(Neu) Gespielte Spiele im Februar 2023
Der Januar 2023 war spieltechnisch etwas mau, nur zwei neue Exit-Spiele kamen auf den Tisch. Dafür hatte der Februar es in sich. Einige neue Kickstarter-Titel wurden online erkundet. Und an einem Spieletag kamen gleich fünf neue Titel zusammen. Gespielt wurden „Trolls and Princesses“, „Arborea“, „Flamecraft“, „Oranienburger Kanal“, „Second Chance“, „Null bis 100“, „Men at Work“, „Inside Job“, „First Rat“ und „Woodcraft“.
Trolls and Princesses (Game Brewer, 2023)
Der Spieleverlag Game Brewer bringt via Kickstarter immer mal wieder Spiele auf den Markt, die mich prinzipiell interessieren. So konnte ich zur jeweiligen Kickstarter-Kampagne „Delta“, „Oak“, „Hippocrates“ und „Stroganov“ online anspielen. Und auch die früheren Titel wie „Gùgōng“ oder „Pixie Queen“ haben mir gut gefallen. Bereits beim Lesen der Anleitung von „Trolls and Princesses“, welches via Kickstarter finanziert wurde, wusste ich, dass hier auch wieder ein gutes Spiel dahinter stecken wird. Ob es zum „sehr gut“ reicht, sollte eine Online-Partie zu Dritt via Tabletop Simulator zeigen. Die offizielle Online-Implementierung gibt es auf Tabletopia.
In „Trolls and Princesses“ sind wir Trolle und versuchen entweder unsere Mine zu erweitern, um dort Diamanten, Obsidian und Gold abzubauen, oder in den drei Dörfern Prinzessinnen, Kühe oder Kirchenglocken zu stehlen, Menschen anzuheuern oder Menschenbabys durch Trollbabys (Wechselbalg) zu ersetzen. Mechanisch handelt es sich dabei um einen klassischen Arbeitereinsatz-Mechanismus. Wir setzen unsere Trollfiguren in einer der eigenen drei Höhlen oder in eines der drei Dörfer ein oder verschieben diese dorthin. Je nach Anzahl der Trollfiguren (auch fremde), Menschen, eigener Außenposten und dem Trollkönig, der jeden Zug umherwandert, haben wir eine unterschiedliche Anzahl an Aktionspunkten zur Verfügung, die wir an dem Ort ausgeben dürfen. Mit den Aktionen bauen wir Ressourcen aus der Höhle ab, erweitern die Höhle und bauen Außenposten oder führen Dorfaktionen aus. 10 bis 12 Runden spielen wir auf diese Art und zählen am Ende die Siegpunkte zusammen.
Die Fülle von 20 möglichen Aktionen erschlug mich anfangs ein wenig. Wo soll ich nur starten? Was ist der rote Faden, der mich durchs Spiel führt? Als Anhaltspunkt gibt es nur die Siegpunkte am Spielende, die mir eine Richtung vorgeben. Schade ist, dass diese nicht variabel sind. Als variable Anteil gibt es zwar einige Höhlenplättchen und Trollkarten, die Siegpunkte am Spielende bringen, den Großteil der Punkte gibt es aber über Sets von Außenposten, Kirchenglocken und Wechselbälgen. Die Komplexität von „Trolls and Princesses“ ist aber gar nicht so groß, wie die 20 Aktionsmöglichkeiten suggerieren. Vor allem anfänglich habe ich gar nicht so viele Aktionspunkte, um bestimmte Aktionen auszuführen. Und wenn ich mich entschieden habe, auf welche Art ich Siegpunkte im Spiel erzeugen möchte, ist der Weg dahin meist klar – wenn auch verwoben. Beispiel: Um eine Kirchenglocke zu stehlen, benötige ich den Platz dafür in meiner Höhle. Den erhalte ich durch den Bau von bestimmten Höhlenplättchen. Für den Bau benötige ich aber erst Obsidian. Das muss ich zuvor abbauen. Und wenn keins in meiner Höhle ist, muss ich die zuerst auffüllen.
Als nicht so spannend sehe ich die Mechanismen an. Natürlich funktioniert das Einsetzen der Trolle, Berechnen der Aktionsstärke und Ausführen der Aktionen gut. Und dass ich gegnerische Arbeiter für eigenen Aktionen mitnutzen kann, kannte ich bisher aus keinem anderen Spiel. Der Rest wirkt aber wenig innovativ. Es ist ein „ich setze Arbeiter ein, mache Aktionen, erhalte Ressourcen, wandle Ressourcen, erhalte Siegpunkte am Spielende“-Spiel. Als ich die Anleitung gelesen hatte, musste ich die ganze Zeit an „Pixie Queen“ denken, was 2017 erschienen ist. Und irgendwie fühlt sich „Trolls and Princesses“ auch wie aus dieser Zeit an. Etwas ungewöhnlich ist der Höhlenbau mit seinen fünfeckigen Plättchen. Im Gegensatz zu quadratischen Plättchen oder Hex-Plättchen mit sechs Seiten, passen fünf Seiten nicht lückenlos aneinander. Das Höhlennetzwerk, das entsteht, weist somit Höhlenausgänge auf, die ins Nichts führen. Wer „Die Schlösser des König Ludwig“ gespielt hat, weiß aber, dass es noch verrückter geht. So neu ist die Idee also nicht und offen gestanden sagt mir dieser Art von Höhlenbau nicht so ganz zu, denn die entstehende Höhle sieht für mich unvollständig aus. Insgesamt wirkt es so, als hätte man sich für fünfeckige Plättchen entschieden, einfach nur damit es fünfeckig ist. Spielerisch hätten Hex-Felder genauso gut funktioniert.
Thematisch ist das Entführen von Menschen grenzwertig. Die Anleitung schweigt sich leider auch darüber aus, was danach mit den Prinzessinnen und den Menschenbabys passiert. Einzig, dass es am Spielende Siegpunkte dafür gibt, ist klar. Für mich wirkte das Thema als Ganzes eher aufgesetzt. Wieso arbeiten fremde Trolle für uns? Wieso kostet der Abriss einer Kirchenglocke drei Obsidian? Und wieso kann der Bau eines Außenpostens dafür sorgen, dass sich auf magische Art und Weise (durch überbaute Bonusfelder) die Ressourcen in der Höhle wieder auffüllen? Für mich ist „Trolls and Princesses“ damit nur oberflächlich thematisch. Die Aktionen entsprechen den Tätigkeiten eines Trolls (vermute ich zumindest). Im Kern ist es aber ein rein abstraktes Spiel. Ich besorge Ressourcen, damit ich andere Ressourcen bekomme, mit denen ich Karten erfülle und Siegpunkte erhalte. Als Gegenbeispiel: In „Cellulose“ mache ich genau das Gleiche („Tausche X gegen Y, um Z Siegpunkte zu erhalten.“), aber das Spiel ist thematisch so stimmig, dass es mich nicht stört.
Die Gestaltung (von Edu Valls) ist – wie so oft – Geschmackssache. Mich hat der Stil des Dorftableaus an eine Mischung aus „Pixie Queen“ und „Oak“ erinnert. Die Meeple wiederum … ich gebe zu, dass deren Stil nicht meinem Geschmack entspricht. Vor allem die Prinzessinnen wirken irgendwie klobig und unelegant. Die Symbolik ist größtenteils gelungen, wobei die angezeigte Mouse-over-Erklärungstexte im TTS auch geholfen haben. Die Symbolübersicht auf der Rückseite musste ich deswegen nicht zurate ziehen. Die 49 Symbole darauf können einen anfänglich aber auch etwas erschlagen.
Alle bisherigen Punkte beziehen sich auf die statische Analyse des Spiels. Das bedeutet, vieles davon konnte ich beurteilen, ohne eine Partie gespielt zu haben. Noch wichtiger ist es aber natürlich, wie sich das Spiel auf dem (virtuellen) Tisch anfühlt. Wir spielten zu dritt eine Online-Partie via TTS. Es gab natürlich die üblichen Online-Probleme bezüglich Übersichtlichkeit und Mauswege, auf die ich nicht eingehen will. Dennoch hatte das Auswirkung auf die Spielzeit. Immerhin 2½ Stunden dauerte unsere Partie. Da wir nur 11 Runden spielen, bricht sich das auf circa 14 Minuten pro Runde herunter. Wir benötigten im Schnitt also 4,5 Minuten für einen Zug. Dies wird mit mehr Spielerinnen auch nicht besser. Im Gegenteil: Je mehr Spielerinnen teilnehmen, desto mehr Trolle stehen im Dorf und desto mehr Aktionspunkte kann ich erhalten und ausgeben. Im Spiel zu viert kann ich also im Mittel von einer Wartezeit von etwa 10 Minuten zwischen zwei eigenen Zügen ausgehen. Das ist mir definitiv zu viel.
Problematisch wird das vor allem, weil es dabei kaum Interaktion gibt. Mich interessiert im Normalfall ganz selten, was meine Mitspielerinnen machen. Wenn ich das aber verfolge, kann ich versuchen, ihre Pläne zu durchkreuzen. Zu einem gewissen Grad funktioniert das sogar, wenn ich ausliegenden Ressourcen (wie zum Beispiel Prinzessinnen oder Menschenbabys) wegschnappe, wenn ich die Möglichkeit dafür habe. Auch ist es möglich, gegnerische Trolle zu verdrängen, wenn ein Dorf voll ist. Ansonsten beschränkt sich das Zusammenspiel darauf, dass wir uns Plättchen und Karten aus der Auslage wegnehmen. Die Nutzung der generischen Trolle im Dorf für einige Aktionen wie Glocke stehlen oder Prinzessin entführen ist dabei enorm wichtig für ein effizientes Spiel. Ebenso sollte man den Aktionspunkt durch den Trollkönig nicht verfallen lassen. Hier zeigt sich dann auch sehr stark, wie gut jemand das Spielbrett lesen kann. Unsere Partie ging 85:63:32 zu Ende, mit mir in der Mitte. Immerhin weiß ich, an welchen Stellen ich ineffektiv gespielt habe, und was ich beim nächsten Mal besser machen könnte.
Für mich ist in einem Spiel auch noch die Spannungskurve sehr wichtig. Da glänzt „Trolls and Princesses“ nicht, aber es gibt definitiv monotonere Genrevertreter. Durch den Bau von Außenposten verstärke ich meinen Aktionen im Dorf, durch das Anheuern von Menschen die Aktionen in meiner Höhle. Beides früh umgesetzt, erleichtert mir im späteren Verlauf das Spiel ungemein. Auch das Freischalten der Boni durch Außenposten und Wechselbälge fühlt sich gut an, da ich dadurch mehr von etwas bekomme. Von den Aktionsabläufen her ändert sich aber sehr wenig im Laufe einer Partie. So muss ich für ein Wechselbalg zwei Aktionspunkte, zwei Trollstärke und einen Diamant (oder zwei Gold) ausgeben. Und wenn ich die nicht habe, muss ich sie mir erst besorgen. Das fühlt sich in den ersten Runden genauso wie in den letzten Runden an.
Auch wenn das Spielmaterial komplett sprachneutral ist und nur mittels Symbolen funktioniert, wird es eine Version mit deutschsprachiger Anleitung von der Spieleschmiede geben, deren Kampagne am 9. Februar 2023 startete. Eine Solo-Version gibt es – Stand jetzt – nicht.
Mich hat „Trolls and Princesses“ in Summe nicht ganz überzeugt. Es ist definitiv ein gutes und unterhaltsames Spiel. Die Dreierpartie hat mir mehr Spaß gemacht als ich anfangs nach dem Lesen der Anleitung erwartet hatte. Es ist mir aber zu wenig innovativ und das Thema ist nur oberflächlich zu spüren. Da habe ich bessere Arbeitereinsatzspiele im Schrank stehen, auch wenn ich das Mitnutzen gegnerischer Arbeiter einen spannenden Ansatz finde. Dazu stören mich aber noch die geringe Interaktion verbunden mit einer eher hohen Downtime. (7,0)
Wertung:
#TrollsAndPrincesses
Arborea (Alley Cat Games, 2023)
Ein weiteres Kickstarter-Projekt aus diesem Monat, welches das Arbeitereinsatz-Genre sicherlich nicht neu erfindet, aber interessant aussieht, ist „Arborea“ von Alley Cat Games. Der Verlag hatte mich letztes Jahr mit „Chocolate Factory“ begeistert und auch „Dice Hospital“ besaß ich einmal. Eine Online-Partie via Tabletop Simulator sollte zeigen, wie sich „Arborea“ spielt.
In „Arborea“ sind wir Waldgeister und überwachen das Erblühen eines neuen Ökosystems. Auf dem Spielplan stehen uns hierfür vier Arbeitereinsatzleisten zur Verfügung, auf die wir unsere Dorfbewohner (Junge, Erfahrene und Ältere) einsetzen können. Die Leisten selbst sind verschiebbar, sodass sich auch alle Bewohner darauf im Laufe einer Partie bewegen. An jeder Leiste gibt es jeweils oben und unten ein Wegenetz mit fünf Startpunkten, die alle zum gleichen Ziel führen. Wenn sich eine Leiste bewegt, kann ich meine Dorfbewohner an einem Wegpunkt aussteigen lassen und danach die Aktionen darunter ausführen, indem ich den Weg abschreite. Je länger ich warte und später ich einen Weg beschreite, desto stärker werden die Aktionen. Mit den Aktionen sammele ich Biom-Punkte, die auf einem gemeinsamen Tableau festgehalten werden. Die sechs Biome stehen dabei allen Spielerinnen zur Verfügung, wenn sie damit Ökosystem-Karten erfüllen wollen. Erfüllte Karten wandern am Ende eines Zuges in die eigene Auslage und erzeugen dort ein neues Ökosystem. Durch andere Aktionen kann ich Kreaturen anlocken, die ich auf diese Auslage stellen kann, um am Spielende hoch zu punkten. Aber auch das Erzeugen von Biom-Punkten – ohne diese in meinem Zug auszugeben – gibt mir Siegpunkte während der Partie.
Was mir zuerst ins Auge stach, als ich mich mit „Arborea“ beschäftigte, war der Spielplan. Sehr bunt und farbenfroh – und leider auch etwas unübersichtlich – kommt er daher. Mich hat das ein bisschen an die Illustration von „Bitoku“ (von Edu Valls, der wiederum das oben erwähnte „Trolls and Princesses“ illustriert hat) oder „Euphoria“ erinnert. Anfangs hat mich die Fülle an Symbolen erschlagen: Wo bekomme ich neue Ökosystem-Karten? Und wo steckt diese eine spezielle Kreatur, die ich gerne anlocken würde? 61 Symbole auf den Wegenetzen und zusätzlich 32 bei den Weisen, die ich als Bonus nutzen kann, wollen durchsucht werden, um aus den 93 Symbolen dann genau die drei zu finden, die beispielsweise einer Eulenkreatur entsprechen. Aber auch wenn es sehr viel auf dem Spielplan wirkt, hat Javier González Cava eine recht klare und generische Struktur erstellt, die sich nach einer Partie erschließt. Danach wusste ich zumindest, wo ich in etwa was wiederfinden kann. Ob die Wahl des sehr bunten Hintergrunds beim Wiederfinden hilft, ist fraglich. Sprache gibt es keine auf dem Spielmaterial, alles wird durch Symbole gelöst. Immerhin 45 Stück davon sind auf der Symbolübersicht in der Anleitung abgebildet. Diese sind aber gut verständlich. Somit ist das Spiel auch ohne englische Sprachkenntnisse spielbar, wenn jemand die Regeln erklären kann. Ob es eine deutschsprachige Version gibt, ist noch nicht abschließend geklärt.
Das Zweite, was mir sofort auffiel, ist die Verwandtschaft der Arbeiterbewegung zu „Tzolk'in“. Dort über Zahnräder gelöst, die alle Arbeiter an allen Standorten um einen Schritt bewegen, bewegen sich in „Arborea“ die Leisten nur, wenn ich dort am Zugende Dorfbewohner stehen habe (je nach Dorfbewohnertyp verschieden weit) oder wenn ich dies als Aktion separat ausführe. Hier gilt es gut vorzuplanen und zu entscheiden, wann ich aussteige, da ich am Ende meines Zuges bzw. während die Mitspielerinnen die Leisten bewegen, entscheiden muss, welche Aktion ich in meinem nächsten Zug ausführen möchte. Ein Zug, bei dem ich mit keinem Arbeiter Aktionen ausführen kann, kann als verschwendet angesehen werden. Das ist ähnlich zu „Tzolk'in“, bei dem ich es vermeiden sollte, Arbeiter wegnehmen zu müssen, weil ich keine mehr zum Einsetzen habe. Im Gegensatz zu „Tzolk'in“ habe ich durch die Leisten gefühlt mehr Kontrolle, wie weit ich gehe. Aber: Ich fühle auch etwas Kontrollverlust, wenn eine Mitspielerin plötzlich nach mir die Leiste verlässt und ich damit gerechnet habe, nächste Runde weiter vorne zu stehen. Das kann die Pläne durcheinander werfen. Ebenso, wie der Fall, dass eine Mitspielerin zwar ihren Dorfbewohner von der Leiste nimmt, dann aber nicht wie erwartet in ihrem nächsten Zug die Aktionen durchführt, wodurch mir dann die Ressourcen zur Erfüllung einer Auftragskarte fehlen. Die Interaktion ist bei „Arborea“ schon hoch.
Das Wandern auf den Wegen macht Spaß, dauert aber seine Zeit. Nach dem Lesen der Anleitung dachte ich, dass die Downtime eher gering sein würde, schließlich bin ich zu einem gewissen Teil in die Züge der Mitspielerinnen involviert, wenn sie die Leisten bewegen. Ebenso findet das Erweitern des Ökosystems mit erfüllten Auftragskarten und angelockten Kreaturen nach meinem Zug, parallel zu den Zügen der anderen Mitspielerinnen statt. Effektiv machte dies aber nur einen kleinen Bruchteil der Zugzeit aus. Wenn jemand drei Dorfbewohner aktiviert und sie jeweils über bis zu sechs Aktionen verfügen, von denen wiederum welche Bonusaktionen auslösen, dann kann ein Zug auch gerne fünf Minuten oder mehr in Anspruch nehmen. Ich kann in der Zeit zwar ein bisschen meine nächsten Aktionen planen, aber aufgrund der gemeinsamen Ressourcen, Zugriff auf Kreaturen und Verschieben der Leisten musste ich sehr oft erst zu Beginn meines Zuges meine Pläne über den Haufen werfen und – im wahrsten Wortsinn – andere Wege zum Ziel suchen.
Eine weitere Besonderheit des Spiels sind die Biom-Punkte, die wir im Laufe der Partie gemeinsam sammeln und gemeinsam ausgeben. Es handelt sich hier um x-beliebige Ressourcen, aber sie erzeugen eine schöne spielerische Interaktion, weil ich den Mitspielerinnen natürlich keine Vorlage geben will, selbst aber Nutznießer der Biom-Punkte der anderen sein möchte. Zusätzlich bringen unverbrauchte Biom-Punkte Siegpunkte in meinem Zug, sodass ich ab und zu sogar gerne meinen Mitspielerinnen eine Vorlage gebe, wenn ich dadurch gut punkten kann. Ansonsten hält sich die Interaktion in Grenzen. Da ich bei jeder Leistenbewegung meinen Arbeiter aussteigen lassen kann und auch frühere Weganfänge nutzen darf, muss ich keine Panik haben, irgendwo zu landen, wo ich nicht möchte. Ebenso sind alle Weganfänge von mehreren Arbeitern besetzbar, sodass wir uns auch hier nichts wegnehmen. Einzig um die Biom-Karten und ausliegenden Kreaturen haben wir uns etwas gestritten. Mir hat der Kampf um die gemeinsamen Ressourcen jedenfalls sehr gut gefallen.
Der Hauptmechanismus des Spiels ist in meinen Augen das Puzzeln des Ökosystems (was mich sehr stark an „Obsthain“ oder „Sprawlopolis“ erinnerte) und das Platzieren der Kreaturen. Durch geschicktes Überbauen kann ich die Ökosystem-Auslage gut beeinflussen, was ich aber in der Partie kein einziges Mal wirklich genutzt habe, weil es sich nicht ergab. Irgendwie wirkt „Arborea“ auf mich, als hatte man den Ökosystem-Puzzle-Mechanismus zusammen mit den Kreaturen gefunden und suchte noch einen – sehr komplexen – Weg, wie ich dieses Ökosystem mit seinen Kreaturen erstellen kann. „Arborea“ ist sicherlich nicht kompliziert, aber die vier Leisten mit je zwei Wegenetzen mit je fünf Weganfängen (also 40 Arbeiteraktivierungsmöglichkeiten) erfordern schon eine gewisse Planung. Für Analyse-Paralyse-Spielerinnen ist daher auch die erste Entscheidung, wo die Arbeiter eingesetzt werden sollen, eine endlose Qual – für die Mitspielerinnen, die warten müssen, natürlich auch.
Unsere Dreierpartie dauerte 200 Minuten. Wie üblich lag dieser hohe Wert zum Teil an der Online-Umsetzung in TTS (die Ökosystem-Karten rasteten am falschen Raster ein und die Leisten blieben beim Verschieben an den Köpfen der Meeple hängen), aber auch in der Realität würde ich von 60 Minuten pro Spielerin ausgehen. Für mich ist das eine zu lange Spielzeit, auch wenn ich mich den Großteil der Zeit ganz gut unterhalten fühlte. Es spielt sicher auch mit rein, dass die Spannungskurve eher flach ist. Durch immer mehr Geschenke an die Weisen darf ich auf den unterschiedlichen Wegen dann zwar Boni nehmen, aber ansonsten fühlt sich die Abarbeitung der Aktionen eines Weges im ersten Spielzug genauso an wie im letzten. Auch die Biom-Ressourcen werden mehr, aber dann auch gleich wieder ausgegeben. Es gibt also keine Steigerung in einer Partie, ich mache immer das gleich. Wie die Variabilität über mehrere Partien hinweg aussieht, weiß ich nicht, aber Hauptunterschied sind eigentlich nur die vier Ziele auf den vier Jahreszeiten, die am Spielende Punkte bringen. Die Punkteverteilung war zumindest bei uns recht einheitlich aufgeteilt, mit jeweils einem Drittel auf Biom-Punkte während der Partie, Jahreszeiten-Punkte am Spielende und Ökosystem-Punkte durch Kreaturen ebenfalls am Spielende. Ob das bei jeder Partie so ist, weiß ich nicht. Vermutlich kann man den Fokus auf zwei der drei Punktegeneratoren legen. Der Punktesalat am Ende des Spiels ist aber sicher auch nicht jeder Persons Sache.
Normalerweise schaue ich auch zuerst auf das Thema eines Spiels, da dies (außer bei abstrakten Spielen) für mich wichtig ist. Hier punktet „Arborea“ leider nicht. Im Gegenteil: Ich fand das Spiel recht schwer zu erlernen, da das Thema nicht herauskommt. Sprachlich will „Arborea“ zwar thematisch sein („Geschenk an Weise“), aber es fühlt sich alles abstrakt und austauschbar an. Wir erzeugen einfach nur Ressourcen in sechs verschiedenen Farben, zu denen ich mir die korrekten Begriffe nicht merken kann. Und damit erfüllen wir Auftragskarten, die andere bunte Felder auf der Rückseite haben, und setzen bunte Kreaturen daneben, die ich ebenfalls nicht benennen könnte. Somit fiel es mir eher schwer, die Anleitung zu lesen und zu verstehen, auch wenn sie im aktuellen Kickstarter-Entwurf gut strukturiert wirkt. In unserer Partie hatten wir anfänglich auch immer wieder Probleme bei der Unterscheidung der schwarzen und weißen Dorfbewohner, was deren Bedeutung angeht. Das Spiel unterscheidet zwischen kleinen schwarzen Meeple (Junge), kleinen weißen Meeple (Erfahrene) und großen schwarzen Meeple (Ältere). Was ist deren Besonderheit: Die Älteren dürfen einen der vier Boni bei den Weisen nicht nutzen und kommen immer zurück in den Vorrat. Die Jungen und Erfahrenen dagegen können alle Boni nutzen, sind danach aber verbraucht und müssen erst neu freigeschaltet werden. Zusätzlich bewegt sich eine Leiste bei einem Erfahrenen um zwei Felder, bei den anderen nur um eins. Ich frage mich, ob es diese Unterscheidung zu Kosten der Komplexität gebraucht hätte. Eine thematische Verbindung zwischen den drei Generationen an Dorfbewohnern und den Einschränkungen bzw. Möglichkeiten, die sie mitbringen, sehe ich zumindest nicht.
Zu unserer konkreten Partie noch ein paar Anmerkungen: Ich schaltete sehr früh alle meine Dorfbewohner frei, sodass ich diese Aktion bis zum Ende des Spiels nicht mehr nutzen musste. Das war prinzipiell gut, gleichzeitig verbrauchte ich aber auch all meinen Spirit (eine Währung, mit der ich mehr Arbeiter einsetzen und/oder aktivieren darf). Ohne Spirit konnte ich aber lange Zeit jede Runde nur einen Arbeiter einsetzen, sodass ich von der Fülle gar nicht so viel hatte. Es ist sinnvoll, den Spirit zu verbrauchen, um Extra-Aktionen durchführen zu können, aber er sollte nie auf das maximal Negative fallen. Etwas spielhemmend war, dass Wasser sehr kostspielig ist (kostet den besagten Spirit), aber zu einem Zeitpunkt alle Auftragskarten Wasser benötigten. Zusätzlich ist Wasser eine Joker-Ressource und wurde dementsprechend schnell auch immer gleich ausgegeben. Wasser-Habitate einzubauen lohnt sich aber, da Kreaturen am Wasser doppelt punkten und Wasser ein Joker-Habitat ist. Und wir hatten ein Jahreszeiten-Ziel, welches drei Siegpunkte pro reservierter, aber unerfüllter Ökosystem-Karte brachte. Mit einem hohen Multiplikator lohnte es sich also kaum zum Spielende hin, noch eine Ökosystem-Karte zu erfüllen, selbst wenn dies möglich war, weil das Erfüllen weniger Punkte brachte. Das fühlte sich irgendwie falsch an.
Es gibt auch noch eine Erweiterung (auch in TTS enthalten) und eine Soloversion (nicht im TTS enthalten), die ich nicht getestet habe. Mir hat die Partie „Arborea“ zwar Spaß gemacht, aber vermutlich wird es meine erste und letzte gewesen sein. Spielzeit und Downtime sind mir zu groß, ebenso wie die Komplexität (etwas wiederzufinden). Da bevorzuge ich das weniger komplexe „Tzolk'in“, wenn ich einen ähnlichen Arbeitereinsatzmechanismus spielen will. Gerne wiedersehen würde ich das gemeinsame Nutzen von Ressourcen, bei dem die Erzeugung aber auch etwas Positives (hier: Siegpunkte) hat. „Arborea“ ist in Summe ein gutes Spiel, dass aber an der ein oder anderen Stelle für mich etwas Weniger hätte sein können. (8,0)
Wertung:
#Arborea
Flamecraft (Cardboard Alchemy/Lucky Duck Games, 2022)
„Flamecraft“ war im September 2021 via Kickstarter in aller Munde. Kein Wunder, hat es doch mal locker 2 Millionen US-Dollar Unterstützung eingefahren. Ich habe das Spiel damals nur mit einem Euro unterstützt und lange überlegt, ob ich später im Pledgemanager den vollen Preis von 53 Euro (inkl. Versand und VAT für die Standardversion) bezahlen möchte. Die Grafik sprach mich sehr an, das Spielprinzip wirkte aber eher flach und repetitiv. Eine Online-Version zum Antesten gab und gibt es nicht. Jetzt, anderthalb Jahre später, gibt es das Spiel für 34 Euro im Handel (Versand ist meist kostenlos). Und das war mir das Spiel ungetestet dann doch wert.
In „Flamecraft“ mimen wir ganz liebe Drachen, die durch das Dorf laufen und verschieden Läden aufsuchen. Im Standardfall geben uns die Läden und anwesenden Drachen Ressourcen und ich kann dort Drachenkarten ablegen und Effekte von ausliegenden Drachen und des Ladens selbst nutzen. Alternativ dazu kann ich einen Laden aufwerten und eine Verzauberung anlegen, damit der Laden mehr Ressourcen produziert. Daneben gibt es noch Auftragskarten über Schmuckdrachen, die ich während des Spiels oder nach Spielende werten kann, wenn ich bestimmte Bedingungen erfüllt habe. Dazu gesellt sich noch ein netter Solomodus, bei dem ich versuche, eine möglichst hohe Punktzahl zu erreichen. Gespielt wird so lange, bis entweder der Stapel der Drachenkarten und/oder der Verzauberungen aufgebraucht ist.
„Flamecraft“ punktet definitiv über die Aufmachung und die liebevollen Illustrationen von Sandara Tang. Die Ladenkarten sind sehr groß und wunderschön und mit viel Liebe zum Detail gezeichnet. Dazu kommen noch witzige Namen wie „Smaugs Kleinode“ mit vielen popkulturellen Referenzen. Die Drachenkarten sind ebenso schön illustriert. Auch wenn jeder Drachentyp die gleiche Fähigkeit hat, wurde jedem Drachen ein Name und ein eigenes Bild gegeben. Das trägt enorm zum Eintauchen in das Thema ein. Aber, wenn ich ehrlich bin: Das Thema ist beliebig und austauschbar. Das Spiel hätte genauso mit Menschen in einem mittelalterlichen Dorf, mit holzverarbeitenden Elfen im Wald oder lustigen Aliens auf einem fremden Planeten und ganz anderen Ressourcen funktioniert. Aber: Das Setting mit Drachen ist zum einen nicht total verbraucht und wie gesagt wirkt es zum anderen grafisch einfach sehr hübsch. Aber auch hier habe ich gemerkt, dass bei Wenigspielerinnen die durch das Thema verdeckte Abstraktheit das Erlernen des Spiels eher erschwert. Wieso die anwesenden Drachen in einer Bäckerei mir plötzlich ein Stück Fleisch oder eine Pflanze in die Hand drücken, erschließt sich thematisch leider nicht.
Die Symbolik ist in meinen Augen sehr gut und eindeutig gelungen. Einzig über die Unterscheidung zwischen Drachenfigur und Drachenkarte sind Wenigspielerinnen anfangs gestolpert. Wichtig: Das Spiel selbst ist nicht sprachneutral. Von den Bezeichnungen der Läden und Drachen abgesehen, enthalten die Auftragskarten und auch einige Läden erklärenden Text, der für Nicht-Sprachbeherrschende nicht verstanden werden würde. Das ist auch der Grund, wieso ich eine Version in deutscher Sprache geholt habe. Ein Nachteil: Als ich Fragen zu bestimmten Läden hatte, half mir die Suche auf Boardgamegeek nicht weiter, da dort logischerweise die englischen Shop-Bezeichnungen benutzt werden.
Da ich die Standard-Edition von „Flamecraft“ besitze, sind die Drachenmeeple aus bedrucktem Holz statt Plastikminiaturen, die Ressourcen sind Pappmarker statt bedrucktem Holz und die Münzen ebenfalls aus Pappe anstatt aus Metall wie in der Deluxe-Edition. Mir selbst reicht die Standard-Variante vollkommen aus, da sich am Spielgefühl nichts wirklich ändert. Das Material ist sehr wertig, vor allem die Karten fühlen sich gut in der Hand an. Mein einziger Kritikpunkt ist die Stadtmatte aus Neopren. Die ist zwar hübsch und hat für alles einen Platz, aber mit 107 cm passt sie gerade so auf meinen Tisch. Den Spielaufbau wie in der Anleitung (mit den Ressourcen an einem Ende und den Ladenkarten am anderen Ende) kann ich nicht umsetzen. Ich bin auch unsicher, ob ich das Spiel zu fünft auf meinem Tisch aufbauen kann. Zumindest wird es dann sehr kuschelig.
Komplex ist „Flamecraft“ sicherlich nicht, aber ich gebe zu, dass ich in der ersten Partie nicht wirklich wusste, was ich sinnvoll tun soll. Anfangs hatte ich nur ganz viele Ressourcen, wusste aber nichts damit anzufangen. Während der Partie lernte ich dann, dass die Ressourcen für Verzauberungen oder bessere Läden (wenn diese denn einmal ins Spiel kommen) genutzt werden können. Es gibt also eine kleine Einstiegshürde aufgrund der Fülle an Optionen zu Spielbeginn, aber die Zusammenhänge sind relativ schnell erlernt. Die Anleitung lässt dabei auch kaum Fragen offen – im Gegensatz zu den Läden und Schmuckdrachen (die in der Anleitung aber näher erläutert). Hier ist die Wortwahl oft so, dass ich es verschieden interpretieren kann, was in Erstpartien nicht hilft. Interessanterweise stolperten mehrere Mitspielerinnen auch über die kleinsten Abläufe oder Sätze. Konkret ist der erste Satz auf der Hilfekarte „Erhalte Waren, Geldmünze und Drachen“ missverständlich, weil die Spielerin dann ihre Waren, eine Goldmünze und eine Drachenkarte nehmen wollte, weil das exakt so da steht. Dass es Läden gibt, die Münzen oder Drachenkarten geben, konnte die Person ja noch nicht wissen.
Bei mir hat die Regellektüre ungefähr 45 Minute inklusive Aufbau in Anspruch genommen. Während des Spiels halfen mir die Rundenübersicht, die ich – vor allem fürs Solospiel – auch jeden Zug benötigte, um nichts zu vergessen. Nach der dritten Partie musste ich aber nicht mehr auf die Hilfekarte schauen. Auch wenn es die Aufbauzeit erhöht, finde ich schön, dass pro Ressource nur einer von drei Läden ins Spiel kommt. Auf die Art gibt es eine ausreichende Variation an ausliegenden Läden und wie ich was in Ressourcen oder Siegpunkte umwandeln kann. Ich habe aber festgestellt, dass ich einige Läden (die mit Münzwurf) nicht mag, da mir das zu viel Zufall ist.
Mechanisch erfindet „Flamecraft“ das Aktionswahl-Genre nicht neu. Das Bezahlen der Mitspielerinnen am gleichen Ort und auch das Nutzen von Aktionen ist altbekannt. Auch die Zielkarten oder Ladenverbesserungen sind nicht neu. Ich würde die Mechanismen daher als solide, aber nicht innovativ beschreiben. Was sie auf alle Fälle sind, ist belohnend. Im späteren Verlauf des Spiels erhalte ich mit einer Ladenaktion bis zu sieben Ressourcen, kann dann noch eine Drachenfähigkeit und zusätzlich die Ladenfähigkeit nutzen. Gefallen hat mir auch die Abwägung zwischen Ladenaktion und Ladenverbesserung: Möchte ich Ressourcen erhalten plus die zwei Aktionen oder erhalte ich lieber den Bonus der Ladenverbesserung (meist Siegpunkte) und darf zusätzlich die Aktionen der bis zu drei ausliegenden Drachen nutzen. Diese Abwägung hat mir bis zum Ende Spaß gemacht. Durch die Ladenaktionen gibt es auch ein paar kleinere Kettenzüge, die sich noch belohnender anfühlen. Dennoch ist die Spannungskurve eher flach. Die Läden werden zwar immer besser mit der Zeit und werfen mehr Ressourcen oder Aktionen ab, aber ab der Mitte des Spiels gibt es kaum noch eine Steigerung. Es kommen zwar immer neue Läden hinzu, aber diese mit Drachen zu füllen und zu nutzen, fühlt sich im ersten Zug genauso wie im letzten an.
Gestartet bin ich mit dem Solospiel, bei der es sich um eine reine Highscore-Jagd handelt. Die Soloaktionen sind dabei sehr clever und zugleich simpel gelöst, sodass es keinerlei Fragen oder Hänger während der Partie gab. Nach meinem Zug wird eine Drachenkarte aufgedeckt, die dann an den ersten Laden passend angelegt wird, die farblich passende Drachenfigur bewegt sich dorthin und liegt eine passende Verzauberung aus, wird auch diese an den Laden angelegt. Sehr schön dabei ist, dass alle fünf anderen Drachenfiguren auf Läden gesetzt werden und mich so ein bisschen behindern. Dazu werden Drachenkarten und Verbesserungen so gut vom Solomechanismus verbraucht, dass eine Solopartie in schnellen 30-45 Minuten beendet ist. Einziger Kritikpunkt: Das reguläre Solospiel hat einen aufwändigeren Aufbau, bei der zu Beginn bestimmte Läden und Schmuckdrachen für Ziele herausgesucht werden müssen. Dies war mir anfangs zu aufwändig gegenüber dem normalen Aufbau, sodass ich mit dem Standardaufbau und allen Schmuckdrachenkarten gespielt habe. Dadurch ergeben zwar nicht alle Ladenaktionen und Ziele einen Sinn, weil die Mitspielerinnen fehlen, aber ich konnte schneller starten. In Summe gefällt mir die Soloversion sehr gut, wobei ich sie vermutlich nach drei Partien nicht mehr spielen werde. Eine Solovariante gegen einen echten Gegner hätte ich herausfordernder gefunden.
Zu dritt konnte ich eine Partie spielen, bei der auch Wenigspielerinnen vertreten waren. Oben hatte ich bereits auf die Probleme bezüglich Regelverständnis aufgrund unthematischer Zusammenhänge und Wortwahl hingewiesen. Zusätzlich zeigte sich auch, dass die Optionsfülle für Einsteiger und für Analyse-Paralyse-anfällige Spielerinnen erschlagend ist. Das alles zusammen hat zu einer Spielzeit von zwei Stunden geführt – also doppelt so lange wie offiziell angegeben. Ich war auch eher von 60 Minuten ausgegangen, da ich die Solopartie recht schnell herunterspielen kann, wobei der Soloautomatismus mir aber auch jede Runde eine Drachenkarte und eine Verzauberung gibt, was das Spielende beschleunigt. Auf alle Fälle ist die Spielzeit im Mehrpersonenspiel dynamisch, da nicht gesagt ist, wie schnell Drachenkarten oder Verzauberungen aufgefüllt werden. Durch die Optionsfülle dauert die Auswahl einer Aktion und dann die Ausführung einige Zeit, vor allem bei einer Verzauberung, wenn drei Drachen ausliegen (beispielsweise wenn drei Diamantdrachen ausliegen und überlegt wird, welche neun Ressourcen für die ausliegenden Verzauberungen sinnvoll sind). Wenn alle im Spiel firm sind, gehen die Züge aber sicherlich etwas schneller. Aber jemand, der die Züge optimieren will, wird länger über seine Aktionen nachdenken als jemand, der aus dem Bauch heraus spielt.
Die Interaktion hat mir sehr gut gefallen. Zumindest meine Pläne für Verbesserungen oder Läden, die ich besuchen wollte, wurden sehr oft behindert. Und umgekehrt habe ich auch geschaut, ob jemand die vier Sets für acht Siegpunkte vorrätig hat und habe diese Verbesserung vorher weggenommen, wenn dies möglich war. Einzig bei den Geschenken bin ich nicht sicher, was ich davon halten soll. Einerseits ist es ein sehr positiver Mechanismus, der zwar wie eine Bestrafung wirkt, der Empfängerin aber Freude bereitet. Anderseits kann es zum Königsmacher-Effekt kommen, weil einer Person Ressourcen geschenkt werden, mit denen sich die Empfängerin erst eine entsprechende Verzauberungen leisten kann. In Summe habe ich mit meinem letzten Zug selbst entschieden, bei 65:64:49 nur Zweiter zu werden. Hätte ich anstelle einer 0-Punkte-Schmuckdrachen-Siegpunktkarte die alternativen, sicheren zwei Siegpunkte genommen, hätte ich gewonnen. Spaß hat es natürlich dennoch gemacht.
„Flamecraft“ sitzt für mich irgendwie zwischen den Stühlen. Das Material und die Illustration sorgt dafür, dass fast jeder mitspielen möchte. Wenigspielerinnen sind aufgrund der unthematischen Abläufe, Missverständnis einiger Beschreibungstexte und Optionsvielfalt aber anfangs teilweise überfordert oder zumindest sehr gefordert. Für Expertenspieler wiederum sind die Abläufe zwar klar, aber wenig abwechslungsreich und sehr wiederholend. Analyse-Paralyse-Spielerinnen erhöhen dafür die Spiel- und Wartezeit enorm. Schade finde ich, dass das Thema so wenig herauskommt und so beliebig ist. In Summe haben mir die Partien aber dennoch gefallen. Vor allem die Solovariante spielt sich schnell und gut herunter und bleibt durch die Mini-Kampagne auch herausfordernd. Am Ende hat es aber nicht dafür gereicht, dass das Spiel bei mir bleibt. (7,0)
Wertung:
#Flamecraft
Oranienburger Kanal (Spielworxx, 2023)
Der Spieleautor Uwe Rosenberg hat bei mir einen eher schweren Stand. Von den elf gespielten Spielen haben mir nur zwei wirklich gut gefallen („Patchwork“ und „Glasstraße“), zwei waren noch okay, aber den Rest fand ich eher Durchschnitt im BGG-5er-Wertungsbereich. Wenn heute auf einem Spiel „Rosenberg“ steht, werfe ich oft keinen zweiten Blick mehr darauf. Ich finde die Mechanismen oft zu wiederholend (also aus anderen Spielen). Auf Empfehlung sollte ich mir aber mal das Zweierspiel „Oranienburger Kanal“ anschauen. Also schaute ich über den Tellerrand und absolvierte ein paar Solopartien und eine Zweierpartie via Tabletop Simulator.
In „Oranienburger Kanal“ bauen wir allein oder zu zweit ein Industriegebiet am gleichnamigen Kanal auf. Auf dem Aktionstableau gibt es sieben Aktionsfelder, die ich wählen kann, solange die Aktion diese Runde noch nicht gewählt wurde. Jede Runde teilen sich die Spielerinnen fünf Aktionen abwechselnd auf, die aktuelle Startspielerin hat also eine Aktion mehr. Vor mir liegt ein Spielertableau mit 12 Bauplätzen und 31 Streckenfelder rundherum. Mit den Aktionen kann ich Bauwerke kaufen oder Strecken (Pfade, Straßen, Gleise oder Kanäle) und Brücken bauen. Hierfür benötige ich Rohstoffe wie Holz, Lehm oder Erz, die auf einem Ressourcenrad abgetragen werden. Identisch wie in „Glasstraße“ gibt es die besseren Ressourcen Ziegel und Eisen auf der anderen Seite, indem ich den Zeiger des Ressourcenrades um ein Feld gegen den Uhrzeigersinn drehe. Ich gebe also ½ Holz und 1 Lehm aus, um 1 Ziegel, und ½ Holz und 1 Erz aus, um 1 Eisen daraus herzustellen. Die Gebäude haben neben den Siegpunkten auch noch Aktionen abgedruckt, die an Bedingungen geknüpft sind. Diese werden maximal zweimal im Spiel ausgelöst. Einmal, wenn ich ein Gebäude komplett mit Strecken umrande. Und einmal, wenn ich eine zweite Brücke an dieses Gebäude baue. Der Clou ist also nicht nur ein gutes Gebäude zu bauen, sondern auch zu entscheiden, wann ich das Gebäude mit der vierten Strecke umrande oder wann bzw. ob ich die zweite Brücke daran bauen will. Das Spiel endet, wenn die Bauwerke alle sind. Dann gibt es einen Punktesalat mit Siegpunkten für Ressourcen, Strecken, Geld und Bauwerke zusätzlich zu den Siegpunkten während des Spiels.
Fühlt sich das Spiel an, als würde ich am Oranienburger Kanal ein Industriegebiet aufbauen? Nein! Fühlt sich das Spiel an, als würde ich irgendwo ein Industriegebiet aufbauen? Nein! Ich sehe zwar, dass ich Wege, Straßen, Gleise und Kanäle baue und die Ressourcenausgabe passen thematisch sehr gut. Ebenso sind die Funktionen der Gebäude passend zu ihrem Namen. Aber das spüre ich im Spiel nicht. Warum? Um es mit den Worten eines berühmten Bären zu sagen: „Denk! Denk! Denk!“ Genau das und nur das mache ich die gesamte Spielzeit über. Wer nicht gerne grübelt, überlegt und abwägt, ist bei dem Spiel falsch. „Oranienburger Kanal“ bietet dabei eine interessante Mischung aus Taktik und Strategie. Sobald ich ein Gebäude baue, habe ich mich für eine Strategie entschieden und sollte diese auch verfolgen und möglichst synergetisch mit anderen Gebäuden nutzen. Aber die wechselnde Auslage erfordert teils auch taktische Entscheidungen, welche Karte – obwohl sie nicht in die Strategie passt – sich dennoch gut in das Gesamtbild einfügen würde. Das hat mir gut gefallen. Der Denkaspekt dagegen hat mir weniger gefallen. Im Solospiel stört es mich nicht, weil niemand auf mich wartet. Aber es gab im Solospiel Züge, die über fünf Minuten dauerten, weil ich alle ausliegenden Karten durchlesen, bewerten, Ressourcen gegenchecken und Vorheraktionen berechnen musste. Aufgrund der Fülle an Möglichkeiten, machte mir die Entscheidungsfindung dabei nicht immer Spaß. Und im Zweipersonenspiel wollte ich das nicht alles durchdenken, weil es sonst so lange dauern würde.
Mechanisch funktioniert das Spiel großartig, vor allem weil die Regeln doch recht einfach sind. Eine von sieben Aktionen wählen, die alle nicht kompliziert sind (Ressourcen nehmen oder Strecken, Bauwerke und Brücken bauen), ausführen und ab und das Ressourcenrad drehen. Die Anleitung ist so gut geschrieben, dass es für mich gar kein Problem war, das Spiel ohne Material vor mir zu erlernen und dann spielen zu können – bis auf einen kleinen Regelfehler (siehe unten). Vor allem das Ressourcenrad, welches ich schon aus „Glasstraße“ kannte und dort sehr mochte, hat mir wieder gefallen. Die Optimierung, dass möglichst keine Ressourcen verschwendet werden und alles immer gut gewandelt werden kann, macht mir einfach Spaß. Der Gebäudebau hat mich ebenfalls an andere Rosenberg-Titel erinnert. Wie oben geschrieben fühlt es sich aber eher mechanisch und weniger thematisch an. Im Gegensatz zur Einfachheit der Regeln sind es die Funktionen der Gebäude nicht. Trotz Symbolübersicht musste ich in den Partien jede Gebäudebedeutung im Glossar – bzw. im Mouse-over-Text – nachlesen, um sie zu verstehen. Das hindert leider etwas den Spielfluss und trübte für mich den Spielspaß.
Grafisch kommt das Spiel eher funktional herüber. Ressourcenrad und Aktionstableau sind fast frei von Illustrationen. Und die Gebäudekarten haben zwar verschiedene Farben, es dominieren aber Kosten und Symbole für die Funktionen. Das ist ein weiterer Grund, wieso das Thema für mich gar nicht transportiert wird. Das fertige Spielfeld sieht am Ende nicht aus wie ein Industriegebiet und ist damit ein starker Gegensatz zu anderen Stadtbauspielen wie beispielsweise „Suburbia“. Dort ist die Grafik teils sehr detailreich und vor allem kann ich mir zu jedem Plättchen und seinen Synergien eine Geschichte ausdenken. „Oranienburger Kanal“ gibt mir dieses Gefühl in keinster Weise. Hier schaue ich ausschließlich auf die Symbole und die Ressourcen.
Gut gefallen hat mir die Soloversion. Ich spiele fest über sieben Runden und es gibt keinerlei Interaktion, bis auf, dass eine rote Scheibe jede Runde ein anderes der sieben Aktionsfelder blockiert und manchmal Karten aus der Auslage entfernt werden. Das heißt, ich kann sehr gut planen und niemand stört meine Aktionen. Die in Summe 28 Aktionen sollten aber effizient genutzt werden, denn ansonsten ist die vorgegebene Grenze von 120 Punkten für einen Sieg nicht erreichbar. In meinen ersten Solopartien konnte ich mich immerhin auf 112 Punkte hinarbeiten. Obwohl ich jede Runde das Gleiche tue, fand ich die Partien bis zum Ende hin spannend. Wo vollende ich noch einen Streckenzug für eine Aktivierung? Oder schaffe ich es noch, eine zweite Brücke zu bauen? Manche Gebäude werfen bei der zweiten Aktivierung auch noch mehr Ressourcen als zuvor ab, weil sich das Spielertableau etwas weiterentwickelt hat.
Im Zweipersonenspiel sieht das interessanterweise gar nicht so viel anders aus. Ich spiele zwar über mehr Runden (ca. 10-12 ungefähr), habe pro Runde aber immer drei (als Startspieler) oder zwei Aktionen. Belegte Aktionen darf ich nicht erneut nutzen, sodass sich die beiden Spielerinnen hier schon in die Quere kommen, aber meist störte mich das nicht. Dann mache ich die Aktion einfach die nächste Runde. Essenziell war das Aktionsfeld für den Kanal- und Gleisbau, da es nur mit dieser einen Aktion möglich ist, diese beiden Streckentypen zu bauen. Meistens musste der Startspieler dieses Feld wählen, da es sonst keine Chance mehr gab, diese beiden Netze auszubauen. Das fand ich etwas zu einschränkend. Eine Interaktion ist also bis auf die Blockade von Aktionen und das Wegkaufen von Gebäuden nicht vorhanden. Ich habe zwar in den Zügen meines Mitspielers verfolgt, was er tut, aber es war selten relevant für meine Planung. Zusätzlich verlängert sich die Spielzeit natürlich enorm. Aufgrund der in Summe ca. 25-30 Aktionen pro Spielerin, verdoppelt sich die Solospielzeit in etwa. Wir spielten fast zwei Stunden zu zweit, ohne dass es nennenswert etwas am Ausgang gegenüber der Solopartie änderte. „Oranienburger Kanal“ ist für mich ein tolles Solospiel, bei dem ich nicht sehe, wieso ich es zu zweit spielen sollte. Sehr gut finde ich, dass es nicht auf einer Vierpersonenvariante aufgebohrt wurde (was leicht ginge), dann wäre die Spielzeit und vor allem die Wartezeit viel zu hoch. Die Zweierpartie verlor ich im Übrigen knapp mit 127:126, weil ich einen Regelfehler bei der Abrechnung im Kopf hatte. Ich dachte, es gäbe pro leerem Bauwerkplatz ein Minuspunkt und nicht pro unbebauter Strecke.
Wird „Oranienburger Kanal“ mein neuer Lieblingstitel von Uwe Rosenberg? Gewiss nicht. Zum einen haben es reine Zweipersonenspiele bei mir eh schwer und Solotitel noch mehr. Auch wenn mir das Spiel und seine Puzzles mechanisch gefallen, fehlt mir die Thematik. Es wirkt einfach zu abstrakt. Die extrem schlichte Grafik hilft da nicht, um in das Thema einzutauchen. Die Partien haben sicherlich Spaß gemacht, aber vermutlich werde ich in einem Jahr nicht mehr wissen, was die Kanäle in Oranienburg so besonders gemacht hat. (7,5)
Wertung:
#OranienburgerKanal
Second Chance (Edition Spielwiese, 2019)
Ein weiterer Rosenberg-Titel, der in meinem Spiele-Portfolio noch fehlte, war „Second Chance“. Via Tabletop Simulator konnte ich so eine Partie allein spielen. Es handelt sich bei „Second Chance“ um ein Flip'n'Write-Spiel in Reinform. Jede Spielerin hat vor sich ein leeres Karopapier mit 9x9 Kästchen. Jede Runde werden zwei Karten mit je einem Polyomino aufgedeckt. Eines von beiden muss jeder bei sich einzeichnen. Wenn ich das nicht kann, weil kein Platz ist, ziehe ich eine weitere Karte nur für mich nach und erhalte eine zweite Chance. Kann ich das Polyomino jetzt einzeichnen, ist alles gut. Falls nicht, bin ich ausgeschieden. Eine Partie geht, bis alle Spielerinnen ausgeschieden sind. Gewonnen hat, wer die wenigsten freien Felder hat.
Die Regeln von „Second Chance“ sind sehr leicht zu verstehen. Insgesamt spielt sich der Titel auch sehr einfach – in meinen Augen grenzt er aber schon fast an Belanglosigkeit. Wo bei „Patchwork“ das Puzzeln viel Spaß machte, weil dazu eine Entscheidung über Kosten in Form von Siegpunkten und Zeit notwendig war, zeichne ich bei „Second Chance“ halt meine Polyominos ein, bis es nicht mehr geht. Die zweite Chance ist dabei nur dazu da, per Zufall jemand noch im Spiel zu halten, was ich sehr unfair fand. Der eine zieht eine Karte mit einem Kästchen, der nächste eine ganz komplizierte Form. Allgemein ist es heute auch selten, ein Spiel mit Spielerelimination zu finden. Da eine Runde aber in 10-15 Minuten gespielt ist, sollte das Zuschauen nicht allzu lange dauern – außer ich baue extrem ungünstig.
Interaktion gibt es keine im Spiel, es handelt sich um einen reinen Solitär-Titel. Kein Wegnehmen, kein Rennen, nur Puzzeln. Manchen mag das vielleicht gefallen, mir war das zu spartanisch. Da gibt es definitiv bessere Puzzle-Spiele. Somit ist dies auch kein Rosenberg-Titel, der mir positiv in Erinnerung bleibt. (4,0)
Wertung:
#SecondChance
Null bis 100 (Le Scorpion Masqué, 2021)
„Null bis 100“ ist ein weiterer Vertreter der Wissensspiele, welches in drei Teams mit bis zu 12 Personen gespielt wird. Jedes Team hat sechs Fragen vor sich liegen, deren Antworten im Bereich von 0 bis 100 liegen. Zu Spielbeginn liegt in der Tischmitte die Zahl 50. Jedes Team muss eine Frage wählen, deren Antwort möglichst nahe an die 50 herankommt. Mit Zusatzkarten kann ich den Wert noch um +/- 20/50 beeinflussen. Wessen Differenz zwischen Ziel und realer Antwort am größten ist, dessen Antwortkarte wird die neue Zielzahl, die für alle zu erreichen ist. Zusätzlich zieht das Team eine neue Karte, wohingegen alle anderen ihre Frage abwerfen können. Gewonnen hat, wer zuerst nur noch eine Karte übrig hat.
Mir hat „Null bis 100“ recht gut gefallen. Die Fragen waren sehr abwechslungsreich. Beispielhaft für ein Wissensspiel fand ich, dass bei einzelnen Fragen nicht nur die Zahlantwort stand, sondern noch etwas mehr Hintergrundinformation. Da in Teams gespielt wird, weiß meistens irgendwer aus dem Team schon irgendeine Antwort. Es hilft dabei aber wenig, die Antwort exakt zu wissen, da es auf die Zielkarte in der Tischmitte ankommt. Das ist positiv, weil so auch gemischte Teams mit unterschiedlichem Allgemeinwissen gegeneinander spielen können. Das kann natürlich auch demotivierend für manche Mitspielerinnen sein, wenn sie alles wissen, aber dennoch nie nah an etwas liegen können. Ein gewisser Glücksfaktor ist also auch mit dabei. Aber natürlich hilft es, wenn man zumindest grob eine Ahnung von der Frage und deren Antwort hat, um sinnvoll etwas hinlegen zu können. (7,5)
Wertung:
#Nullbis100
Men at Work (Pegasus, 2019)
Relativ zeitnah kamen 2018 und 2019 zwei Geschicklichkeitsspiele auf den Markt, die um meine Gunst buhlten. Da ich „Tokyo Highway“ zuerst auf der SPIEL'18 kennenlernte, gewann das Spiel das Rennen. Nach einigen Partien stellte sich aber eine gewisse Monotonie ein, denn das Ergebnis war irgendwie immer sehr ähnlich. Jetzt konnte ich endlich den zweiten Günstling kennenlernen: „Men at Work“ von Rita Modl. Und das war wirklich spaßig und abwechslungsreich.
In „Men at Work“ arbeiten wir auf einer Baustelle, die in der Tischmitte zu Beginn mit einigen Stützen, bunten Stahlträgern und einem Arbeiter – und natürlich einem Pappkran – ausliegt. Wenn ich an der Reihe bin, wird eine Aufgabenkarte aufgedeckt. Es gibt zwei Typen: Entweder muss ich einen Arbeiter oder einen Stahlträger einsetzen. Diese einfach irgendwo hinzulegen, wäre aber zu simpel. Deswegen sind Bedingungen daran geknüpft. So muss manchmal der Stahlträger zwei andere Stahlträger berühren oder den höchsten Punkt auf der Baustelle bilden. Oder ich muss einen Bauarbeiter mit zwei Backsteinen balancierend auf einen lila Stahlträger stellen. Mit der Zeit wird es immer schwieriger etwas hinzustellen, ohne dass etwas umfällt. Wenn das passiert, muss ich eines meiner drei Sicherheitszertifikate abgeben. Die Spielerin nach mir muss dann erst die Baustelle aufräumen (alles entfernen, was den Tisch berührt) und sich einer neuen Aufgabe stellen. Wer drei Zertifikate verliert, ist raus und muss zuschauen. Ab der Mitte des Spiels kommt die Bauaufseherin Rita dazu. Wer ab da den höchsten Punkt der Baustelle baut, erhält eine Auszeichnung. Wer drei Auszeichnungen besitzt oder als Letztes noch auf der Baustelle hantieren darf, gewinnt das Spiel.
Vorab: In unseren zwei Partien gewann niemand, weil er drei Auszeichnungen hatte. Dafür gab es von der Seite viel zu viele Kommentare, wenn jemand am Bauen war, um die Person aus der Ruhe zu bringen – was oft funktionierte. :D Das Ausscheiden machte uns deswegen auch gar nichts aus, weil es genauso spannend war, jemand dabei zuzuschauen, wie er die nächste Aufgabe löst. Für uns war das ein riesiger Spaß, den wir – obwohl das Spiel als kurzer Füller bis zum Essen gedacht war – gleich in einer zweiten Partie wiederholten. Einziger, kleiner Kritikpunkt sind die Aufgabenkarten: Ich hatte auch in der zweiten Partie noch meine Probleme, wie diese zu lesen sind. (9,0)
Wertung:
#MenAtWork
Inside Job (KOSMOS, 2022)
Im Bericht des SWR über den Stuttgarter Spieleverlag KOSMOS konnte ich einen Einblick in die redaktionelle Bearbeitung und Entstehung des Titels „Inside Job“ gewinnen. Passenderweise kam es am Spieletag auch auf den Tisch.
„Inside Job“ ist ein Stichspiel mit Deduktionselementen. Alle sind Agenten, nur eine Spielerin ist der Insider. Die Agenten müssen in zehn Runden mindestens sechs Aufgaben erfüllen. Der Insider versucht, dies zu verhindern. Alternativ hat er gewonnen, wenn er vier Aktenkoffer (respektive Stiche) gewonnen hat. Jede Partie werden an jede Spielerin 10 Karten in vier Farben und Werten von 1 bis 13 ausgeteilt. Zusätzlich erhält jeder geheim eine Rollenkarte. Jede Runde erhält die aktive Spielerin (die den letzten Stich gemacht hat) zwei Aufgabenkarten und darf sich eine davon geheim aussuchen. Die Aufgaben lauten beispielsweise „Die dritte Person gewinnt den Stich.“, „Die letzte Person spielt die höchste Karte.“, oder „Jede Karte hat einen höheren Wert als die davor.“ Zusätzlich gibt jede Aufgabenkarte auch an, was diese Runde Trumpf ist. Wenn eine Farbe oder Trumpf ausgespielt wurde, müssen alle bekennen – nur der Insider darf legen, was er will. Mittels Koffern, die jeder sammelt, kann ich meine ausgespielte Farbe zu Trumpf ändern. Und so versuchen alle gemeinsam die Aufgabe zu erfüllen, während der Insider von innen heraus dagegen agiert. Wenn die vorletzte Karte ausgespielt wurde, ist die Partie vorbei. Es wird also nicht die ganze Kartenhand einer Spielerin verraten. Falls die Agenten nicht sechs Missionen erfolgreich absolviert haben, können alle gemeinsam entscheiden, wer der Insider sein könnte. Bei Erfolg gewinnen die Agenten doch noch.
Die Beschreibung von „Inside Job“ klang interessant, aber auch seltsam. Wie soll ich denn als Insider wirklich etwas gegen die Mission tun, ohne aufzufallen? In der ersten Partie gewannen die Agenten dann auch ohne Gegenwehr meinerseits. Die zweite Partie war ich erneut Insider und es klappte schon viel besser. Ich konnte gezielt falsche Karten spielen, musste mir aber merken, welche Farbe oder Wert ich falsch bekannt hatte, um diese nicht aus Versehen auszuspielen. Aber auch als Agent in der späteren Partien war es spannend, da ich die Mitspielerinnen genau beobachten musste. Wer spielt wann welche Karte? Konnte sie wirklich nichts Besseres spielen (was im späteren Spielverlauf sehr wahrscheinlich ist)? Oder welche Aufgabe wählt die aktive Spielerin (auch wenn die anderen die nicht gewählte Karte nicht sehen dürfen)? Auch aktiv versuche ich zu verhindern, dass jemand den vierten Koffer erhält. Wäre es der Insider, hätte er sofort gewonnen. Umgekehrt versuche ich selbst als Agent vier Koffer/Stiche zu erhalten, um mich reinzuwaschen. Das ergab ein tolles Spielgefühl, bei dem ich bei jedem Stich mit dabei war.
Wir spielten auch eine Partie mit einem alternativen Insider (Prof. No), dessen Aufgabe es nur war, bis zum Partie-Ende unentdeckt zu bleiben. Dafür musste er sich aber auch bei drei Aktenkoffern/Stichen aufdecken. Das wandelte das Spielprinzip komplett ab, denn plötzlich wollte ich keine Stiche, sondern versuchte diese durch die Missionswahl den anderen zuzuschieben. Diese kleine Varianz hat mir gefallen. Und es gibt noch viel mehr Rollen, die das Spiel leicht ändern. In Summe war „Inside Job“ für mich damit ein echter Überraschungshit. (8,5)
Wertung:
#InsideJob
First Rat (Pegasus, 2022)
Eine der Neuheiten aus 2022, von denen ich oft positiv lese, ist „First Rat“. Jetzt hatte ich endlich auch die Chance, in Vollbesetzung zu fünft mit meinen Ratten auf den Käsemond zu fliegen.
In „First Rat“ wollen wir mit unseren Ratten auf den Mond fliegen. Deswegen gibt es ein Wettrennen, welche Ratte zuerst in der Rakete sitzt. Aber nicht nur das gibt Punkte, auch der Bau der Rakete aus Getränkeflaschen, leeren Büchsen, Backpulver und Taschenrechnern kann lukrativ sein. Und natürlich brauchen die Ratten für den Flug auch ganz viel Käse als Nahrung. Der Weg vom Start bis zur Rakete ist lang und sehr ressourcenträchtig. Auf jedem Feld gibt es entweder Käse, Getränkeflaschen, Blechbüchsen, Backpulver oder Taschenrechner, die, wie oben erwähnt, für den Flug benötigt werden. Daneben gibt es noch zwei andere Ressourcen: Zum einen Glühbirnen. Mit denen wird der Weg zur Rakete für jeden Rattenclan einzeln erleuchtet und bringt eine extra Ressource beim Einsammeln. Und es gibt Felder mit Apfelkerngehäusen, die eine kleine Ratte in einem Rundkurs laufen lässt. Überschreitet diese manche Felder, erhalte ich besondere Dauerboni, neue Ratten zum Laufen oder einfach nur Siegpunkte. Das Spiel endet, wenn eine Spielerin alle ihre vier Ratten in der Rakete platziert hat oder wenn jemand alle seine acht Wertungssteine untergebracht hat.
Thematisch fand ich „First Rat“ schön umgesetzt. Die Idee, dass Ratten auf den Mond fliegen wollen, ist neu und toll, ebenso wie die Ressourcen, die sie für den Raketenbau nutzen. Da kann ich auch darüber hinwegsehen, dass Ratten in der Realität gar nicht so viel Käse essen (dürfen). Grafisch und von den Komponenten her hat mir „First Rat“ gefallen. Dennis Lohausen hat viel Liebe in die Illustrationen und die Grafik gesteckt. Auch mechanisch wusste „First Rat“ mich zu überzeugen. Die Anordnung der Felder ist genau so, dass ich gerade nicht einfach immer den für mich optimalen Zug machen kann, sondern auch mal mit Notlösungen leben musste. Das Freischalten neuer Ratten über die kleine Ratte fand ich auch sehr schön. Etwas schade fand ich, dass die Dauerboni gefühlt nach zwei Runden weg waren. Fast jeder stürzte sich sofort auf die Bonusplättchen. Der spätere Spielverlauf zeigte auch, dass diese sehr mächtig sind. Die Wahl, ob ich eine Ratte bis zu fünf Felder oder alle Ratten bis zu drei Felder (mit gleicher Feldart als Ziel) ziehen will, stellte sich bei uns kaum. Vier Ratten auf dem Spielfeld werfen halt mehr Ressourcen ab als eine einzelne.
Positiv, aber gleichzeitig auch negativ sehe ich die verschiedenen Punktemöglichkeiten an. Es ist natürlich schön, wenn ich auf mehreren Wegen punkten kann. So kann ich meine Strategie jede Partie etwas anpassen und Neues ausprobieren. Leider führt das aber auch dazu, dass am Ende ein Punktesalat mit Rechenorgie ansteht. Neun Wertungen gibt es und diese für fünf Spielerinnen durchzugehen, dauert seine Zeit. Manch einem am Tisch sah ich direkt an, wie dabei die Lust am Spiel und am Endergebnis verging. Zusätzlich gibt es nur die Endwertung. Es war mir während der Partie absolut unklar, wer gerade wo steht (auch wenn ich es für jeden langwierig hätte ausrechnen können) und das mag ich nicht. Ich habe zumindest gerne eine grobe Ahnung, wer führt, ansonsten fühlt sich ein Sieg so zufällig an. Und das ist ein weiterer Kritikpunkt an der Punktevielfalt: Ich gewann mit weitem Abstand mit 93:77:53:48:48 Punkten. Und das, obwohl ich nur eine Ratte in der Rakete sitzen hatte und rein gar nichts zum Raketenbau beitrug. Ich sammelte nur Käse und nahm mir drei Siegpunktplättchen (in Form von Kronkorken), was wohl eine sehr gute Strategie zu sein scheint. Es ist aber schade, dass es mir bei einem Spiel, bei der es um den Flug von Ratten zum Mond, egal ist, ob wir zum Mond fliegen oder auf eine Schiffsreise gehen oder nur Käse für den Winter sammeln.
Meine Strategie war dabei auch reiner Zufall, was ich ebenfalls als kleinen Kritikpunkt sehe. Ich bekomme vom Spiel nichts an die Hand, um mich in der Erstpartie zu leiten. Alle Optionen stehen mir offen, was meine ersten paar Züge sehr lang werden ließ. Hier fühlte ich mich von der Optionsfülle erschlagen. Ich bevorzuge Spiele, die mich auf irgendeine Art zumindest anfänglich in eine Richtung schubsen. Und wenn ich dann sicher laufen kann, erkunde ich gerne eigene Wege. Mir kam das Holen von Ressourcen für den Raketenbau jedenfalls zu aufwändig vor, sodass ich mich nur auf die Käsefelder konzentriert habe.
Die Interaktion der Spielerinnen ist sehr gering, auch wenn es ein Wettrennen ist. Dadurch, dass es neun Wertungsbereiche mit Siegpunkten gibt, verteilt sich das Ganze sehr „gut“ auf dem Spielfeld. Einige bauen die Raketen, einige nehmen darin Platz, einige liefern Käse. Auch wenn ich die Besitzer der Ratten auszahlen muss, wenn ich ein blockiertes Feld nutzen will, kamen wir uns kaum in die Quere. Einzig die zuvor erwähnten Bonusplättchen waren sehr schnell weg. Eigentlich machte jeder, was er für richtig hielt, und am Ende gewann dann irgendjemand.
In Summe hat mir „First Rat“ aufgrund der Kritikpunkte nicht so gut gefallen. Es ist kein schlechtes Spiel und hat mich eine Stunde auch unterhalten, aber ich bräuchte keine zweite Partie. Wenn es aber auf den Tisch käme, würde ich sicher wieder mitspielen und dann etwas anderes versuchen als nur Käse zu sammeln. (6,5)
Wertung:
#FirstRat
Woodcraft (Pegasus, 2022)
Das Highlight des Spieletages sollte „Woodcraft“ sein. Es teilte sich mit „Tiletum“ ungefähr den ersten Platz der „SPIEL '22 Most Wanted Games“-Liste. Ich gebe zu, dass mir das Thema nicht so sehr zusagte, weswegen ich mir das Spiel auf der Messe auch nicht angeschaut und danach nicht wirklich verfolgt habe. Aber dennoch spiele ich Titel, die von vielen beobachtet und als gut bewertet werden, irgendwann gerne einmal mit.
In „Woodcraft“ sind wir holzverarbeitende Elfen. Das Holz kommt in drei Farben (Grün, Gelb und Braun) in Würfelform eines W6 daher. Wenn ich am Zug bin, wähle ich aus einem Aktionsrad (welches mir aus „Praga Caput Regni“ so ähnlich schon bekannt vorkam) ein Aktionsplättchen. Dieses verschafft mir manchmal auch noch Boni. Als Aktionen kann ich Holz vom zufällig gewürfelten Markt einkaufen (die Kosten bestimmen sich durch den Würfelwert), Holz verkaufen, Holz einpflanzen (was dann jede Runde um 2 wächst) und die Fähigkeiten meiner Elfenhelfer nutzen, einen weiteren Elfen als Helfer einstellen, Ressourcen kaufen oder Aufträge nehmen. Um die Aufträge geht es dann hauptsächlich auch. Ich muss Würfel mit bestimmter Farbe und Wert abgeben und erhalte dafür entweder Siegpunkte (hier Haselnüsse), Geld (hier Blaubeeren) oder Werkzeuge. Die Werkzeuge sind allein dazu da, dass ich sie in meinem Spielertableau pyramidenartig einbaue, um Boni freizuschalten. Clou ist vermutlich, dass ich mittels Sägeblättern (die sich bis zur Zwischenwertung verbrauchen), Würfel zerschneiden kann. Aus einer 5 kann ich so eine 4 und 1 der gleichen Farbe machen. Umgekehrt gibt es auch Kleber als Ressource, mit der ich zwei Würfel zusammenkleben kann. Daneben gibt es noch zwei Einkommensleisten, die mir bei jeder Wertung Geld und Siegpunkte bringen, sowie eine Ansehensleiste, die mir Siegpunkte für erfüllte Aufträge am Spielende gibt.
„Woodcraft“ schlägt in die gleiche Kerbe, wie viele Eurogames, die ich in den letzten Monaten gespielt habe. Sehr viele Mechaniken, Leisten und Boni treffen aufeinander und ergeben ein gut abgestimmtes Spiel – welches mir aber zu komplex erscheint. Mir sind es einfach zu viele Parameter, auf die ich achten muss. „Woodcraft“ hätte mir vermutlich besser gefallen, wenn es keine Werkzeuge und keine Leisten gegeben hätte, denn die Kernmechanik der Aktionswahl und das Zerschneiden und Kleben von Holz hat mir sehr viel Spaß gemacht. Aber den Rest fand ich zu viel. Aus dem Grund habe ich auch genau die Elemente ignoriert, ebenso wie die Helfer und die Blumentöpfe. Ich habe mich nur auf die Erfüllung von Aufträgen konzentriert. Dass ich bei einem Punktestand von 119:108:101:101 damit Vorletzter wurde, war aber irgendwie zu erahnen. Immerhin konnte ich die fast 50 Punkte Rückstand (ein Mitspieler überrundete mich fast) zur Spielende-Abrechnung noch aufholen. Auch der Spielstart mit der Auswahl der Helfer und Startaufträge und welchen von den Aufträgen ich wiederum als Erstes auslegen möchte, waren mir zu viele Optionen. Der Besitzer des Spiels schaute mich etwas schräg an, als ich diese Auswahl einfach durch Mischen und zufälliges Ziehen bewerkstelligte, was zumindest schnell ging. In der Erstpartie, ohne ein Gefühl für das Spiel zu haben, finde ich so eine Auswahl sehr schwierig.
Das Thema fand ich ganz gut umgesetzt. Okay, dass ich zwei Holzarten zusammenkleben kann und dann eine beliebige daraus wird, ist etwas schwer zu verstehen. Aber im Großen und Ganzen passte vieles thematisch gut zusammen. Wie oben schon erwähnt, mag ich auch die Kernmechanik über das Aktionsrad, welches mir auch schon bei „Praga Caput Regni“ sehr gefiel. Was mir aber den Spaß etwas verleitete: Es gibt keinerlei Interaktion. Jeder rechnet und macht still vor sich hin und ich kann in der Zeit mehrfach den Raum verlassen, ohne etwas zu verpassen. Wir benötigen zu viert etwas mehr als zwei Stunden. Bei 13 Zügen pro Spielerin macht das also circa 10 Minuten pro Runde und somit 7,5 Minuten Wartezeit bis zu meiner nächsten Aktion. Mein zusätzliches Problem war wieder einmal die Größe der Tischauslage. Ich saß am „Fußende“ des Spielbretts und konnte die Aufträge oberhalb des Siegpunktbrettes nur schwer erkennen. Ansonsten hat mir „Woodcraft“ aber grafisch und vom Material her gut gefallen.
Abschließend fällt es mir schwer, „Woodcraft“ einzuordnen. Beim Schreiben dieser Zeilen würde ich es gerne noch einmal (zu zweit am besten) spielen, denn es gefällt mir größtenteils. Aber die Schattenseiten trüben die Lichtblicke, weshalb ich noch nicht weiß, ob wirklich noch eine Partie folgt. Was ich auf alle Fälle noch testen will, ist das Print'n'Play „Woodcraft: Roll and Write“, ob sich dieses etwas einfacher spielt. (6,5)
Wertung:
#Woodcraft
Comments
Display comments as Linear | Threaded