(Neu) Gespielte Spiele im November 2022
Die Spielemesse in Essen ist schon „lange“ vorbei. Und die Stuttgarter Messe ist auch schon wieder ein paar Wochen her. Und so kamen im November wieder ein paar Neuheiten auf den Tisch: „The Spill“, „Endless Winter: Paleoamericans“ und „Cellulose“ sowie „Unconscious Mind“ digital.
The Spill (Smirk and Dagger Games, 2022)
„The Spill“ wurde über eine Kickstarter-Kampagne im September 2021 finanziert und im Oktober 2022 ausgeliefert. Das Spiel hatte ich damals ausnahmsweise mit unterstützt, obwohl ich es zuvor nicht anspielen konnte und obwohl es auf Englisch ist. Das Thema und die Umsetzung fand ich aber zu interessant.
Die Bohrinsel „Deepwell“ hat ein Leck und eine Menge Öl läuft aus. Wir treten mit unseren Schiffen auf den Plan, das Öl einzudämmen oder ganz abzuschöpfen. Kooperativ machen wir uns also entweder allein oder mit bis zu vier Spielerinnen daran, eine größere Katastrophe zu verhindern und die Lebewesen im Wasser zu retten. Das runde Spielfeld ist in vier Quadranten eingeteilt, welche wiederum aus je sechs Sektoren bestehen. Die Bohrinsel fungiert als Würfelturm in der Mitte des Tischplans. Sie hat vier offene Seiten, wodurch die Ölwürfel zufällig in einen Quadranten fallen. Die Augenzahl gibt den Sektor an, in dem das Öl austritt. Jeder Sektor hat drei Felder, wovon auf den äußeren beiden Feldern auch Meeresbewohner leben, die es zu retten gilt. Wenn ein Charakter dran ist, werden zuerst einige Ölwürfel in den Würfelturm geworfen und entsprechend in den Sektorfeldern platziert. Wird ein Tier getroffen, ist es verschmutzt. Wird ein verschmutztes Tier getroffen, kommt es in die Krankenstation. Das geschieht auch, wenn an meinem Zugende noch ein Ölwürfel auf einem Tier liegt und ich das Tier somit nicht retten konnte. Wenn drei Würfel in einem Sektor liegen, kommt es zu einem Spillout, das Öl läuft also über die notdürftige Absperrung. Damit steigt der Spillout-Marker, der uns je nach Schwierigkeitsstufe mehr Würfel zu Zugbeginn in den Turm werfen lässt. Wenn Öl in einem Spillout-Sektor auftritt, schwappt es in den linken Nachbarsektor. Die Aktionen in meinem Zug sind einfach: Ich kann mein Schiff bewegen, Tiere retten, Öl zurückdrängen (in den Beutel) oder Öl entfernen (aus dem Spiel). Vier Aktionspunkte habe ich dafür zur Verfügung. Ich kann aber noch bis zu zwei Zusatzaktionspunkte nutzen. Dafür muss die nächste Spielerin aber je einen Würfel mehr zu Beginn ihres Zuges in den Turm werfen. Wenn an meinem Zugende sechs oder mehr Spillouts auf dem Plan liegen, also sechs Sektoren mit drei Würfeln, dann haben wir gemeinsam verloren. Ebenso verlieren wir, wenn von einer Tierart drei Tiere oder von allen sechs Tierarten je ein Tier in der Krankenstation liegen. Gewonnen haben wir dagegen, wenn alle Ölwürfel aus dem Beutel genommen sind (also auf dem Spielplan liegen oder entfernt wurden) oder wenn wir bestimmte Ziele erreichen. Diese werden am Anfang durch eine Zielkarte zufällig bestimmt. Meist müssen wir eine bestimmte Anzahl Tiere retten und Ölwürfel entfernen.
Eine Besonderheit des kooperativen Spiels ist es, dass immer vier Charaktere mitspielen sollen. Im Solospiel steuere ich also vier Charaktere, zu zweit jeder zwei, zu viert jeder einen und zu dritt ebenfalls jeder ein und zusätzlich noch einen allgemeinen, dessen Aktionen man gemeinsam bespricht. Im Grunde ist dies aber auch egal, da sich die Spielerinnen aufgrund der Kooperation sowieso hoffentlich absprechen und nicht einfach vor sich hin agieren. Die Charaktere haben daneben noch einzigartige Fähigkeiten, wodurch sie eher beim Retten oder eher beim Ölentfernen hilfreich sind. Dazu gibt es noch Ressourcenkarten, von denen zu Beginn vier ausgewählt werden und offen ausliegen. Die Karten dürfen wir aber nicht einfach so nutzen, sondern müssen sie erst mit ein oder zwei Markern freischalten. Marker zum Freischalten erhalte ich durch je drei entfernte Ölwürfel oder durch ein volles Set an sechs geretteten Tierarten. Danach kann jeder die Ressourcenkarte einmalig nutzen, die beispielsweise neu würfeln lässt, Öl entfernt oder Tiere rettet. Zum Schluss gibt es noch vier Wetterwürfel, die auch zufällig aus dem Beutel gezogen und gewürfelt werden. Jede Würfelseite zeigt eine Bedingung, die für alle Charaktere bis zum Ende ihres nächsten Zuges gilt. So kostet beispielsweise das Retten von Tieren einen Aktionspunkt mehr oder unser Schiff kann sich nicht mehr so weit bewegen.
Wenn „The Spill“ vor einem aufgebaut steht, fällt natürlich erst einmal das Material der orangen Bohrinsel auf, die gleichzeitig als Würfelturm fungiert. Beim Zusammenbau lassen sich die Stangen leider nicht exakt ineinanderstecken, aber er hält und steht gerade. Was mich nervt, ist der Auf- und Abbau, denn das Inlay ist nicht dafür designt, alles komplett zu verstauen. Bei der Bohrinsel muss ich immerhin nur die Basis abnehmen, den oberen Teil kann ich als Ganzes in der Schachtel verstauen. Das Auseinandernehmen der sechs Pappstreifen als Fangschale für die Würfel ist dagegen wirklich aufwändig, da es sich nicht als Ganzes verstauen lässt. Bei den Aufklebern ist dem Designer ein Fehler unterlaufen, sodass diese minimal zu hoch sind. Ich fand das aber nicht schlimm, denn sie halten ja dennoch. Funktional ist die Insel, denn die Würfel fallen oben rein und kommen unten auch alle wieder raus. ;) Nur mit schlafenden Personen im Nachbarzimmer sollte ich vermutlich nicht spielen, da das recht laute Klackern der Würfel stören könnte. Ob die Würfel durch die Bohrinsel gleich verteilt werden, kann ich nicht sagen. Die Bohrinsel selbst steht zwar eben, aber das Spielbrett leider nicht ganz, wodurch auch die Insel etwas wackelt. Gefühlt hatten wir in unserer ersten Partie eine leicht stärkere Tendenz zu einem Quadranten. Das kann aber auch Zufall gewesen sein. Ehrlich gesagt hat es das Spiel spannend gemacht, weil hauptsächlich an einem Ort unsere Aufmerksamkeit gefordert war, wir aber dennoch überall agieren mussten. Und natürlich hat die Bohrinsel das typische Problem von großen Gimmicks auf dem Spieltisch (Ich denke da vor allem an den Baum in „Everdell“.): Ich kann den Spielplan dahinter nicht sehen. Praktischerweise handelt es sich um ein kooperatives Spiel, sodass mir die Mitspielerinnen sagen können, was dort liegt. In der Realität stand ich aber den Großteil der Partie am Tisch, um den Überblick zu haben. Das restliche Material ist gut, vor allem die Ölwürfel sind hübsch. Den Spillout-Marker fand ich anfangs etwas zu groß, aber da die Information, wie viele Würfel ich in den Würfelturm werfe, sich selten ändert, war das in der Partie auch okay.
Auch von der Grafik her sagt mir „The Spill“ zu. Das Spielbrett ist gut und übersichtlich gestaltet. Die Ablagefelder der Krankenstation hätte ich anders angeordnet vielleicht besser gefunden, damit ich schneller einen Überblick habe, ob wir in der Nähe einer Niederlage sind (wenn wir beispielsweise schon fünf verschiedene oder zwei gleiche Tiere einer Art dort liegen haben). Die stilistischen Tiermarker gefallen mir ebenfalls, da ich die Tiere sehr deutlich erkennen kann, was aber vor allem an ihren unterschiedlichen Farben liegen mag. Die Charakterkarten finde ich sehr schön von Kwanchai Moriya (zusammen mit anderen hat er an „Dinosaur Island“, „Sideral Confluence“ und „Under Falling Skies“ gearbeitet) illustriert. Dabei wurde auch auf eine hohe Diversität geachtet, sodass es verschiedene geschlechtliche und regionale Charaktere zur Auswahl gibt. Schade finde ich, dass nicht auf Sprachneutralität geachtet wurde. Zum einen befinden sich auf jedem Charakter die fünf möglichen Aktionen abgedruckt. Da diese so eingängig sind, hätten auch kleine Referenzkarten genügt, die sich leichter (durch mich) übersetzen ließen. Noch besser hätte ich die Benutzung einer Symbolsprache gefunden. Und auch die Fähigkeiten der Charaktere muss ich als Fließtext lesen. Da das Spiel aber kooperativ ist und alle Informationen offen liegen, ist die Übersetzung mit nicht-englischsprachigen Menschen am Tisch dennoch möglich. Einzig die Spielsieg- und Ressourcenkarten sind eher funktional mit viel Text, aber wenig Grafik gestaltet. Das hätte hübscher sein können.
Die offenen Informationen können in der falschen Runde natürlich auch zu einem Problem werden, denn dann dominiert eine Person die ganze Runde als Alpha-Spielerin. Wer aber sonst mit kooperativen Spielen keine Probleme in der eigenen Spielerunde hat, wird auch mit „The Spill“ kein Problem haben. Die Interaktion kann also entsprechend hoch ausfallen, weil ständig diskutiert wird, wer sich am besten um was kümmert. Das ging soweit, dass wir im Zweipersonenspiel mehrfach vergessen hatten, welcher Charakter eigentlich gerade am Zug ist (was uns auch bei anderen Spielen wie „Pandemic Legacy“ ständig passierte). Ein „Aktiver Spieler“-Marker hätte hier sehr geholfen und ich lege dem Spiel noch irgendetwas in dieser Art bei. Durch die ganzen Diskussionen gab es auch keine Downtime. Alle sind jederzeit involviert, wenn sie möchten.
Bemängelt wurde von ein paar Personen während der Kickstarter-Kampagne, dass immer vier Charaktere mitspielen müssen. Mich stört das weniger. Im Solospiel ist mir die Anzahl egal. Im Zweipersonenspiel regeln wir es schon seit Jahren bei den meisten kooperativen Spielen so („Flash Point“, „Pandemie“ etc.), dass jeder zwei Charaktere steuert, da es in Summe mit nur zwei Charakteren in einer Partie zu unausgewogen ist. Einzig zu dritt wirkt der vierte Charakter etwas fehl am Platz. Hier könnte man aber einfach tatsächlich mit nur drei Charakteren spielen. Da ein fünftes, komplettes Set an Wettermarkern enthalten ist, geht eine Partie sogar zu fünft, was ich einfach einmal ausprobiert habe. Ich habe keine negativen Effekte dabei festgestellt. Der Spielablauf ist identisch, der einzige Unterschied ist die Anzahl an Schiffen um das Ölfeld. Mit nur drei Schiffen kann es sein, dass ich mich zu langsam bewegen kann. Mit fünf wiederum ist sehr viel Raum abgedeckt, sodass es weniger zu Hotspots kommt. Aber beides ist kein extremes Problem, es macht das Spiel nur ein wenig leichter oder schwieriger. Das Spiel skaliert also gut und wenn ich mich an die Regel halte, vier Charaktere zu nutzen, dann skaliert es sowieso immer identisch.
Nach zwei verlorenen Partien auf der einfachsten Stufe ist es natürlich nicht leicht zu sagen, aber ich denken, auch der Schwierigkeitsgrad scheint gut zu skalieren. Zum einen gibt es die Siegbedingungskarten in drei Schwierigkeitsstufen, die nach meinem Empfinden beim Durchlesen tatsächlich von normal bis sehr schwer gehen. Da wir in beiden Partien eher weit weg von der Erfüllung waren, hätte die Bezeichnung „leicht“ auch nicht wirklich gepasst. Vielleicht hätte ich mir aber so einen leichten Modus noch gewünscht, um das Spiel nicht zu frustrierend zu machen. Über die drei Spillout-Schwierigkeitsgrade kann ich sehr gut justieren, wie viele Würfel im Laufe des Spiels in den Würfelturm geworfen werden. Schade fand ich, dass die niedrigste Schwierigkeit, nämlich die Anzahl immer auf 3 stehenzulassen, nur in der Anleitung im Anhang erwähnt wird. Das hätte auch auf dem Spielbrett stehen können. Ebenso haben uns dort die Niederlage-Bedingungen gefehlt. Die hätten beispielsweise sehr gut neben den Krankenstationen symbolisch dargestellt werden können. Vor allem als Erstspieler verliere ich die drei Bedingungen schnell aus den Augen. Und für die Wettereffekte musste ich die Rückseite der Anleitung immer neben mir liegen haben, uum sie im Detail erklären zu können.
Mechanisch treffen wir in „The Spill“ auf Altbekanntes. Die Charakterauswahl erinnert mich an „Flash Point“ und „Pandemie“, die Spillouts mit immer mehr Öl an die Ausbrüche bei „Pandemie“, die erst verschmutzten und dann kranken Tiere an die Rauch- und Feuermarker in „Flash Point“, ebenso wie die 4 Aktionspunkte oder auch das Weiterwandern des Öls, wenn ein Feld schon voll ist, aus „Flash Point“ entliehen sind. „The Spill“ erhält also keinen Innovationspreis, macht seine Sache aber dennoch sehr gut und hat mich die ganze Zeit über gut unterhalten. Schade fand ich da fast schon, dass ich nicht wie bei „Flash Point“ Aktionspunkte für die nächste Runde aufheben kann. Immerhin gibt es dafür aber die Möglichkeit der zwei Zusatzaktionsfelder, die aber auch zwei zusätzliche Ölwürfel im nächsten Zug ins Spiel bringen. Innovativ ist das Freischalten der Ressourcenkarten. Ich habe diese nicht wie bei „Pandemie Legacy“ auf der Hand, sondern sie liegen für alle aus und erst durch gerettete Tiere und entferntes Öl kann ich diese freischalten. Das reduziert den Zufall der Karten (bei „Pandemie Legacy“ kommen sie manchmal passend, manchmal aber total unpassend) enorm und vor allem kann ich mich auch strategisch danach ausrichten. Gefallen hat mir auch, dass es variable Siegbedingungen gibt, was den Fokus pro Partie leicht verschiebt, und auch, dass ich bei einem leeren Würfelbeutel gewonnen habe anstatt zu verlieren. Es fühlt sich auch thematisch an, dass die Quelle der Ölplattform irgendwann versiegt.
Die thematische Umsetzung von „The Spill“ war der eigentliche Kaufgrund und hier wurde ich vom Kernprinzip nicht enttäuscht. Die Würfel stellen das Leck der Bohrinsel sehr gut dar. Die Aktionen, die wir durchführen können, und auch deren Aufwand in Form von Aktionspunkten passen sehr gut zum Geschehen. Als Ziel gefällt mir, dass ich auch gewinne, wenn das ganze Öl aus der Plattform geflossen ist. Es gibt aber auch einige thematische Designschwächen. Beispielsweise gibt es Zielkarten, die erfordern, dass ich kontaminierte Tiere rette. Ich muss also erst warten, bis ein Tier mit Öl verschmiert ist, bevor ich es retten darf, was nicht in mein Weltbild passt. Und ich will eigentlich auch nicht das Öl zurückdrängen (ganz entfernen ist recht teuer von den Aktionskosten her), weil damit die Ölplattform nicht versiegt. Die Wetterwürfel und -marker bringen noch einmal Abwechslung ins Spiel, fühlen sich aber auch eher mechanisch und weniger thematisch an. Einzig, dass der Meteorologe diese ignorieren darf, passt gut ins Thema. In Summe schwach empfand ich die Wetterwürfel-Mechanik. Sie störten uns zwar ein bisschen in unseren Aktionen, aber machten im Kern nicht viel aus. Ich hätte das Spiel als schlanker und gradliniger ohne diese Würfel empfunden. Aber natürlich kann man sie auch optional einfach nicht mit in den Beutel werfen (wodurch aber die Charakterfähigkeit des Meteorologen nutzlos wird).
In unserer Zweipersonenpartie in der einfachsten Schwierigkeitsstufe (Siegbedingung der Stufe 1 und Spillout-Marker auf Stufe 1) ergab sich eine sehr spannende Partie. Anfangs dachte ich, dass es ziemlich leicht ist, mit dem Schiff herumzufahren und Tiere einzusammeln. Das war es auch, aber nur damit konnten wir nicht gewinnen. Wir mussten auch noch Öl entfernen. Und davon hatten wir mehr auf dem Spielfeld, als uns lieb war. Das führte dazu, dass von Delfinen und Pelikanen bald zwei Tiere in der Krankenstation landeten. Daher konzentrierte wir uns darauf, die restlichen vier Tiere davon zu retten oder zumindest sicher zu halten, damit wir das Spiel nicht mit dem dritten Tier einer Art auf der Krankenstation verlieren. Unsere initial gewählte Mischung aus Charakteren, die gut Tiere retten und Öl entfernen können, kam uns da auch entgegen. Das funktionierte ganz gut und der Spillout-Marker bewegte sich bis zur Mitte der Partie sehr wenig. Dann eskalierte es aber, da die Würfel vermehrt auf einer Seite auftraten. Die letzten paar Züge starteten wir immer mit sechs oder sieben Spillouts und mussten uns zwingend darum kümmern, diese auf fünf zu reduzieren. Im letzten Zug, bei dem nur noch zwei Ölwürfel im Beutel lagen, war uns das Glück für die Spillouts hold, da kein weiterer mehr dazu kam. Nur wo lag das Problem? Von den zwei Würfeln erwischte einer den dritten Pelikan, den nun ölverschmiert auf hoher See schwamm. Und dummerweise konnten wir im letzten Zug mit keinem Schiff mehr bis dorthin fahren, um das Öl zu verdrängen. Wir hatten zwar eine hilfreiche Ressourcenkarte. Diese wiederum konnten wir wegen schlechtem Wetter aber nicht einsetzen. Und so landete der letzte Pelikan in der Krankenstation und wir verloren die Partie. Und das hat mir sehr gut gefallen. Sogar ein bisschen besser als das Spiel einfach nur durch das Versiegen der Ölquelle auslaufen zu lassen. Denn von unseren Siegbedingungen auf der Karte waren wir zumindest bei den geretteten Tieren noch weit entfernt. Zwiegespalten war ich beim letzten Zug. Zum einen finde ich toll, dass ich sehe, wo es brennt und entsprechend meinen Zug planen kann, um einzugreifen. Alle Informationen liegen auf dem Tisch. Anderseits konnten wir so im letzten Zug berechnen, dass wir keine Chance mehr hatten, den Pelikan zu retten und mussten den Zug somit auch nicht mehr ausführen. Ich tat es dennoch, um die Partie regulär abzuschließen, aber es war eigentlich unnütz.
In der zweiten Partie zu fünft war der Spannungsbogen ähnlich. Anfangs lief es recht langsam, dann eskalierte es sehr schnell. Dennoch konnten wir uns bis zur letzten Runde, als der Beutel leer war, über Wasser halten. Die Tiere waren auch gut versorgt und nicht in Gefahr, aber ich konnte von den acht Spillouts auf dem Spielplan nur zwei entfernen, wodurch wir in der letzten Runde verloren. Auch hier waren wir von der „einfachen“ Zielkarte, dass wir noch sieben weitere (von zehn) Ölwürfel vom Spielplan entfernen mussten, weit entfernt. Ich werde aber weiter auf der einfachsten Stufe versuchen, zu gewinnen. In der Fünferpartie gab es auch kaum Absprachen oder Diskussionen, was als Nächstes zu tun ist. Dies hat vermutlich auch damit zu tun, dass „The Spill“ ein „Reaktion statt Aktion“-Spiel ist. Ich kann nicht groß planen oder absprechen, was die anderen Charaktere in den nächsten Runden machen sollen, weil einfach zu viel passiert. Ich kann nur auf die gefallenen Würfel und Eskalationen reagieren. Wenn ich mich nicht jetzt in meinem Zug um verschmutzte Tiere mit Öl kümmere, dann muss es auch niemand anderes mehr tun, weil das Tier dann in der Krankenstation gelandet ist. Das ist anders als beispielsweise „Pandemie“, bei dem wir gerne auch vier Züge im Voraus planen, wer was macht, und das dann tatsächlich auch funktioniert. Zu zweit geht das besser, weil beide Spielerinnen schneller wieder drankommen und daher etwas mehr im Geschehen sind.
Das hat sich auch in der zweiten Zweierpartie gezeigt, die spannender ablief und sogar gewonnen wurde. Nur leider fühlte sich der Sieg sehr antiklimaktisch an. Ich fühlte auch keine große Zufriedenheit aufgrund unserer großartigen Leistung. Im letzten Zug sahen wir, wie wir die letzten zwei benötigten Ölwürfel erreichen konnte und erreichten sie. Und dann war das Spiel vorbei. Ich glaube, mein Problem ist, dass ich zu Beginn meines Zuges einer Bedrohung ausgesetzt bin, die mich das Spiel verlieren lässt, wenn ich nichts tue. Und entweder kümmere ich mich drum und es geht weiter. Oder ich kümmere mich nicht und das Spiel ist zu Ende. Das Gleiche beim Sieg. Es fehlt mir einfach der Überraschungseffekt am Ende einer Runde, der einem die beste Planung doch noch ganz knapp kaputt machen könnte. Ähnlich fühlte es sich in der nachfolgenden Solopartie an. Ich gewann, aber irgendwie packte ich das Spiel danach direkt ein, ohne groß darüber nachzudenken.
Mir haben die drei Partien von „The Spill“ ganz gut gefallen, vor allem, weil wir die ersten beide Male nur ganz knapp in der letzten Runde verloren haben und die Möglichkeit bestanden hätte, zu gewinnen. Mit einer Spielzeit von 45 bis 60 Minuten ist eine Partie auch am späten Abend mal möglich. Die unterschiedlichen Charaktere sind nett, auch wenn man denen vorhalten kann, dass sie eigentlich nur die eigenen Aktionen betreffen und bevorteilen. Es gibt kaum Charaktere, deren Fähigkeiten die anderen Spielerinnen direkt unterstützen können. Die Variabilität ergibt sich allein durch die Charakterfähigkeiten und zum Teil durch die Ziele, auch wenn diese fast immer gerettete Tiere und entfernte Ölwürfel in anderen Zusammensetzungen erfordern. Auf Dauer könnte dies vielleicht zu sehr ähnlich laufenden Partien führen. Die Komplexität ist dabei etwas höher als in meinem bisherigen Einstiegskoop „Rettet die Eisbären“, aber auch ein wenig interessanter im Spielablauf. Mit Erklärung der englischen Texte kann hier aber auch ein achtjähriges, spielaffines Kind mitspielen, da die Aktionen sehr eingängig sind. An „Flash Point“ kommt „The Spill“ aber nicht heran. Das ist thematisch noch dichter, spannender und vor allem fühlt es sich kooperativer an. (7,0)
Wertung:
#TheSpill
Endless Winter: Paleoamericans (Frosted Games, 2022)
Es war einmal vor langer, langer Zeit (genau genommen vor 12.000 Jahren) in einem Land, weit, weit weg (genau genommen in Nordamerika), da überlebten mehrere Stämme als Jäger und Sammler den endlosen Winter. Jeder von uns übernimmt einen solchen Stamm, um diesen zu vergrößern, Tiere zu jagen oder megalithische Bauwerke zu errichten. Und wozu das Ganze? Um am Ende die meisten Siegpunkte zu haben, natürlich. Willkommen bei „Endless Winter: Paleoamericans“ (auf Deutsch: „Endless Winter: Überlebe die letzte Eiszeit“).
Die Regeln von „Endless Winter“ sind umfangreich. Mechanisch ist es ein Arbeitereinsatzspiel mit Deckbaumechanismus, Set-Collection, Area Control, Teotihuacan-Pyramidenbau und Leistenschubsen. Es wird vier Runden gespielt, die sich jeweils in eine Aktionsphase und eine Sonnenfinsternisphase unterteilen. In der Aktionsphase hat jeder zwei Arbeiter und einen Stammeshäuptling zur Verfügung. Reihum werden diese auf vier mögliche Aktionsgebiete eingesetzt. Jedes Aktionsgebiet besteht dabei aus drei Aktionsfeldern, die ich nacheinander abarbeite. Die erste Aktion darf ich beliebig oft ausführen, die zweite genau einmal und die dritte nur vom ersten Arbeiter, der dieses Aktionsgebiet nutzt. Die Stammeshäuptlinge agieren dabei wie normale Arbeiter, nur bringen sie bei manchen Aktionsgebieten einen Bonus. Die Kosten für Aktionen sind meist Fleisch oder Äxte, die beiden Ressourcen im Spiel. Zusätzlich benötigen Aktionen oft noch Arbeitskraft. Die erhalte ich durch meine Stammesmitglieder in Form von Handkarten. Diese bringen mir neben der Arbeitskraft oft auch noch einen Ausspielbonus, um beispielsweise Ressourcen zu tauschen. Mit den vier Aktionen kann ich mit den verschiedenen Bereichen der Spielauslage interagieren. So kann ich mir neue Stammesmitglieder auf die Hand nehmen oder auf den Ablagestapel legen, um so mein Deck zu vergrößern. Mit manchen Aktionen kann ich mein Deck auch ausdünnen und Karten aus dem Spiel entfernen, was mir bei Spielende sogar noch Siegpunkte bringen kann. Oder ich erhalte Fortschrittskarten, die ich jeweils zu Beginn meines Zuges spielen kann, um Bonusaktionen durchzuführen. Mit einer anderen Aktion wähle ich einen Heiligen Stein, von denen ich genau drei im Spiel bauen darf. Diese geben mir zu jeder Sonnenfinsternis Siegpunkte, beispielsweise für erlegte Tiere, für gebaute Siedlungen oder Schritte auf der Götzenleiste. Eine weitere Aktionsmöglichkeit ist das Bauen und Verschieben von Zelten auf einem Gebiet von Hex-Feldern. Wenn ich drei benachbarte Hex-Felder belegt habe, darf ich mit einer Aktion daraus auch eine Siedlung machen. Die Zelte und Siedlungen geben mir ebenfalls Boni bei einer Sonnenfinsternis. Und zum Schluss kann ich noch Tiere jagen, die auf einem Markt ausliegen. Damit lege ich sie aber nur in meine Auslage und sie geben so Siegpunkte, je mehr Tiere einer Art ich habe. Ich kann diese aber auch erlegen und erhalte wieder Ressourcen wie Fleisch und Äxte dadurch. Zwei Sonderbereiche gibt es noch, mit denen ich agieren kann. Der Megalithbau ist ein extra Feld, welches mir pro eingesetztem Megalith (ein simpler viereckiger Stein) den abgedeckten Bonus bringt. Alternativ kann ich auch wie in „Teotihuacan“ auf vier existierende Steine einen Stein als Pyramide legen und so Siegpunkte abgreifen. Der zweite Sonderbereich ist die Götzenleiste. Hier kann ich in zwei Bereichen meine Marker hochschieben und erhalte auf der linken Seite am Ende mehr Siegpunkte für übrige Ressourcen und auf der rechten mehr Siegpunkte für ausgedünnte Karten. Nach der Aktionsphase gibt es eine Sonnenfinsternis. Vereinfacht ausgedrückt wird die Arbeitskraft der übrigen Handkarten gezählt und dadurch die neue Startspielerin bestimmt. Danach gibt es Einkommen durch die Reihenfolgeleiste (Ressourcen, Karten oder einen Megalith), durch besetztes Gelände (Ressourcen, Siegpunkte oder Megalith), durch Heilige Steine (Siegpunkte) oder gebaute Siedlungen (Karten) und Megalithe (Ressourcen und Götzenschritte). Dies wird vier Runden wiederholt und nach einer Schlusswertung (für die Tiersets, Handkarten und die beiden Götzenleisten) gewinnt jemand.
Informell würde ich das Spiel als „Endless Winter: Überlebe die nächste Spielmechanik“ bezeichnen. Mit der Mini-Erweiterung „Höhlenmalerei“ kommt sogar noch das „X'n'Write“-Genre ins Spiel, da jede Spielerin hierbei ein Mammut oder andere Tiere nachzeichnen kann und dafür Boni erhält. Autor Stan Koronskiy ist ein ganz guter Mechanismenmix gelungen, wobei ich zugeben muss, dass kein Mechanismus extrem zur Geltung kommt. Allein der Deckbau war bei mir nicht existent. Ich ziehe in einer Partie im Normalfall nur fünf Karten pro Runde. Mein Deck zum Spielende umfasste 25 Karten und es gibt nur fünf Runden. Viel wichtiger war es da, zu erkennen, wie die Mechanismen zusammenhängen. Zum Beispiel haben die Charaktere Fähigkeiten, womit ich ein Zelt bauen oder verschieben darf. In der Sonnenfinsternis lässt mich das einen Megalith bauen. Mit dem Bonus kann ich dann beispielsweise auf der Götzenliste vorgehen. Das wiederum lässt mich eine Karte auf den Friedhof lege. Hier hängt eigentlich alles irgendwie zusammen und fast egal, was ich mache, irgendeinen Bonus kann ich immer noch mitnehmen. Das kann zu schönen Kettenzügen und Bonischlachten führen. Es ist aber auch aufwändig, alle Möglichkeiten zu durchdenken. Und wenn hier ein Bauchspieler einfach drauflos spielt, kann es sein, dass er enttäuscht wird, weil der Plan nicht aufgeht. Ich selbst fand das Spiel zwar nicht überfordernd, aber mir waren es in Summe zu viele Mechanismen in einem Spiel.
Das zu viel betrifft auch die Tischpräsenz. So spielten wir mit der Deluxe-Ausgabe und der extra Spielmatte. Diese sieht toll aus, nimmt aber auch 104x60 cm² auf dem Tisch ein. Die Spielerinnen an den beiden langen Tischseiten konnten ihr Spielertableau zwar noch hinlegen, aber es war kein Platz mehr darüber für ausgespielte oder darunter für ausgedünnte Karten. Die Einzelteile ohne Spielmatte lassen sich da schon etwas praktischer und modularer auf dem Tisch anordnen. Die Größe der Spielmatte war auch ein Problem für mich an der kurzen Tischseite. Mein Spielertableau hatte zwar genügend Platz, dafür habe ich die Boni auf den Geländeplättchen oder der Megalithenauslage nicht mehr erkennen können. Ich stand also die meiste Zeit der Partie, um auch sehen zu können, was am anderen Tischende passiert. Auch die Spielerhilfe war nicht für Menschen mit schlechten Augen gemacht, da die Schrift darauf extrem klein war. Immerhin brauchten wir diese nur für die Einkommensboni in der Sonnenfinsternis. Die Figuren und Marker sind hübsch, einzig die Stammeshäuptlinge als Miniaturen fand ich unpraktisch. Sie passen zum einen nicht zum restlichen Holzmaterial. Zum anderen sind sie so groß und klobig und versperren die Sicht auf Aktionsfelder. So haben wir beispielsweise die Stammesarbeiter nach unseren Aktionen hingelegt, um zu signalisieren, dass wir fertig sind. Das ging mit den Miniaturen nicht. Etwas größere, besonders gestalteter Holzmeeple hätte ich praktischer gefunden. Der Menge an Material ist dann auch die recht lange Aufbauzeit geschuldet. Ich habe die Zeit nicht gestoppt, aber 15 Minuten werden es schon gewesen sein, ehe alles an seinem Platz lag.
Grafisch habe ich dagegen gar nichts auszusetzen. Bereits beim ersten Blick auf die Karten dachte ich mir ‚Das ist wohl vom Illustrator von „Architekten des Westfrankenreichs“‘. Und ja, Mihajlo „The Mico“ Dimitrievski hat in meinen Augen „Endless Winter“ einen sehr schönen Illustrationsstil verpasst. Aber das Spiel sieht nicht nur hübsch aus, auch die Symbolik ist überaus eingängig. Alle Symbole sind klar zu erkennen und finden sich an den Stellen wieder, wo ich sie auch erwartet hätte. Das machte das Hineinfinden ins Spiel sehr einfach.
Denn trotz der zahlreichen Mechanismen und einer halbstündigen Erklärung ist das Spiel nicht überaus komplex, auch wenn es sicherlich kein Spiel ist, das ich Neulingen im Spiele-Dschungel als Erstes vorsetzen würde. Was wie zusammenhängt, erschloss sich mir bereits bei der Erklärung und so konnte ich mich schon da auf eine Strategie festlegen, die ich verfolgen wollte – natürlich ohne zu wissen, ob diese sinnvoll ist. (Spoiler: Ich konnte ganz knapp gewinnen. ;) ) In der Partie selbst stellte ich dann aber ein „Problem“ fest: Die Aktionen und Züge gilt es wirklich zu durchdenken. Für meine drei Aktionen habe ich in der Regel nur fünf Handkarten und ein paar Ressourcen. Ich könnte oft mit der ersten Aktion schon alles ausgeben, aber dann verpuffen die anderen beiden. Diese Balance zu finden, mit allen drei Aktionen etwas Effektives zu tun und am Ende optimalerweise bei der Sonnenfinsternis noch die höchste Arbeitskraft spielen zu können, um Startspieler zu werden, fand ich eine sehr spannende Überlegung und ein großartiges Spieldesign.
Das Durchdenken war dann bei unserer Vierpersonenpartie aber das Problem. In Summe spielten wir 150 Minuten. Pro Runde (wenn ich die Sonnenfinsternis großzügig abziehe) sind das 30 Minuten, also pro Aktion 2,5 Minuten. Zwischen zwei Zügen muss ich also 7,5 Minuten warten. Und ja, ich überlege zwar vorab etwas, was ich tun möchte, aber nicht 7,5 Minuten lang. Die Downtime war also recht hoch, was sich dadurch verstärkte, dass es mir egal war, was meine Mitspielerinnen machen. Wenn sie mir eine Karte, einen heiligen Stein oder ein Tier wegnehmen, dann war das halt so. Ich hätte sowieso nichts dagegen machen können. Einzig bei den Zelten und Siedlungen auf dem Gelände gibt es in der Sonnenfinsternis eine kleine Mehrheitenprüfung, sodass ich leer ausgehe, wenn ich nicht auf die Zelte und Siedlungen meiner Mitspielerinnen achte. Diese Interaktion ergab sich aber erst später im Spiel, als genügend Zelte und Siedlungen auf den Geländeplättchen standen. Ansonsten beschränkte sich das Zusammen- oder Gegeneinanderspielen auf die Wegnahme von Optionen.
Worauf ich noch gar nicht eingegangen bin, ist das Thema – vermutlich, weil ich davon nicht viel gemerkt habe. Die Aktionen selbst sind sicherlich thematisch: Stamm erweitern, Fortschritte erzielen, Heilige Steine und Megalithen errichten, Tiere jagen und erlegen sowie Lager und Siedlungen bauen. Die Umsetzung ist dann aber fast schon abstrakt. Für einen Megalithbau erhalte ich je nach Bauplatz einen Bonus. Und dabei gibt es alles, was das Spiel hergibt: Äxte, Fleisch, Schritte auf der Götzenleiste, Tierkarten etc. Ich habe keinen thematischen Bezug gefunden, wieso mir die Errichtung eines Megalithen genau diesen Bonus geben sollte. Die Stammeshäuptlinge können je nach Kartenseite Äxte in Fleisch wandeln oder Fleisch in Äxte. Wo die eine Richtung vielleicht noch Sinn ergibt (mit einer Axt erlege ich ein Tier und erhalte Fleisch und die Axt ist hinüber), aber wie erschaffe ich aus Fleisch eine Axt? Wenn ich Tiere jage, jage ich sie nicht, sondern finde sie erst einmal nur. Je mehr Tiere einer Art ich finde, desto mehr Punkte gibt es. Aber wieso? Positiv: Die meisten erlegten Tiere geben wirklich nur Fleisch in den Vorrat. Aber auch dabei gibt es Ausnahme, wie der Säbelzahntiger, der auch gleich noch zwei Äxte generiert. Das Vorrücken auf der Götzenleiste kam mir sowieso nur mechanisch, aber null thematisch vor. „Endless Winter“ funktioniert natürlich auch auf die Art. Aber ich fand es schade, dass ich bei den Aktionen gar nicht auf das Thema geachtet habe, sondern nur auf die Symbole und was sie mir bringen.
Wie hat sich die erste Partie zu viert nun angefühlt? Teilweise zäh, wenn ich nicht an der Reihe war und warten musste. Teilweise spannend, wenn meine Planung für die Runde mitsamt aller Ressourcen, Arbeitskraft und Karten genau bis zum Ende ausreichte. Wie geschrieben, empfand ich die Verwaltung und Auswahl der Handkarten, verteilt auf drei Aktionen als den spannendsten Mechanismus des Spiels. Etwas unspannend waren die Punktezahlen. Am Ende der ersten Runde führte jemand mit 2 Punkten. In Runde 2 schafften wir schon auf 10, Runde 3 endete bei circa 25. Ich habe mich da schon gewundert, wieso die Siegpunktleiste auf der Matte bis 180 geht. Nach Runde 4 und der Endwertung landete ich bei 90 Punkten. Grund für diese Steigerung am Rundenende sind vor allem die Heiligen Steine, die mir Siegpunkte während der Sonnenfinsternis bringen. Von diesen besorgte ich mir gleich zu Runde 1 und 2 welche, damit ich ein Ziel verfolgen konnte. Ansonsten wäre mir „Endless Winter“ zu offen in der Spielweise gewesen. Durch die heiligen Steine wusste ich genau, wie ich Siegpunkte bei der Sonnenfinsternis generieren kann. Die restlichen Siegpunkte kamen bei mir vor allem am Spielende durch die Schritte auf der Ruhmesleiste, ausgedünnte Karten sowie die Gesamtzahl an Karten im Deck und zwei Tiersets. Der Zweitplatzierte landete bei 88 Punkten, die anderen mit 72 und 56 Punkten weiter hinten. Da der Zweitplatzierte eine andere Strategie als ich gefahren hat (soweit ich das überhaupt verfolgt habe), denke ich, dass es schon ein gewisse Strategievarianz für den Sieg gibt. Essenziell ist vermutlich, keine der Aktionsmöglichkeiten pro Aktionsgebiet verfallen zu lassen.
„Endless Winter“ wurde an verschiedenen Stellen auch mit „Dune: Imperium“ und „Die verlorenen Ruinen von Arnak“ verglichen. Vermutlich, weil in allen drei Spielen ein Arbeitereinsatzmechanismus mit wenigen Arbeitern mit einem Deckbaumechanismus verwoben ist. „Endless Winter“ bietet hier aber viel mehr – und wie geschrieben, mir etwas zu viel. Einige Mechanismen fand ich sehr spannend und interessant, andere wiederum gar nicht. Zusätzlich haben alle drei Spiele gemeinsam, dass sie sich für mich völlig abstrakt anfühlten. Optisch sticht „Endless Winter“ aber dennoch positiv heraus. In Summe spiele ich es gerne wieder mit, wenn es sich ergibt. (7,5)
Wertung:
#EndlessWinterPaleoamericans
Unconscious Mind (Fantasia Games, 2023)
Im Monat nach der SPIEL steigt die Neuheitenflut auf den Crowdfunding-Plattformen enorm in die Höhe. Ein Projekt davon ist „Unconscious Mind“ (das Unbewusste auf Deutsch). Auf der SPIEL'22 gab es bereits Demopartien. Mit dem im November 2022 laufenden Kickstarter-Projekt wurde auch eine Online-Umsetzung via Tabletop Simulator angeboten. Diese konnte ich jetzt zu dritt antesten.
In „Unconscious Mind“ sind wir Psychoanalytiker und Anhänger Sigmund Freuds und möchten Klienten in unserer Wiener Praxis von ihren psychischen Problemen befreien. Wir setzen hierfür auf einem gemeinsamen Spielbrett mit neun Aktionsmöglichkeiten unsere Ideenmarker (Arbeiter) ein, um Aktionen durchzuführen. Danach kann ich entweder mit einem Tintenfass auf meinem Spielertableau im Kreis laufen, um weitere Aktionen mittels Technikplättchen auszuführen oder ich behandele meine Klienten. Alternativ zum Einsatz von Ideen kann ich alle Ideen zurücknehmen und entweder ausschlafen oder wieder Klienten behandeln. Fürs Ausschlafen erhalte ich Kaffee (am nächsten Morgen sozusagen) in Abhängigkeit von der Anzahl verschiedener Aktionen, die ich zuvor ausgeführt hatte, und darf eine Schlafaktion in der Wiener Innenstadt ausführen, wo meine Professorenfigur gerade steht. Dieses Stadttableau zeigt Wien mit drei Stadtteilen und je zwei Orten, die ich besuchen kann. Eine der Aktionen mittels Ideenmarker ist es nämlich, dass ich meine Professorenfigur dort im Kreis (Rondell) bewege und eine Aktion am Zielort ausführe. Die Häufigkeit der Aktion richtet sich danach, wie viele Symbole ich von diesem Ort bereits auf irgendwelche Karten vor mir ausliegen habe und ob Freud als Spielfigur mit an dem Ort steht. Denn auch Freud kann ich mit einer Ideenmarker-Aktion durch die Stadt bewegen und damit eine Ortsaktion ausführen. Das Herumlaufen mit dem Tintenfass auf einem zweiten Rondell hat einen einfachen Grund. Auf meinem Tableau ist Platz für 3x3 Technikplättchen, die ich natürlich durch eine Aktion sammeln und auslegen kann. Wenn das Tintenfass vor einer der dreien Reihen mit bis zu drei Plättchen stehen bleibt, aktiviere ich alle Technikplättchen in dieser Reihe, was mir Ressourcen bringt. Zwei andere Plätze auf dem Rondell erlauben mir das Freischalten von bis zu drei neuen Ideenmarkern/Arbeitern. Und über den letzten Platz kann ich auf einer Laufleiste Siegpunkte und Bonusaktionen holen.
Wie werden aber nun überhaupt Klienten geheilt, was ja der thematische Punkt des Spiels sein soll? Bis zu zwei davon liegen in Kartenform auf meiner Couch/Spielertableau. Es gibt zwei Klientenarten. Die einen bringen sofort Siegpunkte und einen dauerhaften Bonus, der Aktionen verstärkt oder preiswerter macht. Die anderen bringen sofort und zusätzlich am Spielende Punkte für Dinge, die ich erreicht oder gesammelt habe. Alle Klienten kommen auch immer mit einer Wehmutkarte („Grief“ im Englischen) daher. Diese ist durchsichtig und verstärkt zum einen die Heilungskosten, bringt aber beim Entfernen auch Siegpunkte und manchmal noch mehr Boni. Wie heile ich aber nun? Als Ressource in „Unconscious Mind“ gibt es „Einsichten“ in drei Varianten: Wachstum, Freiheit und Leidenschaft. Oder wie sie in den meisten Partien vermutlich genannt werden: grüne Pflanze, lila Vogel und rote Flamme. Alle drei gibt es dazu noch in den drei Stufen schwach, mittel und stark. Durch Aktionen und Boni erhalte ich diese Einsichten. Zu jedem Klienten ziehe ich auch noch zwei unterschiedliche Traumkarten. Diese geben erforderliche Einsichten an, um den Traum zu deuten, sowie Heilungspunkte, die ich durch eine Heilung erhalte. Meistens geben sie auch noch Siegpunkte und/oder Boni. Nach meiner Aktion kann ich Patienten in der Regel heilen, wenn ich die Einsichten ausgebe, um die Träume abzuwerfen. Und ab einem bestimmten Heilungswert verschwindet zuerst die durchsichtige Wehmutkarte und bei voller Heilung dann auch der Patient. Am Ende eines Zuges ziehe ich immer auf zwei Patienten mitsamt Wehmut und Träumen nach. Gespielt wird, bis Freuds Marker auf einer Bonusleiste das Ende erreicht. Dieser bewegt sich zu gegebenen Anlässen, wenn die Spieler bestimmte Punkte im Spiel erreichen. Beispielsweise für jede erfüllte Zielkarte, die noch neben dem Spielfeld ausliegen. Ich könnte auch noch erwähnen, dass ich Forschungskarten sammeln und spielen kann, was sozusagen die Veröffentlichung wissenschaftlicher Artikel in Zeitungen entspricht. Und diese kann ich wiederum zu einer Abhandlung zusammenfassen, die mir auch wieder Siegpunkte und Boni in Form von Stadtsymbolen gibt, welche die Aktionen in der Stadt verstärken.
Ich habe es dieses Mal nicht selbst geschafft, mich in die Spielregeln vorab einzuarbeiten. Die Anleitung (ich habe Version 6.2 vorliegen) befindet sich zwar im Entwurf-Stadium, umfasst aber bereits 40 doppelseitige A4-Seiten im Querformat. Allein der Spielaufbau nimmt die ersten 12 Doppelseiten der Anleitung ein. Durch zahlreiche Abbildungen konnte ich mir aber einen kurzen Überblick verschaffen, vor allem die Erklärung der Konzepte (Einsichten, Technikplättchen, Klienten, Träume, Bewegung in der Stadt etc.) halfen mir dabei, der Erklärung des Spiels gut folgen zu können. Die nahm auch einige Zeit in Anspruch. Immerhin eine Stunde dauerte es, bis wir zu dritt starten konnten. Und dabei wurde einige Sonderfälle nicht einmal erwähnt. Die Menge an Regeln zeigt auch, dass „Unconscious Mind“ eine hohe Komplexität aufweist. Jeder Bereich ist mit jedem verzahnt, es gibt kaum alleinstehende Mechanismen. Wobei das Aktionsboard, das Spielertableau und die Einsichten zur Heilung der Klienten die zentralen Spielelemente darstellen. Und obwohl die Komplexität hoch ist, empfand ich die Einstiegshürde nicht so hoch. Mit dem ersten Klienten und dem initialen Technikplättchen hatte ich eine grobe Ahnung, worauf ich mich konzentrieren musste. Und die Aktionen sind so klar, dass fast jeder sofort starten kann. Dennoch handelt es sich um kein leichtgewichtiges Spiel. Für mich ist „Unconscious Mind“ auf Expertenspieler-Niveau und kann auch locker mit einigen Titeln von Vital Lacerda im Sinne der Komplexität mithalten.
Die einzelnen Mechanismen sind dabei nicht komplex, aber das gemeinsame Zusammenspiel will überblickt werden. Dabei gibt es sogar innovative Veränderungen bestehender Mechanismen. Gefallen hat mit der etwas andere Arbeitereinsatz. Es gibt neun Aktionen auf dem Aktionstableau, die in einem 3x3-Raster angeordnet sind. An jedem der Kreuzungspunkte und Ecken liegen die 16 Aktionsfelder, die ich belegen kann. Wenn ich eine Aktion ausführen möchte, lege ich meinen Ideenmarker auf einen Kreuzungspunkt und richte den Marker so aus, dass er auf die Aktion zeigt. Die Innovation: Zum einen habe ich per Standard immer vier Aktionsfelder für jede Aktion zur Auswahl. Zum anderen blockiere ich mit meinem Arbeitereinsatz bis zu drei andere Aktionen von diesem Aktionsfeld aus. Das fand ich sehr spannend, weil ich so eine Art des Arbeitereinsatzes noch nicht gesehen hatte. Ich habe fast immer die Möglichkeit, die Aktion auszuführen, die ich möchte. Und ich kann bestimmen, welche Aktionen ich zumindest teilweise den Mitspielerinnen blockieren möchte. Nicht innovativ, aber schön: Ich kann auch mehrere Ideenmarker/Arbeiter auf ein Aktionsfeld setzen und damit die Aktion mehrfach ausführen. Streng verwoben mit der Aktionswahl ist das Tintenfassrondell. Je nach Aktionsslot, den ich wähle, darf ich mein Tintenfass um ein bis vier Felder (auf einem Rondell mit fünf Feldern) vorwärts bewegen. Es ist also nicht nur wichtig, welche Aktion ich machen will, sondern auch, wie weit ich mein Tintenfass bewegen will, um dessen Aktion danach auszuführen. Auf drei Feldern kommt dabei ein weiterer Mechanismus zum Einsatz: ein Engine-Building ähnlich zu „Flügelschlag“. Im Laufe des Spiels verstärke ich die einzelnen Reihen mit mehr Technikplättchen und kann auf die Art auch immer mehr Ressourcen abgreifen oder wandeln. Wenn ich dies geschickt mache, entsteht so pro Reihe oder Spalte eine kleine Engine, die mich hochwertige Ressourcen erzeugen lässt, die dann bei der Behandlung der Klienten helfen. Bei der Regelerklärung hatte ich gehofft, dass hier das Ende der Erklärung ist, denn für mich ist die Aktionswahl plus Tintenfassrondell und Klientenbehandlung der Kern des Spiels. Alles andere (Stadtbewegung und Forschungskarten mit Publikation) war mir zu viel. Es ist zwar gut integriert, aber ich hätte mir etwas weniger Mechanismen gewünscht, die sich dafür auf den Kern des Themas beschränken. Kleiner Lacher in der Runde: Bei der Publikation von Abhandlungen kann ich Publikationen anderer Mitspielerinnen „zitieren“ und einfach deren Karten für meine Publikation nehmen. Bei der Erklärung riefen alle gleichzeitig „Ah, das ist wie das Plagiat bei „Age of Comics““.
Und damit komme ich auch schon zum Thema und der thematischen Umsetzung. Ein Spiel, welches sich mit Psychoanalyse beschäftigt, ist mir neu. Hier kann "Unconscious Mind" definitiv mit einem unverbrauchten Thema punkten. Vom Kern her, dass ich Träume der Klienten deuten muss, um damit deren Wehmut zu entfernen, um sie am Ende ganz zu heilen, passt das auch sehr gut dazu. Die mechanische Umsetzung daneben ist aber völlig abstrakt. Die Einsicht-Ressourcen sind einfach nur drei Farben in drei Wertigkeiten. Niemand im Spiel hat tatsächlich deren Namen Wachstum, Freiheit und Leidenschaft benutzt, sondern dies immer auf die Farben reduziert. Das gilt auch für die anderen, in meinen Augen sperrigen Begrifflichkeiten wie „Elevating“ (Erheben), „Suppressing“ (Unterdrücken) und „Transferring“ (Übertragen) für die Wandlung der Ressourcen. Die Traumkarten sind wunderschön illustriert, aber das Bild spielt keine Rolle. Es geht nur darum, dass ich die richtigen Ressourcen ausgebe. Ein Tintenfass, das auf meinem Schreibtisch umhergeschoben wird und mich Einsichten einsammeln oder tauschen lässt, ist völlig abstrakt. Der Austausch von Ideen durch den Einsatz dieser auf dem Aktionstableau ist ebenfalls völlig abstrakt und mechanisch. Das Laufen durch die Stadt ist von der Theorie thematisch, da wir verschiedene Wiener Gebäude wie das Kunsthistorisches Museum, die Universität Wien, die Österreichische Nationalbibliothek, das Burgtheater, die Wiener Staatsoper und das Café Landtmann aufsuchen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Und auch die Freudsche Figur ergibt einen Sinn, der ich folgen kann und die mir hilft, in dem sie Aktionen verstärkt. Dass ich die Stadt aber nur im Kreis im Uhrzeigersinn durchlaufen darf und dass die Aktionen pro Ort und Stadtteil völlig generisch und identisch pro Ressource sind, hilft der thematischen Umsetzung nicht. Und den Kaffee als Ressource fand ich völlig fehl am Platz. Ja, das Setting ist Wien und die Psychoanalytiker haben sich damals sicherlich in Cafés aufgehalten. Aber es handelt sich nur um eine weitere Hilfsressource, um andere Ressourcen umzutauschen. Vor allem Aussagen wie „Ich gebe einen Kaffee aus …“ wirken dann eher belustigend. Am Ende bleibt ein interessantes Thema, was aber nur an der Oberfläche durchscheint. Im Kern ist „Unconscious Mind“ für mich ein völlig abstraktes und unthematisches Spiel.
Das ist sehr schade, da die grafische Umsetzung sehr dazu beitragen hätte können. Wie erwähnt gefallen mir die Illustrationen der Traumkarten von Andrew Bosley sehr gut. Sie erinnern sehr stark an die Karten aus „Dixit“ oder „Mysterium“, das Abgebildete spielt aber im Gegensatz zu den beiden keine Rolle. Auch die Charakterkarten und alle Tableaus sind sehr stimmig von Vincent Dutrait in Szene gesetzt. Vor allem die Wahl der Symbolik finde ich gelungen, sodass mir so gut wie alle Symbole im Spiel sofort klar und vor allem leicht zu merken waren. Etwas gestört habe ich mich an den Ideenmarkern, die als Sprechblase daherkommen, da ich Ideen eher mit einer Gedankenblase assoziieren würde. Aber da ich die Ideenmarker auf den Aktionsfeldern ausrichten muss, um die Aktion zu markieren, die ich durchführen möchte, ist dies der technischen Umsetzung geschuldet und zu verschmerzen. Die durchsichtigen Wehmut-Karten fand ich nicht so hübsch. Es ist zwar interessant, die Klienten damit ab- und teilweise zu verdecken. Es wirkt, wie die Graffiti-Schmiererei auf einem Gemälde, welche die Gefühlswelt des Charakters nach außen sichtbar macht. Aber es hätten auch einfache Plättchen getan, die ich unterhalb des Charakters lege und mehr Herzen zur Heilung plus eine Belohnung anzeigen. Optisch etwas abfallend ist das Stadttableau, was eher abstrakt daherkommt. Die Wiener Gebäude sind schön dargestellt. Ich fand nur schade, dass nicht dazu geschrieben wurde, um welche Gebäude es sich handelt (die Online-Suche nach den Gebäuden für diesen Text war aber ein netter Zeitvertreib). Das hätte das Spiel etwas stimmiger gemacht. Vermutlich wollte man das Spiel aber komplett sprachneutral gestalten, was auch gelungen ist. Alles wird über Symbole erklärt. Wobei, ganz stimmt das nicht: Die Zeitungsartikel der Forschungskarten sind – auch in der englischen Version – thematisch passend in Deutsch gehalten, was mir gefallen hat.
Wie variabel das Spiel ist, kann ich nicht sagen, da wir nur eine Partie gespielt haben. Wobei das nicht stimmt, da wir bereits zur Hälfte des Spiels abbrachen. Wir spielten bereits 100 Minuten und es war schon spät. Laut Aussage des Erklärers beschleunigt sich das Spiel im Laufe der Partie aber, sodass unsere Spielzeit vermutlich bei etwas unter drei Stunden gelegen hätte. Aber auch das wäre mir aus verschiedenen Gründen zu lang. Zum einen ist die Downtime sehr hoch. Von den 100 Minuten habe ich 66 Minuten auf meine beiden Mitspieler gewartet. Natürlich ist die Optimierung zwischen Aktionswahl, Tintenfass und Aktivierungsreihenfolge der Technikplättchen stark anfällig für Analyse-Paralyse. Aber die Spielzeit lag nicht an der Bedenkzeiten, sondern dass die einzelnen Züge teils sehr lange gehen können. Denn ich platziere Ideenmarker auf dem Aktionstableau, führe die Aktion dann vielleicht sogar mehrfach aus. Wenn ich mich durch die Stadt bewege, lässt mich das wiederum Ortsaktionen ausführen. Und danach bewege ich noch mein Tintenfass, was mich je nach Platzierung erneut Aktionen ausführen lässt. Auch das Heilen von Klienten kostet etwas Zeit, wenn man nichts vergessen will. Und so musste ich gerne mal 6-7 Minuten auf meinen nächsten Zug warten, den ich im Kopf aber schon bereitgelegt hatte. Dazu kommt, dass mich die Aktionen meiner Mitspielerinnen nicht interessieren, da sie mich nur wenig betreffen. Aktionen versperrten wir uns nur selten, manchmal nahmen wir uns Traumkarten, Patientenkarten oder Technikplättchen aus der Auslage weg. Die Interaktion ist also eher gering. Sogar so gering, dass als ein Spieler vorab abbrechen wollte, wir kurz innehielten und bemerkten, dass es absolut egal ist, wenn jemand zwischendrin aussteigt. Es hat so gut wie keine Auswirkungen auf das Spiel der anderen. Sprich, zu viert ist das Spielgefühl wie zu zweit, das Spiel dauert aber doppelt so lange. Zum anderen fand ich die Spannungskurve zu flach. Nach der Heilung des ersten Patienten fing ich wieder von vorne an. Ressourcen sammeln, Träume auflösen, Patienten heilen. Natürlich mache ich dazwischen noch andere Aktionen, aber mir war das zu wiederholend. Zusätzlich dauert so eine erste Heilung auch eine ganze Weile. Meine erste, vollständige Patientenheilung gelang mir erst nach einer Stunde Spielzeit. Im gesamten Spiel heilt man auch im Normalfall nur vier bis fünf Patienten. Der Fairness halber: Die hohe Spielzeit hat aber auch mit der Online-Umsetzung zu tun, bei der man fast immer langsamer ist als am realen Spieltisch. Diese ist im Tabletop Simulator zwar stimmig (der Spieltisch ist in einer Praxis mit Sofa und Freud-Statue) aufgebaut, aber da ich eh nur in der Vogelperspektive auf den Tisch schaue, bekomme ich davon nichts mit. Die Auslage ist sehr groß und entsprechend viel musste ich über den Bildschirm scrollen, um überall hinzukommen.
In Summe ist „Unconscious Mind“ eher nichts für mich. Das Thema ist interessant, die Umsetzung ist mir aber zu mechanisch, auch wenn mir die Mechanismen im einzelnen und auch in der Verzahnung gefallen. Dennoch sind es mir in Summe zu viele Mechanismen auf einen Haufen (ähnlich wie „Endless Winter“), was dazu noch mit einer hohen Wartezeit verbunden ist (ebenso wie „Endless Winter“). Zu zweit an einem realen Spieltisch würde ich es aber gerne noch einmal spielen. (7,5)
Wertung:
#UnconsciousMind
Cellulose (Genius Game, 2021)
„Cellulose“ habe ich als einziges Spiel von der SPIEL'22 mitgenommen. Eine ausführliche Beschreibung befindet sich auch in dem Blogposting, daher wiederhole ich mich hier nicht. Ich bin aber nun auch dazu gekommen, den Solomodus auszuprobieren.
Im Solomodus muss ich mich mit einem Automa namens Ivy messen. Ivy hat ein Aktionskartendeck sowie ein eigenes Strategietableau, auf dem auch ihr eigener Wachstumsast (thematisch stimmig mit Efeu im Hintergrund) abgebildet ist. Eine Partie verläuft wie im Zweierpersonenmodus, insbesondere haben wir beide vier Aktionsmarker anstatt drei. Wenn Ivy dran ist, decke ich die oberste Aktionskarte auf. Auf der sind zahlreiche Aktionen abgebildet, von der sie die erstmögliche ausführt. Ivy sammelt aber auch Zellkomponentenkarten. Sobald die erste Zellwand fertig gebaut ist, erhält Ivy neue, stärkere Aktionskarten in ihr Deck. Zusätzlich darf sie ab sofort nach jeder Aktion auch eine Zellkomponentenkarte ausspielen. Welche das ist, steht ebenfalls auf der Aktionskarte. Ivys Strategie wird, wie der Name vermuten lässt, durch das Strategietableau festgelegt, in dessen Mitte ein Marker liegt. Es gibt vier Richtungen, in die Ivy ihre Strategie ausrichten kann. Wenn sie Punkte von der Vakuolenwertung bekommt, wandert der Marker nach links. Wenn Ivy wächst, wandert der Marker nach oben. Nach links geht es für erhaltene blaue Karte, nach unten für erhaltene orange Karten. Sobald der Marker einen Rand erreicht, kann er diesen nicht mehr verlassen. Ivy erhält dann eine spezielle Aktionskarte zu dieser Strategie in ihr Deck und zusätzlich einen Bonus, meist als Einkommen zu Rundenbeginn.
Ich fand den Solomodus mit Ivy im Vorfeld schwer zu erlernen. Hauptgrund ist, dass es zahlreiche Sonderregeln für Ivy gibt. Das fängt bei den Aktionen an (sie sammelt beispielsweise immer 6 Wasser oder 6 CO₂, gibt dieses aber nicht für Karten aus der Auslage aus), geht über gespielte Zellkomponentenkarten (manche werden bezahlt, manche nicht, manche bringen die abgedruckten Fähigkeiten, manche nicht) und hört bei der Endwertung auf (manche bringen andere Punkte als draufsteht). Vor allem das Strategietableau hatte ich in der ersten Runde komplett falsch benutzt und musste deswegen von vorne angefangen. Im Gegensatz zur Mehrspieler-Anleitung, die kaum Fragen offen ließ, musste ich mir die Solo-Anleitung tatsächlich erarbeiten.
Aber: Nach einigen wenigen Runden sitzen die meisten Regeln. Beim Strategietableau gibt es nur vier Dinge, auf die ich achten muss. Sobald eine Kante und danach eine Ecke erreicht wird, kann ich sie fast komplett ignorieren, weil ich nur Einkommen oder Siegpunkte bei Spielende erhalte. Der Marker bewegt sich dann aber nicht mehr weiter, was das Spiel vereinfacht. Ivys Aktionen selbst sind größtenteils eingängig, da sie die normale Symbolik benutzen. Und auch die Prüfung, welche Aktion genau ausgeführt wird, ist nicht vergleichbar mit komplexen Solomodi wie beispielsweise in „Barrage“. Ich gebe aber zu, dass ich auch zum Ende der zweiten Solopartie einige der selten auftretenden Aktionen immer noch nachschlagen musste. Vor allem die Besonderheiten bei den ausgespielten Handkarten musste ich fast bei jeder Karte nachschauen, weil ich mir dies nicht merken konnte. Eine kleine Übersichtskarte hilft zwar, aber die Details stehen in der Anleitung, die ich immer nebendran offen liegen hatte. Auch die Bewegung des Strategiemarkers bei lila Karten steht nur in der Anleitung und ist im Erstspiel nicht intuitiv. Als ich dahinter kam, einfach nur auf das Endwertungssymbol unten rechts auf der Karte zu schauen, wurde es plötzlich einfacher.
Die Verwaltung von Ivy hält sich ansonsten in Grenzen. Sie sammelt nur Wasser und CO₂ (und das immer als 6er-Plättchen) sowie Kohlehydrate. Andere Felder blockiert sie hauptsächlich nur. Und das macht sie sehr gut. Ivy fühlt sich wie eine echte Gegenspielerin an. Obwohl vieles zufällig durch Karten geschieht, wirken ihre Aktionen sehr zielgerichtet. In der ersten Solopartie hatte Ivy (auch dank ihrer Wasserstrategie) sehr oft die Mehrheit in der Vakuole und ich musste mich anstrengen, damit ich auch einmal den extra Aktionsmarker erhalten konnte. Im Spielverlauf war es ein spannendes Rennen mit einigen Überholungen. Gewonnen habe ich nur aufgrund einer extra Siegpunktkarte. Die erste Partie ging knapp 100:93 für mich aus. In der zweiten Partie konnte sich Ivy lange nicht auf eine Strategie einigen, um am Ende sich nur für die Wachstumsstrategie zu entscheiden, welche ihr nur ein einziges Mal einen Bonus brachte. Hier gewann ich auch mit 81:74. Die geringere Punktzahl kommt vom Mangroven-Board, welches ich in der zweiten Solopartie testen wollte. Es spielt sich ein klein wenig anders. Vor allem hat mir gefallen, dass ich beim Wachstum der Wurzeln niemals an einem Ende ankomme, sondern immer weiter wachsen und dadurch auch gute Boni einlösen kann. Die Zellwand wird zwar am Rundenende nicht automatisch erweitert, dafür wird aber nur bis zur Vollendung der zweiten Zellwand gespielt, sodass die Spielzeit ungefähr gleich bleibt.
Diese war mit ungefähr 50 bis 60 Minuten gut im Rahmen. Gespielt habe ich beide Partien auf der mittleren Schwierigkeitsstufe. Die einfache kommt ohne extra Bonus aus, wenn Ivy sich für eine Strategie entscheidet. Bei der schweren Stufe wird der Strategiemarker bereits bei Spielbeginn stärker ausgerichtet, sodass schneller eine Strategie gefunden ist. Mir hat das Spiel gegen Ivy als Soloversion von „Cellulose“ sehr gut gefallen. (8,5 – Solo)
Wertung:
#Cellulose
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