Bericht von der SPIEL.digital 2021 (und AwSHUX'21) – Teil 2
Und nun der zweite Teil …
Termite Towers (Bright Eye Games, 2021)
Insektenspiele interessieren mich grundsätzlich sehr. An „Myrmes“ ist bisher noch kein anderes Insektenspiel herangekommen, auch wenn „Honey Buzz“ (siehe oben) sicherlich nicht schlecht ist. Aus dem Grund habe ich mir auf Tabletopia die Solo-Variante von „Termite Towers“ angesehen.
In „Termite Towers“ steuert jede Spielerin ihr Termitenvolk und versucht durch den Einsatz von Termitenarbeitern und -soldaten (in Form von Würfeln) als erste eine Mauer (in Form eines Tetris-Puzzles) zu bauen. Am Anfang einer Runde würfelt jede Spielerin ihre Würfel. Danach werden diese reihum auf die sieben verschiedenen Aktionsfelder eingesetzt und dann die Aktionen der Reihe nach ausgeführt. Die Aktionen sind eigentlich recht einfach: Ein Ei nehmen. Aus einem Ei (aus einer früheren Runde) einen neuen Arbeiter (Würfel) schlüpfen lassen. Eine Blaupause für die Mauer nehmen, die ein Polyomino (Tetris-Block) zeigt. Oder die eigene Mauer anhand einer Blaupause bauen. Für die Mauer kann ich mir noch verschiedenfarbige Holzwürfel nehmen, die ich aber erst durch weiteres Graben finden muss. Für die Ressourcengewinnung gibt es eine Mehrheitenwertung, die bestimmt, wie viele Ressourcen ich erhalte.
Thematisch gefällt mir das Spiel ganz gut. Es gibt Termitenarbeiter und -soldaten, auch wenn sich die Soldaten nur bei den Mehrheiten auswirken. Ich kann neue Arbeiter erhalten. Ich muss mir Holz besorgen, um meine Mauer zu bauen. Einzig die Blaupausen wirken aufgesetzt, schließlich bauen Termiten nicht nach Vorlage und auch nicht mit tetrisartigen Formen. Die Mechanik wurde dagegen von „Waggle Dance“ (was auch nur eine Neuauflage von 2014 ist) übernommen, war aber auch dort nicht neu. Sowohl Würfeleinsetzspiele gibt es schon einige auf dem Markt und auch das „Erst einsetzen, dann auflösen“ ist keine neue Erfindung. Dazu kommt noch das genannten Puzzlen der Mauer mit Polyominos und die Mehrheitenwertung bei den Ressourcen, was es beides schon in diversen Spielen gab. In Summe scheint die Verzahnung dieser Mechanismen gut zu funktionieren …
Ich kann aber leider nur „vermutlich“ sagen! Ich habe es auf Tabletopia nicht geschafft, mehr als eine Runde (von sechs bis acht Runden) zu spielen. Hierfür gibt es drei Gründe: 1. Die Online-Umsetzung ist teils schwierig und aufwändig in der Handhabung. 2. Der Solo-Automa ist ebenfalls aufwändig in der Handhabung, vor allem online. 3. Es gibt einige Designentscheidungen, die auch das reale Spiel treffen würden, und den Einstieg erschweren. Vor allem in Hinblick auf den Solo-Automa.
Am umständlichsten fand ich den Spielaufbau von „Termite Towers“. Das Spiel hat kein Spielbrett, auf dem die sieben Aktionen dargestellt sind. Es gibt stattdessen Aktionskarten A-G, die in einer langen Reihe untereinander ausgelegt werden. Aktion D besteht dabei aus sechs Einzelkarten, die im Kreis in der Tischmitte angeordnet werden. Das fand ich – vor allem online auf Tabletopia – sehr unübersichtlich. Ich musste sehr viel scrollen, ziehen und zoomen, um an die richtigen Stellen zu kommen. Im Design ist das Problem, dass die Aktionskarten leider nicht mit Buchstaben bedruckt sind und auch vom Bild her nicht so eindeutig aussehen. So musste ich bei einer Referenz auf Aktion F zum einen den Anfang (also A) finden und von dort abzählen. Das ist bei dem Spiel gegen den Solo-Automa leider bei jeder Aktion notwendig.
Der Solo-Automat („Autermites“ genannt) simuliert ziemlich gut einen echten Mitspieler. Das gibt es aber nicht kostenlos, sondern nur gegen viel Aufwand. Für jede Aktion, die der Automa ausführt, ziehe ich eine Automa-Karte. Auf der ist symbolisch beschrieben, welche und wie viele Würfel ich nehme und für welche Aktionen ich sie einsetze. „Aktionen“ in Mehrzahl deshalb, weil, wenn eine Aktion nicht möglich ist (was an bestimmte Bedingungen gekoppelt ist), werden der Reihe nach andere Aktionen geprüft. Diese Entscheidungslogik ist sehr ausgeklügelt, aber komplizierter als mein eigener Zug. Für ambitionierte Solo-Spielerinnen ist das sicherlich etwas. Ich fand es zu aufwändig und umständlich. Der „Autermites“ erleidet bei mir damit das gleiche Schicksal wie schon der Automa in „Barrage“, den ich nach anderthalb Runden mit einem (versehentlichen) Tableflip abgebrochen habe.
Der dritte problematische Punkt ist für mich die Symbolik, die ich nicht auf Anhieb erfassen konnte. Ich musste bis zum Ende meiner Testrunde immer noch in der Anleitung nachschauen, welche Aktionskarte eigentlich was genau macht, da dies nicht aus der Karte selbst für mich hervorging. Ebenso hatte ich Probleme, die Arbeiter- von den Soldatenwürfeln zu unterscheiden. Die Soldatenwürfel sind minimal größer, zählen bei der Mehrheitenwertung für die Ressourcen aber doppelt. Leider habe ich das oft nicht erkannt. Der Größenunterschied fiel eigentlich nur auf, wenn ich sehr nah herangezoomt habe und einen normalen Arbeiterwürfel zum Vergleich daneben lag. Die Anleitung hat dann an einigen Stellen auch noch Fragen offen gelassen. Ob ich die Mauern wie bei Tetris zwingend von unten nach oben auffüllen muss oder auch zwischendrin auffüllen darf, ist mir nicht klar. Auch das eigene Spielbrett wird nicht erklärt und ich musste mir dieses durch die verschiedenen Aktionen erst erschließen. Und wie der Autermite gräbt, um an neue Ressourcen zu kommen, habe ich auch nicht verstanden.
In Summe haben diese Probleme dazu geführt, dass ich nach etwa 45 Minuten in der ersten Runde aufgehört habe zu spielen. Die restlichen fünf bis sieben Runden wären vermutlich schneller gegangen, aber ich hatte wenig Lust darauf. Mich würde „Termite Towers“ in real wirklich sehr interessieren, online würde ich eher Abstand davon nehmen. (ohne Wertung)
#TermiteTowers
Pachamama (Sit Down!, 2022)
„Pachamama“ hat mich aufgrund des Spielecovers interessiert. Es suggerierte Abenteuer und Berge und eine fremde Kultur. In „Pachamama“ mimen die Spieler Anden-Völker, welche die umliegende Gegend erforschen und im Einklang mit der Natur auf Diversität achten. Das Thema ist aber zweitrangig, hauptsächlich handelt es sich um ein abstraktes Deduktions- und Knobelspiel.
Das Spielbrett umfasst (im kurzen Spiel) 25 Felder, von denen anfangs fünf mit einer Landschaft (Berg, Tal, Wald und Wüste) und einer Pflanzenart (Süßkartoffel, Coca, Chili, Mais und Quinoa mit den Wertigkeiten 1 bis 5) belegt sind. In meinem Zug setze ich einen Arbeiter am Rand des Spielfeldes ein und bewege diesen oder bewege einen bereits auf dem Spielfeld befindlichen. Die Bewegung ist dabei nur horizontal und vertikal erlaubt, dafür beliebig weit. Die Bewegungsrichtung darf ich ändern, sobald ich auf ein Feld mit einem meiner Arbeiter oder auf ein bereits erkundetes Feld mit Landschaft und Pflanze stoße. Wenn ich den Arbeiter auf ein leeres Feld oder eines ohne Pflanze bewege, endet meine Bewegung. Wenn das Feld ganz leer ist, wird durch einen besonderen Mechanismus aufgedeckt, um welche Landschaft es sich handelt. Hierfür wandere ich auf der zu der Landschaft gehörigen Leiste nach oben und erhalte Punkte. Alternativ zur Bewegung kann ich für alle meine Arbeiter, die auf einem Landschaftsfeld ohne Pflanze stehen, raten, welche Pflanzenart dort wächst. Liege ich richtig, erhalte ich Punkte und einen Würfel in der entsprechenden Pflanzenfarbe. Falls nicht, verliere ich Punkte. Sollte ich richtig geraten haben, darf ich zusätzlich unterschiedlich farbige Würfel abgeben, um weitere Siegpunkte zu erhalten.
Als ich die Anleitung bis hierhin gelesen hatte, dachte ich, es handelt sich um ein reines Ratespiel. Das ist aber nicht der Fall, da ich deduzieren kann, welche Pflanzenart wo wächst. Das Spielfeld und damit auch die Landschaft und Pflanzen sind jede Partie nach einem festen Schema aufgebaut. Gleiche Landschaftsfelder hängen orthogonal zusammen und bestehen aus einem Block von eins bis fünf Feldern. Zusätzlich befinden sich auf den Landschaftsfeldern eines Blocks immer unterschiedliche Pflanzenarten, beginnend bei der niedrigsten (Süßkartoffel mit Wert 1). Das heißt, eine Berglandschaft aus drei Plättchen hat auf alle Fälle eine Pflanzenart von Wertigkeit 1, 2 und 3 auf den Feldern. Die letzte Bedingung ist, dass niemals zwei gleiche Pflanzenarten nebeneinander liegen, auch nicht diagonal. Wenn also zu einem Feld benachbart eine Pflanzenart mit Wertigkeit 1, 3 und 5 liegt, weiß ich, dass es nur eine 2 oder 4 sein kann. Wenn ich dazu noch sehe, dass die Landschaft nur aus zwei Plättchen besteht, muss es die Pflanzenart mit Wertigkeit 2 sein.
Das Ganze klingt ein bisschen wie eine Mischung aus „Sudoku“ und „Minesweeper“. Zuerst muss ich herausfinden, welche Landschaft sich wie weit erstreckt und aus wie vielen Plättchen sie besteht. Danach muss ich aus den bereits offen liegenden Pflanzen deduzieren, was auf den Landschaftsplättchen wächst. Und das geht mehr oder weniger gut. Da das Spielfeld fest aufgebaut wird (es gibt 20 Szenarien mit 10x25 und 10x45 Feldern, sodass man den Aufbau nicht auswendig lernt), gibt es immer eine eindeutige Lösung. Ich nehme sogar an, dass der Startaufbau mit offenliegenden Landschaften und Pflanzen so gewählt ist, dass die Spielerinnen sich die Lösung eindeutig Stück für Stück erarbeiten können. Mir ist das aber leider nicht gelungen.
Ich habe zwei Partien gegen den sehr einfach handhabbaren Solo-Automa gespielt. Dieser bewegt seine Spielfiguren auf eine zufällige, aber doch sinnvolle Art und Weise und setzt mich auf die Art unter Druck, da er die Pflanzenart immer richtig rät und entsprechend Punkte bekommt. Die erste Partie habe ich mit 64:41 Punkten verloren, da ich einmal falsch deduziert habe. Die zweite Partie spielte ich mit „offenen Karten“. Sprich, ich wusste, auf welchem Feld welche Landschaft liegt und welche Pflanze wächst, sodass ich immer richtig geraten habe. Und dennoch habe ich 64:57 verloren. Um zu gewinnen, reicht es also nicht, immer nur richtig zu deduzieren. Vermutlich muss ich auch noch die richtigen Landschaftstypen und die hochwertigen Pflanzenarten wählen. Und vermutlich muss die zufällige Bewegung der Bot-Arbeiter diesem nur die niedrigwertigen Pflanzen zulosen. Da ich im normalen Spiel ohne offene Information spiele, sehe ich nicht, wie ich gegen den Automa gewinnen kann.
Eine Besonderheit des Spiels ist noch das Pachamama-Rad. In dieses wird eines der 20 Szenarioscheiben gelegt. Durch das Einstellen der zwei Koordinaten eines Feldes verrät die Scheibe, welche Landschaft beziehungsweise welche Pflanzenart auf dem eingestellten Feld liegen. Ich finde die Lösung erst einmal ganz clever, um ein vordefiniertes Spielfeld zu haben, welches die Spielerinnen aber nicht sehen können. Wie sich die Handhabung des Rades in der Realität anfühlt, kann ich aber nicht sagen. Auf Tabletopia konnte das Rad nicht umgesetzt werden, sondern es gibt ein identisches, kleineres Spielfeld, auf dem alle Felder abgedeckt sind. Wenn ich eine Landschaft entdecke, decke ich das Plättchen auf dem entsprechenden Feld auf und es verrät mir die Landschaft. Und wenn ich die Pflanzenart deduziere, entferne ich das Plättchen komplett und die Pflanze kommt zum Vorschein. Das funktionierte in meiner Solo-Partie sehr gut.
Abgesehen davon, dass ich nicht weiß, wie ich den Automa in „Pachamama“ schlagen kann, hat mir das Spiel ganz gut gefallen. Das Thema kann wie gesagt ignoriert werden, es geht nur um (Landschafts-)Farben und (Pflanzen-)Werte, die deduziert werden müssen. Auch die Grafik versucht gar nicht groß ein Thema einzufangen, sondern ist eher minimalistisch, aber in meinen Augen sehr angenehm und unaufgeregt. Das Spiel kann wie andere Deduktionsspiele sehr grübellastig werden, wenn unbedingt das Richtige deduziert werden soll. Und ich bin unsicher, ob zum Anfang des Spiels wirklich alles korrekt deduziert werden kann oder ob Informationen fehlen. (6,0)
Noch ein Hinweis: Das Spiel sollte bei Gamefound per Crowdfunding finanziert werden, wurde vom Verlag aber vorzeitig abgebrochen, da das Finanzierungsziel vermutlich nicht erreicht worden wäre. Die Kampagne soll Anfang 2022 neu gestartet werden. Es ist aber noch nicht klar, was bis dahin geändert wird.
Wertung:
#Pachamama
Settlement (IGAMES, 2021)
In „Settlement“ erkunden wir neues Land, kämpfen gegen Drachen, errichten Außenposten zum Schutz und heuern neue Helden an. Und das alles nur, um am Ende über die Siegpunkte den erfolgreichsten Siedleranführer zu bestimmen.
In der zentralen Auslage liegen Gebäude, verdeckte Landschaften und Helden aus. Wenn ich dran bin, setze ich mit einen oder mehrere meiner Arbeiter auf meinem eigenen Tableau für sieben verschiedene Aktionen ein. Ich kann die Landschaft erkunden, was mir Rohstoffe bringt, aber auch Drachen anlockt. Ich kann einen Außenposten bauen, der mich vor Drachen schützt. Ich kann ansonsten aber auch gegen die Drachen kämpfen, was mir Belohnungen bringt. Oder ich kauf mir ein Gebäude. Die Landschaften und Gebäude lege ich auf mein Tableau in jeweils drei Reihen je drei Plättchen aus. Ich kann meine Arbeiter auch einsetzen, um eine Gebäude- oder Landschaftsreihe zu aktivieren, was mir entsprechende Rohstoffe bringt. Durch die Drachenkämpfe, aber auch die entfernteren Landschaften und Gebäude erhalte ich besondere Rohstoffe wie Gold und Edelsteine, mit denen ich mir Helden anwerben kann. Diese bringen manchmal einen kleinen Bonus mit, hauptsächlich aber Siegpunkte. Haben alle Spielerinnen ihre Arbeiter reihum eingesetzt, ist die Runde vorbei. Nach sechs Runden endet die Partie und die Person mit den meisten Siegpunkten, bestimmt durch die Helden und zwei Gebäudetypen, gewinnt.
„Settlement“ stellt keine großartige Innovation dar. Arbeitereinsatz mit Ressourcentausch gegen Siegpunkte gab es schon oft. Das Spiel fasst dies aber mechanisch in einer so kompakten Form zusammen, dass mir das Spiel Spaß macht. Es gibt nur sechs Arbeiter für den Einsatz, was echt eine Einschränkung ist, weswegen ich jede Runde schauen muss, wie ich an zusätzliche Hilfsarbeiter komme, die mich nach dem Einsatz aber wieder verlassen. Auch die Ressourcen wollen gut gehortet sein, denn am Ende einer Runde muss ich überschüssige Standardressoucen (Holz, Stein, Lehm) ungenutzt abwerfen (Außenposten lassen mich eine Ressource behalten). Durch die Entdeckung neuer Landschaften und den Kauf neuer Gebäude entsteht bei der Aktivierung einer Reihe im Laufe des Spiels eine kleine Engine. So gewinne bei ersten Gebäude gegen Abgabe von Gold zwei Edelsteine. Das nächste Gebäude gibt mir für zwei Edelsteine zwei Hilfsarbeiter. Und das letzte Gebäude für einen Edelstein Siegpunkte. Und die zwei Hilfsarbeiter kann ich dann wiederum einsetzen. Das macht mir, obwohl es eher simple Aktionen und Tauschprozesse sind, über sechs Runden lang Spaß.
Auch grafisch gefällt mir das Spiel sehr gut. Die Ressourcen sind nicht nur Würfel, sondern haben die Form, die ich als Holt, Stein oder Lehm (Tropfen?) wiedererkenne. Die vier verschiedenfarbige Drachen sehen anders aus. Die Gebäude und Landschaften sind sehr schön illustriert, ebenso wie die Helden. Die Symbolik des Spiels ist dabei sehr eingängig und leicht verständlich, sodass ich nach dem Lesen der Anleitung diese nicht mehr in die Hand nehmen musste. Obwohl die Mechanik eher simpel ist, sorgt unter anderem die grafische Gestaltung auch dafür, dass das Thema der Siedlung und Erkundung – wenn auch stark heruntergebrochen – übermittelt wird.
Auf Tabletopia habe ich eine Solopartie gespielt und vermutlich könnte ich dies auch als Kritikpunkt anbringen. Das Spielgefühl allein oder mit mehreren am Tisch ist vermutlich nicht sehr unterschiedlich. Jeder baut seine eigene Siedlung auf und niemand kommt sich in die Quere. Einzig die Gebäude oder die Helden könnten von jemand anderem weggeschnappt werden, wobei im späteren Spielverlauf identische Gebäude gestapelt werden, sodass es eigentlich immer genug Auswahl vom gleichen Gebäudetyp gibt. Ich persönlich finde das nicht schlimm, weil „Settlement“ auch nicht suggeriert, dass es ein konfrontatives Spiel sein will. (8,0)
Wertung:
#Settlement
Squaring Circleville (Spielworxx, 2021)
Die Story hinter „Squaring Circleville“ klingt schon fast filmreif: 1810 wurde der Ort Circleville in Ohio gegründet und die Straßen kreisförmig zu einer darunter befindlichen Wallanlage gebaut. Die Bürger protestierten aber dagegen und nur 27 Jahre später übernahm die „Circleville Squaring Company“ die Aufgabe, die Straßen in ein rechteckiges Raster umzubauen. Im Spiel arbeiten wir für diese Company und wollen aus dem runden Straßennetz ein eckiges machen.
Für den Abriss und Neubau der Stadt stehen uns verschiedene Aktionen zur Verfügung: Eine Straße abreißen (eigenen Marker auf ein rotes Feld legen), eine Straße bauen (eigenen Marker auf ein blaues Feld legen) oder ein Gebäude abtragen (Gebäude auf separate Leiste stellen und eigenen Marker auf den freien Platz legen). Sobald in einem Segment des Stadtplans alle Plätze mit Markern belegt sind (durch Straßenabriss, Straßenneubau und Gebäudeabtrag), findet eine Wertung statt. Wer die meisten Marker in dem Segment hat, bekommt die meisten Punkte und nachfolgende Spielerinnen entsprechend weniger. Danach wird das Segment mit einem neuen Stadtplanteil überbaut, welches rechteckige Straßenzüge zeigt. Ab dann kann ich als Aktion nur noch ein oder mehrere Gebäude wieder aufbauen und lege erneut einen meiner Marker unter das Gebäude. Neben diesen vier Grundaktionen gibt es noch Sonderaktionen, die mich beispielsweise Gebäude verbessern lassen (ich lege einen Marker an ein wieder aufgebautes Gebäude) oder einen Park anlegen (einen eigenen Marker auf den Spielplan legen). Jeder Aufbau in einem Segment eines der vier Stadtviertel lässt mich einen weiteren Marker vorrücken, der für das Spielende wichtig ist.
Wo ich bauen kann, bestimmt mein Bauleiter, der sich auf dem Stadtplan bei jeder Aktion von einem Segment zu einem benachbarten bewegen darf. Dadurch kann ich nicht wild überall mitmischen, sondern muss mir langsam meinen Weg bahnen. Der eigentliche Clou ist aber, dass ich nicht jede Aktion frei ausführen darf. Auf einem Aktionsrondell hat jede Spielerin einen Assistenten stehen. Das Rondell hat acht farbige Segmente, jeweils zwei mit gleicher Farbe, wobei jede Farbe für eine der oben genannten Bauaktionen steht. Neben jedem der acht Segmente steht ein Stapel an Scheiben, die ebenfalls in den vier Farben der Bauaktionen gehalten sind. In meinem Zug darf ich mit meinem Assistenten bis zu zwei Felder weit im Uhrzeigersinn laufen und dabei belegte Felder überspringen. Auf dem Feld, auf dem mein Assistent stehen bleibt, führe ich die Aktion des Rondells und die Aktion der obersten Scheibe aus, je nachdem welche zwei Farben zu sehen sind. Danach nehme ich mir die Scheibe und lege sie auf mein eigenes Tableau. Dies zeigt vier Slots in den vier Farben. Ich lege die Scheibe farblich passend und verstärke damit für zukünftige Runden die jeweilige Bauaktion (ich darf mehr Marker auf einmal legen) und schalte Sonderaktionen frei.
Das Spiel endet, sobald alle zwanzig Segmente des Stadtplans vollständig umgebaut worden sind. Für die vier Stadtviertel wird geprüft, wer die Mehrheit an Baufortschritt hat und entsprechend gibt es noch einmal Punkte für die jeweiligen Plätze. Daneben gibt es im Spiel noch Bonusplättchen, die mir weitere Siegpunkte am Spielende bringen können.
Grafisch ist „Squaring Circleville“ nicht unbedingt eine Augenweide. Die Gestaltung wirkt etwas monoton und funktional. Das macht es zwar übersichtlich, aber leider auch etwas leblos. Während der Partie fühlte ich mich nicht wie ein Stadtplaner, der Straßen verändert und Häuser versetzt. Ich fühlte mich eher wie jemand, der farbige Klötzchen auf einen Spielplan stellt und wieder wegnimmt. Obwohl das Thema von den Aktionen her zwar sehr gut eingefangen ist, gibt das das Spiel weder optisch noch spielerisch wieder.
Das Aktionsrondell hat mir ganz gut gefallen. Anfangs dachte ich, dass es zu viele Optionen und Möglichkeiten sind, die zu Analyse-Paralyse führen können. Aber eigentlich gibt der eigene Bauleiter vor, in welchem Bereich ich etwas machen kann. Dann suche ich mir aus, ob ich lieber etwas aufbaue oder abreiße und führe die Aktionen aus. Dabei missfällt mir, dass die Aktionen spieltechnisch keine großen Auswirkungen haben. Ob ich Straßen aufbaue, abreiße oder ein Haus versetze – am Ende geht es nur um die Mehrheit der Marker. Wie diese auf das Spielbrett gekommen sind, ist irrelevant. Das lässt die unterschiedlichen Aktionen ein bisschen egal wirken. Hauptsache, ich setze irgendwie Marker auf ein Segment.
Ein weiteres Problem ist auch, dass es keinen großen Steigerungseffekt im Spiel gibt. Die Aktionen werden mit mehr Scheiben zwar etwas stärker, sodass ich im späteren Spielverlauf mehr Marker setzen kann. Aber dennoch muss ich zwanzig Stadtsegmente lang Marker darauf setzen, Häuser wegnehmen, das Segment durch ein neues ersetzen und wieder Marker legen und Häuser zurückstellen. Das trägt in meinen Augen keine Spielzeit von 90 bis 120 Minuten.
Ich habe nur zwei Solospiele auf Tabletopia gewagt. In der Anleitung gibt es mehrere verschiedene Sologegner, mit denen man sich messen kann. Ich wählte „Denzel“ aus, da dieser von der Handhabung am einfachsten aussah. Dennoch machen alle Automa-Gegner zahlreiche Aktionen und müssen verwaltet werden, was Zeit und auch etwas Überlegung kostet. Die erste Partie brach ich nach etwa 90 Minuten zur Hälfte des Spiels ab, weil es zum einen sehr wenig Abwechslung bot, der Automa aber auch mit uneinholbaren 127:9 führte. Nachdem ich den Regelfehler gefunden hatte, wiederholte ich die Partie. Die Monotonie blieb leider die gleiche, der Bot führte bei Abbruch der Partie nach 60 Minuten und ein Drittel des Spiels nur noch mit 45:20. Unter Umständen habe ich bei der zweiten Partie immer noch etwas falsch gespielt, aber das monotone Spielgefühl vermittelte der Automa dennoch gut.
Mich hat „Squaring Circleville“ deshalb gar nicht überzeugt – mindestens nicht als Solospiel. Aber auch mit echten Mitspielerinnen stelle ich mir den Ablauf nicht viel spannender vor. Sicherlich kann man es spielen und es funktioniert mechanisch auch, aber ohne jeden Spannungsbogen würde ich keine zwei Stunden an einem Spiel sitzen wollen. (4,5)
Wertung:
#SquaringCircleville
Verdant (Flatout Games, 2022)
Pflanzen sucht man in meiner Wohnung vergeblich. Hier steht nur ein Stoffkaktus in einem Übertopf, auf dem „I will survive!“ geschrieben ist. Dementsprechend kann ich mit dem Thema „Topfpflanzen“ eher wenig anfangen. Flatout Games hat nun genau zu diesem Thema ein neues Spiel über „Kickstarter“ finanziert. Da der Verlag auch die bereits guten, wenn für mich auch nicht so interessanten Spiele „Calico“ und „Cascadia“ veröffentlicht hat, habe ich mir dessen neues Spiel „Verdant“ dennoch angesehen.
In einer zentralen Auslage liegen fünf Pflanzenkarten, darunter fünf kleine Bonusmarker und darunter fünf Raumkarten. In meinem Zug suche ich mir entweder eine Pflanze oder einen Raum aus und nehme mir auch das zugehörige Bonusplättchen. Auf die nicht gewählte, gegenüberliegende Raum- oder Pflanzenkarte kommt ein Wachstumsmarker („Verdancy token“ im Englischen). Die Karte, die ich gewählt habe, baue ich in meine eigene Auslage ein. Diese fängt immer mit einem Raum und einer dazu benachbarten Pflanze an. Die Bedingungen für die Auslage sind einfach: Keine zwei gleichen Karten nebeneinander, also ein Raum grenzt an vier Pflanzen und eine Pflanze an vier Räume. Und die Höhe und Breite sind auf drei mal fünf Karten beschränkt, darüber hinaus darf nichts auslegen.
Auf jeder Pflanzenkarte sind die Lichtbedingungen der Pflanze dargestellt (sonnig, halbschattig, schattig). Jeder Raum hat an den vier Kartenrändern eine Lichtangabe aufgedruckt. Wenn ich eine Pflanze lege, wird geprüft, ob benachbarte Räume die Lichtbedingungen erfüllen. Falls ja, erhält die Pflanze für jede Erfüllung einen Wachstumsmarker („Verdancy token“ im Englischen). Umgekehrt prüfe ich für einen neuen Raum alle benachbarten Pflanzen, ob diese weiter wachsen. Die Bonusmarker kann ich entweder auf Räume (als Gegenstände und Haustiere) legen oder sie bieten mir in meinem Zug einen Vorteil („Nurture token“ im Englischen) wie beispielsweise das Wässern einer Pflanze mit 3 Wachstumstoken, das Düngen von drei verschiedenen Pflanzen oder das Gießen eines Raumes und damit aller angrenzenden Pflanzen.
Wenn eine Pflanze ihr Wachstumslimit erreicht hat, also die auf der Pflanzenkarte angegebene Menge an Wachstumsmarkern auf ihr liegen, wird sie eingepflanzt. Dafür nehme ich mir einen Topf aus der Auslage. Die Pflanze und der Topf sind am Spielende Siegpunkte wert. Und so bauen die Spielerinnen reihum ihre Räume und Pflanzen aus. Am Spielende gibt es sieben verschiedene Siegpunkte-Arten, unter anderem für eingetopfte Pflanzen, für die Töpfe, für Räume, deren Nachbarpflanzen einem bestimmten Typ entsprechen, für die Bonusmarker und für verschiedene Räume und Pflanzen. Und wie üblich gewinnt die Spielerin mit den meisten Punkten.
Eigentlich wollte ich das Spiel auf „Tabletopia“ testen, dort gibt es in der Anleitung aber noch keine Solo-Regeln. Glücklicherweise hat Flatout Games aber eine Solo-Version online gestellt, über die ich das Spiel dann ein paar Partien testen konnte. Und dort spielt es sich auch sehr schnell innerhalb von 15 Minuten herunter, schließlich muss ich mich dreizehn Runden lang nur für eine Karte entscheiden und diese in meine Auslage legen. Entsprechend wird die Spielzeit bei fünf Spielerinnen ungefähr bei 75 Minuten liegen, auch wenn 45 Minuten seitens des Verlags angegeben sind.
Das Thema von „Verdant“ scheint durch die sehr schöne grafische Illustration von Beth Sobel (die auch schon „Calico“ und „Cascadia“ illustriert hat, sich aber auch für „Flügelschlag“ und das sehr schöne „Arboretum“ verantwortlich zeichnet) ein bisschen hindurch. Sehr gut ist es, dass die Pflanzen verschiedene Lichtanforderungen haben und man sie zu den passenden Räumen stellen muss. Dabei bricht die Mechanik aber mit dem Thema, denn selten werden Pflanzen von vier Räumen aus in einem Haus mit Licht und Schatten versorgt. Ich hätte es als thematischer empfunden, wenn ich ein Haus mit Räumen aufbaue (Südseite mit viel Sonne, Nordseite im Schatten, Innenräume ohne Licht) und in diese Räume dann Pflanzen mit besonderen Anforderungen stelle. Durch das abwechselnde Legen von Räumen und Pflanzen entsteht zwar ein schönes und spielmechanisch funktionierendes Muster, aber dieses verfehlt das Thema in meinen Augen etwas.
Entgegen der schönen Illustrationen war die Symbolik der Umwelt-Bonusmarker nicht hilfreich. Es gibt davon zwar nur drei, aber diese sind recht generisch mit Gießkanne, Düngemittel und Schaufel dargestellt, sodass ich mir einfach nicht merken konnte, was diese tun. Online hilft eine Kurzerklärung, wenn ich mit der Maus über den Marker fahre, aber in der Realität hätte ich immer in den Regeln nachschauen müssen. Eine hilfreichere Symbolik hätte ich besser gefunden. Auch sind in der Anleitung auf Tabletopia die Pflanzenkarten nicht beschrieben, deren Bedeutung ergibt sich dann erst durch das Lesen der ganzen Anleitung. Es handelt sich aber auch nur um eine Vorabversion der Anleitung, da Solo-Modus und Varianten nur mit „In Development“ beschrieben sind.
Den Punktesalat am Ende des Spiels empfand ich als etwas zu viel des Guten. Gefühlt gibt es für alles Punkte, was man irgendwie machen kann. Eine Konzentration auf die Pflanzen und Räume hätte ich als geradliniger und eleganter empfunden. Online nimmt einem glücklicherweise die Webseite das Zusammenrechnen ab.
Am Ende bleibt ein leicht thematisch, aber im Kern abstraktes Knobelspiel zurück. In etwa das Gleiche habe ich auch bei „Cascadia“ und „Calico“ geschrieben. Und wie bei den beiden Spielen ist auch „Verdant“ eher ein solitäres Puzzlespiel und damit eine gute Ergänzung der Reihe. Das Wegnehmen von Räumen und Pflanzen geschieht eher zufällig nebenbei, aber nicht, weil ich damit meinen Mitspielerinnen aktiv etwas verwehren möchte. Insofern spielt es sich ganz nett und ist online solitär ein netter Zeitvertreib, aber mehr sehe ich in dem Spiel nicht. Für Familienmitglieder oder Freunde, die einen grünen Daumen haben, könnte das Spiel (in einer deutschen Version) aber ein sehr schönes Geschenk sein. (6,5)
Wertung:
#Verdant
The FOG – Escape from Paradise (XOLLOX Games, 2022)
Über das unknows-Forum bin ich auf das Spiel „The FOG – Escape from Paradise“ aufmerksam geworden. Spieleautor Robert Müller-Reinwarth hat das Spiel dort vorgestellt, vor allem die Entwicklungsnotizen und die Entstehung der Grafiken fand ich interessant. Robert und sein Verlag XOLLOX Games waren auch auf der SPIEL'21 in Essen. Die Präsenz bei der SPIEL.digital beschränkte sich auf den Verweis auf das Spiel auf Tabletopia. Während der Messe hatte Robert als Ein-Mann-Verlag logischerweise keine Zeit, das Spiel zu erklären. Es ergab sich aber anderthalb Wochen später die Möglichkeit, das Spiel mit ihm und einer dritten Person auf Tabletopia kennenzulernen.
Ein mysteriöser Nebel bedroht eine große Insel. Aus dem Landesinneren treibt er die Menschen Richtung Küste. Wer nicht entkommt, wird verschluckt und ward nie wieder gesehen. In „The FOG“ treffen drei Stämme der Insel an einem Küstenabschnitt zusammen. Die Boote für die drei Stämme sind gebaut und liegen bereit. Doch plötzlich kommt der Nebel schneller näher als gedacht. Alle Menschen fliehen voller Panik in die Boote. Unsere Aufgabe ist es, die Insulaner sicher zu ihren Booten zu bringen, wobei dabei auch unfreundlich gezerrt und geschubst werden darf. Das Spielbrett von „The FOG“ zeigt den Strandabschnitt und die drei Boote. Die Menschen der drei Stämme werden nicht ganz, aber teils zufällig auf dem Strand verteilt, ebenso wie einige Hindernisse, die das Weiterkommen behindern.
„The FOG“ teilt sich in zwei Phasen. In Phase 1 wählen die Spielerinnen mit der letzten beginnend umgekehrt reihum nacheinander einen Inselbewohner am Strand aus und legen einen Marker unter das jeweilige Insulanerplättchen. Im Spiel zu dritt sind mir am Ende von Phase 1 zehn Inselbewohner zugehörig und diese versuche ich in die Boote zu retten. Phase 2 geht im Spiel zu dritt über maximal zehn Runden. Jede Runde führen die Spielerinnen reihum ihre Aktionen aus, die hauptsächlich aus der Bewegung der Inselbewohner bestehen. Am Ende der Runde bewegt sich der Nebel ein Stück auf dem Strand vorwärts und verschluckt die Menschen, die es nicht rechtzeitig weiter nach vorne geschafft haben. Danach wechselt der Startspielermarker nach rechts, sodass die letzte Spielerin immer einen Doppelzug hat. Nach zehn Runden hat der Nebel den Strand eingenommen und es wird gewertet, wer es auf die Boote geschafft hat. Dabei gibt es mehr Punkte, je weiter vorne meine Inselbewohner im Boot sitzen, wobei einige Sitzplätze exklusiv für bestimmte Menschen (es gibt die fünf Kategorien Anführerin, Seemann, Krieger, Ältester und Zivilistin) reserviert sind. Extra Punkte gibt es auch, wenn ich die Mitglieder eines Stammes in das richtige Boot gebracht habe.
Die Bewegung der Menschen fühlt sich (bis auf eine Ausnahme) sehr natürlich an: Ein Insulaner kann rennen. Er kann den Vordermann nach hinten ziehen und so die Plätze tauschen. Er kann mit voller Kraft bis zu zwei Menschen vor sich herschieben. Er kann ein Hindernis überqueren. Er kann sich zwischen zwei Menschen oder zwischen Hindernissen hindurchzwängen. Und zu guter Letzt kann er jemand vor sich durch eine Art Bocksprung überspringen. Die letzte Aktion ist auch die, die ich mir bei einem echten Gedränge nicht wirklich vorstellen kann. Ein Vorbeihechten (ähnlich dem Zwängen) wäre da irgendwie sinnvoller – und mechanisch identisch.
Die Insulaner haben neben der Stammeszugehörigkeit und der Kategorie noch eine Fähigkeit auf den Plättchen dargestellt. Durch die Fähigkeit kann eine Person eine der genannten Bewegungsaktionen besonders gut ausführen, was bedeutet, dass ich weniger Bewegungspunkte ausgeben muss. Denn die Bewegungen kosten mich Punkte, von denen ich in meinem Zug immer 7 zur Verfügung habe und auch keine (à la „Flash Point“) aufsparen kann. Rennen kostet beispielsweise nur 1, Schieben schon 3 und Durchzwängen 4 Bewegungspunkte. Ein Insulaner, der besonders schmal ist und sich gut durchzwängen kann, benötigt dann nur 2 Bewegungspunkte.
Ich hatte mir die Anleitung bei Tabletopia durchgelesen und hatte vorab etwas Bedenken, was die Optionsvielfalt angeht. In meinem ersten Zug habe ich zehn Personen zur Auswahl, werde von denen nur etwa drei bewegen können (aufgrund der Einschränkung auf 7 Bewegungspunkte) und haben sechs mögliche Bewegungen zur Auswahl. Rein rechnerisch wären das 6000 mögliche Optionen, was sogar die über 3000 Möglichkeiten des ersten Zuges bei „Five Tribes“ schlägt. Glücklicherweise stellte sich im Spiel sehr schnell heraus, dass ein Großteil der Optionen wegen Blockade durch andere Insulaner gar nicht infrage kommt. Und ein weiterer Großteil fiel weg, weil er einfach nicht sinnvoll war. Dementsprechend schnell habe ich ins Spiel gefunden.
Dennoch ist das Spiel für Analyse-Paralyse anfällig. Vor allem, wenn der Nebel gegen Mitte des Spiels so nah kommt, sodass ich mir wirklich Gedanken machen muss, wie beziehungsweise ob ich alle meine Inselbewohner retten kann. Dann beginnt nämlich das Rechnen, welche Möglichkeiten mir die sieben Bewegungspunkte geben, um eine weitere Runde zu überleben. Das führt dann bei den Mitspielern zu einer kleinen oder größeren Wartezeit. Da ich leider auch erst überlegen kann, wenn ich am Zug bin, weil sich die Situation am Strand sehr stark verändert hat, vergrößert sich diese Wartezeit dann leider etwas. Deswegen gefällt mir zumindest die Variante, die in den Regeln angegeben ist, dass ich nicht ewig über meinen Zug brüten darf, sondern nur eine Minute Zeit dafür habe. Dieser Zeitdruck entspricht in meinen Augen dann auch viel mehr der Hektik, in denen die Insulaner Entscheidungen treffen müssen.
Obwohl es viele Bewegungsoptionen mit verschiedenen Bewegungskosten gibt, sind diese wirklich sehr schnell verinnerlicht. Nur selten habe ich auf der Spielhilfe die Bewegungspunkte nachschlagen müssen. Was öfters vorkam war, dass ich nachschauen musste, wofür die Symbole auf den Insulanern stehen, was also deren Fähigkeit ist. Vor allem das Dreieck als „Hindernis überqueren“ wollte sich bis zum Spielende einfach nicht einprägen. Ansonsten ist die Symbolik aber eingängig. Gefallen hat mir auch die Aufmachung des Strandes. Durch die variablen Hindernisse entsteht wirklich jedes Spiel an anderen Stellen eine Engstelle, was für etwas Varianz sorgt. Die Grafik der Insulaner ist sehr klar und gut erkennbar, fühlt sich dadurch aber auch ein bisschen wie ein Fremdkörper auf dem Spielplan. Dies soll aber noch verbessert werden.
Wie schon geschrieben fühlen sich die Aktionen und auch die Mechanik thematisch sehr gut an. Bis auf den Bocksprung ergeben die Bewegungen der Insulaner einen Sinn und auch die Verteilung auf die Boote passt da sehr gut. Einzig die Auswahl der Insulaner in Phase 1 empfand ich als etwas zu abstrakt. Laut Regel sind wir Hüter und koordinieren die Flucht. Wieso wir aber die Hüter für drei verschiedenen Stämme sind und nicht ein Stamm zu uns gehört, wird nicht erklärt. Aber das sind Kleinigkeiten, denn im Kern handelt es sich natürlich um ein abstraktes Optimierspiel, welches aber sehr gut von einem Thema umrandet wird.
Und bei dieser Optimierung gibt es viele kniffelige und spannende Entscheidungen zu treffen: In Phase 1 ist es wichtig, welche Insulaner ich mir sichere. Natürlich die weiter vorne und die näher an ihrem Boot stehen. Aber ich muss dabei auch auf die Kategorie der Insulaner achten und deren Sonderfähigkeiten wollen auch gut genutzt werden. In Phase 2 fand ich die spannendste Entscheidung, als ich zwei Insulaner dem Nebel überließ, um andere in die Boote zu retten. Denn die zwei waren so weit hinten, dass ich das Unvermeidliche vermutlich nur eine oder zwei Runden hinauszögern hätte können. Die Doppelzüge können taktisch sehr gut genutzt werden, um meine Insulaner im ersten Zug gut in Stellung zu bringen. Die Idee, dass zwar in jedes Boot eines Stammes alle Stammesmitglieder passen, manche davon aber ins Heck (für weniger Siegpunkte) müssen, hat mir gut gefallen. Vor allem in Hinblick darauf, dass gegebenenfalls auch ein Mitglied eines anderen Stammes den Platz im Boot besetzt, denn dann geht die Rechnung nicht mehr exakt auf.
Mir hat „The FOG“ sehr gut gefallen. Es gibt spannende Entscheidungen, eine schöne Grafik und ein Thema, welches ein abstraktes Puzzle sehr gut umrandet. Natürlich ist es kein freundliches Nebenher-Spiel. Die Züge wollen gut überlegt sein und das Ärgerpotenzial ist sehr groß. Vor allem, wenn meine Mitspielerin meinen Insulaner nach hinten schubst und damit dem Nebel üerlässt. Wer sich nicht gerne ärgert, sollte also von „The FOG“ besser die Finger lassen. Allen anderen, die dazu auch noch gerne knobeln, kann ich „The FOG“ zumindest zum Anspielen empfehlen. (8,5)
Hinweis: Der Kickstarter für das Spiel soll demnächst beginnen und es soll dann auch nichts mehr an der Mechanik geändert werden. Andere Hinweise, die das Spiel verbessern können, nimmt der Autor gerne entgegen.
Wertung:
#TheFogEscapeFromParadise
Weitere Berichte von SPIEL'21-Neuheiten
Hier habe ich nicht die Berichte aus den den vergangenen Wochenthreads mühsam herausgesucht, sondern verlinke lieber direkt auf meinen Blog.
- „Carnegie“ (Quined Games, 2021) (8,0)
- „Corrosion“ (Pegasus, 2021) (3,5)
- „Explorers“ Ravensburger, 2021) (7,5)
- „Freie Fahrt“ (2F-Spiele, 2021) (7,5)
- „Heimliche Herrschaft“ (Board Game Circus, 2022) (6,5)
- „Hippocrates“ (Game Brewer, 2021) (8,0)
- „Stroganov“ (Game Brewer, 2021) (8,0)
- „Messina 1347“ (Delicious Games, 2021) (7,0)
- „Furnace“ (Kobold Spieleverlag, 2021) (7,0)
- „City of Angels“ (Pegasus, 2021) (6,0)
Comments
Display comments as Linear | Threaded