nicht, die ich dann in der nächste Runde erst bezahlen musste, wodurch ich weniger Geld hatte, um mir mehr Ärzte und Medizin zu kaufen. Diese Verschiebung zog sich bei mir bis in die letzte Runde hin. Das machte die Auswahl von Patienten und Ärzten zwar spannender, aber ich hing bei den Punkten immer hinterher. Hier habe ich den Verdacht, dass wenn alle gut genug spielen, eine einzige schlechte Runde spielentscheidend ist.
Eine Besonderheit hat „Hippocrates“ noch: Bei weniger als vier Spielerinnen spielen immer entsprechend viele Bots mit. Für die wird normalerweise nur das Ansehen abgetragen. Wenn ein Bot dran ist, entfernt er den hochwertigsten Patienten bzw. hochwertigsten Arzt (alle Plättchen haben Zahlen aufgedruckt). Das geht in der Realität sehr schnell und hat den Vorteil, dass das Spiel immer gleich skaliert, egal wie viele Spielerinnen mitmachen. Im Solo-Spiel gehen die Bots noch weiter: Sie erhalten für die abgeworfenen Patienten und Ärzte auch noch deren Siegpunkte. Das ist geringfügig mehr Verwaltungsaufwand, hat aber ebenfalls einen Vorteil: Wenn ich solo spiele, fühlt es sich tatsächlich so an, als ob ich gegen eine Person spiele, die mir Patienten oder Ärzte vor der Nase wegschnappt. Das ist natürlich aufgrund der Werte Zufall. Es kam aber oft genug vor, sodass sich sowohl die Solo-Partie als auch die Partie zu zweit sehr ähnlich anfühlten, was mir sehr gut gefallen hat. Wenn es eine nächste Partie geben würde, würde ich sogar mit realen Personen die Siegpunkte der Bots abtragen, nur um zu sehen, wie sich diese schlagen. Gefühlt sind sie etwas zu schwach, wenn man optimal spielt. Auf der anderen Seite habe ich mit 67:66:65:43 ganz knapp den dritten Platz gemacht und verloren.
Die sehr gute Bot-Mechanik zeigt aber natürlich auch eine Eigenschaft des Spiels auf: Bis auf das Wegnehmen von Patienten oder Ärzten spielt sich „Hippocrates“ solitär. Vor allem, da die Phase mit der Behandlung der Patienten von allen simultan gespielt wird. Ein gezieltes Wegnehmen von Plättchen ist in der Regel nicht sinnvoll, da ich mir dadurch selbst mehr schade als meinen Mitspielerinnen. Falls es natürlich in die eigenen Planung passt, ist das gut. Das solitäre Spielvergnügen ist nicht für jeden etwas, ich empfand es aber zumindest nicht als störend.
Die Spielzeit könnte ein Problem sein. Wenn man das Spiel kennt und vor allem nicht mit der Online-Umsetzung auf Tabletopia kämpfen muss, geht es vermutlich schneller, aber solitär habe ich ca. zwei Stunden gebraucht, das Spiel zu zweit dauerte ca. 2 1/2 Stunden. Größtenteils lag dies daran, dass es sehr viele Optionen und Variablen gibt, die es zu bedenken gilt. Ich muss in meinen Zug schon sehr gut darauf schauen, welche Patienten es gibt, welche regionslosen Ärzte (die regionalen Ärzte werden erst später umgedreht) ausliegen und welche Medizinplättchen es gibt. Vor allem bei Analyse-Paralyse-geneigten Spielern kann dies zu einer sehr langen Bedenkzeit führen. Spätestens, wenn die Ärzte aufgedeckt werden, wird gerechnet und geschaut, wie man diese Runde am besten optimieren kann.
Mein Fazit: „Hippocrates“ ist ein gutes Spiel, das sicherlich seine Anhänger finden wird. Für mich ist das Spiel, bei optimaler Spielweise, aber zu wiederholend. Und wenn ich nicht optimal spiele, kann ich nicht gewinnen. Immerhin hat mir das Nicht-Gewinnen immer noch Spaß gemacht, weil ich bis zur letzten Runde auf einen Fehler meines Mitspielers hoffen konnte – den @smuntz leider nicht machte. ;) Durch die sehr gute und einfache Bot-Implementierung ist das Spiel vor allem für Solisten interessant, denke ich. Ich brauche das Spiel zwar nicht, wäre real aber jederzeit bei einer Partie dabei. Nur online bei Tabletopia nicht, da hier – wie so oft – der Verwaltungsaufwand mit Maus einfach zu hoch ist. Vor allem solitär musste ich zu viel scrollen, die Spielfläche verschieben und Marker für die drei Bots bewegen, dass mir das ein zweites Mal keinen Spaß machen würde. Zusätzlich lassen sich die Patienten- und Ärzte-Plättchen in Tabletopia nicht um 60 Grad drehen, was für das korrekte Andocken an die Hex-Plättchen aber notwendig wäre.
Wertung:
Bullet (Level 99 Games, 2021)
Bullet war mein Spiel des Monats Februar 2021. Ich konnte es damals nur mehrfach solitär spielen, aber vor allem der Kampf gegen einen Gegner hat sehr viel Spaß gemacht. Jetzt kam ich endlich dazu, es zu zweit auf Tabletopia zu spielen. Leider sind die meisten Spielmodi inzwischen einem Premium-Account vorbehalten, aber das Zweipersonen-Spiel gegeneinander gibt es noch kostenlos.
Es war sehr gut, dass ich das Spiel bei Tabletopia zu zweit spielen konnte, denn damit ist es von meiner Kaufliste wieder verschwunden. Der Grund ist einfach, dass Bullet in meinen Augen ein reines Solo-Spiel ist. Dann ist es auch ein sehr gutes (Wertung 9,0), aber zu zweit oder mit mehr Personen spielt jeder vor sich hin. Ich habe meine Plättchen gezogen und gelegt und verschoben und Muster erfüllt und es machte wieder sehr viel Spaß. Aber das wäre auch ohne Mitspieler gegangen, denn was dieser machte, war mir völlig egal. Es gibt keine direkte Interaktion. Ich habe auch nur geringen Einfluss auf meine Mitspieler, denn wirklich gezielt kann ich selten Plättchen zu denen schicken. Umgekehrt war es prinzipiell ganz nett zu wissen, was an Plättchen nächste Runde auf mich zukommt, aber viel genutzt hat mir das nicht. Ganz blöd ist natürlich auch, dass Spielerinnen ausscheiden können, wenn sie keine Lebenspunkte mehr haben. Da kann es sein, dass ich aufgrund zufälliger Plättchen nach 10 Minuten rausfliege, die anderen aber noch 30 Minuten weiterspielen. Und das passt in meinen Augen nicht mehr zu einer geselligen Spielerunde. Auch im kooperativen Modus kann ich mir vorstellen, dass jeder vor sich hinspielt. Eine Absprache, was gegen den Boss-Gegner getan werden muss, wird vermutlich nicht stattfinden.
Daher: Bullet ist solitär großartig, mit mehr Personen mir aber zu solitär. Wer sich daran nicht stört, der wird aber sicherlich auch weiterhin daran Spaß haben.
Wertung:
Praga Caput Regni (Delicious Games, 2021)
„Praga Caput Regni“ war eine der fünf größeren Spieleneuheiten der SPIEL 2020, die mich interessiert hatten. Von diesen fünf Spielen war „Praga Caput Regni“ dann endlich auch das erste – und bisher einzige – das ich spielen konnte.
Da es sich um ein schwergewichtiges Eurogame handelt, beschreibe ich hier nicht alle Regeln im Detail. Thematisch befinden wir uns im Prag des 14. Jahrhunderts und wollen durch diverse Bauprojekte am Königsweg und der Karlsbrücke, der Altstadt oder der Hungermauer den neu gekrönten König Karl IV. beeindrucken. Mechanisch wähle ich aus einem Aktionsrad ein Plättchen aus, dessen Aktion ich ausführen will. Hierzu zählen vor allem die eben genannten Bauprojekte, aber auch der Abbau von Gold und Stein aus den eigenen Goldminen und Steinbrüchen. Eine besondere Aktion ist die Aufwertung. Aus einer Auslage kann ich ein Aktionsplättchen nehmen und die eben genannten Aktionen zukünftig verstärken. So bringt mir der Mauerbau zukünftig beispielsweise Siegpunkte oder Eier. Ja, Eier gibt es auch. Und die sind wichtig, um auf dem Königsweg sinnvoll voranschreiten zu können, auch wenn es ohne Eier auch geht … Durch den Bau an der Hungermauer oder der Stadt steige ich auf dem Ansehensschachbrett der Hungermauer und des Doms voran, was mir am Spielende Punkte bringt. Es gibt noch wesentlich mehr kleine Details, die im Spiel wunderbar miteinander verbunden sind und ein sehr schönes Spielgefühl erzeugen.
Während des Lesens der Anleitung stellten sich mir zwar ein paar Fragen, aber alles klärte sich bis zur letzten Seite auf. Ich finde die Anleitung zwar etwas unstrukturiert und es gibt viele, kleine Kästchen mit extra Text, aber in Summe konnte ich das Spiel lernen, ohne das Spielmaterial vor mir liegen zu haben. Denn wir trafen uns erst am Tag darauf bei dem Mitspieler, der das Spiel derzeit sein Eigen nennen konnte. Und tatsächlich konnten wir beide schnell losspielen ohne groß etwas nachschlagen zu müssen (mit Ausnahme der Technologieplättchen). Das spricht auch für die Symbolik des Spiels, denn obwohl es viel ist, was ineinander verzahnt wird, blieb das Spiel leicht verständlich. Und obwohl der Spielplan anfangs zu bunt erscheint, konnten wir alles schnell erfassen und wussten, wo wir was tun wollen.
Allgemein hat die Grafik und das Material einen sehr hohen Aufforderungscharakter. Die eigenen Räder für die Anzeige des Goldes und der Steine fühlen sich von der Mechanik klasse an. Natürlich hätten es echte Ressourcen aus Holz auch getan, aber diese müssten so oft hin- und hergetauscht werden, dass mir die Lösung über die Anzeigeräder wesentlich besser gefällt. Die dreidimensionalen Aufbauten für Hungermauer und Veitsdom sind ebenso großartig anzuschauen – und im Gegensatz zu anderen Spielen mit Eyecatchern auch praktikabel nutzbar. Es geht natürlich auch ohne die 3-D-Teile, aber sie laden einfach dazu ein das Spiel kennenzulernen. Den einzigen Minuspunkt gibt es für den verbogenen Spielplan.
In die Quere kamen wir uns zu zweit nur selten. Maximal nahmen wir uns mal ein Aktionsplättchen vom Aktionsrad oder ein Stadt-, Mauer- oder Aufwertungsplättchen weg. Auch den Königsweg kann man nicht verbauen, erst an der Karlsbrücke wird es ab drei Spielern etwas enger. Mir selbst hat das aber sehr gefallen. „Praga Caput Regni“ ist kein konfrontatives Spiel, sondern jeder versucht mit den gegebenen Dingen seine Strategie zu verfolgen und Punkte einzuheimsen. Denn trotz des ganzen Themas, was ich sehr gut eingebettet finde, handelt es sich am Ende doch nur um ein Eurogame, in dem wir Siegpunkte jagen. Dabei wurde in meinen Augen ein guter Mix aus Siegpunkten im Spiel und am Spielende gefunden.
Kritikpunkte habe ich kaum. Einzig die Übersicht, vor allem mit den Technologieplättchen litt bei mir etwas, sodass ich bei jeder Aktion schauen musste, ob ich von irgendetwas einen Bonus bekomme. Und ich gebe zu, dass ich auch ohne Wissens- und Universitätsleiste ausgekommen wäre. Sie sind ein Zusatz, der aber eigentlich nicht notwendig gewesen wäre. Sie machen das Spiel aber auch nicht wesentlich komplizierter, sodass ich sie okay finde.
Spielerisch hat mir „Praga Caput Regni“ sehr gut gefallen. Vladimír Suchý hatte mir mit „Sechsstädtebund“ schon bewiesen, dass er interessante Spiele mit historischem Hintergrund erstellen kann. Und in „Underwater Cities“ hat er mir gezeigt, dass er Komplexität beherrscht. Für mich ist „Praga Caput Regni“ aber sein bestes Werk (von den drei genannten) und ein sehr guter Vertreter der schwergewichtigen Eurogames.
Wertung:
Mercado de Lisboa (Skellig Games, 2021)
„Mercado de Lisboa“ ist der kleine Bruder von „Lisboa“ von Vital Lacerda. Da ich die Referenz aber nicht kenne, kann ich keine Vergleiche ziehen, was aber auch nicht notwendig ist.
„Mercado de Lisboa“ ist ein einfaches Marktaufbau-Spiel, bei dem Kunden passend an Marktstände gelegt werden müssen. Hierfür habe ich in meinem Zug drei Möglichkeiten: Ich baue einen Marktstand, der Fisch, Obst, Gemüse, Blumen oder Fleisch bietet. Oder ich baue ein Restaurant neben einen Marktstand, der das Einkommen des Marktstandes verstärkt. Oder ich wähle ein Kundenplättchen, lege dieses in eine Reihe oder Spalte, in der die Wünsche der Kunden erfüllt werden, wodurch dann alle Besitzer der Marktstände in dieser Reihe oder Spalte Geld erhalten. Und so füllt sich die Markthalle mit Ständen, Restaurants und Kunden, bis der Plan zugebaut ist.
Das Positive ist, dass sich das Thema wiederfindet. Es ergibt Sinn, dass angrenzende Restaurants einem Marktstand mehr Geld einbringen, weil die Kunden noch einen kleinen Snack oder Tee zu sich nehmen. Und auch sonst passt es thematisch gut zusammen, wobei es natürlich auch nicht viel gibt, was nicht passen könnte. Nur leider war das für uns alles sehr belanglos und langweilig. Gefühlt gab es kaum weitreichende Entscheidungen. Wir versuchten möglichst eine Zeile oder Spalte für uns zu beanspruchen und viele Kunden in die beiden Kundenslots zu locken. Und als das geglückt war, versuchten wir es an einer anderen Stelle erneut. Natürlich machten wir uns ein bisschen die Plätze streitig, aber das wirkte sich sehr wenig auf das Spielgefühl aus. Spannung kam keine auf. Daher werde ich den Titel schnell wieder aus meinem Gedächtnis streichen.
Wertung:
Der perfekte Moment (Corax Games, 2020)
In „Der perfekte Moment“ versuchen die Spielerinnen 14 Gäste einer Feier nach bestimmten Kriterien um einen Tisch herum aufzustellen. Wenn alle Gäste glücklich sind, wird ein Foto geschossen und geprüft, wer den Moment perfekt festgehalten hat.
Mechanisch funktioniert das Spiel so, dass jeder ein Diorama mit 3-D-Tisch vor sich stehen hat. Zusätzlich bekommt jeder eine Handvoll Umschläge, in denen die Wünsche je eines Gastes zu finden sind. So möchte beispielsweise das kleine Kind unbedingt auf dem Foto zu sehen sein, aber in der hintersten Reihe und dazu noch neben der Palme stehen. Das wird dann interessant, wenn der ältere Herr das kleine Kind verdecken möchte oder die Palme auf alle Fälle ganz vorne stehen soll. Und so wird man nie alle Wünsche der Gäste erfüllen können, was die Spannung des Spiels ausmacht. Hinzu kommt, dass ich anfangs nur die Vorlieben einer Auswahl an Gästen kenne. Im Laufe der Runden werden Umschläge getauscht und ich erhalte neue Informationen über andere Gäste. Aber ich habe normalerweise nie ein komplettes Bild von allen Gästewünschen. Nach fünf Runden macht jeder ein Foto und die Umschläge werden geöffnet und ausgewertet. Je mehr Wünsche ich erfülle, desto mehr Punkte gibt es.
Ich mochte 2011 schon „Uluru“, welches aber trotz der Vögel um den Ayers Rock eher sehr abstrakt daher kam. „Der perfekte Moment“ lebt davon, dass er ein realistisches Thema einfängt, was auch beim Merken der Wünsche helfen kann. Denn neben dem Logik-Rätsel handelt es sich zu einem großen Teil um ein Memory-Spiel. Ich kann zwar in meine eigenen Umschläge jederzeit schauen, da diese aber mitunter getauscht werden, habe ich nicht immer auf alle Informationen Zugriff. So kann es sein, dass ich Figuren umherschiebe, weil ich nicht mehr weiß, was diese eigentlich wollten. Die zufällige Aufteilung der Wünsche führt manchmal leider zu unerfüllbaren Zielen, wenn sich diese widersprechen. Andererseits gibt es manchmal Wünsche, die in genau die gleiche Richtung gehen und somit leicht erfüllbar sind. Da die Wertung der 14 Gäste aber für alle Spielerinnen gleich verläuft, ist hier niemand benach- oder bevorteilt.
„Der perfekte Moment“ ist ein sehr netter Zeitvertreib. Ich habe mir nicht zu viele Gedanken gemacht beim Arrangieren – und auch verloren – aber das Aufstellen der Acryl-Figuren um den Tisch und vor allem das Foto am Spielende unterhielten mich gut. Einzig das Auszählen der Punkte für die 14 Gäste fand ich nicht so spannend, auch wenn der Vorleser versucht hat, allen Figuren einen Namen und eine Geschichte zu geben.
Wertung:
Skyline Express (Thistroy Games, 2021)
„Skyline Express“ ist ein Kickstarter-Projekt, welches mich von der Einfachheit und vom Thema her angesprochen hat, weswegen ich es auf Tabletopia solitär testen wollte.
Das Spielprinzip scheint ganz simpel: Alle Spielerinnen haben einen Eisenbahnwaggon mit acht Abteilen in den Farben Rot und Grün vor sich liegen. Jede der drei Runden ziehen die Spielerinnen verschiedenfarbige Passagiere aus der Auslage und legen diese in ein Abteil. Mittels Aktionssteinen, von denen jeder anfangs nur zwei hat und pro Runde auch nur zwei weitere hinzubekommt, kann ich einfache Aktionen durchführen: Passagiere im Waggon tauschen, Passagiere mit dem Wartebereich tauschen, Passagiere verschieben oder Service-Plättchen nehmen. Die Service-Plättchen sind für die Wertung am Rundenende wichtig. Es gibt dann Punkte für zwei ausliegende Zielplättchen, von denen jede Runde zwei neue gewertet werden, die aber bereits offen sichtbar sind. Dann gibt es Punkte für die Service-Plättchen, welche Siegpunkte bringen für bestimmte Farbkombinationen an Passagieren (beispielsweise zwei Siegpunkte für jede Kombination aus blauen und grünen Passagieren). Und als Letztes gibt es Punkte für sogenannten Vorliebeplättchen besonderer Passagiere („Personas“ genannt). Diese werden zum Abteil, in welchem die Persona sitzt, gelegt und geben Punkte, wenn die Vorlieben auf den Plättchen erfüllt sind. Beispielsweise will die Persona in einem grünen Abteil am Gang sitzen, zusammen mit einem roten und grünen Passagier. Diese Wertung findet am Ende jeder Runde statt und nach drei Runden ist das Spiel vorbei.
Ich wollte die Erfahrung mit „Skyline Express“ als „durchwachsen“ beschreiben, aber das würde bedeuten, dass es neben den nicht so guten Teilen auch gute geben würde, was ich nicht behaupten kann. Zuerst habe ich mit der Anleitung gekämpft. Auch wenn die Anleitung von „Praga Caput Regni“ (siehe oben), die ich in der gleichen Woche gelesen habe, ihre Tücken hat, hatte ich sie in 30 Minuten durchgelesen und konnte das Spiel danach spielen. Für die Anleitung von „Skyline Express“ brauchte ich drei Anläufe und habe das Spiel immer noch nicht voll verstanden. So werden zuerst in zahlreichen Bildern alle Materialien etc. erklärt, ohne dass ich weiß, wie ich sie nutzen kann. Danach folgt der Spielaufbau und -ablauf fast vollkommen ohne Bilder. Ich musste also ständig hin- und herblättern, um Begriffe wie „Waiting Area“ oder „Preference Tiles“ zu verstehen, was diese sind oder wo ich sie auf dem Spielplan finde.
Neben fehlerhaften Beispielen (Siegpunkte falsch addiert) oder Bezeichnungen („Ticket Tiles“ statt „Ticket Tokens“) hatte ich die meisten Probleme aber mit der Solospiel-Anleitung. Den Aufbau konnte ich mir noch erarbeiten, aber wie die Automa-Plättchen funktionieren sollen, habe ich nicht verstanden. Zum einen unterscheidet sich die Abbildung in der Anleitung von der im Spiel und auch die Erklärung passt nicht zur Symbolik, sodass ich nicht wusste, welche Passagiere der Automa nehmen will. Zum anderen habe ich nicht verstanden, nach welcher Regel ich die Passagiere im Waggon des Automa platzieren soll. In der Anleitung folgt auf den Satz „If, during any action, the Automa has a few options to choose from, the following resolving order should be used:“ nur ein Bild ohne weitere Erklärung. Und ich erkenne auf dem Bild keinerlei Reihenfolge, Nummerierung etc. Dadurch konnte ich nicht solitär spielen bzw. habe den Bot so gespielt, wie ein Mensch sinnvolle Entscheidungen treffen würde.
Aber auch diese Erfahrung war wenig spannend. Von den vier verfügbaren Aktionen habe ich nur eine benutzt, mit der ich Passagiere aus dem Wartebereich mit Passagieren aus meinem Waggon tauschen kann, um Ziele oder Vorlieben zu erfüllen. Die anderen Aktionen haben sich mir nicht erschlossen. Vorlieben von Personas wollen erfüllt bleiben, weswegen ich diese Passagiere nicht wechseln werde. Für die Service-Plättchen ist es egal, wo sich die Passagiere befinden. Das heißt, nur für die Zielplättchen könnte es wichtig sein, dass ich einen Passagier austausche, um Punkte zu erhalten.
Bei der Rundenwertung fand ich die Zielplättchen ganz gut. Wie beispielsweise bei „Isle of Skye“, sehe ich, was in den nachfolgenden Runden gewertet wird und kann darauf hinbauen. Die Ziele sind teils aber sehr generisch, was aber von Vorteil sein kann, wenn ich beispielsweise in Runde 1 Punkte für drei gleichfarbige Passagiere neben einem grünen Passagier erhalte und danach in Runde 2 Punkte für drei gleichfarbige Passagiere neben einem lila Passagier. Lukrativer ist es dennoch, wenn ich bereits in der ersten Runde Service-Plättchen nehme, auf diese dann Runde für Runde hinspiele und diese immer höher werten kann. Das kann aber dummerweise dazu führen, dass wenn eine Spielerin bereits in Runde 1 gute Plättchen und passende Passagiere bekommt, sie jede Runde viele Punkte erhält ohne in Runde 2 und 3 noch etwas dafür zu tun zu müssen. Andere Spielerinnen können das später nur schwer bis gar nicht aufholen, da ihnen diese erste Rundenwertung fehlt.
Ansonsten dümpelte meine Testpartie vor sich hin. Es gab keine spannenden Momente. Auch die Spielerinteraktion ist fast Null. Einzig durch die Wegnahme von Passagieren kann ich meinen Mitspielerinnen schaden. Zusammen mit der mir unverständlichen Anleitung (vor allem des Solo-Automas) kann ich „Skyline Express“ wirklich niemanden empfehlen.
Wertung:
Blätterrauschen (KOSMOS, 2020)
Zum Abschluss wollte ich noch etwas Kleines und „Blätterrauschen“ kannte ich noch nicht. In diesem Roll-and-Write-Spiel hat jede Spielerin einen rechteckigen Plan mit Kästchen und ganz vielen Symbolen wie Bienen, Blumen, Schmetterlingen, Bäumen, Bären etc. darin. Jede Runde werden zwei Würfel geworfen, die Zahlwerte von 1 bis 4 anzeigen. Danach müssen alle Spielerinnen ein Gebiet der jeweiligen Größe in Höhe und Breite bzw. umgekehrt einzeichnen und dürfen genau eine Symbolart – aber davon eben alle Kästchen – darin werten. Wenn ich nichts mehr einzeichnen kann, steige ich aus der Partie aus, sonst kassiere ich Minuspunkte, wenn das Gebiet nicht mehr passt. Am Ende gibt es dann Punkte für die unterschiedlichen Symbole. (Beispiel: Je nach Menge der Blumen ist jede Biene 3, 4 oder 5 Punkte wert. Oder jeder Schmetterling ist 2 Punkte wert, aber nur, wenn ich eine gerade Anzahl angekreuzt habe.)
Obwohl ich Roll-and-Write- bzw. Flip-and-Write-Spiele wie „Ganz schön clever“ (Wertung: 8,0) oder „Welcome to“ (Wertung: 8,5) sehr mag, hat mir „Blätterrauschen“ gar nicht gefallen. Der erste Kritikpunkt ist die Übersicht. Wenn ich Gebiete mit Linien einkreise und nur die Symbole abstreiche, die ich werte, ging mir nach einiger Zeit der Überblick verloren, was tatsächlich noch nicht umzäunt war. Als Empfehlung sollte das Gebiet nach dem Abstreichen der Symbole durchgestrichen werden, aber das führt zu einem sehr vollen Spielplan, der ebenfalls unübersichtlich war. Zusätzlich war es dadurch nicht möglich, bei der Wertung zu prüfen, ob es zu Einzeichnungsfehlern gekommen ist. Das ist bei mir nämlich passiert und wir haben nicht herausgefunden, wo genau mein Fehler lag. Der zweite Kritikpunkt ist das solitäre Spiel. Wer würfelt, ist egal, da alle immer das gleiche Ergebnis nutzen müssen. Und dann zeichnet jeder für sich. Die Interaktion ist wirklich null. Bei anderen Spielen dieser Art kann ich wenigstens das Würfelergebnis des aktiven Spielers nutzen oder beeinflussen oder es findet eine Mehrheitswertung oder ein Rennen auf Ziele statt. Dies fehlt bei „Blätterrauschen“ leider.
Positiv ist vielleicht nur, dass der Spielplan mit den vier Jahreszeiten vier Varianten hat, die unterschiedliche Symbole und damit auch Wertungen bieten. Aber die will ich gar nicht mehr kennenlernen.
Wertung:
Flash Point: Flammendes Inferno (Heidelberger, 2012)
„Flash Point“ zählt zu meinen liebsten kooperativen Spielen, da es zum einen das Thema „Feuerwehreinsatz“ sehr gut umsetzt und dazu auch noch recht leicht zu lernen ist. Im Grundspiel brennt ein Haus und wir müssen die eingeschlossenen Personen und Gefahrstoffe darin finden und retten bzw. sichern. Jede Spielerin hat eine Feuerwehr-Figur samt Spezialfähigkeit im Einsatz. Diese bewegen wir durch das Haus, öffnen Türen, schlagen Wände ein, löschen Feuer oder Rauch oder tragen gefundene Personen und die Gefahrstoffe nach draußen. Nach jedem Zug wird gewürfelt, wo das Feuer neu oder verstärkt aufflammt. Dies kann zu Explosionen führen, die das Feuer stärker ausbreiten lassen oder das Haus langsam einstürzen lässt. Gewonnen haben die Spielerinnen, wenn sie mindestens 7 Personen gerettet und alle Gefahrstoffe geborgen haben.
Wir spielten zu viert mit zwei Kindern (7 und 9). In der Partie lief es anfangs dank Feuerwehrauto ganz gut, nur fanden wir viele Fehlalarme anstelle der Personen. Das Feuer breitete sich danach in einem Teil des Hauses aus, was wir leider etwas vernachlässigten. In der Folge gab es dort mehrfach Explosionen, die einmal sogar dazu führten, dass zwei Feuerwehrleute wieder nach draußen geschleudert wurden. Irgendwie vergaßen wir dann den Einsatz des Feuerwehrautos zum Löschen und so stürzte bei gerade einmal drei gefundenen Personen das Haus mit uns darin ein. Ich gebe zu, dass die zwei Löcher in der Wand, die ich machen musste, um mir Zugang zu verschaffen, einen Teil dazu beigetragen haben. ;)
Die Runde hat wieder sehr viel Spaß gemacht, obwohl wir verloren haben. Aber allein die Gespräche während des Spiels („Wieso schlägst du die Wand ein? Bist du der Verräter?“) sind es wert, eine Partie zu spielen. Den beiden Kindern hat es ebenfalls gefallen.
Wertung:
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