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(Neu) Gespielte Spiele im Oktober 2024

Grundsätzlich kommen kurz nach der Spielemesse im Oktober allerlei Neuheiten auf Tisch. So auch dieses Jahr, sodass ich zahlreiche neue Spiele abseits der Messe kennenlernen durfte, darunter „Auf den Wegen von Darwin“, „Ratjack“ und „The Gang”. An großen Spielen kam vor allem „Bone Wars“ auf den Tisch, welches ich nach der Kickstarter-Finanzierung vor einem Jahr endlich real spielen konnte. Und online wurde mit „Luthier“ ebenfalls eine Messeneuheit ausprobiert.

Auf den Wegen von Darwin (Sorry We Are French, 2023)

In dem Spiel „Auf den Wegen von Darwin“ lassen wir die Beagle um ein Plättchenquadrat segeln und versuchen, Set-Collection zu betreiben. Genau läuft ein Zug wie folgt ab: In der Tischmitte liegt ein Tableau mit 3x3 Tierplättchen, die es jeweils in 4 Farben/Kontinenten und 4 Arten gibt, wobei jedes Plättchen für sich ein einzigartiges Tier darstellt. Neben einer der Reihen oder Spalten steht die Beagle, das Schiff von Darwin. Aus dieser Reihe oder Spalte darf ich mir ein Plättchen nehmen und auf mein Tableau mit 4x4 Raster (Farben mal Arten) legen. Danach fährt das Schiff so viele Schritte weiter, wie weit mein genommenes Plättchen von diesem entfernt lag (also ein bis drei Schritte). Und dann ist der nächste dran. Überbaue ich ein bestehendes Plättchen, d.h. Tierart und Kontinent sind identisch, erhalte ich ein neues Zielplättchen. Dieses fordert entweder bestimmte Kontinente, bestimmte Tierarten, bestimmte Platzierungen oder bestimmte Symbole auf den Plättchen und gibt meistens maximal 4 Siegpunkte. Andere Symbole auf den Plättchen geben mir beispielsweise Kompasse, die dann zum Spielende mit der Anzahl an sichtbaren Landkarten multipliziert werden. Oder ich kann Kopfplättchen sammeln, welche mich die Beagle vor meiner Plättchenwahl um einen Schritt vor- oder zurückziehen lässt. Das Spiel endet, nachdem jeder zwölf Plättchen genommen hat.

„Auf den Wegen von Darwin“ macht viel richtig. Vor allem die tollen Tier-Illustrationen von Maud Briand und David Sitbon gefallen mir sehr gut. Und die Symbolik im Spiel und auf dem Spielbrett ist so genau, dass das Spiel leicht verständlich daherkommt und sich als gutes Familienspiel eignet.

Es gibt nicht so viele Entscheidungen oder zumindest war für mich immer klar, welches Tierplättchen ich nehmen will. Ich finde es dabei gut, dass ich mit einem Zielplättchen starte und so eine gute Vorgabe habe, was ich sammeln möchte. Alternativ kann ich aber auch einfach Tiere mit aufgedruckten Siegpunkten sammeln oder auf den Multiplikator von Kompass mit Landkarte setzen. Alle Wege wirken dabei auf den ersten Blick gleich gut, was mir gefällt. Mit ein oder zwei Kopfplättchen kann ich die Beagle auch jeweils so weit versetzen, dass ich immer auf fast jedes Plättchen Zugriff haben kann. Dadurch ergeben sich viele Optionen und Freiheiten, aber eben auch kaum Einschränkungen. Das fand ich etwas schade.

Auf den Wegen von Darwin
Auf den Wegen von Darwin

In Summe ist „Auf den Wegen von Darwin“ für mich ein nettes Wohlfühlspiel als Füller. Mir fehlt ein bisschen der Spannungsbogen aufgrund der oft sichtbar besten Option. Und die Interaktion ist auch eher gering, obwohl wir alle vom gleichen Tableau nehmen. Aber maximal nehmen wir uns – eher zufällig als bestimmt – ein Plättchen weg. Damit ist das Spiel wie gesagt sehr gut für Wenigspieler und Familien geeignet und hat damit die Nominierung zum „Spiel des Jahres“ zu Recht verdient, auch wenn es mich nicht so sehr begeistern kann wie die anderen beiden nominierten Titel „Sky Team“ (Gewinner) und „Captain Flip“. (7,0)

Wertung: (7,0)

#AufDenWegenVonDarwin

Ratjack (Frosted Games/Studio H, 2024)

„Blackjack“ empfinde ich nicht als das spannendste aller Spiele. Mit „Ratjack“ haben Mathieu Can und Maxime Mercier aber ein Spiel entwickelt, welches dem Mechanismus etwas Spannung einhaucht.

Wie bei „Blackjack“ spielen wir in „Ratjack“ Karten vor uns aus und versuchen als Erster auf genau 25 Punkte (statt 21) zu kommen. Hierzu habe ich in meinem Zug eine Karte auf der Hand, ziehe eine Karte nach und muss analog zu „Love Letter“ eine der beiden ausspielen. Ausspielen kann ich eine Karte aber auf drei Arten: 1. Ich spiele sie vor mich, ihr Wert zählt ganz normal und ich führe ihren Effekt aus. 2. Ich lege die Karte verdeckt vor mich und nichts passiert. 3. Ich lege die Karte auf den Ablagestapel, decke eine meiner verdeckten Karten auf und führe deren Effekt aus. Die Karteneffekte lassen mich manchmal Karten mit Mitspielerinnen tauschen oder Karten bei mir oder Mitspielerinnen auf- oder zudecken oder Chips aus der Tischmitte oder von einer Mitspielerin nehmen. Auf den Chips sind wiederum oft positive oder negative Werte abgedruckt, die eine aufgedeckte Karte verstärken oder schwächen.

Das Spiel endet sofort, wenn jemand erfolgreich 25 Punkte in Form von aufgedeckten Karten und ggf. Chips vor sich liegen hat. Die Spielerin erhält einen Siegchip. Wer irgendwann mehr als 26 Punkte vor sich liegen hat, scheidet aus. War es eine Mitspielerin, die für das Ausscheiden gesorgt hat, erhält sie ebenfalls einen Siegchip. Ansonsten wird – ebenfalls analog zu „Love Letter“ – bis zum Ende des Kartendecks gespielt und die Person, die am nächsten an 25 dran, gewinnt und erhält einen Siegchip. Gespielt wird, bis eine Person drei Siegchips besitzt und damit die Partie gewinnt.

Ratjack
Ratjack

„Ratjack“ spielt sich wie ein aufgebohrtes „Love Letter“, bei dem nicht nur die Effekte beim Ausspielen wichtig sind, sondern eben auch die vorher ausgespielten Kartenwerte. Durch das Ziehen und direkte Ausspielen spielt sich „Rat Jack“ ebenso schnell. Was anfangs nicht in meinen Kopf wollte, dass ich Karten auch verdeckt spielen kann. Oder sogar abwerfen kann, um eine verdeckte Karte aufzudecken. Damit hatte ich in der zweiten Runde den Sieg verschenkt, weil ich die dritte Möglichkeit vergaß.

Gespielt wird mit zwei farbigen Decks mit Werten von 1 bis 12, wobei zum Spielstart aus vier Farbdecks ausgewählt werden kann. Da alle Karten ähnliche, aber dennoch unterschiedliche Effekte haben, empfiehlt sich zuerst mit Blau/Rot zu spielen, welche identische Karten haben, sodass ich mir nicht gleich 24 Effekte merken muss. Auf den Karten steht natürlich auch der Text, aber vor allem beim Ausspielen der Karten durch die Mitspielerinnen musste ich immer wieder auf die Hilfekarte schauen, was die Karte für einen Effekt hat. Bis zum Partieende besserte sich das leider nicht. Hierfür müsste ich „Ratjack“ wohl noch öfters spielen. Die unterschiedlichen Decks bringen jedenfalls etwas Varianz mit hinein, wobei ich das Standardspiel schon gut genug finde.

Interessant fand ich, dass bei uns nach den ersten Runden ein Bluff-Aspekt mit ins Spiel kam. Die verdeckte Karte einer Mitspielerin aufzudecken, die bereits 17 Punkte hat, wirkt unspektakulär. Aber vielleicht ist es ja gerade die 8, die die Spielerin braucht, um zu gewinnen. Sie kann/will sie aber nicht selbst aufdecken, weil sie dann einen Chip aus der Tischmitte nehmen müsste und ggf. liegen dort nur noch positive Werte, sodass sie mit dem Aufdecken mehr als 25 hätte und ausgeschieden wäre. Das erzeugte in Summe eine schöne Interaktion bei uns, abgesehen von dem Verändern von Karten und Wegnehmen von Chips allgemein.

Mir hat „Ratjack“ gut gefallen. Die Grundregeln sind schnell gelernt, die Partie geht schnell und macht Spaß und ist spannend. Genau das, was ich mir für ein Spiel dieser Größe wünsche. Das Thema wiederum kann man dabei getrost ignorieren. (7,5)

Wertung: (7,5)

#RatJack

The Gang (KOSMOS, 2024)

Das Thema von „The Gang“ ignoriere ich, wir spielen eigentlich alle Poker. Es gibt vier Phasen, bei denen jeder die Stärke seines Blattes aufgrund der Poker-Regeln von „Texas Hold'em“ abschätzen muss. In der ersten Phase erhalten wir nur zwei Handkarten. In der zweiten Phase werden drei Karten vom Stapel in die Auslage aufgedeckt, die jeder ebenfalls benutzen darf. Dadurch entstehen dann ggf. auch Pärchen oder Drillinge. In den Phasen 3 und 4 kommt jeweils eine Karte in die Auslage dazu. Jede Runde müssen wir abschätzen, ob wir damit im Vergleich zu den anderen Spielerinnen an der Position 1, 2, 3 oder 4 der Poker-Wertungsrangfolge stehen. Ziel ist es, dass am Rundenende die Reihenfolge der Abschätzung mit der Realität übereinstimmt. Passt unsere Einschätzung, erhalten wir eine Erfolgskarte. Wenn nicht, erhalten wir eine Misserfolgskarte. Bei drei Erfolgen haben wir gewonnen, verloren bei drei Misserfolgen.

Wie bei anderen kooperativen Spielen ohne direkte Kommunikation mussten wir uns bei „The Gang“ erst einmal finden. So ging unsere erste Partie auch sehr schnell verloren. Dann fanden wir aber eine Übereinkunft, was als eher hohes Blatt und was als eher niedriges Blatt einzuordnen ist. Zusätzlich sahen wir, dass die Veränderung der eigenen Einschätzung sehr stark eine Rolle spielt. Wenn ich eine 3 und eine 6 zu Beginn auf der Hand habe, werde ich vermutlich die letzte Position 4 wählen. Kommen in der Auslage dann eine 3, 4 und 5, werde ich meine Position mit einem niedrigen Pärchen höher einschätzen, vermutlich als 2 oder 3. Und folgt dann vielleicht zufällig noch eine 7, werde ich mit der dann entstandenen Straße sicherlich die 1 nehmen. Auf die Art können die Mitspielerinnen abschätzen, wie ich meine Karten ausgehend von der Auslage neu bewerte und dann überlegen, was ich wohl auf der Hand habe. Da es jede Position genau einmal zu verteilen gibt, entsteht ein lustiges Hin und Her, bei dem auch diskutiert wird, ohne über die Karten zu sprechen.

The Gang
The Gang

Und so fanden wir uns und konnten in der zweiten Partie mit maximal einem Fehlschlag gewinnen. Dabei „vergaßen“ wir aber die Extra-Karten, die uns nach jedem Gewinn einen Malus bringen und nach jeder Niederlage einen Bonus. Diese machen das Spiel noch etwas abwechslungsreicher und anspruchsvoller. Aber auch so fand ich „The Gang“ spannend genug und spiele es gerne wieder mit. (8,0)

Wertung: (8,0)

#TheGang

Bone Wars (Game Brewer, 2024)

Nachdem ich „Bone Wars“ im September 2023 und Oktober 2023 gespielt und aufgrund eines unkonventionellen Entschlusses dann auch via Gamefound unterstützt hatte, konnte ich das Spiel Anfang des Monats auf der SPIEL'24 in Essen abholen.

„Bone Wars“ spielt zur Zeit der – na ja, Bone Wars halt. Konkret geht es um den wissenschaftlichen Wettlauf der beiden Paläontologen Othniel C. Marsh und Edward D. Cope zwischen 1870 und 1890. Beide wollten unbedingt neue Dinosaurier-Funde präsentieren und bedienten sich dabei einiger fragwürdiger Methoden. Im Spiel sind wir Schüler von Marsh und/oder Cope und veröffentlichen Abhandlungen in deren Namen, was der Kern des Spiels ist. Hierfür habe ich Team-, Paläontologen- und Spezieskarten auf der Hand. Diese spiele ich in meine fünf Aktionsslots von links nach rechts, wodurch Aktionen teurer werden. Mit den Teamkarten kann ich Teamaktionen durchführen. Hierfür bewege ich mein Teammeeple auf den sechs Ausgrabungsstätten, buddel nach Knochen in acht verschiedenen Typen und nehme mir Spezieskarten auf die Hand, um diese zu erforschen. Als Paläontologenaktion kann ich eine Spezies erforschen und eine Abhandlung darüber schreiben, wofür ich die passenden Knochen abgeben muss, oder ich kann veröffentlichte Abhandlungen meines Rivalen stehlen. Mit einer Spezieskarte kann ich alle Aktionen ausführen, diese sind dafür nicht so stark. Für eine Abhandlung lege ich, je nachdem, ob ich Marsh oder Cope folge, ein kleines Buch in deren Regal und steige in deren Loyalität. Punkte gibt es zweimal im Spiel, nach der zweiten und vierten/letzten Runde. Hierfür werden für beide Wissenschaftler Marsh und Cope hauptsächlich meine Schritte auf den Loyalitätsleisten mit der Anzahl voller Regalfächer multipliziert. Zu Beginn jeder Runde kann ich entscheiden, ob ich Cope oder Marsh folgen will und welcher Universität ich angehöre. Dies gibt mir auch noch eine spezielle Fähigkeit, die nur für mich diese eine Runde gilt. Wenn ich keine Aktionen mehr spielen will, passe ich und setzte einen Marker auf der Initiativeleiste. Hierdurch erhalte ich einen Bonus und lege fest, wann ich nächste Runde am Zug bin (ähnlich wie in „Viticulture“). Nach vier Runden endet das Spiel.

Bone Wars: Schön illustrierte Tierkarten
Bone Wars: Schön illustrierte Tierkarten

Im Solomodus spiele ich gegen meinen Widersacher Theodore. Theodore verhält sich dabei wie ein menschlicher Mitspieler. Er hat ein Spielertableau, sammelt Geld, Knochen, Spezieskarten und Paläontologen. Im Gegensatz zu mir hat er aber nicht drei Teamkarten, sondern ein eigenes Aktionsdeck. Hiervon wird eine in seinem Zug aufgedeckt. Die Rückseite der nächsten Karte bestimmt, ob ich eine Teamaktion oder eine Paläontologenaktion durchführe. Auf der Vorderseite der aufgedeckten Karte gibt es ein kleines Flussdiagramm, welche Aktionen genau Theodore durchführt. Dabei muss ich immer die Bedingungen prüfen, ob eine Aktion überhaupt durchgeführt werden kann.

Ich wiederhole nicht alle Punkte aus meinen ersten zwei Berichten. Nach wie vor spricht mich das Thema und die thematische Umsetzung sehr stark an. Das Herumlaufen in den Ausgrabungsstätten, um die richtigen Dinosaurier und Knochen zu finden, macht mir Spaß. Allein der Aspekt, dass ich manchmal Knochen habe und mir dazu erst einen Dino suche, passt thematisch großartig in diese Zeit. Das muss aber nicht jedem zusagen. Für einen Mitspieler kam das Thema gar nicht heraus. Es war für ihn völlig beliebig, welche Knochen er sammelte und welche Dinosaurier er erforschte. Aber genau das passierte ja zur damaligen Zeit, dass man teils beliebige Knochen zusammensteckte und daraus einen Dinosaurier erfand. Sicherlich kann ich „Bone Wars“ auch abstrakt spielen und bei den Dinos einzig und allein auf die Symbole achten, aber ich finde das restliche Konstrukt mit den Ausgrabungsstätten, den Veröffentlichungen und dem Klauen von Publikationen sehr thematisch umgesetzt.

Bone Wars: Mein Spielertableau
Bone Wars: Mein Spielertableau

Ebenso passt es, dass ich mein Fähnchen in den Wind hänge und mal Cope und mal Marsh unterstütze, je nachdem, wo es mir gerade am meisten Punkte bringt. So auch in unserer Vierpersonenpartie, bei der es zur Zwischenwertung bereits einen gewissen Hang zu Marsh gab, der am Spielende weit dominierte. Entsprechend wechselte ich dann in der vierten Runde auch die Seite, um noch etwas vom Kuchen abzubekommen. Inwiefern es immer eine dominante Seite gibt oder ob es sich auch mal ausgleicht, kann ich nach einer einzigen Mehrpersonenpartie nicht sagen. Zumindest im Zweipersonenspiel wird es vermutlich immer eher ein Gegeneinander beider Seiten geben – zumindest war dies in meinen Solopartien bisher immer der Fall. Da das Klauen von Veröffentlichungen lukrativer im Sinne von mehr Loyalität ist als die eigene Veröffentlichung, kann es hier dennoch interessante Dynamiken geben, wenn man sich darauf konzentriert. Vor allem etwas unter einer Person (Cope oder Marsh) zu veröffentlichen und dann genau dieses Papier für die Gegenseite zu klauen, ist ein thematisch sehr stimmiges Motiv.

Bone Wars: Der gesamte Spielplan
Bone Wars: Der gesamte Spielplan

Der Nicht-Punktesalat ist für mich auch nach wie vor eines der großen Pluspunkte im Spiel. Ich mache zwar viele Aktionen, aber am Ende kommt es nur darauf an, dass ich auf den beiden Loyalitätsleisten hoch genug gestiegen bin. Es fallen zwar mitunter auch nochmal während der Partie einzelne Punkte ab, aber das ist nichts im Vergleich zur Endabrechnung. Dieser Anstieg bei der Wertung ist ebenfalls etwas, was mir sehr gefällt, weil die Punkte nicht inflationär explodieren und sich nicht im mittleren dreistelligen Bereich tummeln. So endete unsere Mehrpersonenpartie zwischen 34 und 56 Punkten. Ich als Besitzer und Erklärer des Spiels habe natürlich anstandsgemäß den letzten Platz belegt.

Bei der Erklärung merkte ich aber auch wieder die Komplexität, die sich eigentlich außerhalb meiner Wohlfühlzone befindet. Thema und Aufmachung reißen das für mich wieder raus, aber „Bone Wars“ ist kein einfaches Spiel. Ich fand es auch gar nicht so einfach zu erklären, um alle Zusammenhänge verständlich herüberzubringen. Vermutlich wäre auch ein gutes Spiel daraus geworden, wenn die Macher nur Ausgrabungsaktionen untergebracht hätten. Aber die Mischung aus Ausgrabung- und Paläontologenaktion ist natürlich das Salz in der Suppe. Dazu noch die Möglichkeit, die Spezieskarten für beide Aktionen einzusetzen, eröffnet mir zahlreiche Möglichkeiten. Dennoch hätte es meinetwegen gerne an der einen oder anderen Stelle auch etwas weniger sein können. Beispielsweise hätte ich keinen Universitätsbonus und auch keinen Rundenbonus gebraucht. Und auch ohne die Boni beim Archivieren eines Dinosauriers wäre es ein sehr gutes Spiel geblieben – oder vielleicht ein besseres, weil ein einfacheres, verständlicheres geworden.

Auch der Solomodus ist sehr kleinteilig, was hauptsächlich damit zu tun hat, dass Theodore zwar fast alles wie eine Mitspielerin macht, aber eben nur fast. Bei den meisten Aktionen gibt es kleine Besonderheiten, die ich beachten muss. Vor allem, wenn es darum geht, dass ich für Theodore entscheiden muss, ob er Knochen A oder B nimmt oder Spezieskarte X oder Y spielt. Nicht immer war das voll eindeutig, was bedeutete, dass ich noch mehr nachdenken oder sogar erst nachschlagen musste, was ein eher guter Zug ist. Und dabei hatte ich mit meinen eigenen Gedanken schon zu kämpfen. In meiner zweiten Solopartie führte das auch dazu, dass ich die Hauptaktion für kleine Ausgrabungen komplett „vergaß“, weil ich das Lupensymbol als Veröffentlichung interpretiert habe. Glücklicherweise funktionierte der Ablauf trotzdem gut.

Bone Wars: Solo-Automa Theodore
Bone Wars: Solo-Automa Theodore

Immerhin dauern die einzelnen Züge im Normalfall nicht lange, wobei es schon starke Unterschiede gibt. Am längsten benötigt immer noch die Veröffentlichung einer Publikation, weil einfach viele Schritte dazu gehören: Dinosaurierkarten auslegen, Knochen dazu legen, für jeden Dino dann Loyalität nehmen, ggf. noch den Dinobonus und Rundenbonus und Bücher auslegen. Und wenn ich die Dinos dann archiviere, gibt es auch deren Boni erneut. Und durch stärkere Ausgrabungsaktionskarten zusammen mit mehr Bewegungsreichweite können auch Züge entstehen, die etwas länger dauern. Aber wie gesagt, geht es im Normalfall schnell, sodass ich die Wartezeit im Rahmen fand. Die gesamte Spieldauer zu viert inklusive Rückfragen bei der Erstpartie lag dann am Ende doch nur bei 165 Minuten. Ich hätte mit mehr gerechnet, da ich normalerweise eher zu der langsamen Truppe gehöre. Wenn aber jeder das Spiel kennt und alles flüssig von der Hand geht, kann ich mir sogar eine Spieldauer von 35 Minuten pro Spielerin vorstellen. Im Solomodus skaliert dies im Übrigen nicht, weil ich allein immer so zwischen 105 und 120 Minuten benötigte, was mit der Komplexität und der Anzahl der Aktion von Theodore zu tun hat.

Aber: Die Spieldauer hängt sehr stark von den Fähigkeiten der Spielerinnen ab. Wie ich gemerkt habe, gibt es in „Bone Wars“ mehrere Engines, die man gut betreiben sollte. Beispielsweise ist das frühe Setzen von Zelten und auch das frühe Upgrade der eigenen Ausgrabungskarten und der Aktionsslots sehr sinnvoll, weil ich dann später wesentlich stärkere, aber vor allem einfach nur mehr Aktionen machen kann. Wo bei mir in der Regel nach vier Aktionen Schluss war, weil Karten oder Geld fehlte, konnten manche Mitspieler am Spielende dann auch mal sieben Aktionen pro Runde ausführen. Und da es nur vier Runden gibt, kann sich das natürlich stark auswirken. Aber auch die Dinosaurier-Engine ist wichtig, also dass man möglichst viele Saurier archiviert und deren Boni mitnimmt. Denn durch mehr Boni gibt es wieder mehr Zeug, mit dem ich mehr Dinos archivieren kann. Auch hier zeigte sich ein großer Unterschied zwischen den beiden Führenden mit acht und neun Dinosauriern und den vier oder fünf der beiden Letztplatzierten. In meiner zweiten Solopartie wandte ich die Erfahrungen aus dem Mehrpersonenspiel direkt an und konnte mit Theodore zumindest gleich ziehen, was die Punkte anging. (Aufgrund des Tie-Breakers hätte ich aber gewonnen. ;) )

Bone Wars: Tischdominanz
Bone Wars: Tischdominanz

Das Schöne ist: Zumindest mir hat „Bone Wars“ trotz der längeren Spielzeit, der höheren Komplexität und der herben Niederlage immer noch sehr gut gefallen. Ich weiß aber auch, dass es schwer wird, dieses Spiel dauerhaft auf den Spieltisch zu bringen. Dafür spielen wir viel zu viele unterschiedliche Spiele in meiner Gruppe und woanders kann ich ein Kaliber dieser Größenordnung nicht unterbringen. Auf meinem eigenen Tisch (90x120 cm) wird das eh schwer. Passgenau konnte ich den Spielplan plus vier Spielertableaus samt Aktionskarten darunter und Dinokarten darüber platzieren. Aber für alle übrigen Ressourcen oder das restliche Spielermaterial ist dann leider kein Platz mehr gewesen. Das sollte man also bedenken, wenn man sich „Bone Wars“ anschaffen will. Das Gute ist: Eine Solopartie gegen Theodore kann ich auf dem Tisch austragen. Und obwohl ich immer noch kein Dauer-Solospieler bin, freue ich mich auf weitere Partien. Nur der längere Auf- und Abbau sowie die recht hohe Solo-Spielzeit hindern mich daran, das Spiel mal eben einfach so am Abend herauszuholen. (9,0)

Wertung: (9,0)

#BoneWars

Luthier (Paverson Games, 2025)

Eigentlich wollte „Luthier“ schon vor der Spielemesse in Essen ausprobieren, als die Kickstarter-Kampagne noch lief, aber kamen aus Zeitgründen einfach nicht dazu. Während der Spielemesse schaffte ich es auch nicht an einen Spieltisch, aber jetzt bot sich die Gelegenheit, eine Partie online via Tabletop-Simulator zu spielen.

Auch wenn sich der Titel „Luthier“ eher mit Geigenbauer übersetzt, fertigen und reparieren wir verschiedene Instrumente oder geben Aufführungen, um Gönner zu befriedigen und optimalerweise im Orchestergraben am Spielende die erste Geige – oder Tamburin, Cembalo oder Klarinette – zu spielen. Wir spielen über sechs Runden, die in jeweils vier Phasen unterteilt sind. In der zweiten und dritten Phase spielt sich der Großteil von „Luthier“ ab. In der Planungsphase setzen wir reihum unsere Arbeiterchips an den fünf Orten auf dem Spielbrett oder an den zwei Orten auf dem eigenen Tableau ein. Die Arbeiterchips gibt es anfangs mit Werten 1, 3 und 5. Zu späteren Runden erhalten wir auch noch die 2 und 4 dazu. Die Chips werden verdeckt gelegt und können mit Gehilfenchips verstärkt werden. Wenn alle ihre Chips eingesetzt haben, geht es erneut beim Startspieler los, der zuerst einen Ort aussuchen darf, bei dem er mit mindestens einem Arbeiterchip vertreten sein muss, den er aktivieren möchte. Es werden alle Arbeiterchips plus Gehilfen aufgedeckt und die Spielerin mit der stärksten Arbeitskraft darf zuerst die Aktion dort ausführen. Reihum wechseln so die Spielerinnen durch und aktivieren die verschiedenen Orte.

Die Aktionen sind gar nicht so kompliziert. Jeder Ort hat eine Hauptaktion, mindestens eine alternative Aktion und einen Bonus, wenn der Arbeiterchip Stärke 4 oder mehr hat. Die alternativen Aktionen geben dabei meist Ressourcen in Form von Würfeln für Tiere, Holz und Metall, welche für den Instrumentenbau und die Reparatur benötigt werden. Die fünf Hauptaktionen sind: 1. Ich darf mir ein neues Instrument aus der Auslage auf die Hand holen. In der ersten Rundenphase darf ich diese links neben mein Tableau legen, um sie später zu fertigen. 2. Ich darf mir einen Gönner aus der Auslage anwerben. Dieser hat Anforderungen, welche Instrumente er haben oder Aufführungen er sehen will. Mit der Zeit erhalte ich mehr Boni von ihm. Lasse ich mir zu viel Zeit, zieht er aber mit Minuspunkten im Gepäck von dannen. 3. Ich kann eine Aufführung aus der Auslage aussuchen. Zur Erfüllung muss ich Würfel werfen, welche zusammen mit meiner Arbeiterstärke angeben, wie gut ich war und ob ich Geld oder Siegpunkte oder mehr bekomme. 4. Ich kann Instrumententeile aus der Auslage gegen Abgabe von Ressourcen reparieren. 5. Ich kann öffentliche Ziele erfüllen, Gehilfen anheuern und Startspieler werden.

Auf dem eigenen Tableau gibt es noch zwei weitere Ortsfelder: Mit dem einen fertige ich ein Instrument im Rohzustand. Gegen Abgabe von Ressourcen schiebe ich es von der linken Seite meines Tableaus auf die rechte. Dort gibt es das zweite Aktionsfeld, mit dem ich das Instrument gegen eine weitere Abgabe von Ressourcen finalisieren kann. Hierfür gibt es Siegpunkte und ich darf einen meiner Instrumentmarker im Orchestergraben beim zugehörigen Instrument positionieren. Ähnliche Marker darf ich auch für die erfolgreiche Aufführung von Stücken einer bestimmten Epoche (Klassik, Barock, Romantik) platzieren oder für die Reparatur eines Instrumententeils (aus den drei Kategorien Streich-, Blas- oder Schlag-/Tasteninstrumente). Diese Marker geben an, wo ich den „First Chair“ innehabe, was am Spielende mehr Punkte bringt. Nach sechs Runden gibt es noch einmal Punkte für den Orchestergraben, für persönliche Ziele und für Gönnerkarten.

Luthier – Spielplan (TTS)
Luthier – Spielplan (TTS)

Zuerst einmal musste ich mich bei „Luthier“ durch die Anleitung kämpfen. Das Spiel ist zwar nicht extrem komplex, aber dennoch erschloss sich mir erst mit der letzten Seite, wie die Abläufe wirklich funktionieren. Teilweise ist die Anleitung auch nicht gut strukturiert, da es Einschübe wie für den „Markt“ gibt – dessen Aktion ich oben gar nicht erklärt habe – nur dass es danach im Text einfach mit dem vorherigen Abschnitt weitergeht. Auf die Art ist es nicht leicht, etwas wiederzufinden. Ich saß mehrere Stunden verteilt über einige Wochen an der Anleitung, bis ich eine verständliche Zusammenfassung erarbeitet hatte. Deswegen hatte ich nach der Spielemesse gar nicht mehr so viel Lust, das Spiel noch anzutesten. Aber ich hatte ich mich durch die Anleitung geackert und das sollte nicht umsonst sein.

Die Umsetzung via Tabletop-Simulator ist dabei größtenteils gut gelungen. Sehr viele Aktionen sind geskriptet. So wird das Aufdecken der Chips automatisiert gemacht und diese auch sortiert. Und wenn die Arbeiterstärke stimmt, werden sogar manche Boni automatisch genommen. Auch für die Ressourcen und Geld gab es Knöpfe in einem extra Overlay-Menü, sodass ich diese nicht umständlich von einem Bildschirmende zum anderen mit der Maus ziehen musste. Dennoch gab es Probleme. Zum einen kam es vor, dass wir aus welchen Gründen auch immer die zweite Runde übersprangen. Irgendwie beendeten wir die erste Runde per Knopfdruck und landeten in der dritten. Ganz aus dem Konzept kam das Skript, als wir eine Aktion rückgängig machen mussten. Hierdurch wurde das ganze Spiel zurückgesetzt und dachte, wir wären wieder in Runde 1. Wir haben dann einfach auf die Automatismen beim Rundenende und -anfang verzichtet. Ansonsten handelte es sich aber um eine sehr gute Online-Umsetzung.

Obwohl wir beide die Anleitung zuvor gelesen hatten, brauchten wir beim Start der Partie erst noch eine „kurze“ Auffrischung, die uns mindestens 30 Minuten gekostet hat. „Luthier“ ist sicherlich nicht das komplexeste Spiel, aber es ist sicherlich auch nicht einfach zu erklären und zu lernen. Neben der Anleitung gibt es beispielsweise auch noch eine Walkthrough-Anleitung für die erste Runde in einer Drei- oder Vierpersonenpartie. Da fragte ich mich schon, wie komplex das Spiel sein muss, wenn so etwas notwendig ist. Auch bei der Online-Umsetzung gibt es Starthilfekarten, welche vorgeben, wo man zuerst seine Arbeiter einsetzen sollte, um eine gewisse Richtung zu haben. Dabei fand ich das gar nicht notwendig, denn der variable Startaufbau hilft, dass ich einen roten Faden auch in der Erstpartie sah. So wähle ich aus zwei Familien eine, welche die Startressourcen und -boni vorgibt. Danach wähle ich aus vier persönlichen Zielkarten zwei aus, welche vorgeben, was mein Langfristziel ist. Und für mein Kurzfristziel wähle ich aus zwei Gönnerkarten eine aus. Und so weiß ich recht genau, welche Instrumente ich benötige, was ich reparieren oder welche Musikepoche ich aufführen will.

Natürlich gibt es in dem Spiel auch noch Leisten zum Hochklettern und alles wirft Boni ab. Für die Platzierung der Marker im Orchestergraben, für das Voranschreiten auf den Leisten oder für das Nehmen von Gönnern – alles bringt einem etwas. Glücklicherweise halten sich die Kettenzüge in Grenzen, aber dennoch gibt es sie. Beispiel: Wenn ich ein Instrument vollende, erhalte ich Siegpunkte und ich muss einen Instrumentmarker in den Orchestergraben setzen, was mir einen Bonus bringt. Wenn mein Arbeiter noch eine gewisse Stärke hatte, erhalte ich den Bonus ggf. zweimal. Das Instrument passt dann vermutlich zu einem Gönner. Wenn ich den wiederum beende, muss ich mir Punkte oder Ressourcen für die Gönnerkarte nehmen. Das kann dann ggf. ein Leistenschritt sein, der mich dann wieder eine Spezialarbeiterkarte wählen lässt, die ich erst einmal alle durchlesen muss. Und dann darf ich nicht vergessen, die Gönnerkarte umgedreht unter mein Tableau zu schieben, was mir dann ggf. einen Dauerbonus gibt. Ansonsten halten sich solche längeren Züge aber in Grenzen, auch wenn mit dem Arbeiterstärkebonus eigentlich immer etwas dazukommt, da ich diese möglich oft mitnehmen möchte.

Luthier – Orchestergraben (TTS)
Luthier – Orchestergraben (TTS)

Deswegen fühlt sich das Spiel auch sehr belohnend an, ist aber manchmal auch entsprechend kleinteilig. So gibt es beispielsweise Arbeiter mit unterschiedlichen Stärken und Gehilfen mit Stärke 1. Dazu gibt es noch Spezialarbeiter, wenn ich auf einer der drei Leisten eine bestimmte Position erreiche. Für dessen Markierung erhalte ich einen neuen Arbeiterchip und lege den Stärke-Arbeiterchip auf die Spezialarbeiterkarte. Wenn ich den Spezialarbeiter einsetze, gibt er mir an manchen Orten einen Bonus. Wenn der Stärkewert der Arbeiter größer oder gleich 4 ist, gibt es auch die Bonusaktion. Nur beim Instrumentenbau und -vollendung liegt der Wert nicht bei 4, sondern bei 3 und 5 bzw. 4 und 6, weil es zwei Bonusfelder gibt. Das ist alles sehr viel, was es zu behalten gibt, auch wenn ich nach der Partie zugeben muss, dass das Spielbrett und das Spielertableau die meisten Informationen in Form guter Symbolik abgebildet haben.

Dennoch hätte ich mir den einen oder anderen Mechanismus weniger gewünscht. Die Spezialarbeiter haben so wenig Einfluss, dass es die komplexe Extraregel nicht benötigt hätte. Das Setzen von Markern in den Orchestergraben nimmt eine ganze Seite in der Anleitung ein, weil es einen extra Entscheidungsbaum braucht, wo ich die Marker hinsetzen darf. Das wäre auch einfacher gegangen. Die Boni der Leisten sind nett, ebenso wie die Arbeiterstärkeboni bei den Aktionen, aber das Spiel wäre auch gut ohne sie ausgekommen. Für mich ist „Luthier“ wieder eines dieser Spiele (analog beispielsweise zu „Unconscious Mind“), die ein oder zwei Schleifen zu viel eingebaut haben.

Es gibt aber auch noch etwas, was mich immens stört. Und das ist die Länge der Planungsphase und die Ungewissheit der Ausführung. Konkret geht es in „Luthier“ um ein sehr effizientes Planen. Jedes Instrument, das ich vollende, jede Aufführung und jede Reparatur, die nicht einem Gönner zugutekommt, ist ineffizient. Der Einsatz von Gehilfen an den richtigen Stellen, um genau noch den einen Stärkewert für den Bonus mehr zu haben, ist essenziell. Eine gute Planung ist also das A und O in dem Spiel. Ich sollte also nicht einfach irgendwo meine Arbeiterchips einsetzen, sondern wenn möglich, sollten alle gewählten Aktionen der Runde ineinandergreifen. Dementsprechend lange dauert die Planung aber auch. Das betrifft zwar hauptsächlich immer nur den allerersten Zug des Startspielers in einer Planungsphase, weil ja theoretisch alle anderen parallel dazu überlegen können und danach nur noch „stupide“ ihre Arbeiterchips einsetzen. Aber zumindest bei uns war das nicht immer der Fall und auch beim dritten oder vierten Arbeiter fängt das Denken an. Vor allem für Analyse-Paralyse-Spielerinnen (und deren Mitspielerinnen) kann diese Phase wegen der langen Bedenkzeit bzw. unoptimierter Auswahl, um die Bedenkzeit zu verkürzen, eine Qual werden.

Und gerade weil die Planung so essenziell in „Luthier“ ist, ist es mir unverständlich, wie die Auslösung der Aktionen so stark von den Mitspielerinnen abhängen kann. Das Problem ist für mich nicht die negative Interaktion, sondern der Zufall, der dem innewohnt. So habe ich am Anfang des Spiels beispielsweise nur Zugriff auf die erste Karte einer jeder Reihe. Die anderen kosten recht viel Geld und Inspiration, die ich nicht zwingend habe. Wenn ich also einen Arbeiter mit Wert 4 lege, weil ich die 5 für den Instrumentenbau benötige, mich aber jemand anderes mit einer Fünf übertrumpft und die Karte wegnimmt, bleibt mir nur noch die Nebenaktion oder ich kann noch auf den Markt gehen (wenn ich Ressourcen zum Verkaufen habe). Immerhin wurde daran gedacht, dass meine Aktion so nicht komplett verfällt, aber wenn meine restliche Planung in dieser Runde darauf aufbaute, dass ich eine bestimmte Instrumentkarte erhalte, bricht das alles zusammen. Ebenso verstehe ich nicht, wieso die Designer sich entschieden haben, bei so einem intensiven Planungsspiel das Ergebnis von Aufführungen von Würfeln abhängig zu machen. Klar kann ich mit der Arbeiterstärke und Inspirationsmarkern das Ergebnis steuern, aber wenn mir die zwei Würfel nur eine 2 zeigen, komme ich meist nicht dazu, einen Aufführungsmarker – den ich ggf. eingeplant hatte – zu setzen.

Luthier – Spielertableau (TTS)
Luthier – Spielertableau (TTS)

Über die Spielzeit lässt sich nach unserer Erstpartie schwer etwas sagen. Einerseits spielten wir online, was meist etwas länger dauert. Anderseits war viel geskriptet (auch wenn es nicht immer gut ging), sodass etwas Verwaltungsaufwand abgenommen wurde. Wegen des Skriptfehler übersprangen wir auch eine Runde und aus Zeitgründen hörten wir nach der fünften von sechs Runden auf. Wir spielten also nur vier der sechs vollen Runden und benötigten zu zweit dafür etwas mehr als zwei Stunden. Ich schätze, dass man ungefähr mit 60 Minuten pro Spielerin rechnen muss, da „Luthier“ linear skaliert, weil einfach mehr Aktionen dazukommen.

Die Skalierung ist dabei auch so ein kleines Problem. Zu zweit kamen wir uns zumindest am Spielanfang so gut wie nicht in die Quere. Es gibt fünf gemeinsame und zwei private Einsatzorte. Bei anfangs drei Arbeiterchips pro Spielerin geht das also oft konfliktfrei auf. Mit den späteren fünf Chips pro Spielerin standen wir uns schon öfters auf den Füßen, aber meist eher zufällig und nicht gezielt. Zu viert gibt es aber bereits zum Spielstart insgesamt zwölf Chips zu verteilen und zum Spielende dann sogar 20. Das ist dann ein ganz anderes Spielgefühl. Zu zweit kann man noch den Solo-Automa hinzunehmen. Da ich aber dessen Regeln nicht gelesen habe, weiß ich nicht, wie komplex sich so ein extra Automa spielt und wie sehr er das Spiel zu zweit beeinflusst.

Die Kritikpunkte sind sehr schade, denn im Kern mochte ich „Luthier“ sehr gern. Trotz der späten Stunde (wir starteten um 21:45 Uhr mit dem ersten Zug) wollten wir beide noch weiterspielen (wenn auch nicht bis ganz zum Ende). Vor allem das Thema und die gute thematische Umsetzung haben mir gefallen. Der Instrumentenbau passt von den Aktionen gut, auch wenn ich das dreistufige Konzept (eine Aktion für Instrument nehmen, eine für Instrument bauen und eine Aktion für Instrument fertigstellen) etwas übertrieben fand. Und die weißen, beigen und brauen Würfelchen betitelte ich in der Partie tatsächlich mit Tier, Holz und Metall. Am besten gefallen hat mir, dass ich im Orchestergraben über drei Arten mitmischen kann, auch wenn der Instrumentenbau gegenüber Reparatur und Aufführung der sicherste ist, um den First-Chair-Bonus zu erhalten.

Und auch grafisch überzeugt mich „Luthier“. Die Illustrationen von Vincent Dutrait (zusammen mit Guillaume Tavernier) sind natürlich sofort zu erkennen. Der gesamte Spielplanaufbau ist so schön und thematisch im Hintergrund illustriert und dazu auch noch mit einer sehr guten Symbolik versehen, dass es Spaß macht, die Karten und den Spielplan anzuschauen.

Daher ist es umso tragischer, dass mich „Luthier“ so zwiegespalten zurücklässt. Ein Kauf kommt aufgrund der Kritikpunkte definitiv nicht infrage. Und sicherlich würde ich es am realen Tisch noch einmal testweise mitspielen, wenn jemand aus meiner Spielegruppe danach fragt. Aber ich wäre wohl nicht vollends begeistert, wenn wir die Runde zu viert starten würden. Schade, dass auch nach „Lacrimosa“ das zweite Musikspiel bei mir nicht so gut ankommt. (6,5)

Wertung: (6,5)

#Luthier

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