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Cookie Champion (Prototyp-Testing)

Nachdem ich kürzlich erst Schokolade in „Chocolate Factory“ ausliefern durfte, ging es mit den Süßspeisen weiter. Kekse wollten gebacken und bewertet werden. Autor Stefan Malz hat mir auf Tabletopia seinen Prototypen zu „Cookie Champion“, den er mit Louis Malz (zusammen als Malz Spiele unterwegs) erstellt hat, gezeigt und wir haben zu zweit eine Partie gespielt. Vielen Dank an dieser Stelle noch einmal an den Autor Ich fand es interessant, währenddessen und im Anschluss noch ein paar Fragen zu den Designentscheidungen stellen zu können. Vorab aber noch einmal der Hinweis: Es handelt sich um einen Prototyp! Es kann und wird sich sicherlich noch einiges im Spielablauf und vielleicht auch am Spielgefühl ändern.

In „Cookie Champion“ nehmen wir an einem Keks-Backwettbewerb teil und versuchen vier Runden lang, Kekse zu backen, zu garnieren und auf die Tische vor die Nasen der Juroren zu bringen. Dabei zählt Masse, aber auch Klasse. Jede Runde läuft gleich ab. In der Vorbereitungsphase wähle ich zuerst aus meinem verfügbaren Personal-Deck vier Karten aus, mit denen ich starten möchte. Danach werden der ersten und letzten Spielerin jeweils ein Backblech mit neuem Personal angeboten. Hier suchen sich die beiden Spielerinnen eine Karte aus und geben den Rest nach links weiter. Dies geht so weiter, bis jeder zwei neue Karten gewählt hat. Das restliche, nicht gewählte Personal (dies sind immer vier Karten) landet auf dem Spielbrett und kann später als Aktion angeworben werden. Von den nun sechs Personalkarten auf meiner Hand entferne ich eine komplett aus dem Spiel und der Rest ist dann mein Personal, mit dem ich den Tag bestreite. Reihum spielt nun jeder eine Handkarte und führt damit eine Aktion aus. Hierzu gehört das Nehmen von neuen Rezepten, der Kauf von Zutaten und Waren, das Backen oder Garnieren der Kekse, das Ausliefern an die Tische, der Verkauf ans Publikum, das Einstellen und Entlassen von Personal und zum Schluss das Einschmeicheln bei den Juroren und den Vorsitzenden. Beim Ausspielen der Karten sind zwei Dinge zu beachten: Zum einen gibt es beim Personal Meister und Aushilfen und beide können nicht jede Aktion ausführen. Nur ein Meister kann neues Personal einstellen oder Kekse kunstvoll garnieren. Dafür ist sich ein Meister zu schade, um auf dem Markt Zutaten oder Waren einzukaufen, das kann nur die Aushilfe. Zum anderen enthält jede Karte noch eine Nebenaktion, die ich nach der Hauptaktion ausführen darf. Damit kann ich dann beispielsweise weitere Zutaten nehmen oder erneut backen. Am Ende einer Runde erhalte ich Einkommen, abhängig von gebackenen Keksen mit Garnierung. Nach vier Runden folgt die Endwertung. Für jeden der fünf Tische auf dem Spielplan wird geschaut, wer die meisten Kekse dorthin geliefert hat. Dies gibt entsprechend Punkte. Dazu gibt es noch Punkte für die Vorsitzenden und Juroren sowie für die gelieferten Kekse selbst.

Das Thema von „Cookie Champion“ sagt mir natürlich zu. Schokokekse gehen immer. Die Umsetzung passt entsprechend bei den Aktionen auch. Ich muss zuerst Mehl, Zucker und Butter einkaufen. Auf dem Markt erhalte ich die weiteren Zutaten Eier, Schokolade, Nüsse sowie die Garnierungen Streusel, Zuckerguss und Marmelade. Wieso es die Zutaten und Garnierungen nur im Pack gibt und ich die Zutaten beim Backen nicht aufteilen kann (Wenn ein Zutatenplättchen Eier und Nüsse gibt, kann ich dieses nicht für zwei Rezepte einlösen.) oder wieso Waren und Zutaten das kosten, was sie kosten (die erste Einheit Mehl ist kostenlos), darüber denke ich nur kurz nach. Danach geht es weiter: Bis zu zwei Rezepte nehmen (Wieso muss ich auch die kaufen?), Kekse nach bis zu zwei Rezepten backen und diese danach garnieren. Die Garnitur ist wichtig bei der Auslieferung, weil ich darüber noch einen Bonus erhalten kann. Zusätzlich haben einzelne Plätze auf den Tischen Boni abgedruckt, die ich erhalte, wenn ich meine Kekse dorthin stelle. Und so finde ich dort auch mal ein Sack Mehl, ein Stück Butter oder es liegt einfach so Geld herum. Thematisch etwas ungewöhnlich ist, dass ich mit vier Personen auf einen Backwettbewerb gehe und mir dort erst das restliche Personal anheuere. Aber eigentlich heure ich nicht an, ich backe es mir, schließlich kommt es am Anfang der Runde auf einem Backblech daher. Die „Platzierung der Juroren“, wie es in der Anleitung heißt, ist offen gesagt eine reine Bestechung. Hier tausche ich einfach Geld gegen Siegpunkte. Und ich weiß auch nicht, woher ich ein tägliches Einkommen (vor allem durch Garnituren) auf einem Backwettbewerb bekommen kann. In Summe finde ich, dass der Rahmen und die Aktionen sehr thematisch umgesetzt wurden. In den Details hat die Spielmechanik aber Vorrang.

Und die Mechanismen funktionieren sehr gut. Besonders gefallen hat mir die Erweiterung meines Personals, auch wenn die Vorbereitungsphase etwas umständlich wirkt. Zuerst muss ich aus meinem Gesamtdeck vier Karten auswählen und diese beiseitelegen. Dann erhalte ich nacheinander zwei weitere Kartendecks und wähle daraus noch je eine Karte. Und von den sechs Karten werfe ich dann eine wieder ab, die aus dem Spiel kommt. Während einer Runde funktioniert das Anwerben aber anders: Neues Personal kommt direkt auf die Hand und kann in der gleichen Runde noch als Aktion eingesetzt werden. Je mehr ich anwerbe, desto mehr Aktionen (oder genauer Bonusaktionen, denn das Anwerben selbst ist auch eine Aktion und ersetzt sich nur selbst) kann ich ausführen und das lohnt sich oft. Dazu kommt noch, dass nicht jede Person alle Aktionen ausführen kann. Auf die Art brauche ich zwingend Aushilfen und Meister (oder das passende Personal mit Bonusaktionen), damit ich die volle Bandbreite an notwendigen Aktionen abdecken kann. Bei der Garnierung fand ich etwas schade, dass diese hauptsächlich nur für mehr Einkommen dient. Es gibt zwar manchmal Boni, wenn ich Kekse mit einer bestimmten Garnitur ausliefere, aber es fühlte sich nicht so gewichtig an, dass ich das ständig genutzt hätte. Die Mehrheitenwertung funktioniert, wobei ich nicht abschätzen kann, ob Masse gegen Klasse wirklich bestehen kann. Rein rechnerisch sollte es in etwa hinkommen, dass ich mit mehreren, dafür aber preiswerteren Keksen (benötigen weniger und weniger gute Zutaten, bringen auch weniger Punkte) gegen wenige, dafür aufwändigere Kekse (mit mehr Siegpunkten) bestehen kann. Ich bin deswegen unsicher, weil ich für mehr Kekse auch mehr Back- und Auslieferaktionen durchführen muss. Und das kommt mir irgendwie nicht realistisch vor, dass ich das schaffe. In unserer Partie zu zweit haben wir zumindest gleich viele Kekse gebacken, obwohl ich eher höherwertige Kekse auf den Teller gezaubert habe. Am Ende hatte ich auf den meisten Tischen dann auch noch die Mehrheit geliefert. Der Verkauf von Keksen an das Publikum gegen Geld hatte irgendwie weniger Einfluss als erwartet. Ich habe dies genau einmal gemacht (und deswegen einen Keks weniger auf den Tischen), was mir genug Geld brachte, um einen Vorsitzenden zu bestechen. Ansonsten gab es vor allem durch die Garnituren genügend Einkommen jede Runde, sodass ich meistens alle Aktionen ausführen konnte, die ich wollte.

Cookie Champion – Spielertableau (Tabletopia)
Cookie Champion – Spielertableau (Tabletopia)

Der Einstieg in das Spiel fiel mir eher leicht, wobei ich natürlich Spiele mit Deckbau, Karten-Drafting, Aktionswahl und Mehrheitenwertung schon oft gespielt habe. Auch wenn neun (eigentlich sind es elf) mögliche Aktionen viel klingt, hatte ich diese schnell verinnerlicht. Die thematische Integration machte es mir leicht, die groben Abläufe zu verstehen. In den Details musste ich aber schon aufpassen. Welche Waren und Zutaten habe ich? Welche Zutaten liegen aus? Welche Rezepte lohnt es sich daraufhin zu nehmen? Wenn ich einkaufe, wie viel brauche ich unbedingt? Aber ich will auch nicht unnötig Waren herumliegen haben. Und die Bonusaktionen der Handkarten haben auch noch einen Einfluss auf diese Entscheidungen. Es spielt hier also eine Menge zusammen, was ich beachten muss. Für mich machte das aber natürlich den Reiz des Spiels aus. Es war sehr befriedigend, wenn ich gerade noch so die richtigen Waren und Zutaten hatte, um das letzte Rezept zu backen. Natürlich gehört auch ein bisschen Glück dazu, welche Rezepte oder Zutatenplättchen nachgezogen werden. So ist das Spiel nicht komplett berechenbar, was ich gut finde. Da ich zu Rundenbeginn einen Teil meines Personals aktiv aus meinem Deck auswähle, gibt es im Gegensatz zu anderen Deckbau-Spielen zumindest dabei keinen Glücksanteil.

Varianz gibt es auf dem Spielfeld viel. Das Startpersonal ist immer gleich, aber alle Personalkarten danach werden zufällig auf eine bestimmte Art und Weise gezogen. Die Auslage von Rezepten und Zutaten wird jede Runde zufällig aufgefüllt. Die Boni pro Tisch werden am Anfang einer Partie zufällig auslegt, ebenso wie ein Prämienplättchen. Da ich nur eine Partie gespielt habe, kann ich es nicht mit Sicherheit sagen, aber ich vermute, dass sich die Partien trotzdem sehr ähnlich anfühlen. Den größten Unterschied macht vermutlich das Personal aus, das ins Spiel kommt. Mir selbst wäre das egal, da ich Spiele fast immer nur einmal pro Jahr auf den Tisch bekomme. Da benötige ich kaum Varianz. Im Gegenteil finde ich zu viel Varianz sogar hinderlich, wenn sich dadurch der Spielaufbau verlängert. Über die eine Partie zu zweit hinweg ergab sich nur ein sehr kleiner Spannungsbogen. Grund ist, dass ich in Runde 1 das Gleiche mache wie in Runde 4: Personal wählen, zwei Rezepte nehmen, Waren und Zutaten kaufen, zwei Keksteller backen, optional noch garnieren und dann beide Keksteller ausliefern. Am Ende einer Runde sah unser Spielertableau oft wie am Anfang aus: Leer. Keine Rezepte auf Halde, keine fertigen Kekse zum Ausliefern, die Waren meist alle verbraucht. Da ich pro Aktion nur zwei Rezepte nehmen, zwei Rezepte backen und zwei Keksteller liefern kann, ergibt es sich irgendwie automatisch, dass wir nach diesem Schema gespielt haben. Die einzige Abwechslung brachte das Personal, welches aufgrund des vorbereiteten Nachziehstapels von Runde zu Runde etwas bessere Bonusaktionen mitbringt. In Summe habe ich mich dennoch die etwa 100 Minuten gut unterhalten gefühlt.

Die Spielzeit könnte für mich vielleicht das größte Problem sein. Es war zwar die Erstpartie für mich und wir spielten auf Tabletopia, wo sehr oft etwas nicht so will, wie man selbst. Aber viel schneller als circa 90 Minuten zu zweit würde ich vermutlich nicht spielen können. Und aus den Erfahrungen aus meinen Spielrunden („Barrage“ in 120 Minuten funktioniert niemals, selbst zu zweit nicht) würde „Cookie Champion“ mit fünf Spielerinnen, für die das Spiel ausgelegt ist, vermutlich die 200-Minuten-Marke reißen. Und das trägt das Spielprinzip bei mir nicht, weil es einfach zu gleichförmig abläuft. Die Downtime fand ich zu zweit noch angenehm, da die Züge doch recht schnell vonstattengehen. Und wenn es bei meinem Mitspieler ein klein wenig länger dauerte, konnte ich über meine eigenen Aktionen nachdenken. Zu fünft stelle ich mir die Wartezeit aber sehr groß vor, da es auch kaum Interaktion gibt. Ich kann natürlich Personal am Anfang der Runde oder währenddessen wählen und versuchen, Rezepte, Zutaten oder Bonifelder wegzunehmen. Am Ende wird es aber eher darauf hinauslaufen, dass ich die für mich beste Aktion in der jeweiligen Situation wähle. Und damit beschränkt sich die Interaktion auf die Mehrheiten auf den fünf Tischen, die aber ebenfalls eher indirekt ist. Und so interessierte es mich in der Partie auch nur ganz wenig, was mein Mitspieler in seinem Zug machte.

Da es sich um einen Prototyp handelt, kann ich nichts zu Grafik, Illustration und Symbolik sagen. Zumindest für die eine Partie fand ich die Grafik sehr übersichtlich und die Symbolik eindeutig. Nur wann ich als Bonus ein Zutatenplättchen vom Markt oder aus dem Sack nehmen darf, habe ich mehrmals durcheinander gebracht. Durch die Online-Umsetzung auf Tabletopia fällt damit auch eine Aussage zur Komponentenqualität weg. Toll wäre es natürlich, wenn in der finalen Version die Rezepte real existierende Kekssorten bezeichnen würden, so wie ich in „Kitchen Rush“ auch das Gefühl habe, einen Burger oder Spaghetti Carbonara zu kochen.

Cookie Champion – Spielplan (Tabletopia)
Cookie Champion – Spielplan (Tabletopia)

Wer sich seit circa 2014 im Brettspielbereich informiert, wird bei der Erklärung des Spielprinzips und der Mechanismen oben sicherlich hellhörig geworden sein. Gab es da nicht mal ein Spiel mit Arbeitern als Deckbau und Meistern, Gesellen und Lehrlingen, die nicht die gleichen Aktionen durchführen können? Ja, gab es und das Spiel heißt „Rokoko“, welches 2020 in einer Deluxe-Version veröffentlicht wurde. Statt Keksen stellen wir Kleider her und liefern diese zu Hofe. Die Schnittmuster holen wir aus einer Auslage, die dreifarbigen, passenden Stoffe sowie die Zutaten Garn und Spitze gibt es auf dem Markt. Anstelle der Juroren gibt es die Musiker und am Ende gibt es in den fünf Räumen eine Mehrheitenwertung. In meinen Augen tauchen auch Teile der Schmuckkästchen-Erweiterung in „Cookie Champion“ wieder auf (beispielsweise die Garnituren, die für Einkommen sorgen). Die Ähnlichkeiten sind für mich so groß, dass ich bei „Cookie Champion“ eigentlich schon ein „Reimplements: Rococo“ auf BoardGameGeek erwarten würde. Wer jetzt von dreister Kopie sprechen will, muss sich aber noch etwas genauer informieren. Denn „Rokoko“ wurde von niemanden anderem als Stefan Malz und Louis Malz zusammen mit Matthias Cramer designt. Insofern hat das Autorenduo seine eigenen Ideen nur aufgegriffen und verfeinert. Denn das ist es auch: „Cookie Champion“ ist kein „Rokoko“ mit anderem Thema, sondern die Neuimplementierung eines existierenden Spiels mitsamt mechanischer Anpassungen.

Dennoch: „Rokoko“ steht bereits in meinen Schrank und „Cookie Champion“ ist mir zum aktuellen Entwicklungszeitpunkt zu ähnlich, sodass ich definitiv nicht beide Spiele besitzen will. „Rokoko“ hebt sich durch das Thema Schneiderei sehr von anderen Spielen ab. Spiele mit Keksen, Süßigkeiten und Schokolade gibt es dagegen schon mehrere, zuletzt das sehr gut „Chocolate Factory“. Daneben fand ich die bisherigen Abläufe in „Cookie Champion“ etwas zu gleichförmig und ich möchte das Spiel aufgrund meiner geschätzten Spielzeit gar nicht zu fünft auf den Tisch bringen.

Aber noch einmal: Es handelt sich um einen Prototyp! Es kann und wird sich sicherlich noch einiges im Spielablauf und vielleicht auch am Spielgefühl ändern. Und ich schaue gerne in einigen Monaten noch einmal auf den aktuellen Entwicklungsstand des Spiels. (ohne Wertung, da Prototyp)

#CookieChampion

(Neu) Gespielte Spiele im Juli 2022

Der Juli war der Monat der neuen Spiele. Ich habe nur neun Titel gespielt, alle neun waren neu für mich. Und alle waren online (meist auf BoardGameArena), da ich so am besten neue Spiele austesten kann.

Next Station: London (Blue Orange, 2022)

Spiele mit Eisenbahnthema finde ich recht interessant und wenn sie dann auch noch in London spielen, bin ich doppelt interessiert. So ist es nicht verwunderlich, dass ich mir das Draw'n'Write-Spiel „Next Station: London“ genauer angeschaut habe. Bei Board Game Arena gibt es eine Online-Umsetzung, die innerhalb von zehn Minuten gespielt ist.

In „Next Station: London“ hat jede der bis zu vier Spielerinnen einen Zettel mit einem Gitternetz vor sich liegen. Das Gitternetz besteht aus 10x10 Kreuzungspunkten und an manchen von ihnen befindet sich ein Bahnhof in Form eines Symbols (Kreis, Dreieck, Viereck, Fünfeck). Die Bahnhöfe sind somit vertikal, horizontal und diagonal miteinander durch die Gitterstruktur verbunden. Zusätzlich ist die Karte in 13 Distrikte eingeteilt. Jede Spielerin erhält zusätzlich eine von vier Stiftfarben (grün, blau, rot, lila), welche die unterschiedlichen Metrolinien am Ende einer Partie darstellen werden. Das Spiel geht über vier Runden. Pro Runde werden 11 Linienkarten (Straße und Untergrund) gemischt und nacheinander jeweils eine Karte aufgedeckt. Die Karten geben jeden Zug vor, welchen Bahnhof wir alle gleichzeitig als Nächstes mit einer Linie (der entsprechenden Farbe) erreichen dürfen. Dabei muss die Metrolinie entsprechend der Gitternetzlinien verbunden werden, es dürfen sich keine Linien kreuzen (nur an Bahnhöfen ist das erlaubt), nicht parallel laufen, keinen geschlossenen Kreislauf bilden und keine Abzweigungen haben. Nach 5 bis 10 Linienkarten, wenn die fünfte Untergrund-Karte gezogen wurde, ist die Runde vorbei. Die Stifte werden eines nach links geben und damit starten wir unsere neue Metrolinie. Nach vier Runden ist Schluss und es gibt eine Wertung. Für jede Linie wird gezählt, wie viele Distrikte erreicht wurden, in welchem Distrikt die meisten Bahnhöfe angesteuert wurden, wie oft die Themse unterquert wurde und wie viele der Sehenswürdigkeiten (markiert durch eine Sonne auf dem Plan) erreicht wurden. Im erweiterten Modus gibt es auch noch fünf Zielvorgaben (beispielsweise alle 13 Distrikte zu erreichen oder 6x die Themse zu unterqueren), von denen zwei zu Spielbeginn ausgelegt werden und die 10 Punkte bei Erfüllung geben, und einmalige Sonderfähigkeiten der Stiftfarben.

„Next Station: London“ – Der leere Streckenplan (BGA)
„Next Station: London“ – Der leere Streckenplan (BGA)

„Next Station: London“ ist ein schönes und einfaches Draw'n'Write-Spiel, was schnell gespielt ist. Karte ziehen, Linie zeichnen, weiter geht's. Dadurch, dass alle parallel auf ihren Plänen etwas einzeichnen, entsteht keine Downtime, aber auch keinerlei Interaktion. Ob ich das Spiel allein spiele (und mir die vier Stifte entsprechend zurechtlege) oder mit 100 Personen (dann mit entsprechend 25 Stiftsets), macht keinen Unterschied. Da es kein Rennen um irgendwelche Ziele gibt, ist es mir auch egal, was meine Mitspielerinnen machen.

Das Thema ist, wenn ich ehrlich bin, während des Spiels nicht zu spüren. Ich baue keine Metrolinien in London, sondern ich verbinde abstrakte Symbole in einem Gitternetz. Zusätzlich entsprechen auf dem Spielplan die Bahnhöfe weder den realen Londoner Metrostationen, noch ist die Themse korrekt eingezeichnet, was ich schade fand. Es war mir damit nämlich nicht möglich, aus Spaß und ohne Punktwertung die realen vier Metrolinien nachzuzeichnen. Die vier gewählten Stiftfarben entsprechen nämlich der Central Line (rot), District Line (grün), Victoria Line (hellblau) und Metropolitan Line (lila). Auch die Beschränkungen, dass ich keinen geschlossenen Linienverlauf (wie bei der Circle Line in London) oder parallel zwei Strecken einzeichnen darf, widerspricht den normalen Metro-Gegebenheiten. Einzig das Endergebnis mit den vier Metrolinien erinnert grob an einen Metro-Linienplan. Dennoch bleibt „Next Station: London“ damit ein eher abstraktes Verbinden von Symbolen. Dies steht beispielsweise im Gegensatz zu „On the Underground: London/Berlin“, bei der die Spielerinnen gegeneinander auf dem gleichen Spielbrett Zugstrecken legen. Dies fühlt sich tatsächlich eher wie ein Streckenbau an und sieht optisch besser aus, womit es thematisch meine erste Wahl wäre.

Bei Paper'n'Pencil-Spielen mit Zugthema drängt sich natürlich auch der Vergleich zu „Railroad Ink“ auf. In dem Spiel werfe ich Würfel und zeichne die Strecken (Straße und Gleise) auf meinem Stadtplan ein, um Punkte zu erhalten. Das Spielgefühl ist ähnlich solitär und – zumindest in der Grundversion – auch wenig abwechslungsreich. „Railroad Ink“ hat den Vorteil von vier verschiedenen Editionen, die jeweils kleine Mini-Erweiterungen mitbringen. Das kann bei „Next Station: London“ ja noch kommen, zumal mehrere Städte Metrolinien besitzen und sich so Erweiterungen geradezu aufdrängen. Das Standardspiel ist aber recht wiederholend und hat kaum Variabilität. Es gibt pro Runde nur 11 Karten, die zufällig anders gezogen werden. Und selbst mit den zwei von fünf Zielvorgaben hatte ich nach drei Partien alle schon einmal gesehen. Dennoch sind die Zielvorgaben eine nette Ergänzung und zumindest im Solospiel habe ich es so gespielt, dass ich sie zwingend erfüllen muss, um zu punkten. Im Mehrpersonenspiel kann ich diese aber komplett ignorieren und auf anderem Wege auch gewinnen, was wiederum ja für das Spiel spricht, dass es unterschiedliche Siegstrategien gibt (das Vierpersonenspiel ging 105:104:103:100 aus und nur ich hatte beide Zielvorgaben als Zweitplatzierter erfüllt). Eine extrem große Variationsvielfalt gibt es dadurch aber dennoch nicht.

Solo fand ich „Next Station: London“ ganz unterhaltsam. Via Board Game Arena lässt sich das Spiel sogar im Browser in 5 Minuten spielen und kann mich mich dabei auch einige Partien thematisch passend auf einer Zugfahrt unterhalten. Das Mehrpersonenspiel spielt sich sehr solitär, was aber als kleiner Füller für zwischendurch in meinen Augen völlig ausreicht. Ich würde es an einem Abend mit mehreren Mitspielerinnen aber vermutlich nicht wiederholt nacheinander spielen wollen. Wenn ich ein Draw'n'Write-Spiel auspacke, wird es eher „Welcome to“ sein. (7,0)

„Next Station: London“ – Am Ende des Streckenbaus (BGA)
„Next Station: London“ – Am Ende des Streckenbaus (BGA)

Wertung: (7,0)

#NextStationLondon

Noah (Bombyx, 2012)

Ein älteres Spiel ist „Noah“, welches mich aufgrund seiner geringen Spielzeit und des Themas bei Board Game Area interessiert hat. Wir sind Helfer Noahs, die Tiere auf Schiffe verladen, die danach zur Arche gebracht werden, ehe die Sintflut kommt. Wer das am besten macht, bekommt selbst einen Platz auf der Arche. Ob der Anreiz, dem Tod in den Fluten zu entgehen, das Spiel interessant macht?

In der Tischmitte liegen im Kreis fünf Schiffe aus. Auf jedem Schiff befindet sich bereits ein Tier in Form eine Karte. Jeder von uns hat acht Karten mit weiteren Tieren auf der Hand. Die Tiere gibt es in männlich und weiblich, sie haben ein Gewicht und manche Tiere erlauben besondere Aktionen beim Ausspielen. Daneben tragen alle Karten noch einen Wert in Form von Tränen, die angeben, wie traurig Noah ist, wenn die Tiere es nicht bis zur Arche schaffen (übersetzt: Minuspunkte am Rundenende, wenn sie sich noch auf der Hand befinden). Noah überwacht das Verladen und steht bei einem Schiff am Dock. Reihum wird gespielt und wenn ich dran bin, muss ich eine meiner Handkarten an das Schiff bei Noah anlegen. Bedingung dabei ist, dass sich entweder nur gleiche oder alternierende Geschlechter an Bord befinden. Zusätzlich darf das Gewicht der Tiere die Ladekapazität des Schiffes (immer 21, außer mit Specht, dann 13) nicht überschreiten. Nach dem Ausspielen bewege ich Noah entweder an eines der zwei benachbarten Schiffe bei weiblichen Tieren oder an eines der zwei gegenüberliegenden Schiffe bei männlichen. Schaffe ich es, ein Pärchen zu erstellen (also männlich und weiblich nacheinander der gleichen Art), bin ich noch einmal dran. Wenn die Ladekapazität eines Schiffes exakt erreicht wurde, legt es ab und ein neues, leeres Schiff wird hingelegt. Sollte ich einmal kein passendes Tier anlegen können, muss ich alle Tiere dieses Schiffes auf die Hand nehmen und ein neues ausspielen. Eine Runde endet, wenn ich alle Tierkarten abgelegt habe. Meine Mitspielerinnen bekommen dann die Minuspunkte gutgeschrieben. Und nach drei Runden ist das Spiel vorbei.

Ich habe „Noah“ zuerst in der Solovariante auf BGA ausprobiert. Die Regeln verändern sich dabei leicht: Ich habe nur zwei Tierkarten auf der Hand, lege dann eine bei Noah an, bewege Noah und ziehe eine Karte nach. Wenn ich zu einem Zeitpunkt nicht mehr anlegen kann, habe ich verloren. Gewonnen habe ich, wenn ich (im einfachen Modus) alle 31 Tierkarten des Stapels ablegen konnte. Einige der Tierfähigkeiten (von Giraffe und Löwe) verändern sich etwas, da sich diese normalerweise auf Mitspielerinnen beziehen, die es jetzt nicht gibt.

Die Onlineversion bei BGA ist gut implementiert. Teilweise zu gut, weil sie mir Arbeit abnimmt, die beim Spiel am realen Tisch anfällt. So muss ich von fünf Schiffen immer im Kopf haben, wie das Gewicht der einzelnen Schiffe ist, um zu entscheiden, wo ich Noah hinschicke, um nicht jemanden eine gute Vorlage zu liefern. Zusätzlich verändert der Specht die Ladekapazität eines Schiffes von 21 auf 13, was ich mir merken muss (und so ein Specht in der Reihe übersehe ich schnell). Das fördert zwar das Kopfrechnen, mir selbst ging das Durchrechnen aber auf die Nerven – bis ich merkte, dass BGA mir die aktuelle Lademenge und die Ladekapazität anzeigt und ich gar nichts rechnen muss (bis auf die Addition einer möglichen Tierkarte, die ich anlegen möchte). Zusätzlich hebt BGA hervor, welche Karte ich überhaupt an das aktuelle Schiff spielen kann. Das hilft online, aber in der Realität fehlt auch das. Hier muss ich erneut schauen, was die aktuelle Reihe ist (geschlechtsgleich oder alternierend) und welche Tierkarten ich passend dazu habe. Und der dritte Punkt sind die Sonderfähigkeiten der Tiere. Esel und Schnecke lassen sich gut merken, weil die Symbolik auf der Karte angibt, was die Tiere können. Den Specht sprach ich schon als Problem an, weil er leicht übersehen werden kann. Zusätzlich gibt es noch Löwe und Giraffe, die für etwas Interaktion sorgen. Deren Eigenschaft ist aber nur durch ein kleines, in meinen Augen nicht aussagekräftiges Symbol auf der Karte dargestellt. Das gilt auch für die zwei Promokarten Frosch und Krokodil, welche sich allein durch die Symbolik nicht erschließen ließen.

Neben der drei Solopartien spielte ich noch eine Zweipersonenpartie. Über drei Runden wird gespielt und das trägt das Spiel einfach nicht. Da jede Runde alle Karten neu gemischt und verteilt werden, spielt sich jede Runde gleich. Es gibt keinerlei Abwechslung und die Spannungskurve sank bei mir von Runde zu Runde – und damit auch meine Motivation, weiterzuspielen. Allgemein hat das Spiel wenig Variabilität. Die Schiffe haben alle die gleiche Ladekapazität (Varianz wäre beim Durchrechnen vermutlich noch hinderlicher) und die Tiere sind immer gleich, außer ich nutze die zwei Promokarten. Die fehlende Interaktion mit den Mitspielerinnen trägt auch nicht zum positiven Spielgefühl bei. Mir ist es zwar nicht egal, was die anderen machen, weil es davon abhängt, an welchem Schiff Noah in meinem Zug steht. Aber ansonsten interessiere ich mich nicht für deren Spiel, da ich keinen Einfluss darauf habe, wer drankommt oder eine Mitspielerin zu einer Aktion zwingen kann. Einzig mit der Giraffe darf ich mir die Handkarten einer Mitspielerin anschauen, wodurch ich verwertbare Informationen erhalte.

Als kleine, aber existente Hürde empfand ich auch die Anleitung. Es wird der Spielaufbau und der Rundenablauf erklärt, was passt. Dann folgen (in der englischen Version) „Roguish Tips“, was sich für mich nach Hinweise zum Spiel anhörte. Es handelt sich aber um essenzielle Spielregeln, dass ich bei einem Pärchen erneut am Zug bin und das Schiff bei voller Ladung ablegt. Ebenso verwirrt die Seite „Zooming on some animals“ am Ende der Anleitung – nach Nennung des Autors und Grafikers. Ich dachte zuerst, dass hier mehr über die Tiere an sich geschrieben wird, um die Spielerinnen weiterzubilden. Nein, erst hier kam heraus, dass manche Tierkarten Spezialfähigkeiten haben, die beim Ausspielen angewendet werden müssen. Das wurde zuvor beim Spielablauf nicht erwähnt.

Bei mir ist „Noah“ komplett durchgefallen. Das Spiel deutet mit den Handkarten und der Bewegung Noahs vielleicht keine strategische, aber zumindest eine taktische Entscheidungstiefe an, die ich nicht wiederfinden konnte. Wenn ich eine Karte auslege, ist oft die einzige relevante Entscheidung, wohin ich Noah laufen lassen will. Da ich die Handkarten der Mitspielerinnen aber nicht kenne (außer mit der Giraffe), ist es Zufall, ob die dann eine noch passende Karte auf der Hand haben oder nicht. Und wenn ich wieder an der Reihe bin, steht Noah ganz woanders, was ich in meine Planung nicht einbeziehen kann. Dabei ist es egal, ob ich zu zweit oder fünft spiele. Die Position Noahs zu Beginn meines Zuges ist nicht planbar. Auch im Solospiel herrscht der pure Zufall. Negativ fiel mir vor allem der Esel auf. Dessen Sonderfähigkeit ist es, dass Noah sich nicht bewegt. Wenn ich also einen Esel und eine andere Karte auf der Hand habe, kann Folgendes passiert: Wenn der Esel an die Stelle, wo Noah gerade steht, passt und die zweite Handkarte aber nicht in die Reihe, muss ich den Esel legen und hoffen, dass ich etwas Passendes nachziehe. Wenn der Esel nicht passt, die andere Karte aber schon, muss ich die andere Karte legen, Noah dann zu etwas bewegen, wo der Esel hinpassen würde und dann wieder hoffen, dass ich etwas Passendes zum Weiteranlegen nachziehe. Auf die Art hatte ich die erste Partie nach sechs ausgespielten Karten verloren, was ziemlich frustrierend war. Und bei der zweiten Partie passierte das erneut. Auch die dritte Partie verlor ich mit zwei Karten auf der Hand, die ich nicht mehr anlegen konnte. Das war ein kleiner Erfolg, aber eine weitere Motivation, es erneut zu versuchen, war nicht vorhanden. Und wie geschrieben fühlte sich auch die eine Zweipersonenpartie bereits zu Beginn der zweiten Runde sehr langweilig und wiederholend an, als ich merkte, dass ich exakt das Gleiche wie zuvor machen muss. (3,0)

Noah (BGA)
Noah (BGA)

Wertung: (3,0)

#Noah

The Grand Carnival (Uproarious Games, 2020)

Über Kickstarter bin ich auf eine aktuell laufende Kampagne zu der Erweiterung „The Grand Carnival: On the Road“ aufmerksam geworden. Das Grundspiel „The Grand Carnival“ erschien bereits 2020, ging aber an mir vorbei. Über die Kickstarter-Kampagne erscheint das Grundspiel mitsamt Erweiterung auch auf Deutsch bei Skellig Games – aber erst 2023. Da es im Tabletop Simulator eine Online-Umsetzung gibt, habe ich mir diese angeschaut.

Im Jahr 1937 wetteifern verschiedene Jahrmärkte um die Gunst der Besucher im kleinen Örtchen Littleton. Als bis zu vier Jahrmarktbetreiber treten wir gegeneinander an, die besten Attraktionen für die Besucher anzubieten. Die Stadt stellt jedem von uns dafür einen „kleinen“ Bauplatz von 4x4-Baufeldern zur Verfügung. Jede Spielerin hat fünf Arbeiter, die wir reihum für drei Aktionen nutzen können: Ich kann durch die Auswahl eines Plättchens ein Baufeld planieren, welches sich danach in 2x2-Felder unterteilt. Die Baufelder enthalten leere Felder, auf denen ich mit der zweiten Aktion passende Attraktionen bauen kann. Und die Baufelder enthalten grüne Wege, auf denen ich mit einer dritten Aktion die Besucher laufen lasse. Die Besonderheit der Aktionswahl ist, dass ich jede Runde zwar fünf Arbeiter und alle drei Aktionen zur Auswahl habe, diese aber auf die Aktionsstärke 1 bis 5 verteilen muss. Je stärker die Aktion, desto mehr Auswahl habe ich bei den ausliegenden Baufeldern, desto größere Attraktionen kann ich bauen oder desto weiter können die Besucher laufen. Wenn ein Besucher neben einer Attraktion anhält, erhält diese ein Ticket. Die Besucher können von den zwei Eingängen am unteren Spielfeldrand bis hoch zum Zirkuszelt laufen, wenn es einen Weg gibt. Nach 7 Tagen/Runden endet das Spiel. Es gibt dann Punkte für gleich große Attraktion (ab drei), für ein volles Set an unterschiedlich großen Attraktionen, für Marktschreier (die ich neben zwei neuen Besuchern erhalte, wenn meine zwei Besucherfelder leer sind), für gelöste Tickets und ich verliere Punkte für unbebaute Felder.

The Grand Carnival – Mein Park am Ende der Partie der ersten Solopartie (TTS)
The Grand Carnival – Mein Park am Ende der Partie der ersten Solopartie (TTS)

Mich wundert es wirklich, dass ich 2020 nicht über „The Grand Carnival“ gestolpert bin, denn das Spiel spricht mich sehr an. Die Regeln sind sehr simpel (5 Arbeiter für 3 Aktionen in 7 Runden) und waren durch die gut strukturierte Anleitung leicht erlernbar. Einzig bei der Endwertung wird bei den Attraktionen anstatt von deren Größe 1 bis 5 plötzlich von winzig, klein, mittel, groß und riesig gesprochen. Aber die Transferleistung bekam ich noch hin. Dementsprechend schnell spielt es sich auch. 35 Aktionen im ganzen Spiel klingt zwar viel, wenn man mit den zwölf Aktionen eines „Vinhos“ vergleicht. Die Aktionen sind aber so schnell ausgeführt, dass man pro Spielerin mit circa 25 Minuten Spielzeit rechnen kann. Das Spiel geht auch so schnell, weil es kaum Interaktion gibt. Die Spielerinnen nehmen sich zwar vielleicht ein Bauplatzplättchen oder eine Attraktion weg, aber ansonsten puzzelt jeder fast ungestört vor sich hin. Ausnahme sind die „Trick of Trade“-Karten (siehe nächster Abschnitt), durch die ein kleines Wettrennen entsteht.

Thematisch passen die Aktionen auch, wobei mir die Abläufe teilweise etwas zu simpel waren. Durch die ersten Aktionen planieren, dann Attraktionen bauen, dann Besucher laufen lassen. Das könnte ich sogar aufteilen und die ersten drei Runden mit 15 Aktionen fast das ganze Baufeld mit 16 Feldern planieren, um dann in den nächsten zwei Runden zehn Attraktionen zu bauen, die auf die leeren Baufelder passen, und zum Schluss in zwei Runden meine Besucher durch den Park zu schicken und die Tickets für die Attraktionen zu lösen. Da erst am Spielende abgerechnet wird, wäre das eine valide Spielweise. Es gibt aber zwei Gegebenheiten, die mich davon abhalten, so zu agieren. Zum einen liegen die Attraktionen in Form von Polyominos vor und sind endlich. Während ich also meinen Park baue, kann es sein, dass die passenden Attraktionen nicht mehr verfügbar sind. Zum anderen gibt es jede Partie drei von 14 „Trick of Trade“-Karten. Diese haben eine Bedingung und wenn ich sie erfülle, darf ich fortan die Sonderfähigkeit der Karte nutzen, die teilweise sehr mächtig ist. Besonderheit: Wenn jemand die Karte erfüllt, haben alle anderen nur einen einzigen Zug, sie auch zu erfüllen. Ansonsten dürfen sie die Sonderfähigkeit abschreiben. Dadurch entsteht ein kleiner Wettlauf im Spiel auf diese Ziele, was wiederum dazu führt, dass ich eben nicht erst alles durchplane, sondern Aktionen mische, um die Ziele zu erfüllen. Zusätzlich führen die „Trick of Trade“-Karten zu etwas Varianz, da sich ansonsten jede Partie ähnlich anfühlt.

Anfangs hatte ich noch etwas Sorgen, weil die Anleitung verspricht: „To score points, players can focus on building attractions, serving guests, or collecting tickets.“, auf Deutsch: „Um zu punkten, können sich die Spielerinnen auf das Bauen von Attraktionen, Bedienen der Besucher oder Verkauf von Tickets konzentrieren.“ Das Oder versprach verschiedene Strategien, es klang aber auch so, als könnte ich nur durch den Bau von Attraktionen gewinnen. Glücklicherweise ist das vom Thema her nicht so, denn Attraktionen bringen nur Punkte, wenn mindestens ein Besucher ein Ticket dort gelassen hat. Das führt aber auch dazu, dass ich von allem etwas machen muss, also Planieren, Attraktionen bauen, Besucher losschicken, um das Spiel zu gewinnen. Ich finde das nicht schlimm, es ist aber sehr simpel vom Ablauf. Es gibt sonst keine Verzahnung, dass beispielsweise Attraktionen mit Geld bezahlt werden müssen und Besucher Geld bringen, wie ich es zuletzt im thematisch ähnlichen „Tenpenny Parks“ gespielt habe. Dort hat mir der Engine-Building-Effekt sehr gefallen, der bei „The Grand Carnival“ leider völlig fehlt. Immerhin ist „The Grand Carnival“ etwas thematischer, weil die Besucher endlich auf Wegen gehen müssen.

The Grand Carnival – Mein Park am Ende der zweiten Solopartie, ohne Tickets (TTS)
The Grand Carnival – Mein Park am Ende der zweiten Solopartie, ohne Tickets (TTS)

Allein der Mechanismus, dass ich zuerst die Bauplätze planieren muss, um die Wege anzulegen und freie Flächen für die Attraktionen zu lassen, hat mir sehr gefallen. Es bringt eine weitere, wenn auch kleine Dimension mit ins Spiel. Auch den Arbeitereinsatz gefiel mir. Mit „Auf den Spuren von Marco Polo“ ist mir nur ein anderer Titel eingefallen (ich denke, es gibt noch mehr), der ähnlich funktioniert, auch wenn in dem Spiel gewürfelt wird. Wenn ich aber meine Würfel auf die Werte 1 bis 5 drehen würde, hätte ich genau den gleichen Effekt, dass der Arbeiterwert bestimmt, wie stark meine Aktion ist und ich jede Aktionsstärke nur einmal pro Runde nutzen kann. Unklar war uns in der Partie, wieso ich bei einem Arbeiter der Stärke 1 ein verdecktes Bauplättchen nehmen und dann optional die Auslage der vier Bauplättchen ablegen und auffrischen kann. Dies hätte nur einen Sinn, wenn ich ahnen könnte, welches Plättchen meine Mitspielerinnen nehmen wollen. Mit etwas Zufall haben sie danach aber eher Zugriff auf bessere Bauplättchen. Einzig, wenn die Auslage unschön ist, es die letzte Aktion der Runde ist und ich danach Startspieler bin, hat es einen gewissen Reiz, eine unpassende Auslage zu erneuern. Dafür dann aber ein zufälliges Baufeld einbauen zu müssen, kann eine große Bestrafung sein.

Die Grafik ist sicherlich nicht jedermanns Stil. Da das Setting in den 1930er angesiedelt ist, finde ich es sehr passend, dass das Spiel auch grafisch im Comicstil der 1930er-Jahre („Rubber hose animation“) gehalten ist. Sowohl die Anleitung, als auch die Spielertableaus und die Attraktionen wurden von Illustrator Ryan Goldsberry, der bisher fast ausschließlich die Titel von Tim Fowers (wie „Paperback“ oder „Burgle Bros“) illustriert hat, entsprechend umgesetzt. Mir gefällt der Stil, weil er eben so schön thematisch passt. Die Attraktionen sind detailliert gezeichnet, auch wenn sie spielerisch austauschbar sind. Da ist es schon schade, dass bei Spielende meist alle Felder eine Attraktion durch Ticket-Marker abgedeckt sind. Und auch auf Diversität wurde geachtet. So finden sich auf alle Attraktionen und auch Spielertableaus verschiedene Geschlechter und Menschentypen wieder.

Der Solomodus ist vom Spielablauf identisch, nur die Punktewertung ist ganz anders. Der Hauptunterschied ist, dass mir ein Set von fünf unterschiedlichen Attraktionen keine extra Punkte bringt. Stattdessen wird belohnt, wenn ich drei gleich große Attraktionen einer Größe baue. Auch die Anzahl der Tickets in Summe ist egal, da ich nur Punkte dafür bekomme, wenn mindestens zwei Tickets auf einer Attraktion liegen. Es gibt aber auch Minuspunkte, wenn ich Attraktionen einer Größe gar nicht baue oder nur eines davon besitze. Das heißt, die Wertung ist so anders, dass auch die Strategie anders ist. Wenn ich solo eine gute Punktzahl erreiche, heißt das nicht zwingend, dass ich im Mehrpersonenspiel gut abschneiden würde. Wie geschrieben, ist der Solomodus dabei nur eine reine Punktejagd. Es gibt leider keinen Automa, mit dem ich mich messen könnte.

Ich habe zwei Solopartien und eine Dreipersonenpartie gespielt. „The Grand Carnival“ ist wirklich sehr eingängig und einfach, sodass auch spielerfahrene Kinder ab 8 Jahren teilhaben können. Zu der Zielgruppe passt dann auch das Thema und die in meinen Augen schön umgesetzte Optik des Spiels. Mir selbst war es etwas zu simpel in den Abläufen, auch wenn mir die Mechanismen des zweifachen Bauens und des Arbeitereinsatzes mit unterschiedlicher Wertigkeit gefallen haben. Auf Dauer würde es mich aber nicht fesseln können und ich würde zu anderen Polyomino-Puzzle-Spielen wie „Insel der Katzen“ greifen. (7,0)

The Grand Carnival – Auslage von Attraktionen und Baufeldern (TTS)
The Grand Carnival – Auslage von Attraktionen und Baufeldern (TTS)

Wertung: (7,0)

#TheGrandCarnival

Crime Zoom: A Dirty Objective (Aurora, 2022)

Bei „Crime Zoom: A Dirty Objective“ handelt es sich um einen Demofall für die Detektiv-Reihe „Crime Zoo“. Den Fall kann man auf Englisch bei Board Game Arena mit bis zu sechs Personen spielen. Ich habe mich allein drangesetzt.

In „Crime Zoom“ müssen wir einen Kriminalfall aufklären. Dafür werden einige Karten aufgedeckt, welche in Summe das Bild des Tatorts ergeben (ähnlich zu „TIME Stories“). Die Karten können angeschaut werden, will ich aber mehr wissen, muss ich sie umdrehen und erfahre mehr, was ich dort sehe oder finde. Von dort kann ich dann den Spuren folgen und Hinweiskarten aus einem Stapel nehmen. Diese geben mir Zeugenaussage, Beweismittel, Fingerabdrücke und auch neue Orte, die ich dann erkunden kann. Wann immer die Spielerinnen denken, sie haben den Fall gelöst, geht es zum Abschlussbericht. Dort werden Fragen zu Täter, Motiv und Tatwaffe gestellt. Daneben gibt es noch Zusatzfragen über weitere Nebenaspekte der Geschichte. Je nachdem, wie viele Fragen ich richtig beantwortet und wie viele Hinweiskarten ich nicht benutzt habe, erhalte ich eine Punktezahl.

„Crime Zoom“ hat mir aus mehreren Gründen nicht gefallen. Zum einen hat es mir solitär keinen Spaß gemacht. In der BGA-Online-Umsetzung klicke ich nur auf Karten oder Textboxen, lese das Ergebnis und gehe weiter. Ich muss nichts kombinieren oder rätseln, wie das in Escape- und Exit-Spielen der Fall ist, was ich langweilig fand. Vor allem ohne den Austausch von realen Mitspielern war das für mich ein stupides Durchklicken. Zum anderen hat „Crime Zoom“ für mich das gleiche Problem wie die meisten anderen Detektiv-Spiele. Ich muss jedem Hinweis und jeder Spur nachgehen, weil sich die Autoren vielleicht doch noch einen Twist ausgedacht haben könnten. Das ist zum einen langweilig, wenn ich jede Karte aufdecke und lese, weil ich dann auch fragmentweise ein Buch lesen kann, um das Ende zu erraten. Und zum anderen ist dieses Vorgehen bei „Crime Zoom“ besonders negativ, weil dadurch die Punktezahl bei Spielende gering ist. Es kommt natürlich bei so einem Spiel nicht auf die Punkte an. Aber die Macher haben sich sicherlich etwas dabei gedacht, wieso sie das Punktesystem so gewählt haben und nicht beispielsweise wie bei „Sherlock Holmes: Beratender Detektiv“, bei dem es nur um die richtigen Antworten geht. Bei mir ist zumindest dieser eine Fall durchgefallen und ich werde mir wohl keine weiteren „Crime Zoom“-Spiele anschauen. (5,0)

Crime Zoom: A Dirty Objective (BGA)
Crime Zoom: A Dirty Objective (BGA)

Wertung: (5,0)

#CrimeZoomADirtyObjective

Baby Dinosaur Rescue (Jumping High Five Games, 2019)

Auch Kinderspiele wecken manchmal mein Interesse. Und so habe ich mir auf Board Game Arena das Spiel „Baby Dinosaur Rescue“ angeschaut. Da es kooperativ ist, lässt es sich auch ohne Regelanpassung alleine spielen.

In „Baby Dinosaur Rescue“ versuchen wir gemeinsam kleine Baby-Dinosaurier zu retten, die von einem Vulkanausbruch bedroht werden. Die Dinosaurier stehen am Fuße des Vulkans und müssen auf einer Laufleiste vorwärts bis zur sicheren Nachbarinsel bewegt werden. Hierfür hat jeder drei Handkarten mit Symbolen auf der Hand. Wenn ich am Zug bin, spiele ich eine Karte und ziehe einen Dinosaurier meiner Wahl auf das nächste, entsprechende Symbolfeld auf der Laufleiste. Gibt es das Feld nicht mehr, gelangt der Dino in Sicherheit. Dann ziehe ich eine Karte nach. Habe ich eine Lava-Karte auf der Hand, muss ich diese statt der Dino-Bewegung spielen und die Lava fließt ein Feld den Vulkan hinab. Erreicht der Lava-Marker das Ende und die Dinos sind nicht alle in Sicherheit, haben wir verloren.

Die Anleitung von „Baby Dinosaur Rescue“ ist mit zwei kleinen Seiten sehr übersichtlich und leicht verständlich. Viele Regeln hat das Spiel aber auch nicht, richtet es sich doch an Vierjährige. Da ist es vermutlich auch gut aufgehoben. Das Spielprinzip wird vermutlich schnell verstanden. In wie weit schon Absprachen über ausgespielte Karten getroffen werden können, weiß ich aber nicht.

Der Bewegungsmechanismus ist nicht neu und mir schon im Jahr 2000 bei „Cartagena“ über den Weg gelaufen. Er funktioniert auch, nur finde ich das Drumherum etwas zu simpel. So hätte ich mir gewünscht, dass die Lava die Dinos einholen kann, wie das beispielsweise bei „Fuji“ der Fall ist. Dadurch wären die Spielerinnen gezwungen alle Dinos zu bewegen und könnten nicht mit einem vorpreschen. Ohne diesen Zwang ist die Taktik des Spiels klar: Prüfe für jeden Dinosaurier, mit welcher der drei Handkarten er am weitesten kommt und wähle dann das Maximum aus. Das ist keine optimale Spielweise, reicht aber meist aus. Ebenso unschön fand ich, dass die Lavakarten bei den Spielern auf der Hand landen. Denn so bin ich gezwungen, eine Lavakarte zu spielen und darf keinen Dino mehr bewegen.

Alles in allem fand ich es für jüngere Kinder zwar spielbar, aber es gibt auch in dem Alter bessere Spiele, welche auch für Erwachsene unterhaltsamer sind. (5,0)

Baby Dinosaur Rescue (BGA)
Baby Dinosaur Rescue (BGA)

Wertung: (5,0)

#BabyDinosaurRescue

Loco Momo (BLAM!, 2022)

Ich finde es immer wieder spannend, wie kreativ Autoren und Verlage sein können, wenn es darum geht, ein Thema über ein abstraktes Spiel zu stülpen. In „Loco Momo“ finden die Tiere des Waldes eine Kamera. Die Spielerinnen machen Schnappschüsse von Tieren (sie nehmen Plättchen aus einer Auslage) und erstellen daraus ein Fotoalbum (legen die Plättchen auf ihr Spielertableau). Nach sechs Runden wird je nach gesammelten Tieren gewertet, wer das beste Album erstellt hat und die Kamera behalten darf.

Die vollständigen Regeln sind nicht viel länger: Vier Bereiche in den vier Ecken des Spielplans stehen mir zur Verfügung, in denen jeweils vier Tierplättchen liegen. Es gibt fünf verschiedene Tiere auf drei verschiedenfarbigen Hintergründen. Wenn ich an der Reihe bin, wähle ich ein Tier, welches sich nach bestimmten Regeln bewegt. Der Hase bewegt sich einen Bereich im Uhrzeigersinn, der Leopard einen gegen den Uhrzeigersinn. Der Adler fliegt diagonal, der Bär bleibt stehen. Und die Ente fliegt bis zur nächsten Ente im Uhrzeigersinn. Dort, wo das Tier stehenbleibt, nehme ich alle Plättchen einer Farbe. Alle Plättchen (also maximal 5) baue ich dann in mein Spielertableau ein. Dort gibt es fünf Reihen und ich muss immer von links nach rechts auffüllen, die Reihe kann ich jeweils frei wählen. Nach sechs Runden (und maximal 30 Plättchen) ist Schluss. Ich erhalte in der ersten Reihe pro Spalte 4 Punkte, wenn sich darunter in Reihe 2 und 3 die gleiche Tierart befinden. Ich erhalte 3 Punkte pro Spalte, wenn sich in Reihe 2 und 3 die gleiche Tierart befindet. In Reihe 4 erhalte ich bis zu 14 Punkte für gleiche Tiere. Und in Reihe 5 bis zu 14 Punkte für unterschiedliche. Für jede Spalte, die mit einer einzigen Farbe gefüllt ist, erhalte ich 5 Punkte.

„Loco Momo“ ist ein rein abstraktes Spiel. Die Tiere könnte ich gegen Symbole und Bewegungsregeln austauschen. Die Wertung hat mit dem Thema sowieso nichts zu tun. Ich finde das aber gar nicht schlimm. Zum einen ist die Grafik recht niedlich und tröstet über das fehlende Thema hinweg. Zum anderen ist das Spiel in fünf Minuten pro Spielerin gespielt, da erwarte ich keinen thematischen Tiefgang.

Spielerisch weiß „Loco Momo“ gut zu unterhalten. Auch wenn es nur ein kleiner Kniff ist, gefällt mir die Idee sehr gut, dass ich alle Tiere mit gleichem Hintergrund erhalte, Punkte gibt es wiederum meist nur für gleiche Tiere, wenn ich diese sinnvoll anordne. Dadurch ergibt sich eine – wenn auch sehr kleine – strategische Tiefe, weil ich in der Regel nie alle Plätze auf meinem Tableau belegen kann. Und so muss ich entscheiden, ob ich lieber farbenrein die Spalten fülle oder lieber verschiedene Tiere in der letzten Reihe oder Pärchen in der Mitte sammle. So gut meine Strategie aber auch ist, ich bin dem Zufall unterlegen. Nach jedem Zug werden die genommenen Plättchen aufgefüllt und ich kann erst dann entscheiden, was ich machen will. Und wenn dann eben nicht die passenden Plättchen ausliegen, muss ich halt irgendetwas nehmen. Die taktische Entscheidungstiefe ist dabei leider eher flach, denn meistens wähle ich einfach das Tier aus, mit dem ich die meisten Plättchen erhalte. Irgendetwas kann ich damit sicherlich anfangen. Nur in den letzten zwei Runden schaue ich verstärkt, welche Tiere oder Farben ich noch benötige, um die Punkte zu maximieren.

Solo spielt sich „Loco Momo“ sehr schnell in weniger als fünf Minuten pro Partie. Es gibt keinerlei Regelanpassungen, ich versuche nur meinen eigenen Highscore zu knacken. Interessanterweise ist selbst die kleinste Wertung mit 45 Punkten gar nicht so leicht zu erreichen. Im Mehrpersonenspiel kam ich dagegen gleich beim ersten Versuch auf 62 Punkte, was die beste zu erreichende Punktzahl im Solospiel ist.

Alles in allem hat mich „Loco Momo“ einige Partien am Handy dank Board-Game-Arena-Umsetzung gut unterhalten. Da es sehr schnell vorbei ist, kann ich da auch immer zwischendurch eine Partie spielen. Es nutzt sich aber natürlich auch schnell ab und jede Partie spielt sich ähnlich. Als kleines Unterhaltungsspiel mit niedriger Einstiegshürde hat es mir aber wirklich gut gefallen. (7,0)

Loco Momo (BGA)
Loco Momo (BGA)

Wertung: (7,0)

#LocoMomo

Chocolate Factory (Skellig Games, 2022)

Wer wäre nicht gerne Inhaber eine Schokoladenfabrik so wie Willy Wonka? „Chocolate Factory“ kommt ohne Umpa-Lumpas aus, hat dafür aber alles, was sonst eine Schokoladenfabrik ausmacht: ein Fließband, Kakaobohnen und hinten fallen Pralinen raus. Das Spiel erschien schon 2019 bei Alley Cat Games via Kickstarter. Die Deluxe-Edition kommt im Oktober 2022 auch auf Deutsch bei Skellig Games heraus. Da ist es praktisch, dass ich das Spiel bei Board Game Arena vorab mehrmals spielen konnte.

„Chocolate Factory“ geht über sechs Runden in Form von Arbeitstagen. Jede Runde wählen die Spielerinnen reihum zuerst aus einer Auslage eine neue Produktionsmaschine oder einen Angestellten und dann rückwärts das entsprechend zuvor nicht gewählte aus (analog zum initialen Häusereinsatz bei „Catan“). Die Produktionsmaschine wird auf einen der acht Plätze in der Schokoladenfabrik gelegt. Der Angestellte bringt entweder ein Geschenk (Sofortbonus), einen Vorteil (Dauerbonus für diese Runde) oder eine extra Aktion. Nach der Vorbereitungsphase folgt die Produktionsphase, die bei den Spielerinnen parallel ablaufen kann. Ich habe drei Aktionen/Schichten, wobei der Schichtbeginn immer daraus besteht, dass ich auf mein Fließband links ein Plättchen mit einer Kakaobohne reinschiebe. Danach kann ich Kohle ausgeben, um die Produktionsmaschinen über- und unterhalb des Fließbandes zu aktivieren. So kann ich aus der Kakaobohne Schokolade machen, aus der wiederum eine Schokoladentafel oder ein Schokoladenriegel wird, die ich beide wiederum zu Pralinen verarbeiten kann, um zum Schluss alles in eine hübsche, blaue Packung zu stecken. Einige Produktionsmaschinen erlauben die Verdoppelung von Schokoladenprodukten auf dem Fließband oder eine direkte Umwandlung von beispielsweise Kakaobohnen in Schokoladentafeln. Nach drei Schichten ist Schluss und ich kann die produzierte Schokolade (die auf der rechten Seite vom Fließband gefallen ist) entweder an Läden oder Kaufhäuser liefern. Für die Ladenbestellungen hat jede Spielerin zu Spielbeginn drei Bestellungen in klein, mittel und groß vor sich liegen, die direkt Geld (gleichbedeutend mit Siegpunkten) abwerfen. Die Kaufhäuser dagegen sind prinzipiell für alle gleich zugänglich. Welches Kaufhaus ich aber beliefern darf, bestimmt mein Angestellter, den ich zu Rundenbeginn angeworben habe. Die fünf Kaufhäuser geben mir keinen Sofortgewinn. Wenn ich aber in einem Kaufhaus zum Spielende die meisten Lieferungen getätigt habe, erhalte ich entsprechend Geld. Nach den sechs Arbeitstagen ist das Spiel auch schon vorbei und die Spielerin mit dem meisten Geld gewinnt.

Es gibt Spiele, deren Anleitung das Spielgeschehen so klar verdeutlicht, dass ich zu einem großen Teil meinen Ersteindruck schildern kann, ohne auch nur eine Partie gespielt zu haben. Tatsächlich spielt sich „Chocolate Factory“ so fließend und stimmig, wie es die Anleitung suggeriert. Es passt vom Thema her sehr vieles zusammen, was die Abläufe verständlicher macht. Aus Kakaobohnen mache ich Rohschokoladenmasse und daraus entstehen dann die Tafeln oder Riegel. Dass ich aus denen wiederum Pralinen mache, mag ich etwas bezweifeln, aber zumindest das Verpacken passt thematisch dann wieder. Zusammen mit dem Fließband wirkt die ganze Fabrik tatsächlich wie eine Produktionshalle, in der ich in Schichten Schokolade herstelle. Auch die Fähigkeiten der Angestellten passen zu einem großen Teil. Der Mechaniker lässt mich eine Maschine besser nutzen, die Direktorin hat einen guten Draht zu den Kaufhäusern und verdoppelt die Schritte bei einer Lieferung dort. Fraglich ist dennoch, wieso ich die Angestellten nur für einen Tag anheure. Und ich habe auch nicht erfahren, wie ich es schaffe, innerhalb von einem Tag eine komplett neue Produktionsmaschine in meine Halle zu integrieren und gleich noch in Betrieb zu nehmen. Sicherlich könnte man das Thema Schokolade auch durch Milchprodukte oder Spielzeugroboter ersetzen (in Anspielung auf „Bot Factory“, bei dem die Grundmechanik von „Chocolate Factory“ auch sehr gut gepasst hätte), die Umsetzung der Schokoladenfabrik finde ich aber so, wie sie ist, stimmig und passend.

Die Grafik und Illustration des Spiels gefällt mir sehr. Auf den Produktionsplättchen sind kleine Details und Menschen, die am Fließband arbeiten. Die Illustration der Angestellten sind ebenfalls detailliert und stimmig. Gut finde ich auch, dass auf Diversität geachtet wurde und die verschiedenen Geschlechter und Nationalitäten verteilt und nicht nur stereotyp repräsentiert sind. Die Anleitung verrät leider nur, dass das Spiel im „goldenen Zeitalter der Schokolade“ angesiedelt ist, aber nicht, wann das genau sein soll. Stilistisch hätte ich auf Mitte des 20. Jahrhunderts getippt, wenn ich mir die Läden und Kaufhäuser anschaue. Da die Währung Pfund ist, wäre London/England als Standort passend. Ob damals die Maschinen noch mit Kohle beheizt wurden, weiß ich aber nicht. Von der Symbolik her musste ich so gut wie nichts nachschlagen. Die Grafiken sind intuitiv und auch auf dem Spielbrett steht alles, was ich – vor allem für die Endwertung, aber nicht nur – wissen muss. Da es auf den Angestellten-Karten Texte gibt, ist das Spiel nicht komplett sprachneutral. Deswegen finde ich es gut, dass es eine deutschsprachige Version geben wird.

Mechanisch ist „Chocolate Factory“ ein Engine-Builder – und das im wahrsten Wortsinn. Ich baue immer mehr Produktionsmaschinen in meinen Fabrik, die dann nacheinander die Schokolade bearbeiten, verbessern und vermehren können. Wichtig ist, dass ich im Normalfall pro Runde auf der linken Seite der Fabrikhalle nur drei neue Plättchen reinschiebe und entsprechend auch nur drei Plättchen auf der rechten Seite herausfallen. Ich habe daher nicht beliebigen Zugriff auf meine Schokolade, sondern muss auf das Ende der Produktionskette warten. Das hat mir gefallen, weil ich gleich eine Runde im Voraus denken muss, wie die Plättchen zukünftig geschoben werden und welches Schokoladenteil wo stehen bleibt. Zusätzlich kann ich in meinem Lager nicht beliebig viel Schokolade bunkern. Gerade einmal zwei Einheiten kann ich in den nächsten Tag retten, den Rest muss ich ausliefern oder im schlimmsten Fall zu Kohle verarbeiten, damit ich zumindest damit heizen kann. Thematisch ist das maximale Haltbarkeitsdatum von einem Tag sicherlich fraglich und die Umwandlung in Kohle sicherlich auch (wobei Schokolade zu einem großen Teil aus Kohlenhydrate/Kohlenstoffen besteht). Spielmechanisch gefällt mir diese Einschränkung ebenfalls sehr, da ich die Ladenbestellungen oft nur in kleinen Schritten erfüllen kann und nicht alle auf einmal. In Summe entsteht dadurch auch ein großartiger Spannungsbogen, weil ich von Runde zu Runde mehr produzieren, aber nicht alles lagern kann.

Chocolate Factory – Auslage mit Produktionsmaschinen und Angestellten (BGA)
Chocolate Factory – Auslage mit Produktionsmaschinen und Angestellten (BGA)

Dieses Engine-Building und Umwandeln von Ressourcen hat mich sehr stark an „Furnace“ erinnert. Und wie „Furnace“ hat „Chocolate Factory“ das gleiche Problem: Es spielt sich solitär und hat sehr wenig Interaktion. Es hat einen Grund, wieso die Anleitung erwähnt, dass sowohl die Produktionsphase als auch die Lieferphase parallel gespielt werden können. Das Miteinander beschränkt sich somit hauptsächlich auf die Auswahl (Drafting) der Produktionsmaschinen und der Angestellten zu Rundenbeginn. Der Vorteil der parallelen Ausführung ist natürlich, dass es kaum Downtime gibt. Die Spieldauer liegt im Normalfall bei circa einer Stunde, egal wie viele Personen mitspielen. Würde man die Produktionsphase serialisieren, würde die Spielzeit enorm ansteigen und das Spiel vermutlich auch nicht mehr über diese Dauer tragen können. Mindestens die Lieferphase würde ich immer streng nach Spielerreihenfolge abhandeln, weil ich je nach Lieferaktionen der Mitspielerinnen entscheiden kann, ob ich lieber das Kaufhaus oder einen Laden beliefern möchte. Die parallele Ausführung hat in meinen Augen dazu ein anderes Problem: Ich kann sehr leicht Fehler machen, ohne dass es jemand bemerkt. Am Ende der Produktionsphase haben alle Spielerinnen eine gewisse Menge an Schokoladenstücken im Lager liegen und ich kann nur darauf vertrauen, dass sich niemand aus Versehen vertauscht hat. Vor allem beim Rückgängigmachen eines Spielzuges kann das sehr leicht passieren, wie ich das Problem auch aus „Dice Hospital“ kenne. Im Online-Spiel habe ich mehrfach Züge zurückgenommen, weil ich am Ende der Phase merkte, dass ich nicht ganz das Richtige produziert hatte.

Das Auswahlsystem der Produktionsmaschinen und der Angestellten fand ich ziemlich innovativ und habe es bisher auch noch in keinem anderen Spiel gesehen. Es gibt zwar immer fünf Maschinen und fünf Angestellte zur Auswahl, diese werden aber jeweils so gruppiert, dass es doppelt so viele Päckchen wie Spielerinnen gibt (also zwei Angestellte und drei Angestellte sowie zwei Maschinen und drei Maschinen im Spiel zu zweit). Wenn ich ein Päckchen wähle, darf ich nur eine Maschine oder einen Angestellten behalten, die anderen werden abgeworfen. Und so kann ich nicht nur entscheiden, was ich gerne hätte, sondern gleichzeitig auch, was ich den Mitspielerinnen vorenthalten möchte. Vor allem die Einschränkung, dass der Angestellte bestimmt, an welches Kaufhaus ich diese Runde liefern darf, macht die Mehrheitenwertung interessant, da ich explizit beeinflussen kann, ob mir jemand in die Quere kommt oder nicht. Im Spiel zu zweit hat das eine noch größere Auswirkung, da ich bis zu drei Angestellte (also drei Kaufhäuser) vorenthalten kann. Die Kaufhäuser haben im Spiel zu zweit aber eine zu große Auswirkung. Wenn eine Spielerin in einem Kaufhaus gar nichts liefert, sind das bereits 16 Punkte Unterschied, circa ein Zehntel der Gesamtpunktzahl. Und so sind meist beide Spielerinnen überall vertreten und teilen sich die Punkte auf. Für dieses „Problem“ gibt es im BGG-Forum eine Variante mit einem dritten Dummyspieler, der nur in den Kaufhäusern fortschreitet und so für Konkurrenz sorgt. Leider konnte ich diese bei BGA aber nicht testen.

Wie oben beschrieben, sind die Regeln sehr eingängig und leicht zu verstehen. Die Einstiegshürde ist also sehr gering. Dennoch ist die Vorausplanung auf mindestens die aktuelle Runde mit ihren drei Schichten oder gar auf die Folgerunde enorm wichtig. Eigentlich muss ich zu Beginn der Produktionsphase genau wissen, welche Maschine ich mit den drei Aktionen wie aktivieren will und wie viele Schokoladenstückchen am Ende herausfallen, damit es für meine Lieferungen passt. Wer das nicht gut beherrscht, verliert entweder oder muss sehr lange nachdenken und vielleicht sogar Züge zurücknehmen. Das Spiel hätte sogar noch etwas komplexer sein können, indem beispielsweise die Maschinen wirklich Geld kosten und ich mit Siegpunkten bezahlen muss (analog zu „Evo“). Oder dass ich auch Nüsse und Karamell einkaufen muss, um mit der Schokolade zusammen Pralinen herstellen zu können. Ich finde die Komplexität aber genau richtig, so wie sie ist. Die Umwandlungskette der Schokolade ist sehr schnell verinnerlicht und auch alles andere fügt sich sehr gut zusammen. Die Punkte für die Endwertung bei den Kaufhäusern sind direkt auf den Spielplan und die Karten gedruckt. Eine Besonderheit: Ich erhalte als Zweiter und Drittplatzierter in einem Kaufhaus nur Punkte, wenn ich mindestens halb so viel Schokolade geliefert habe wie die Person vor mir. Sprich, wenn die Erste fünf Schokolade geliefert hat, ich aber nur zwei, gibt es für mich auch keine Punkte, obwohl ich Zweiter bin. Das hat mir sehr gut gefallen, weil es damit nicht ausreicht, in jedem Kaufhaus eine einzige Lieferung zu machen, um Punkte abzustauben.

Chocolate Factory – Die unterschiedlichen Kaufhäuser (BGA)
Chocolate Factory – Die unterschiedlichen Kaufhäuser (BGA)

Unterschiedliche Strategien habe ich bei meinen Partien keine erkannt. Entweder hole ich mir die Punkte während der Partie durch Ladenlieferungen oder bei Spielende über die Kaufhäuser. Die Kaufhäuser werfen immer 16/8/4 Geld ab für die ersten drei Plätze. Zusätzlich gibt es noch 6/12/24 Geld, wenn ich 3/4/5 Kaufhäuser beliefert habe. Nach drei Zweipersonenpartien würde ich sagen, dass es unerlässlich ist, bei allen Kaufhäusern zumindest ein bisschen mitzumischen. Ich sollte aber natürlich auch in zwei oder drei Kaufhäusern vorne liegen. Die gleiche Verteilung des Geldes hat mich dabei etwas gestört. So kann ich im Kaufhaus „Fresh Fancies“ für eine Schokoladentafel einen Schritt vorgehen. In der Produktionskette sind dies nur zwei Verarbeitungsschritte. Im Kaufhaus „Dunstan and Gilbert's“ muss ich dagegen für einen Schritt zwei Pralinen und/oder Schachteln abliefern. Das sind in Summe dann 6-8 Verarbeitungsschritte. Dennoch erhalte ich bei beiden Kaufhäusern die gleichen Punkte, was ich nicht verstehe. Auf der Rückseite der Kaufhäuser gibt es leichte Variationen. Bei einem Kaufhaus wird die Schrittweite dabei durch die Art der Lieferung bestimmt. Standard-Schokolade gibt nur einen Schritt, Schachteln dagegen vier. Das hat mir etwas besser gefallen, da der Mehraufwand bei der Produktion beachtet wird. Durch die unterschiedlichen Kaufhäuser ist die Variabilität etwas größer. Ebenso ergeben sich durch die unterschiedlichen Ladenlieferungen, Produktionsmaschinen und Angestellten immer neue Produktionsabläufe. Ich mache zwar jede Partie das gleiche, es fühlt sich aber nicht so an.

Um „Chocolate Factory“ kennenzulernen, habe ich vier Partien in der Solovariante gespielt. Der reine Produktionsablauf ist identisch. Bei der Auswahl der Maschinen und Angestellten stehen mir prinzipiell alle fünf zur Verfügung, von Montag bis Freitag ist aber jeweils eine Maschine und ein Angestellter nicht auswählbar. Anstelle einer Highscorejagd wurde der interessantere Weg über Ziele gegangen. So habe ich ein offenes Wochenziel („Erreiche 50 Geld, liefere an zwei Kaufhäusern mindestens 2x etwas und erfülle eine kleine, mittlere und große Ladenbestellung“) und ein offenes Tagesziel. Fünf weitere Tagesziele werden verdeckt ausgelegt und zu Beginn jeder Runde eines aufgedeckt. Das heißt, ich weiß zu Spielbeginn noch nicht, welche Produktionsmaschinen mir später etwas bringen werden. Das klingt unfair und anfangs dachte ich auch, dass es unmöglich ist, all diese Anforderungen zu erfüllen. Nach vier verlorenen Partien könnte man meinen, dass das stimmt. Ich kann das aber nicht bestätigen, da die Niederlage immer ganz knapp ausfiel. Mir fehlte am Ende immer nur eine einzige Ladenbestellung oder eine einzige Ware, um alle Anforderungen zu erfüllen. Ich hatte dabei nie das Gefühl, dass ich aufgrund der zufälligen Auslage von Produktionsmaschinen und Angestellten verloren hatte. Ich bin sicher, dass ich einfach nur nicht ganz optimal gespielt habe. Eine Schwierigkeitsgradanpassung gibt es auch, indem ich entweder das erste Tagesziel weglasse (dann hätte ich bis zumindest drei der vier Partien gewonnen) oder noch mehr hinzufüge. Mit ungefähr 40 Minuten Spielzeit ist eine Partie dabei auch so schnell gespielt, dass gerne eine zweite folgen kann. Die Varianz ist dabei wie im Mehrpersonenspiel hoch genug, vor allem durch die unterschiedlichen Wochen- und Tagesziele, sodass ich nicht jede Partie das gleiche Schema runterspielen kann.

Chocolate Factory – Wochen- und Tagesziele der Soloversion (BGA)
Chocolate Factory – Wochen- und Tagesziele der Soloversion (BGA)

Für mich ist „Chocolate Factory“ eine echte Überraschung. Das Thema ist unverbraucht, die Grafik finde ich schön, die Mechanik funktioniert erstklassig. Im Mehrpersonenspiel ist die Interaktion leider etwas gering, dafür kann man es parallel spielen, wodurch es kaum Wartezeit gibt und die Spielzeit klein bleibt. Am überzeugendsten fand ich aber die Solovariante. Sicherlich wäre ein Schokoladenautomat als Gegner (den es als inoffizielle Variante gibt) interessant gewesen, aber die Erfüllung der gegebenen Ziele empfand ich als so spannend, abwechslungsreich und fordernd, dass ich gerne eine weitere Partie gespielt habe. Allen Solospielern empfehle ich definitiv einen Blick auf „Chocolate Factory“ zu werfen. Ich muss mir als Nicht-Solospieler nur noch überlegen, ob mir die deutschsprachige Version von Skellig Games so viel Geld wert ist. (8,5)

Chocolate Factory – Meine Fabrik gegen Spielende (BGA)
Chocolate Factory – Meine Fabrik gegen Spielende (BGA)

Wertung: (8,5)

#ChocolateFactory

Hardback (Fowers Games, 2019)

„Hardback“ habe ich erstmals im August 2019 gespielt und es kam seitdem nie wieder auf den Tisch. Es war einfach nicht meine Art Spiel. Die Idee eines Deckbuilders mit Buchstaben fand ich initial recht interessant. Die sehr hohe Downtime (aufgrund der Überlegungen von nicht so wortgewandten Spielerinnen) und das solitäre Spiel haben mir aber nicht zugesagt. Es spielte sich für mich etwas besser als der Vorgänger „Paperpack“, aber dennoch nicht gut. Da das Spiel sowieso solitär ist, bot es sich an, dass ich mir auf Board Game Arena den Solomodus gegen Penny Dreadful anschauen konnte.

Der eigene Zug ist identisch zum Mehrpersonenspiel: Fünf Buchstabenkarten ziehen. Tintenfässchen ausgeben, um Karten nachzuziehen. Ein Wort bilden. Die Effekte der Karten auslösen (bei zugekauften Genrekarten meist nur, wenn sich mindestens zwei Buchstaben des gleichen Genres im Wort befinden). Punkte und vor allem Geld dafür bekommen. Neue Buchstabenkarten und mit dem Restgeld Tintenfässchen kaufen. Penny dagegen entfernt einfach die älteste Buchstabenkarte aus der Auslage und erhält ihren Kaufwert als Punkte. Daneben hat Penny ein Lieblingsgenre (unterschiedliche Spielmodi, um etwas Varianz zu erzeugen). Je nach Art erhält sie extra Punkte oder entfernt zusätzliche Karten aus der Auslage. Wer zuerst 60 Punkte erreicht, gewinnt die Partie.

Mir haben die Partien gegen Penny wenig Spaß gemacht. Zum einen gefällt mir „Hardback“ als Spiel nicht so sehr. Vor allem zu Beginn ziehe ich immer wieder die gleichen/ähnlichen Buchstaben und bin dann auch noch so unkreativ und bilde die gleichen Worte. Wenn ich mein Deck im Idealfall wie bei anderen Deckbuildern ausdünnen würde (was aber nur mit wenigen Karten als Effekt geht), dann würde ich sogar jede Runde das exakt gleiche Wort legen. Und die Konzentration auf ein oder maximal zwei Genres, um die Effekte beim Ausspielen auszulösen, finde ich zu einschränkend. Ich würde lieber die Buchstaben kaufen, die mir sinnvoll erscheinen. Zum anderen spiel sich Penny sehr zufällig. Der Grund ist, dass ich hochpreisige Karten (die Werte gehen von 2 bis 9 Geld) selbst nicht kaufen kann. Diese fallen also immer Penny zu. Mit einem Genre kann ich über den Effekte „Gefängnis“ Karten aus der Auslage entfernen. Und nur so habe ich es geschafft, zwei von sechs Partien zu gewinnen. Wenn ich aber gezwungen bin, immer auf das gleiche Genre zu gehen, erübrigt sich das Genreangebot. Zusätzlich war auch dies kein Garant dafür, dass ich gewinne. Sicherlich ist Penny auch anders zu schlagen, wenn man das Spiel sehr gut kennt und spielen kann. Aber so fühlten sich die sechs Partien sehr zufällig und unbefriedigend an. Meine Punkte bis zur Niederlage streuten dabei zwischen 32 und 43. Ich war also oft noch die Hälfte vom Sieg entfernt. Für mich ist „Hardback“ also immer noch nichts, denn der Solo-Automat macht es nicht besser als mit echten Mitspielerinnen. (5,0)

Hardback solo gegen Penny Dreadful (BGA)
Hardback solo gegen Penny Dreadful (BGA)

Wertung: (5,0)

#Hardback

(Neu) Gespielte Spiele im Juni 2022

Vital Lacerda ist ein sehr bekannter Brettspielautor aus Lissabon, Portugal. Im Juni habe ich einige seiner Spiele kennenlernen dürfen.

Vinhos Deluxe Edition (Eagle-Gryphon Games, 2016)

2010 kam mit „Vinhos“ ein Weinanbauspiel von Vital Lacerda auf dem Markt. Es handelte sich um das erste eigenständige Spiel des Autors (soweit ich das auf BGG sehe) und viele weitere sollten folgten. Fast alle Spiele von Vital Lacerda sind durch ihre Komplexität und enge, thematische Verzahnung bekannt. Da ich „Kanban“ sehr mag, freute es mich, endlich einmal die „Vinhos Deluxe Edition“ kennenzulernen.

Die Regeln von „Vinhos“ sind schnell umrissen: Wir sind Winzer und erwerben an der Westküste Portugals Weinanbaugebiete. Hier können wir Rot- oder Weißwein anbauen, Farmer in die Weinberge schicken oder Önologen auf dem Weingut arbeiten lassen. Experten unterstützen uns mit ihren Fähigkeiten. Die Weintrauben ernte ich am Jahresende und stelle daraus direkt Wein her, den ich einlagere. Der Wein reift auch jedes Jahr, wird aber im Normalfall nach zwei Jahren schlecht (mit einem Keller hält er länger), wenn ich ihn bis dahin nicht verkauft (gibt Geld), exportiert (gibt Siegpunkte) oder auf der Messe nach dem dritten, fünften und sechstem Jahr ausgestellt habe. Nach sechs Jahren endet auch bereits das Spiel, es werden noch einmal einige Siegpunkte ausgeschüttet und der beste Winzer gewinnt.

Ein Hinweis: Wir spielten mit den vereinfachten Regeln der „Vinhos Deluxe Edition“. Das originale „Vinhos“ hat, soweit ich das sehe, noch eine Bank und einige andere Regeln, die das Spiel komplexer machen. Da ich die Version nicht kenne, kann ich sie nicht beurteilen, aber „Vinhos“ in der vereinfachten Variante wirkte auf mich so rund, dass ich keine weiteren Mechanismen mehr dafür einbauen würde. Die unterschiedlichen Versionen haben leider einen Nachteil: Es gibt drei Regelhefte. Dementsprechend dauerte es beim Nachschlagen einige Zeit, weil wir nicht immer genau wussten, wo die Antwort zu suchen war.

„Vinhos“ ist von den mir bekannten Lacerdas eher ein leichterer Vertreter, wobei ich es dennoch als Expertenspiel bezeichnen würde. Es gibt nur sechs Runden, in jeder habe ich zwei Aktionen mit meinem einzigen Arbeiter. Die zwölf Aktionen muss ich also sehr genau planen, damit ich sie auch effizient nutze. Gefallen hat mir dabei, dass von Anfang an der „Rhythmus“ des Spiels klar war. Ich wusste nach der 45-minütigen Erklärung, was ich zu tun hatte, um X oder Y zu erreichen. Diese leichte Zugänglichkeit zeichnet ein gutes Spiel aus. Die Spannungskurve lag ständig weit oben, ganz einfach, weil es so wenig Aktionen gab und das Spielende immer näher kam. Und so entschied sich das Spiel auch erst auf den letzten Metern mit den Endwertungsplättchen am Spielende.

Mir hat „Vinhos“ sehr gut gefallen. Thematisch passte sehr vieles – dazu noch besser als bei „Viticulture“. Einzig die Experten fand ich etwas schwach, weil es für weil es für jeden der vier Expertentypen jede Fähigkeit einmal gab. Die Experten unterschieden sich also nur in der Farbe und wie viele extra Messepunkte ich dafür bei der Weinausstellung erhalten würde. Würde ich „Vinhos“ wieder mitspielen? Definitiv ja. Würde ich es aber vorschlagen, wenn beispielsweise auch „Kanban“ zur Auswahl steht? Nein, vermutlich eher nicht, weil das Thema mich einfach wenig anspricht. (9,0)

Vinhos
Vinhos

Wertung: (9,0)

#VinhosDeluxeEdition

Lisboa (Eagle-Gryphon Games, 2017)

Nachdem „Vinhos“ auf den Tisch kam und mich zumindest mechanisch sehr begeistern konnte, machten wir danach mit Lacerdas „Lisboa“ weiter.

In „Lisboa“ bauen wir Lissabon nach einem Erdbeben mit Tsunami und Feuer im Jahr 1755 wieder auf. Hierfür habe ich Personenkarten in den Farben Grün, Blau und Rot und Gegenstandskarten auf der Hand. Eine Personenkarte kann ich an mein Spielertableau anlegen und erhalte deren Einmalbonus. Eine Gegenstandskarte kann ich ebenfalls an mein Tableau anlegen, erhalte dafür Geld und einen dauerhaften Bonus. Danach kann ich entweder Waren (Gold, Bücher, Stoffe, Werkzeuge) an ein Schiff bei mir oder einer Mitspielerin verkaufen oder ich handel mit bis zu zwei Adligen. Der Handel ist nichts anderes als eine Aktionswahl aus sechs Aktionen, die ich mit einer bestimmten Warenart bezahlen muss. Alternativ zum Anlegen an meinem Tableau kann ich die Personenkarte zentral ausspielen, um mit einem der drei Adeligen (ebenfalls in den Farben Grün, Blau und Rot) in Kontakt zu treten. Auch hier dient das wieder nur der Aktionswahl. Dabei darf ich eine der Basisaktionen kostenlos (also ohne extra Ware) ausführen. Zusätzlich erhalte ich Zugriff auf Sonderaktionen, die ich sonst nicht direkt ausführen kann. Dieser Personenwahl können meine Mitspielerinnen folgen, wenn sie ein entsprechendes Gunstplättchen abgeben. Ich kann auch eine Gegenstandskarte zentral ablegen und erhalte den abgebildeten Einmalbonus. Der Karte kann niemand folgen. Danach ziehe ich eine Karte von vier Stapeln nach (Personenkarten in Grün, Blau und Rot oder Gegenstandskarten) und die nächste Spielerin ist dran.

In Summe gibt es also neun mögliche Aktionen. Da der Hauptteil des Spiels der Bau von öffentlichen und Produktionsgebäuden ist, zielt vieles darauf ab. So kann ich mit zwei Aktionen Beamte in die Amtsstube schicken oder mir einen Plan für ein öffentliches Gebäude besorgen, welches ich durch eine andere Aktion dann bauen kann. Oder ich baue ein normales Gebäude, welches Geld kostet und Siegpunkte bringt. Ich kann auch Schiffe bauen (im Spiel zu zweit gibt es maximal vier), über welche ich oder meine Mitspielerinnen Waren verkaufen können. Mittels der Produktionsaktion produzieren alle meine Produktionsgebäude Waren, dafür fällt der Warenwert aber auf dem Markt, was den Verkaufspreis senkt. Oder ich bewege den Kardinal auf dem Kirchentableau, welches mir dauerhafte Bonusplättchen bringt, die ich später dann auch gegen Siegpunkte und Einfluss eintauschen kann. Eine der wichtigsten Aktionen scheint aber das Nehmen von Zielkarten zu sein, denn diese bringen einen Großteil der Punkte (zumindest in unserer Partie).

Und so spielen wir, bis drei der vier Stapel leer sind oder zwei Spalten mit Trümmermarkern auf einem Spielertableau voll ist. Dann gibt es eine kleine Zwischenwertung und wir starten die zweite Epoche mit leicht anderen Personen- und Gegenstandskarten zur Auswahl. Sind dann wieder drei der vier Stapel leer sind oder vier Spalten mit Trümmermarkern voll, endet das Spiel. Es gibt noch einmal Punkte für eigene Schiffe, für volle Spalten an Trümmermarkern, für die Mehrheit bei jedem der vier Produktionsgebäuden (Gold, Bücher, Stoffe, Werkzeuge), für die eigenen Beamten in den öffentlichen Gebäuden, für Gunstmarker und schlussendlich für die eigenen Zielkarten.

Wer die Anleitung von „Lisboa“ liest, sieht an jeder Ecke das Thema. Zu fast jedem Absatz gibt es eine Erklärung, wie die Aktion oder das Material sich thematisch in den Aufbau Lissabons nach 1755 einfügt. Im Spiel habe ich vom Thema leider wenig gemerkt. Die Trümmermarker sind für mich nur bunte Würfel. Dass Beige für Erdbeben, Blau für Tsunami und Rot für Feuer steht, ist mir herzlichst egal, wenn ich nur ein Set vervollständigen will, weil ich dadurch mehr Karten an mein Tableau anlegen darf. Dass die drei Adligen auf dem Spielplan reale Personen sind, ist mir egal, ich schaue nur auf die Aktionen und spiele entsprechend eine grüne, blaue oder rote Personenkarte. Für mich war das alles nur abstrakt ohne historischen Hintergrund, für den ich mich aber auch nicht im Spiel interessiere (im Nachgang lese ich gerne etwas dazu). Im Gegenteil wirkte das eine oder andere thematische Detail störend. So bezahlen wir im Spiel nicht mit Geld, sondern mit Réis. Das ist historisch und thematisch korrekt, es klingt im Deutschen aber seltsam, wenn ich für ein Gebäude „15 Reis“ bezahlen muss. Das wirkte dann unfreiwillig komisch. Genauso wie das Sammeln von Perücken, weil niemand das Wort „Siegpunkte“ in den Mund nehmen wollte. Dass ich aber am Spielende 123 Perücken im Schrank stehen habe, lässt mich das Spiel nicht ernst nehmen.

Die Illustration von Ian O'Toole ist immer eine Diskussion wert. So gibt es einige Spiele, bei denen ich seinen Stil mag. „Lisboa“ zählt definitiv nicht dazu. Ich finde den Spielplan viel zu trist und langweilig, gleichzeitig aber wieder komplett überladen und unübersichtlich. Hätte ich das Spiel und den Autor nicht gekannt, hätte ich den BGG-Link innerhalb von fünf Sekunden wieder geschlossen. Und auch die Symbolik fand ich alles andere als eingängig. Bis zum Spielende konnte ich mir nicht merken, wofür die „Krone“ stehen soll. Jedes einzelne Kirchenplättchen mussten wir nachschlagen, weil sich aus den abgebildeten Symbolen keines erschloss. Da solche komplexen Spiele bei uns selten auf den Tisch kommen (einmal pro Jahr), bedeutet das auch, dass nach einem Jahr die Regeln und Symbolik erneut erlernt werden muss.

Vermutlich liegt das aber auch einfach an der Fülle an Symbolen, Mechaniken und Aktionen im Spiel. Mir war das einfach zu viel von allem. Zwei Arten von Karten, eine Art in drei Ausprägungen, drei Möglichkeiten, was ich mit denen mache, je nach Wahl dann entweder die Auswahl von zwei aus sechs Aktionen oder zwei aus drei. Und dann Aktionen, die mehrfach aufeinander aufbauen, ehe ich den Kern des Spiels erreiche: den Bau eines simplen Gebäudes. Dazu noch ein Markt und einen Kirchenrundgang und Zielkarten und sicherlich noch mehr, das ich vergessen habe. Im Gegensatz zu „Vinhos“, bei dem ich sofort im ersten Zug wusste, was ich zu tun hatte und in welche Richtung ich mich entwickeln möchte, ist „Lisboa“ nicht intuitiv. Es erschließt sich vermutlich erst nach zwei oder drei Partien, wie die genauen Zusammenhänge sind. Dazu wird es aber nicht kommen, weil ich fast jede Minute des Spiels gehofft habe, dass es gleich vorbei sein wird. Das war dann auch einfach mein Spielziel: Ich wollte möglichst schnell Trümmermarker sammeln, damit es vorbei ist. Dass mir das den Spielsieg bescherte, war dann ein lustiger Nebeneffekt, der das Spiel aber nicht besser macht.

Wenn ich etwas Positives an „Lisboa“ finden will, ist es vermutlich, dass es nicht langweilig ist. Oder zumindest nicht wegen der Wartezeit auf andere Spielerinnen. Oft bin ich selbst in Gedanken. Und je nach ausgespielter Karte kann ich sogar noch folgen, worauf ich das ein oder andere Mal sogar spekuliert habe. Das hat tatsächlich Spaß gemacht. Ansonsten ist die Spielerinteraktion sehr gering. Aktionen können sich die Spielerinnen nicht wirklich wegnehmen, manches wird verteuert (Einfluss) oder verbilligt (Warenproduktion) oder es wird ein Plättchen weggenommen, was ich gerne gehabt hätte. Oft gibt es aber genug Alternativen, um einen anderen Weg zum eigenen Ziel zu finden. Die absolute Spielzeit von zwei Stunden und die gefühlte von drei spricht wiederum in meinen Augen nicht für das Spiel.

In Erinnerung geblieben sind mir ansonsten zwei Dinge: Zum einen, dass bei der Produktion die jeweilige Ware weniger wert wird. Das fand ich zumindest sehr interessant und im Mehrpersonenspiel lässt sich das sicherlich auch nutzen, um das Monopol eines Mitspielers weniger wert sein zu lassen. Es ist aber auch etwas unrealistisch, dass die Produktion von vier Büchern den gleichen Markteinfluss hat wie die Produktion eines einzelnen Buches. Und der Marktwert steigt auch nicht wieder, was mir ebenfalls komisch vorkam. Der zweite positive Aspekt war der Gebäudebau. Das Zusammenspiel von öffentlichen Gebäuden und Produktionsgebäuden, die je nach Konstellation Siegpunkte abwerfen, hat mir gut gefallen, weil es sich so schön ergänzte. Der Mechanismus erinnert mich stark an „Tekhenu“, welches als Teilaspekt ähnlich funktioniert. Vermutlich stehe ich mit der Meinung auch nicht allein da, denn genau der Gebäudebau mit seinen Wertungen wurde mit „Mercado de Lisboa“ von Julián Pombo extrahiert. Das hatten wir letztes Jahr gespielt und blieb aufgrund seiner Belanglosigkeit und unserer Langweile aber nicht in guter Erinnerung.

Mein Fazit: „Lisboa“, nein danke. Das Spiel ist viel zu komplex für mich und in meinen Augen unnötig kompliziert. Das Thema finde ich nicht wieder und die Illustration sagt mir absolut nicht so. Mir fällt kein Grund, wieso ich es noch einmal spielen wollen würde. (4,5)

Lisboa
Lisboa

Wertung: (4,5)

#Lisboa

Bot Factory (Eagle-Gryphon Games, 2023)

Die meisten Spiele von Vital Lacerda sind in der Brettspiel-Community der anspruchsvollen Spielerinnen sehr beliebt. Eines dieser sehr beliebten Spiele ist „Kanban“ und dessen Neuauflage „Kanban EV“. Vital Lacerdas Spiele glänzen meistens auch durch eine sehr hohe Komplexität und Verzahnung der Möglichkeiten, was den Einstieg für Gelegenheitsspieler enorm erschwert. Mit „Bot Factory“ haben João Quintela Martins und Vital Lacerda einen „Kanban“-Ableger veröffentlicht, der das Spielprinzip zugänglicher machen soll. Ob den beiden Autoren das gelungen ist, wollte ich in einigen Online-Partien auf Tabletopia herausfinden. Das Spiel wurde bis Ende Juni 2022 bei Kickstarter finanziert und soll im Mai 2023 ausgeliefert werden.

In „Bot Factory“ sind wir leitende Angestellte einer generischen Fabrik, welche Spielzeug-Roboter herstellt. Wir laufen von Abteilung zu Abteilung, um dort Aufgaben zu erledigen. Konkret gibt es vier Abteilungen: In einer Abteilung hole ich mir eine Blaupause, mit der ich einen der vier farbigen Roboter fertigstellen darf. In einer anderen Abteilung hole ich mir die drei farblich passenden Teile (Kopf, Körper, Beine), die ich zum Bau des Roboters benötige. In der vorletzten Abteilung kann ich den Roboter dann nach und nach zusammenbauen und vom Fließband laufen lassen. Und die letzte Abteilung erlaubt mir den Wert einer Roboterserie (also einer bestimmten Farbe) zu erhöhen oder Aufträge vorzumerken, die ich am Spielende unbedingt erfüllen möchte. Das waren tatsächlich schon alle Hauptaktionen. Dazu gibt es bis auf die letzte Abteilung noch Nebenaktionen, die mich Teile tauschen oder anderweitig nehmen lassen. Und es gibt in allen Abteilungen noch Bonusaktionen, die ich entweder durch das Nehmen oder Legen von Teilen oder durch das Voranschreiten auf einer Leiste aktiviere. Meistens kosten die Nebenaktionen und Bonusaktionen aber Sprechblasen, welche die „Währung“ des Spiels darstellen. Eine Besonderheit ist noch Sandra, die Leiterin der Autofirma aus „Kanban“. Sie schaut uns etwas auf die Finger und wandert von Abteilung zu Abteilung, um dort etwas „aufzuräumen“.

Mechanisch umgesetzt ist das Ganze durch einen Arbeitereinsatzmechanismus, wobei jede Spielerin nur einen Arbeiter hat (sich selbst). In jeder Abteilung gibt es zwei oder drei Einsatzfelder, die unterschiedlich stark sind. Reihum beginnend bei der aktuellen Startspielerin setzen wir unsere Arbeiter also auf eine Abteilung, müssen diese aber von der vorherigen Runde wechseln. Im Zweipersonenspiel darf ich mich zusätzlich nicht zu Sandra in die Abteilung stellen, was einige Aktionen blockiert. Und jetzt der in meinen Augen beste Mechanismus in „Kanban“ und „Bot Factory“: Die Abteilungen und damit die Einsatzfelder sind von links nach rechts geordnet und werden in diese Reihenfolge auch ausgeführt. Als Startspielerin habe ich somit zwar immer die erste Wahl, wo ich hingehen möchte. Gleichzeitig kann das aber dazu führen, dass sich jemand anderes in der gleichen Abteilung vor mich stellt und mir etwas wegnimmt. Letzte Spielerin zu sein, ist also nicht immer schlecht.

Wenn eine Spielerin fünf Roboter gebaut hat oder alle Roboter einer Farbe gebaut wurden, endet das Spiel und es wird abgerechnet. Punkte gibt es für die gebauten Roboter entsprechend der Werteskala in der letzten Abteilung. Zusätzlich gibt es Punkte für die erfüllten Aufträge. Minuspunkte gibt es für reservierte, aber unerfüllte Aufträge, für unerfüllte, noch vor mir liegenden Blaupausen und für unbenutzte, vor mir liegende Teile.

Das Thema des Spiels ist recht generisch, funktioniert aber. Lacerdas Spiele sind dafür bekannt, eine gute thematische Einbettung trotz hoher Abstraktion zu haben. Und das ist wie bei „Kanban“ auch in „Bot Factory“ größtenteils gelungen. Das heißt, die Hauptaktionen „Blaupause nehmen, Teile nehmen, Roboter zusammenbauen“ ergeben einen Sinn, ebenso wie das Reservieren von Aufträgen und die Belohnung/Bestrafung am Spielende. Dass der Wert eines Roboters sinkt, wenn ich eine fertig stelle, soll vermutlich Angebot und Nachfrage abstrahieren. Ich fand die Idee zwar nicht schlecht, seit ich sie so ähnlich aus „Lisboa“ bei der Warenproduktion kenne, aber ich finde es dennoch, dass durch einen Roboter der Marktwert sinkt. Die Steigerung wiederum konnte ich mir durch Marketing-Kampagnen erklären. Die Nebenaktionen passen zu einem großen Teil noch (herumliegende Ersatzteile beim Zusammenbau), aber auch nicht immer (Tausch von zwei Blaupausen gegen ein Universalteil, welches in jeden Roboter passt). Und spätestens bei den Bonusaktionen wird es abstrakt, weil es sich mir nicht thematisch erschließt, wieso ich ein Teil nehmen darf, wenn ich einen Roboter zusammenbaue oder ein Teil einbauen darf, wenn ich eine Blaupause oder ein Teil nehme. Sandra ist dabei wie bei „Kanban“ eine gute thematische Ergänzung. Wo sie in der Vorlage aber je nach Spielmodus noch nett oder böse war und die Spielerinnen belohnte oder bestrafte, bringt sie bei „Bot Factory“ hauptsächlich etwas Abwechslung rein. Konkret ändert sie in drei Abteilungen nur die Auslage und in der letzten passt sie die Wertigkeit der Roboter an. Zusätzlich muss ich eine Sprechblase extra ausgeben, wenn ich eine Aktion ausführen möchte, nachdem Sandra in meine Abteilung gekommen ist.

Die Grafik und Illustration von Pedro Soto ist thematisch passend eher verspielt und niedlich. Mir gefällt der Comic-Stil, aber das ist wie immer Geschmackssache. Sehr gelungen ist die Symbolik. Alles ist klar und deutlich auf dem Spielplan abgedruckt, inklusive Sandras Aktionen. Das einzige Manko ist, dass für die Endwertung kein Platz mehr auf dem Spielbrett war. Das würde vor allem Erstspielerinnen helfen, die Minuspunkte nicht zu vergessen. Bei der Variabilität muss in meinen Augen unterschieden werden: Der prinzipielle Spielablauf ist jede Partie identisch. Ich hole Blaupausen, Teile und baue Roboter. Dabei sind die Blaupausen und Teile zwar zufällig ausgelegt, rotieren aber durch. Von den Aufträgen kommen nur einige ins Spiel, was aber auch nicht zu einer hohen Variation führt. Weswegen sich jedes Spiel dennoch anders anfühlt, ist die sehr hohe Interaktion. Ich zerstöre meinen Mitspielerinnen zwar nichts, aber durch die großartige Mechanik, wer wann drankommt, ist das immer wieder sehr spannend anzusehen, wenn Pläne durchkreuzt werden. Im Zweipersonenspiel wird das durch Sandra erreicht, die eine ganze Abteilung blockiert, mit mehr Personen erledigen das die Spielerinnen selbst. In meiner Zweipersonentestpartie sah ich meinen Mitspieler schon haushoch gewinnen – und er sich vermutlich auch. Mit der vorletzten Aktion bot sich mir aber die Möglichkeit, meine unpassenden Blaupausen gegen eine passende für einen grünen Roboter einzutauschen, ein Universalteil zu nehmen, um dann mit der letzten Aktion den grünen Roboter zu bauen und das Spiel zu beenden, was mein Mitspieler nicht verhindern konnte. Das war ein wirklich großartiger Moment! „Bot Factory“ lässt sich sicherlich auch friedlich nebeneinanderher spielen, aber früher oder später kommen sich die Spielerinnen bei den fast fertig gebauten Robotern in die Quere. Die Downtime variiert sehr stark, da ich sehr von meinen Mitspielerinnen abhängig bin. Sei es bei der Wahl des Aktionsfeldes, als auch dann bei der Ausführung, weil sich jemand anderes vor mich gesetzt hat und mir wichtige Teile wegnimmt. Die Spielzeit kann also sehr variieren. Im Zweipersonenspiel benötigten wir 110 Minuten, weil oft geknobelt wurde, was nun die beste Platzierungsmöglichkeit für den Arbeiter wäre.

Bot Factory (Tabletopia)
Bot Factory (Tabletopia)

Die Anleitung liest sich recht gut, auch wenn ich einige Passagen mehrfach lesen musste, um das Spiel zu verstehen. Den Anspruch zum Verständnis der Anleitung würde ich also schon etwas höher ansetzen. Wer jede Woche neue Spiele lernt, wird kein Problem damit haben. Wer einmal im Jahr eine Spielanleitung in die Hand nimmt, muss sich aber vermutlich eher durcharbeiten. Das liegt aber hauptsächlich an der Komplexität des Spiels. Auch wenn „Bot Factory“ niedlich aussieht, ist es immer noch im Kern ein Lacerda-Spiel. Und auch, wenn es sich einfacher als „Kanban“ verstehen und spielen lässt, ist „Bot Factory“ kein Spiel für den geselligen Familienabend. Die Hauptaktionen sind noch sehr einfach zu verstehen. Dann kommen aber noch die Nebenaktionen und Bonusaktionen dazu. Und natürlich auch Sandras Aktionen müssen verstanden werden (insbesondere die Funktionalität des Teile-Fließbandes). Aber auch das macht noch nicht die Komplexität aus. Die Komplexität kommt aus der Vorausplanung mehrere Züge (Wo stellen sich die Mitspielerinnen hin? Wo wird Sandra stehen und was wird sie in der Abteilung verändern?) und der optimierten Nutzung von Bonusaktionen. Das ist deswegen auch mein größer Kritikpunkt am Spiel: Die Aufmachung und Gestaltung passt nicht so ganz zur Zielgruppe. Wer bei den niedlichen Roboter-Meeples und der Comic-Grafik ein schnelles, kleines Kinderspiel erwartet, wird gehörig enttäuscht werden. Gleichzeitig ist „Bot Factory“ dennoch so aufgebaut, dass es sich mit Kindern der Altersstufe ab 8 spielen lässt. Hier sollten sich alle von vornherein darauf einigen, dass die Bonus- und Nebenaktionen nicht genutzt werden können. Das Spiel wird dann etwas flacher, aber auch einfacher. „Bot Factory“ unterscheidet sich dadurch auch von „Mercado de Lisboa“. Bei dem wurde ein Kernelement aus „Lisboa“ herausgelöst. Übrig blieb ein (in meinen Augen) sehr langweiliges und belangloses Spiel ohne große Entscheidungsvielfalt. „Bot Factory“ ist da ganz anders, weil die komplette „Kanban“-Mechanik übernommen und an einzelnen Stellen vereinfacht wurde. Überall konnte ich die Vorlage wiedererkennen. Ich hätte mir deswegen vermutlich auch eher ein „Kanban Family“ mit Kanban-Thema und Aufmachung, aber den vereinfachten Regeln und Spielbrett gewünscht. Kritik erhält „Bot Factory“ von mir noch aufgrund des Verwaltungsaufwands. Eigentlich ist es nur, dass ich am Rundenende zwei Blaupausen ablege, dichtschiebe und auffülle. Es ist aber etwas, das ich ständig vergaß und das mich auf die Dauer auch störte. Hier hätte mir das Abwerfen durch Sandra vollkommen genügt.

Ein Wort noch zur Soloversion. Neben Sandra darf ich dann noch einen Prüfer namens Vilela steuern. Vilela hat ein Aktionsdeck mit den vier Abteilungen und ein Roboterdeck mit vier Roboterfarben. Jedes Mal, wenn Vilela am Zug ist, den Arbeiter zu setzen, werden von beiden Decks eine Karte aufgedeckt. Diese Aktionskarte bestimmt, in welche Abteilung sich Vilela stellt. Bei der Ausführung der Aktion (wie gehabt in der Reihenfolge von links nach rechts in der Fabrik) kommen die Karte vom Roboterdeck ins Spiel. Vilela verhält sich nämlich sehr destruktiv. Beim Zusammenbau entfernt er zwei Plättchen eines noch nicht fertiggestellten Roboters der entsprechenden Farbe oder entfernt gleich einen Roboter aus dem Spiel. Bei den Teilen entfernt er alle Teile einer Farbe, bei den Blaupausen alle Blaupause einer Farbe. Und in der Finanzabteilung verringert er den Wert eines Roboters entsprechend der Farbe und dreht auch noch Aufträge um, die danach nicht mehr gewählt werden können. Vor allem beim Zusammenbau fühlt es sich echt so an, als würde jemand, nachdem ich einige Züge Vorbereitung für den Roboterbau benötigt habe, mit einem Hammer auf meinen Spielzeugroboter einschlagen, mir ihn hinhalten und sagen „Der ist kaputt. Mach noch einmal.“ Noch schlimmer fand ich die Aufgaben, die Vilela einem stellt. Zu Beginn erhalte ich zufällig eine von vier Aufgaben oder darf mir eine aussuchen. Beispielsweise drei Roboter einer Farbe bauen, je zweimal zwei Roboter verschiedener Farben bauen oder drei verschiedenfarbige Roboter mit Wert 12 bauen. Nur, wenn ich diese Aufgabe bis zum Spielende erledigt habe, wird überhaupt eine Wertung durchgeführt. Bei meinem ersten Soloversuch war das Spiel nach acht Runden aber leider schon vorbei, weil Vilela zufällig die Roboter wegnahm, die ich auch baute. Und ich hatte damit weder Aufgabe noch Aufträge oder etwas anderes erfüllt. Das ist sehr unbefriedigend, weil das Spielende so am Zufall hängt. Auch ist die Aufgabe mit drei Robotern einer Farbe zwar machbar, kann aber durch simplen Zufall in der Partie komplett zunichtegemacht werden, wenn Vilela einen dieser drei Roboter wegnimmt. In meiner zweiten Partie hatte Vilela nach vierzehn Runden zufälligerweise von jedem Roboter einer Farbe einen entfernt. Damit war die Aufgabe hinfällig. Positiv ist die Spielzeit mit Vilela. In meinen drei Solopartien spielte ich zwischen 30 und 50 Minuten. Das hängt aber auch wieder sehr vom Zufall ab, ob Vilela die „falschen“ Roboter wegnimmt und damit das Spielende einläutet oder nicht.

Wegen der Zufälligkeit, der Destruktivität, der fehlenden (menschlichen) Interaktion und weil es nur vier Aufgaben gibt, die sich auf Dauer sehr gleich anfühlen, hat mir der Solomodus nicht so sehr zugesagt. Das Zweipersonenspiel hat mir aber sehr gefallen. Mechanik, Symbolik, Interaktion sind großartig. „Bot Factory“ fängt die Essenz von „Kanban“ so gut ein, dass es für mich sogar als etwas Ersatz dafür dienen könnte. Bei „Bot Factory“ traue ich mir zu, dass ich es in einem Jahr noch erklären kann. „Kanban“ müssen wir bei jeder Partie (circa eine pro Jahr) neu erlernen, was die Hürde, das Spiel auf den Tisch zu bekommen, sehr hoch macht. Entsprechend freue ich mich auf weitere Partien, wenn das Spiel dann im Mai 2023 in der Realität auf den Tisch kommt. (9,0)

 Bot Factory (Tabletopia)
Bot Factory (Tabletopia)

Wertung: (9,0)

#BotFactory

First in Flight (Artana, 2023)

Besondere Themen reizen mich immer wieder und so bin ich über „First in Flight“ gestolpert, was Ende JUni 2022 auf Kickstarter finanziert wurde. Thematisch geht es um die Pionierzeit der Luftfahrt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wir nehmen die Rollen von zehn damaligen Piloten ein, wie den Brüdern Wright, Hubert Latham oder Bessie Coleman, versuchen uns durch Freunde Vorteile zu verschaffen und unser Luftschiff durch Technologien und Upgrades zu verbessern. Ziel ist es, einen neuen Flugrekord innerhalb von vier Jahren aufzustellen. Via Tabletop Simulator konnte ich einige Runden solo im Flugsimulator absolvieren.

Das Spiel geht über vier Jahre/Runden. Die hinten liegende Spielerin ist immer am Zug (wie in „Glen More“ oder „Patchwork“) und setzt ihre Pilotenfigur auf einer runden, geschlossenen Aktionsleiste beliebig weit vorwärts auf ein Aktionsfeld und führt diese Aktion aus. Wenn ich mir also eine wichtige Aktion weiter vorn sichere, überspringe ich einige Aktionsfelder, die meine Mitspielerinnen dafür dann nutzen können. Die wichtigste Aktion ist der Flug, mit dem ich einen Rekordversuch starte. Hierzu mische ich mein Flugdeck und decke nach und nach Karten auf. Jede Karte hat eine Reichweite (Standard 1, bessere Karten dann 2 bis 5) und so fliege ich immer weiter. Im Deck gibt es aber auch Problemkarten (normale und Designprobleme), welche mich abstürzen lassen, wenn ich vier Schadenssymbole gezogen habe. So bietet es sich an, mit drei Schadenssymbolen das Glück nicht zu sehr herauszufordern und eine Landung anzustreben. Hierzu wird eine Landungskarte ausgelegt und zwei weitere Flugkarten vom Deck ergänzt. Lande ich sicher (das heißt, es kommt kein viertes Schadenssymbol), erhöht sich die Reichweite des Fluges um 5. Bei einem Absturz nur um 2. Egal, wie der Flug ausgeht, die Flugweite wird mit meinem Reichweitenmarker auf dem Spielbrett angezeigt, wenn ich weiter als zuvor geflogen bin. Mit den anderen Aktionen kann ich zuvor gezogene Designproblemkarten in normale Problemkarten wandeln (Reparatur) oder mir Upgrades holen, welche mich weiter fliegen lassen, aber eine Designproblemkarte ins Deck holen. Daneben gibt es noch Aktionen, die mich die Unterstützung von Freunden gewinnen (einmal pro Runde einsetzbar), Technologien erwerben (dauerhafte Boni) oder Flugfähigkeiten verbessern (einmal pro Flug einsetzbar) lassen. Aktionen werden mit Geld oder Zeit bezahlt. Geld ist eine normale Ressource, die Zeitleiste wiederum verläuft parallel zur Aktionsleiste, aber mit größeren Abständen, sodass ich bei der Ausgabe von Zeit Aktionen überspringe und diese Runde nicht mehr nutzen kann. Wichtig: Wenn ich nach einem Flug abstürze, lege ich meine Pilotenfigur hin. Im nächsten Zug muss ich zwingend zwei Zeiteinheiten ausgeben, um mich wieder fit zu machen.

Ein Jahr endet, wenn alle Spielerinnen mit ihren Pilotenfiguren wieder die Startfelder erreicht haben. Es findet eine Zwischenwertung statt, bei der Preisgelder des „Michelin Cups“ ausgeschüttet werden. Wer bisher im Spiel am weitesten geflogen ist, erhält 8 Geld, die Zweite 6 Geld und alle anderen immerhin noch 4 Geld. Spätestens nach vier Jahren ist die Partie vorbei, wenn es nicht eine Spielerin vorher geschafft hat, eine Flugreichweite von 36 zu erreichen. Zum Spielende darf jeder noch einmal einen einzelnen Flug absolvieren, um damit vielleicht doch noch in Führung zu gehen.

Im Zweipersonenspiel und in der Soloversion kommt noch ein künstlicher Gegner namens Gustave dazu. Dieser lässt sich leicht spielen, da er kein Spielertableau und kein Deck benötigt. Wenn Gustave an der Reihe ist (also letzter Marker auf der Aktionsleiste), dann wählt er die nächste, freie Aktion. Handelt es sich um eine Aktion, die ihn Karten nehmen lässt, nimmt er die unterste weg. Wenn es eine Flugaktion ist, erhöht sich seine Flugreichweite automatisch um vier Schritte. Ebenso erhöht sich die Flugreichweite an jedem Rundenende um 4. Mit dieser Reichweite nimmt er am Michelin Cup teilt und nimmt uns damit das Preisgeld weg. Gustave kann sogar das Spiel beenden und gewinnen, wenn ich nicht weiter fliege als er.

First in Flight – Spielbrett (TTS)
First in Flight – Spielbrett (TTS)

„First in Flight“ hat drei Kernmechanismen. Die Aktionswahl mit dem zurückliegenden Spieler ist nicht neu, funktioniert aber gut. Da es nur fünf Flugfelder gibt und die Reparaturfelder direkt davor oder dahinter liegen, muss ich zwischen den zwei Aktionen oft in einer Runde abwägen. Vor allem zu viert stelle ich mir das spannend vor, da jede Spielerin pro Runde nur ein oder maximal zwei Flüge durchführen kann. Was bei mir eher weniger funktionierte, war die Bezahlung mit Zeit oder Geld. Dadurch, dass ich am Rundenende durch das Preisgeld immer mindestens 6 Geld dazu erhielt, hatte ich immer genug, um Reparaturen mit Geld zu bezahlen. Mit Zeit zu bezahlen ist ein Notbehelf, den ich freiwillig nie nutzen würde, weil ich dann viel zu viele Aktionen überspringe. Der zweite Kernmechanismus ist der Bau des Flugdecks. Durch mehr Flugkarten im Deck erhöhe ich die Wahrscheinlichkeit keine Problemkarten zu ziehen und fliege entsprechend weiter. Durch die Upgradekarten erhöht sich ebenfalls die Flugreichweite und in Kombination mit manchen Technologiekarten vergrößert sich die Reichweite noch einmal. Zu Beginn sind bereits vier Problemkarten (zwei normale mit einem Schadenspunkt und zwei Designproblemkarten mit zwei Schadenspunkten) im Deck enthalten. Da ich auch per Reparatur die Designproblemkarten nur in normale Problemkarten wandeln und diese wiederum gar nicht abwerfen kann, ist gesichert, dass ich beim Durchspielen des ganzen Decks auf alle Fälle vier Schadenspunkte erreiche und zwingend abstürze. Das gefällt mir sehr, denn so ist es wirklich immer eine Frage, wann ich zur Landung ansetze. Wenn ich das ganze Flugdeck durchspielen könnte, wäre das Spiel nicht mehr spannend. Sehr gefallen hat mir der Kniff, dass nach dem Landeanflug noch zwei weitere Karten gezogen werden. Somit bin ich mit drei Schadenspunkten und einer Landung nämlich immer noch nicht sicher. Und so entscheide ich mich zur Sicherheit vielleicht sogar schon bei zwei Schadenspunkten zur Landung anzusetzen.

Thematisch glänzt das Spiel natürlich mit historisch korrekten Persönlichkeiten und Daten. Sowohl die zehn Piloten, die als Startcharaktere zur Verfügung stehen, existierten real, als auch die Freunde, die ich mir im Spiel sichern kann, zeigen reale Charaktere. (Beim Wikipedia-Artikel zu Aida de Acosta habe ich sogar erkannt, wo die grafische Vorlage für die Karte herkam.) Auch die mechanische Eigenart, dass ich bei einem Flug erst die Designprobleme finden muss, ehe ich sie reparieren kann, ergibt thematisch einen Sinn. Und auch der Erhalt der Upgradekarten, um weiter zu fliegen, kommt immer mit einer Designproblemkarte einher, was wunderbar dazu passt, dass bei der Verbesserung an damaligen Fluggeräten auch Fehler gemacht wurden. Der letzte Flug zum Spielende erlaubt mir sogar, mein Flugdeck die ganze Partie über zu optimieren, ohne mehrmals zu fliegen (bis auf das Herausziehen der Designproblemkarten), um dann wie die Pioniere damals alles auf eine Karte und einen Flug zu setzen. Spielerisch merke ich von den Upgradekarten, Designproblemen, Freunden und anderen Karten aber nur wenig. Auch ohne Grafik und ohne Kartentitel würde das Spiel funktionieren, da es nur auf die abstrakte Funktionsweise ankommt. Die Technologiekarten empfand ich dabei als sehr stark, da sie sehr viel in Bezug auf die Flugreichweite bewirken können und auch dauerhaft bei jedem Flug wirken.

Die Grafik des Spiels gefällt mir größtenteils. Einige der Flugkarten sehen aus wie aus einem Anime (positiv gemeint). Die Personenkarten dagegen sind eine Mischung aus Realität/Fotografie und Comicgrafik, die mich nicht immer anspricht. Die Symbolik dagegen ist gut gelungen. Es gibt nur acht Aktionssymbole und daneben einige wenige, weitere, die sich meist sofort erschließen. Eine Besonderheit in der TTS-Umsetzung ist ein Symbol (grüner Daumen nach oben), das nicht in der Anleitung erklärt ist. Ich habe später dann herausgefunden, dass dies das alte Symbol für die Erfahrung-Aktion ist. Ansonsten ist die Anleitung verständlich und strukturiert aufgebaut. Einen Punkt Abzug gibt es dafür, dass die Soloregeln nirgends erwähnt werden. Es gibt nur eine Seite, der Gustave für das Zweipersonenspiel erklärt. Ich habe dann geschlossen, dass ich Solo vermutlich auch nur gegen einen Gustave antrete.

„First in Flight“ ist eher ein einfaches Spiel mit geringer Komplexität. Es gibt nicht so viele taktische Entscheidungen. Nach drei Solopartien fühlte es sich sogar schon sehr wiederholend an, da ich immer das Gleiche mache: Mit dem ersten Flug eine Designproblemkarte herausziehen, diese dann reparieren. Dann wiederholen. Sinnvolle Technologiekarten mitnehmen, welche mich Upgradekarten ziehen lassen, und ab Mitte von Runde Zwei dann jede Flugaktion mitnehmen, die möglich ist. Ob ich damit gewinne, hängt natürlich vom Zufall ab, in welcher Reihenfolge die Karten im Flugdeck kommen. Dennoch fand ich es schade, dass der Spielreiz bei mir so schnell abnahm. Da haben auch die zufällig ausgelegten Freunde-, Technologie- und Fähigkeitenkarten nicht geholfen. Ich denke, dass durch reale Mitspielerinnen, die man nicht so leicht lesen kann, etwas mehr Reiz entsteht. Die Interaktion entsteht dann durch die Wegnahme von Aktionsfeldern und dem direkten Wettbewerb um den weitesten Flug.

Die Soloversion fand ich etwas eintönig und wiederholend, wie bereits erwähnt. Sie ist fordernd, weil mit jeder Flugaktion und jedem Rundenende Gustave sich vier Flugfelder vorwärts bewegt. Wenn ich Gustave bis auf eine Flugaktion (die ich nicht blockieren kann) pro Runde keine übrig lasse, kommt er auf 32 Flugreichweite. Das heißt, eine Flugaktion mehr für Gustave und er löst bereits das Spielende aus. Da er sich aber jede Runde nur ein Aktionsfeld weiterbewegt, kann ich damit rechnen, welche Aktionen er ausführt und welche ich ausführen kann. Am Ende hängt es dann doch am Zufall und dem Aufbau meines Flugdecks. Das ist dann auch ein Kritikpunkt, denn die Zufälligkeit spielt auch bei den Upgradekarten eine zu große Rolle. Wenn ich die Upgrade-Aktion ausführe, ziehe ich X Upgradekarten (mit X >= 2) und wähle daraus 2. Im besten Fall erhalte ich auf die Art zwei 5er-Reichweite-Karten. Im schlechten Fall zwei 2er-Reichweite-Karten. Hier streut die Differenz mit 8 Zählern so stark, dass es sich im Mehrpersonenspiel vielleicht sogar schon unfair anfühlen könnte. Ich konnte in den drei Solopartien Gustave aber immer schlagen. Er war zwar mit 32 bis 36 Reichweite auch immer sehr weit fortgeschritten, meine Flugreichweiten mit 38, 43 und 41 (meist in der dritten Runde) waren aber besser. Immerhin spielt sich der Bot schön schnell. Eine Partie gegen ihn ist innerhalb von 30 Minuten abgehandelt.

„First in Flight“ ist ein thematisch sehr gut umgesetztes Spiel mit einer innovativen Verwebung von Deckbau- und Push-your-Luck-Mechanismus. Zumindest Solo fühlt es sich aber etwas wiederholend an und hängt mir zu stark vom Zufall ab, ob ich gewinne oder verliere. Dazu skaliert das Spiel eher seltsam, weil zu viert viel weniger Aktionsfelder für eine Spielerin zur Verfügung stehen als zu zweit. Ich denke aber, dass „First in Flight“ als Einstieg für ein schnelles, gehobeneres Familienspiel sehr gut funktionieren kann. (7,0)

First in Flight – Ein erfolgreicher Flug (TTS)
First in Flight – Ein erfolgreicher Flug (TTS)

Wertung: (7,0)

#FirstInFlight

Unlock! Secret Adventures – Die Abenteurer von Oz (Space Cowboys, 2018)

„Alice im Wunderland“ und „Der Zauberer von Oz“ sind zwei Bücher, die ich sehr mag. Entsprechend halte ich auch immer Ausschau nach Medien (meist Büchern, aber natürlich auch Brettspielen), die in diesem Universum spielen. Als ich „Unlock!: Die Abenteurer von Oz“ geschenkt bekommen hatte, freute ich mich natürlich sehr. Und das Spiel kam auch gleich am Abend zu zweit auf den Tisch.

Wer die „Unlock!“-Reihe nicht kennt: Es handelt sich um ein Escape-Room-Brettspiel, welches hauptsächlich aus Karten besteht. Manche Karten können kombiniert werden (Addition der Kartenwerte ergibt die kombinierte Zielkarte), andere verlangen die Eingabe eines vierstelligen Codes in die Unlock-App, andere Rätselkarten müssen als Maschine interaktiv in der App bedient und gelöst werden. Auch wenn ich kein App-Freund am analogen Spieletisch bin, unterstützt diese das Spielgeschehen sehr.

Ohne Spoiler kann ich natürlich auch etwas zu „Unlock: Die Abenteurer von Oz“ sagen. In Summe hat mir das Spiel sehr gut gefallen. Allein wegen des Themas, aber auch grafisch fand ich es hervorragend umgesetzt. Die Story ist sehr geradlinig, es gab meines Wissens keine Stelle, wo es mehrere Rätsel parallel zu lösen gab. In Summe habe ich mich die etwa zwei Stunden also sehr gut unterhalten gefühlt.

Kleinere Kritikpunkte zum Unlock-Spielsystem habe ich aber auch. Beim Erhalt neuer Karten müssen wir diese aus einem dicken Kartenstapel heraussuchen. Die Karten sind aber nicht sortiert, sodass wir gefühlt die meiste Zeit im Spiel damit verbrachten, die richtige Karte zu suchen. Das Hilfesystem mittels der App ist meistens sehr gut, aber an einer Stelle kamen wir gar nicht weiter und mussten die Lösung anschauen. Leider wurde wirklich nur der vierstellige Code als Lösung angezeigt, aber nicht, wie man dahin kommt, was ich schade fand. Und das Unlock-System sichert sich nicht gegen versehentliche Fehler ab. Wenn wir also bei einem Rätsel denken, wir können die Karte 53 nehmen und die gibt es zufälligerweise auch, dann ist es nicht sicher, ob das auch wirklich die gesuchte Karte war. Wir haben dann einfach anhand der Textbeschreibung geschaut, ob die Karte thematisch zum aktuellen Ablauf passte. Nur an einer Stelle waren wir dabei unsicher, was uns etwas Zeit kostete.

Unlock!: Die Abenteurer von Oz
Unlock!: Die Abenteurer von Oz

Konkret zum Spiel selbst habe ich nur zwei Kritikpunkte: Zum einen mussten wir für ein Rätsel die Geschichte von Dorothy und der Hexe kennen, um das Rätsel zu lösen. Zumindest habe ich keinen offensichtlich Hinweis auf einer Karte gefunden, die uns in die richtige Richtung geschubst hätte. Da stupides Ausprobieren mit Strafminuten geahndet wird, kann ich mir das in der einen oder anderen Runde frustrierend vorstellen. Dies war auch am Ende des Spiels noch einmal so. Wir kamen an ein Rätsel, welches ohne Hilfe der App nicht hätte gelöst werden können. Oder zumindest fehlte auch hier wieder der entscheidende Hinweis im Spiel. Zum anderen gab es ein Rätsel, das wir nicht lösen konnten, weil die Hilfetexte der App irreführend waren. Hintergrund ist hier (wie ich bei BGG nachlesen konnte), dass es in der ersten Auflage des Spiels einen Druckfehler auf einer Rätselkarte gab. Mittels der Hilfetexte in der App (die ja auflagenunabhängig ist) wurde versucht, thematisch eine Hilfestellung zu geben, wie Buchstaben durch andere zu ersetzen sind. Das verwirrte uns aber enorm, da wir ebenfalls diese Buchstaben ersetzten, obwohl es nicht notwendig gewesen wäre.

Das Spielende erreichten wir nach circa 120 Minuten Spielzeit. Die Packung gibt zwar 90 Minuten an, aber an zwei Stellen hingen wir wirklich eine ganze Weile. Zusätzlich gab es speziell für ein Rätsel auch zahlreiche Strafminuten, weil wir einfach zu schnell und unkonzentriert Zahlencodes eingaben. Ich fühlte mich jedenfalls trotz der kleinen Kritikpunkte sehr gut unterhalten und würde jetzt liebend gerne als Nächstes „Unlock!: Hinunter in den Kaninchenbau“ spielen. (9,5)

Unlock!: Unser Ergebnis in Oz
Unlock!: Unser Ergebnis in Oz

Wertung: (9,5)

#UnlockDieAbenteurerVonOz

(Neu) Gespielte Spiele im Mai 2022

Etwas verspätet kommen noch die im Mai gespielten Spiele. Es waren auch alte Bekannte wie „Arche Nova“ oder „Cascadia“ dabei. Und „Pandemic Legacy: Season 0“ haben wir endlich nach circa einem Jahr beendet. Aber neu gespielt wurden …

Birds of a Feather: Western North America (Snowbright Studio, 2022)

Schöne Vögel gab es schon in „Flügelschlag“ zu bewundern und mit „Arche Nova“ steht ein anderes Spiel mit Tieren gerade ganz hoch im Kurs der Spielergemeinschaft. Deswegen fiel mir auch „Birds of a Feather: Western North America“ ins Auge. Das Spiel wurde im Mai bei Kickstarter erfolgreich finanziert und ich habe es mir auf Tabletopia virtuell angesehen und solitär getestet. Hinweis: „Birds of a Feather: Western North America“ basiert auf dem 2015 erschienenen „Birds of a Feather“. Das Layout der Karten hat sich etwas geändert und die Zwei- und Dreipersonen-Variante wurden (laut Foreneinträgen) etwas angepasst. Sonst handelt es sich um das gleiche Spiel.

Die Regeln von „Birds of a Feather“ sind sehr einfach: Es gibt 60 Vogelkarten im Spiel, die jeweils eine Vogelart (Gewöhnlich, Außergewöhnlich, Selten, Ass [ich weiß nicht, wie ich „Ace“ in dem Kontext besser übersetzen kann] und Raubvogel) und einen von fünf Lebensräumen zeigen. Jeder erhält zum Start X Karten, abhängig von der Spieleranzahl, auf die Hand. Alle wählen geheim eine Handkarte und decken diese gleichzeitig auf. Raubvögel vertreiben alle bereits ausliegenden Vögel im gleichen Lebensraum. Dann markiert jeder auf einem Block (oder in einer App oder auf einer Webseite), welche Vogelarten aus dem eigenen, gerade gespielten Lebensraum man auf dem Tisch sieht. Zum Schluss werden alle bereits ausliegenden Vögel aus der vorherigen Runde abgelegt und die eben ausgespielten Karten bleiben bis zur nächsten Runde liegen. Wenn jeder nur noch eine Karte auf der Hand hat, endet das Spiel. Am Spielende gibt es Punkte für die sieben verschiedenen Vogelarten in den fünf Lebensräumen. Wenn ich alle Vogelarten in einem Lebensraum angekreuzt habe, gibt es drei Punkte extra. Für ein bis drei Personen gibt es Anpassungen, sodass zusätzliche Karten vom Nachziehstapel mit ausgelegt werden.

Birds of a Feather (Punkte in der App)
Birds of a Feather (Punkte in der App)

Nach dem simplen Regelstudium dachte ich noch, dass die Auswahl, welche Karte ich als Nächstes ausspiele, ganz spannend sein könnte. Da dies die einzige Wahl im Spiel ist, fußt der ganze Spannungsbogen genau auf dieser Entscheidung. Und zumindest solitär wurde ich arg enttäuscht, denn es gibt nichts, was ich entscheiden müsste. Ich habe das Spiel vielleicht noch nicht richtig durchschaut, aber es war immer sehr offensichtlich, welche Karte ich zum Ausspielen wähle. Nämlich die, die mir in der Situation die meisten zusätzlichen Kreuze/Punkte bringt. Und das lässt sich für die paar Karten auf der Hand und dem Tisch sehr leicht durchrechnen. Auf die Art wirkt das Spiel dann ziemlich belanglos. In Mehrpersonenpartien kommt vielleicht noch ein bisschen „Gedankenlesen“ dazu, aber auch hier werde ich nicht groß erraten wollen, was meine Mitspielerinnen wohl ausspielen werden. Die zufällig gezogenen Karten der Solo-Variante sind da genauso zuverlässig vorhersagbar.

Würden wir nach dem Ausspielen einer Karte die restlichen Handkarten weitergeben (Drafting), dann wäre ich auch nicht so extrem vom Kartenglück abhängig. Im schlechtesten Fall habe ich bei voller Besetzung mit sieben Personen acht Karten des gleichen Lebensraums auf der Hand. Damit kann ich dann im besten Fall 10 Punkte machen und mit Abstand verlieren. Es gibt eine Drafting-Variante, bei der zumindest die Hälfte der Starthandkarten weitergegeben werden. Ob dies die taktische Tiefe erhöht, wage ich zu bezweifeln. Als Zielgruppe kann ich mir nur Kinder im Alter von 4 bis 6 vorstellen, die am Ausspielen der Tierkarten Freude haben. Aber selbst heutige Kinderspiele wie das Kinderspiel des Jahres 2019, „Tal der Wikinger“, oder das Kinderspiel des Jahres 2021, „Dragomino“, haben wesentlich mehr taktische Tiefe und Entscheidungsmöglichkeiten.

Thematisch bleibt leider auch nichts vom Spiel übrig. Ich fühle mich einfach nicht wie ein Ornithologe, der Vögel beobachtet. Dass die Raubvögel andere Tiere verjagen, passt noch gut. Aber ansonsten werden die Karten beim Spielen komplett auf die Symbole (Vogelart) und die Kartenfarbe (Lebensraum) heruntergebrochen und haben in meinen Augen keinen Bezug mehr zum abgebildeten Tier. Das Spiel könnte man sehr gut auch mit Autos, Waldtieren oder Bäumen darstellen, ohne dass sich etwas verändern würde. Somit hinterlässt „Birds of a Feather“ kein gutes Spielgefühl und kann maximal mit der schönen Tiergrafik punkten. (Solospiel: 3,0)

Birds of a Feather (Tabletopia)
Birds of a Feather (Tabletopia)

Wertung: (3,0)

#BirdsofaFeather

Age of Comics: The Golden Years (Lirius Games, 2023)

Von 1938 bis 1956 war in den USA das Goldene Zeitalter der Comics: Superman hatte die Hosen und das Cape umgespannt, der Lone Ranger schwang sich elegant auf sein Pferd und mit den Geschichten aus der Gruft (Tales from the Crypt) gingen die Kinder abends schlafen – oder auch nicht, je nachdem, wie gruselig die Comics waren. Mit dem Spiel „Age of Comics: The Golden Years“ bilden Sonia Goncalves und Giacomo Cimini von Lirius Games diese Epoche nach. Als Comicbuch-Verleger der damaligen Zeit engagieren wir Autoren und Zeichner, sammeln Ideen für neue Comicbücher und bringen diese auf den Markt. Mit genügend kreativem Talent verkaufen sich die Werke sehr gut und können als Comicserie das ganze Spiel über ihre Fans glücklich machen. „Age of Comics“ soll demnächst auf Kickstarter finanziert werden. Das Spiel kann bereits vorab auf Tabletopia oder Tabletop Simulator online getestet werden. Wir spielten eine Partie zu dritt.

In „Age of Comics“ stellen die Spielerinnen Comicbuch-Verleger dar. Mithilfe von vier Redakteuren (Arbeitern) können wir Autoren und Zeichner anheuern. Diese kommen in Form von Karten in einer Auslage daher und sind jeweils in einem der sechs Comicgenres spezialisiert. Zusätzlich gibt es sie jeweils in verschiedenen Fähigkeitsstufen: von 1, einem Auszubildenden gleichkommend, bis hin zu 3, dem Profi, der schon lange im Geschäft ist. Was der Profi an Erfahrung beisteuert, bringt der Auszubildende an Kreativität in Form eines Kreativmarkers seines Genres mit. Zwei dieser Kreativmarker benötige ich, um eine Comicbuch-Reihe dieses Genres zu veröffentlichen. Je drei Vorlagen für solch eine Reihe gibt jede Runde zur Auswahl. In Summe bietet das Spiel vier Comicbuch-Reihen in jedem der sechs Genres, was zu 24 einzigartigen Comicbuch-Covern führt. Wenn ich zwei kreative Köpfe (Autor und Zeichner) und eine Vorlage gefunden habe, kann ich die Comicbuch-Reihe nach Bezahlung der beiden Kreativen (in der Höhe ihrer Fähigkeitsstufen) drucken. Wenn die beiden Kreativen ihr Handwerk verstehen und im jeweiligen Genre des Comicbuchs spezialisiert sind, findet die Reihe mehr Anklang. Mittels Comicbuch-Markern, die eine Miniaturversion des gerade gedruckten Comicbuches darstellen, wird der Anklang in Form von Fans auf einer Leiste von 1 bis 10 markiert. Jedes Comicbuch, welches ich im Laufe der Partie drucke, wird auf die Art festgehalten. Die Fans sind wichtig, denn sie bestimmen, wie erfolgreich ich bin (in Form von Siegpunkten am Rundenende) und sie bringen vor allem Einkommen für die nachfolgende Runde. Eine letzte, wichtige Aktion ist noch der Vertrieb der Comicbücher. Hierzu kann ich meinen Vertriebler auf einer Karte durch Manhattan schicken und Aufträge sammeln lassen. Diese gibt es für jedes Genre und benötigen zur Erfüllung einen bestimmten Wert zwischen 3 und 6 der Comicbuch-Reihe. Der Qualitätswert eines Buches ergibt sich aus den beiden Fähigkeitsstufen der Kreativen, die am Comicbuch arbeiten. Glücklicherweise kann ich zu Rundenbeginn die Autoren und Zeichner auch weiterbilden, sodass im Laufe der Zeit die Qualität eines Comicbuches auch steigen kann. Wenn ich den Wert des Auftrags erreiche, ist er sofort erfüllt und bringt für das jeweilige Comicbuch noch einmal einen Schub in Form von 1 bis 4 Fans.

Fünf Runden spielen wir auf diese Art. Mit der Veröffentlichung der zweiten, dritten und vierten Comicbuch-Reihe darf ich jeweils einen Marker zu einer der sechs Aktionen legen. Dies schaltet eine Bonusaktion frei, die ich nutzen kann, wenn ich die jeweilige Hauptaktion ausführe. Auf die Art kann ich beispielsweise ein Comicbuch noch vor dem Druck bewerben (was mehr Fans bei der Veröffentlichung bringt), bessere Farben für den Druck verwenden (was mir Siegpunkte am Spielende gibt) oder einen weiteren Redakteur freischalten, sodass ich für diese Runde eine weitere Aktion habe. Hierbei muss ich die Bonusaktionen, die ich freischalten will, aber gut wählen, da ich nur drei Marker zur Verfügung haben und bis auf eine Ausnahme bei der Veröffentlichung meiner fünften Comicbuch-Reihe die Marker nicht mehr verschieben darf. Um diese Menge an Comicbüchern zu erreichen, hilft manchmal auch das Kopieren. Anstelle eines Original-Comicbuches kann ich auch einfach die Idee eines Konkurrenten stehlen. Hierfür benötige ich keine Kreativmarker und auch keine extra Comicbuch-Vorlage. Die liefert ja mein Gegenüber. Ich muss nur Autoren und Schreiber bezahlen und darf mir aus einem Stapel die Kopie der jeweiligen Comicbuch-Reihe herausnehmen. Plagiate dienen aber mehr der Freischaltung der Bonusaktionen und Mehrheitenwertung, denn sie bringen oft keine oder nur wenig Fans und sind auch am Spielende keine Siegpunkte wert. Dennoch kann ich sie über den Vertrieb unter die Leute bringen und somit auch Fans für sie gewinnen. Nach fünf Runden sind die fünfzehn Jahre des goldenen Zeitalters vorbei und es wird abgerechnet. Den Großteil der Punkte bringen dann die aktuellen Fans der jeweiligen Comicbuch-Reihen und die Originalveröffentlichungen.

„Age of Comics“ – Auslage der Kreativen und Comicbuch-Vorlagen (TTS)
„Age of Comics“ – Auslage der Kreativen und Comicbuch-Vorlagen (TTS)

„Age of Comics“ hat mich vor allem wegen des Themas angesprochen. Ich bin kein Comicbuch-Fan, aber das Thema ist so neu und unverbraucht, dass es mich sofort interessierte. Es handelt sich also nicht um das zehnte Mittelalter-Stadtspiel oder Ressourcen-in-Siegpunkte-Tauschspiel, von denen es schon so viele (auch gute) auf dem Markt gibt. Sehr schön ist dabei, dass das Thema nicht nur originell ist, sondern von den beiden Designern Sonia Goncalves und Giacomo Cimini großartig eingefangen wurde. Jede Aktion fühlt sich so an, als würde ich in einem Comicbuch-Verlag leiten. Autoren und Zeichner anwerben, Cover aussuchen, kreative Ideen (abstrahiert durch Marker) sammeln und dann alles in die Presse geben. Der Hype vorab oder die Verwendung besserer Farben geschieht zwar auch nur in Form von Markern, passt aber komplett zum Thema. Etwas schwer habe ich mich nur mit dem Vertrieb getan, der durch Manhattan läuft, um Aufträge erst aufzudecken und dann einzusammeln. Am Ende der Partie hat aber auch das sehr gut mit ins Gesamtbild der Vertriebsmaschinerie gepasst. Die Ausbildung der Kreativen, um den Wert einer Comicbuch-Reihe zu steigern, und vor allem das gemeine Kopieren anderer Ideen setzt dem ganzen das thematische i-Tüpfelchen auf. „Age of Comics“ ist damit in meinen Augen eines der wenigen, guten thematischen Eurogames.

Herausragend ist natürlich auch die Gestaltung des Spiels. Illustratorin Laura Guglielmo hat 24 einzigartige Comicbuch-Cover kreiert, die grafisch sehr gut in die 1930er bis 1950er Jahre passen. Auch die Illustration des Spielbretts ist im Comicstil dieser Jahrgänge gehalten. Und dennoch bleiben alle Aktionsfelder und Effekte klar zu erkennen. Die Symbolik auf dem Spielplan und den Karten ist dabei ebenfalls sehr eindeutig und klar erkennbar. Fast alle Regeln des Spiels finde ich auf dem Spielplan wieder – was bei der Erklärung sehr geholfen hat. Schade ist nur, dass die Kreativen sich nur durch einen Namen unterscheiden und nicht durch ein Porträt auf den Karten selbst. Das hätte noch einmal mehr zur Stimmung beigetragen. Passend zu den Originalcovern gibt es die Plagiate, die das gleiche Cover tragen, aber nur in einer Farbe daherkommen und den Titel des Originals leicht abgewandelt haben. So wird aus dem „Teen Drama“ ein „Twin Drama“ und aus „Hey Ranger“ ein „Hi Ranger“. Ich fand es sehr witzig, die originalen Titel, aber auch die der Plagiate zu lesen. Natürlich trägt dieser Witz nur ein bis drei Partien, bis alle Cover gesehen wurden. Aber wenn das Spiel nicht zu oft auf den Tisch kommt, reicht dies zur guten Unterhaltung völlig aus. Ansonsten hat das Spiel aber kaum Variabilität. Die Auftragsmarker in Manhattan sind natürlich gemischt, so wie auch die Karten mit Autoren, Zeichnern und Comicbuch-Vorlagen. Es gibt aber keine unterschiedlichen Verlagsfähigkeiten oder eine andere Varianz. Ich denke aber, dass das dem Spiel wenig schadet. Es bleibt immer noch eine interessante Entscheidung, wie ich taktisch und auch ein wenig strategisch die beste Aktion zum aktuellen Zeitpunkt wähle.

„Age of Comics“-Spielbrett (TTS)
„Age of Comics“-Spielbrett (TTS)

Für die Erklärung des Spiels habe ich ungefähr 30 Minuten benötigt. Das Spiel lernt sich aber recht schnell, da wie oben erwähnt, alle Aktionen thematisch einen Sinn ergeben. Und so konnte ich die erste Partie zu dritt auch ganz ohne Solo-Probepartie bestreiten. Das wäre auch nicht möglich gewesen, da es zwar eine Solo-Version geben soll, diese aber noch nicht fertig ist und damit auch online nicht zur Verfügung steht. Die Anleitung erklärt die Aktionen und die Mechanik gut. Es blieben zwar noch einige Fragen übrig, aber diese hat der Designer im BGG-Forum ziemlich schnell beantworten können. Ansonsten ist die Anleitung leider etwas anders aufgebaut, als ich es bevorzugen würde. Dementsprechend finden sich Passagen und Regeln an Stellen wieder, wo ich sie nicht direkt erwarten würde. Es wird aber sehr gut mit Verweisen gearbeitet, sodass ich zumindest die passende Stelle immer schnell gefunden habe, wenn ich eine Frage hatte.

Von der Mechanik her erfindet „Age of Comics“ das Arbeitereinsetz-Genre nicht neu. Es gibt bei jeder der sechs Aktionen nur eine beschränkte Anzahl an Einsatzfeldern und je früher ich manche Aktionen nutze, desto mehr Ertrag bringen mir diese. So darf beispielsweise die erste Person, die in einer Runde etwas drucken will, gleich zwei Comicbücher auf einmal drucken. Auch das Laufen durch Manhattan, um Aufträge zu ergattern, ist keine wahnsinnig aufregende, neue Idee, aber es funktioniert gut. Innovativ fand ich die Mechanik des Freischaltens von Bonusaktionen. Zwar ist auch das nicht direkt neu, aber wird zumindest nicht in allzu vielen Spielen genutzt. Die Beschränkung auf drei freizuschaltende Bonusaktionen ergibt dabei ein schönes Dilemma, was denn die beste Wahl ist. Alles in allem unterstützt die Mechanik des Spiels das Thema einfach sehr gut und lässt es somit zu keiner Zeit aufgesetzt wirken. Sehr gut gefallen hat mir der kleine Engine-Builder, der im Laufe der Partie entsteht: Ein Buch mit hohem Qualitätswert lässt sich gut vertreiben, was mir Fans einbringt. Durch mehr Fans erhöht sich mein Einkommen. Das Einkommen kann ich nutzen, um vorhandene Kreative auszubilden oder gleich bessere anzuheuern. Dadurch kann ich bessere Bücher drucken, durch die ich die höherwertigen Aufträge erfüllen kann, was mir wieder mehr Fans bringt. Das Anwachsen meines Comicbuch-Verlages hat mir so sehr viel Spaß gemacht.

Die Spielerinteraktion beschränkt sich glücklicherweise nicht nur auf das Wegnehmen der Arbeitereinsetzfelder. Auf der Manhattan-Karte ist es mitunter schon wichtig, sich vor einer Konkurrentin Aufträge zu nehmen, wenn der diese ohne weiteres Zutun erfüllen kann. Hier kann regelrecht ein Rennen entstehen, da ich die Aufträge auch horten und später erst erfüllen kann. Die größte Interaktion ist aber natürlich das Kopieren der Comicbuch-Reihen meiner Mitspielerinnen. Über eine Variante verliert das kopierte Original sogar Fans, was ich auch thematisch eine sehr gute Idee finde. Zusätzlich gibt es noch Mehrheitenmarker für jedes Genre. Besitzer dieser Marker erhalten mehr Fans in dem jeweiligen Genre und Siegpunkte am Ende der Partie. Somit entsteht auch hier ein kleines Wettrennen um die Menge der veröffentlichten Comicbücher. Der Effekt funktioniert zu zweit nur vermutlich weniger gut als zu viert. Der Grund ist einfach, dass bei zwei Personen sich beide auf je drei andere Genres konzentrieren können. Bereits zu dritt kamen wir uns aber gut in die Quere, zu viert wird es vermutlich noch konfrontativer. Eine große Wartezeit zwischen den Zügen gab es bei uns kaum. Einzig beim Drucken ist etwas mehr Verwaltungsaufwand mit Auslage und Markern notwendig. Alle anderen Aktionen lassen sich aber sehr schnell ausführen und auch gut vorausplanen. Ich denke, dass die angegebene Spielzeit von 60 bis 110 Minuten für zwei bis vier Spieler genau richtig liegt. Wir brauchten zu dritt in der Erstpartie circa 140 Minuten, was aber auch an der Online-Umsetzung gelegen hat.

Alles in allem hat mich „Age of Comics“ sehr überzeugt. Die Waage zwischen Fans und Buchwert zu finden, die Verzahnung von Aufträgen und Veröffentlichungen, zusammen mit der Weiterbildung von Autoren und Zeichner hat mir sehr gut gefallen. Nichts davon ist zu kompliziert, alles ist thematisch auf das Notwendigste heruntergebrochen, was nicht oft in Spielen gelingt. Zusammen mit der Engine, die mein Comicbuch-Verlag darstellt, und dem genau richtigen Grad an Interaktion zwischen „ich kann mir ungestört etwas aufbauen“ und „ich ärger die Mitspielerin mal ein bisschen“ habe ich mich sehr gut unterhalten gefühlt. Das Spiel ist allein wegen der Cover-Illustrationen nicht sprachneutral, aber es gibt nur wenige Begriffe auf den Karten („Writer“ und „Artist“) oder auf dem Spielplan (hauptsächlich die Aktionen). So bin ich gewillt, das Spiel bei Kickstarter zu unterstützen, auch wenn es keine deutsche Version geben sollte. Das hängt aber natürlich auch vom Preis und den Komponenten ab. Aber das wird sich hoffentlich in ein paar Tagen oder Wochen zeigen. Ich warte bis dahin gespannt. (9,0)

„Age of Comics“ – Mein Comicbuch-Imperium am Ende des Spiels. (TTS)
„Age of Comics“ – Mein Comicbuch-Imperium am Ende des Spiels. (TTS)

Wertung: (9,0)

#AgeofComics

Nidavellir (Pegasus, 2020)

Als Neuheit (im Sinne von für mich noch unbekannt) kam zum Monatsanfang „Nidavellir“ auf den Tisch. Ich könnte zwar erwähnen, dass es thematisch etwas mit Zwergen in einer Kneipe zu tun hat. Ich kann es mir aber auch sparen, da ich davon in der Partie nichts gefühlt habe. Es handelt sich eher um ein abstraktes Set-Collection-Spiel mit Bietmechanismus. In der Tischmitte werden pro Runde in drei Reihen gemäß Anzahl der Spielerinnen Karten ausgelegt (also bei vier Spielerinnen, wie in unserer Runde, in Summe zwölf Karten in den drei Reihen). Jeder hat zum Spielstart die fünf gleichen Bietchips mit den Werten 0, 2, 3, 4 und 5. Drei davon legt jeder verdeckt auf sein Tableau, je ein Chip für jede Reihe. Die zwei anderen kommen verdeckt unter das Tableau. Dann decken wir alle gleichzeitig den ersten Chip auf und die Person mit dem höchsten Wert darf zuerst eine Karte der ersten Reihe auswählen und so weiter. Dann folgt Reihe 2 und Reihe 3. Die Karten lege ich in meine Auslage. Es gibt sie in fünf verschiedenen Farben/Bannern. Mehrere Karten einer Farbe sind gut für die Zwischenwertung und für die Punkte am Spielende. Alle fünf Farben sind aber auch gut, weil ich mir dann einen besonderen Helden nehmen darf, der mir Sonderpunkte bringt und manchmal auch eine spezielle Fähigkeit mitbringt. Der Bietchip mit der 0 hat noch eine Besonderheit. Wenn ich ihn setze, wähle ich zuletzt eine Karte, ich darf dafür aber die Werte der zwei Chips unter meinem Tableau addieren und den höheren der beiden gegen einen Chip mit der entsprechenden Summe eintauschen. Bei einer 3 und einer 5 darf ich die 5 also gegen die 8 tauschen. Auf die Art kann ich Bietchips bis zu einem Wert von 25 ertauschen. Und so spielen wir drei Runden bis zur Zwischenwertung. Und dann noch einmal drei Runden, sodass im Normalfall 18 Karten vor mir liegen. Am Spielende gibt jede Farbe dann auf irgendeine Art und Weise Punkte. Entweder durch simple Addition von aufgedruckten Werten oder durch vordefinierte Punkte, je nachdem, wie viele Banner dieser Farbe ich gesammelt habe. Die Bietchips werden ebenfalls addiert. Und wenn der Punktesalat fertig ist, hat jemand gewonnen.

Bietspiele zählen nicht zu meinen Lieblingsspielen, insbesondere nicht bei geheimen Geboten. Gefühlt war es bei „Nidavellir“ reiner Zufall, welche Karten für mich zur Auswahl übrig blieben. Und egal, ob ich hohe Chips lege oder niedrige, jemand ist halt vor mir dran oder auch nicht und ich erhalte eine Karte, die mir vielleicht passt, vielleicht aber auch nicht. Im Spiel zu zweit kann ich mir noch vorstellen, dass ich versuche zu antizipieren, was mein Gegenüber wohl legen wird. Vor allem, wenn ich mir dessen Bietchip-Werte merke. Bei drei Mitspielerinnen kann ich das aber nicht und so verkommt der ganze Bietmechanismus für mich zu einer zufälligen Auslosung. Im Gegensatz dazu fand ich „Furnace“ großartig, weil mit offenen Werten geboten wurde und ich viel mehr unter Kontrolle hatte, was ich sicher bekommen kann und was eher etwas unsicher ist.

Dass thematisch rein gar nichts im Spiel davon zu merken ist, sagte ich bereits. Deswegen fand ich es recht schade, dass die hübschen Schwarz-Weiß-Zeichnungen der unterschiedlichen Zwerge und Zwerginnen komplett untergeht. Allein durch die Stapelung der Karten sind die Zeichnungen gar nicht sichtbar. Positiv ist die kurze Spielzeit von 30 Minuten. Im Spiel hatte ich dafür kein Gefühl, wer aktuell in Führung liegt. Ich hätte es zwar ausrechnen können, aber da es am Spielende sieben Wertungen gibt (fünf Farben, Helden und Bietchips), war mir dies viel zu aufwendig. Und so kam mir die Auswertung dann noch mehr wie Zufall vor. Es hatte halt jemand gewonnen (nicht ich, ich war mit gutem Abstand Letzter), was mir aber ziemlich egal war. (5,0)

Nidavellir
Nidavellir

Wertung: (5,0)

#Nidavellir

(Neu) Gespielte Spiele im April 2022

Viele Neues habe ich nicht gespielt im April, dafür gab es einige Solo-Partien mit „Arche Nova“.

Arche Nova (Feuerland, 2021) – Solospecial

„Arche Nova“ war direkt nach der Auslieferung im Dezember 2021 recht häufig auf dem Tisch. Aufgrund von Umständen seitdem aber kaum oder gar nicht. Jetzt habe ich wieder die Zeit gefunden, ein paar Partien zu spielen. Zwar nur allein, aber dafür konnte ich verschiedene Soloversionen ausprobieren. Ich erkläre die Regeln von „Arche Nova“ hier nicht noch einmal und vor allem nicht in Gänze, sondern weise nur auf die Besonderheiten der Soloversionen hin.

Offizielle Soloversion

In der offiziellen Soloversion, die dem Spiel beiliegt, spiele ich fest über sechs Runden, in denen ich in der ersten sieben Aktionen habe, dann sechs, dann fünf und so weiter, bis in der letzten Runde nur zwei Aktionen übrig bleiben. Markiert wird das ganze durch ein kleines Solotableau, auf welchem ich neutrale Marker nach jeder Aktion von links nach rechts verschiebe. Liegen alle Marker auf der rechten Seite, wird regulär eine Pause eingeläutet. Der oberste Marker kommt nach der Pause auf das oberste, freie Spendenfeld des Artenschutztableaus, alle Marker werden nach links geschoben und ich spiele weiter. Ich habe also im Solospiel genau 27 Aktionen (Summe aus 2 bis 7) und Richtung Spielende schwimme ich aufgrund der häufigen Pausen eher im Geld, habe aber kaum Zeit etwas zu machen. Ansonsten benutze ich einen beliebigen Zooplan, starte aber mit 20 Attraktion oder, wenn ich es schwerer machen will, mit weniger. Ziel ist es in den 27 Zügen, dass sich mein Attraktions- und mein Artenschutzmarker überschneiden.

Ich habe die offizielle Soloversion bisher nur sechsmal gespielt – allein dreimal die letzten Tage. Was sehr positiv ist: Es gibt kaum etwas zu verwalten. Ich spiele ganz normal mein Spiel und muss nur ab und an einen Marker verschieben. Dadurch ist die sich ergebende Spielzeit bei mir von circa 45 Minuten auch tatsächlich die Zeit, die ich am Zug bin. Daneben benötige ich kaum mehr Platz. Das extra Solotableau könnte man sich sogar sparen, wenn man sieben Marker auf die Pausenleiste legt und die Tasse benutzt, um den aktuellen Zug anzuzeigen. Mir gefallen aber einige Dinge nicht so sehr. So ist das Spielziel nur, dass sich meine Marker überschneiden. Dadurch handelt es sich um eine reine Punktejagd, die ich persönlich immer etwas langweilig finde als Soloversion. Mir gefällt es besser, wenn ich mich mit jemand anderem messen kann beziehungsweise dieser mich auch irgendwie unter Druck setzt. Zweiter Negativfaktor finde ich den geringen Kartendurchsatz. Es gibt genau fünf Pausen im Spiel, das heißt es werden nur zehn Karten automatisch durchrotiert. Dadurch bin ich dem Zufall extrem ausgeliefert, was sich auch in meinen Solopartien gezeigt hat. Ich hatte beispielsweise die Zielkarte „Artenschutzprojekte“ zur Auswahl. Schade war, dass in der ganzen Partie kein einziges Artenschutzprojekt in die Auslage kam. Oder wenn das Basisartenschutzprojekt „Vögel“ ausliegt, aber nur zwei Vögel in der Partie auftauchen, von denen ich einen abwarf, weil ich lieber ein anderes Projekt unterstützen wollte. Gleiches gilt für Sponsorenkarten. Die können manchmal gut sein, aber mir passiert es sehr oft, dass sie sich nicht rentierten, weil es später einfach keine passenden Karten mehr dazu gab. Da kann die eigene Spielart noch so gut sein, das Kartenglück bestimmt zu einem großen Teil, ob ich gewinne oder verliere, was ich schade finde. (8,5)

Arche Nova – Offizielle Soloversion
Arche Nova – Offizielle Soloversion

Wertung: (8,5)

Nachdem ich in der dritten Solopartie auf Plan 0 mit 20 Attraktion als Start endlich einmal gewonnen habe, wollte ich mich den anderen – inoffiziellen – Solovarianten zuwenden.

#ArcheNova #ArcheNovaSolo

Artificial Randomized Neutral Opponent (ARNO)

ARNO ist eine alternative Soloversion von @anke79, der einen zweiten Mitspieler simuliert. ARNO benötigt einen eigenen Zooplan A (zumindest die Aktionsslots) und bringt fünf spezielle, doppelseitige Aktionskarten (normal und aufgewertet) zum Ausdrucken mit. Daneben benötige ich nur einen sechsseitigen Würfel W6 zum Spielen. Wenn ARNO am Zug ist, wird über den W6 bestimmt, welche Aktion aus Slot 2-5 er ausführt (bei 1 und 6 neu würfeln). Die Aktionskarte gibt dann vor, was ARNO macht, was sich ähnlich anfühlt wie die Aktion eines realen Mitspielers. So werden vor allem Universitäten, Partnerzoos und Verbandsmitarbeiter genommen, Artenschutzprojekte unterstützt und Karten aus der Auslage gesammelt. ARNO baut aber keine Gebäude auf seinem Plan und die ausgespielten Tiere dienen allein für die Symbole. Attraktion, Ruf und Artenschutzpunkte gibt es direkt über die Aktionskarten. Auch das Geld muss ich nicht handhaben, sodass ich mich nicht um viel kümmern muss.

ARNO spielt sich schön schlank. W6 würfeln, Aktion bestimmen, manchmal erneut W6 würfeln, um aus mehreren Optionen zu wählen (beispielsweise welche Tierkarte aus der Auslage genommen wird oder welcher Partnerzoo vom Verbandstableau). Das geht schnell. Meine Solopartien dauerten zwischen 60 und 75 Minuten, also nur circa 15 bis 30 Minuten Aufwand für die Verwaltung des Automa. Der Platzbedarf ist fast wie die für einen zweiten Mitspieler mit eigenem Zooplan. Auch wenn ARNO nicht baut, wird das Baufeld für die Ablage der Karten benutzt. Aufgrund der Aktionsslot benötige ich aber die volle Breite des Zooplans. Das ist etwas schade, wenn man sieht (siehe Bilder), wie viel Platz ich mir zum Spielen der Soloversionen gönne (mit mehr realen Spielern geht es natürlich an einen richtigen Tisch).

Nicht viel Platz für ARNO
Nicht viel Platz für ARNO

Als größten Nachteil von ARNO könnte ich seine Zufälligkeit nennen. Dadurch gehen die Entscheidungen zwar sehr schnell, aber der Automa macht halt irgendetwas, auch wenn das gar nicht wirklich sinnvoll ist. Dennoch reichte mir das vollkommen als Mitspieler aus. So kam mir ARNO zum Beispiel bei den Artenschutzprojekten immer wieder in die Quere, was positiv im Sinne eines agierenden Mitspielers ist. Und auch Karten nahm mir ARNO manchmal zufällig weg, die ich gerne gehabt hätte. Vor allem deswegen und wegen der häufigeren und besser verteilte Pausen rotierten die Karten mehr durch und es gab dadurch eine viel bessere Kartenauswahl als in der offiziellen Soloversion. ARNO kommt in drei Schwierigkeitsstufen, bei denen er mehr oder weniger Attraktion oder Artenschutzpunkte über Tiere, beim Bauen und bei den Artenschutzprojekten erhält. Auf der leichten Stufe konnte ich ihn mit 21 zu -4 auf Plan 0 besiegen. Auf der mittleren Stufe verlor ich einmal -30 zu 14 und gewann zuletzt mit 39 zu 28.

Mir gefällt ARNO sehr gut, weil es mir so vorkommt, als hätte ich mehr in meinem Zoo erreicht als mit der offiziellen Soloversion. Die mittlere Schwierigkeitsstufe scheint meinem Spielniveau zu entsprechen und es entspann sich vor allem in der zweiten Partie ein sehr spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen ARNO und mir. So in etwa würde ich auch erwarten, dass sich eine reale Zweipersonen-Partie anfühlt, nur dass diese mit ARNO die Hälfte der Zeit benötigt. Mit der kurzen Spieldauer und hoher Kartenrotation will ich solo nicht mehr ohne ARNO spielen. (10,0)

ARNO mit seinen fünf Aktionskarten
ARNO mit seinen fünf Aktionskarten

Wertung: (10,0)

#ArcheNova #ArcheNovaARNO

Homemade Ark Nova Nerdy Automa (HANNA)

Eine zweite alternative Soloversion kommt in Form von HANNA von Dennis Beck daher. HANNA simuliert eine zweite Mitspielerin, die weniger zufällig agiert. Es kommen die normalen Aktionskarten ins Spiel auf die Slots 1 bis 5, wobei deren Text keine Rolle spielt. Stattdessen gibt es ein Automa-Deck bestehend aus zwölf Karten. Auf zehn Karten ist für jede Aktionskarte, sowohl für die normale als auch die aufgewertete Seite, abgedruckt, was HANNA tun wird. Gewählt wird normalerweise immer die Aktionskarte in Slot 5 und diese wird nach der Aktion wie üblich auf Slot 1 gelegt. Die anderen zwei der zwölf Karten simulieren dagegen, dass ein anderer Slot als 5 gewählt wird und variiert so auch die Reihenfolge der Aktionen im Spiel, was mir gut gefällt. Wenn ich aus einer gewissen Anzahl an Optionen etwas wählen muss (beispielsweise welche Tierkarte ich aus der Auslage nehme), hat jede Karte auf der Rückseite einen „zufälligen“ Wert von 1-6 und eine passende Windrose abgebildet, die mir die Entscheidung vorgibt. Ein W6 hätte es wie bei ARNO natürlich genauso getan. Da ich aber immer die Aktionskarte aus Slot 5 mit einer passenden Automa-Karte zusammenspiele, lässt das HANNA in Summe wesentlich weniger zufällig erscheinen.

Um mit HANNA zu spielen, ist etwas Bastelarbeit notwendig. Fünf A4-Seiten mit Kartenvorderseite und Kartenrückseite wollen ausgedruckt, ausgeschnitten und eingetütet werden. Dazu noch das HANNA-Spielertableau mit Bonusmarkern und Ablage für Partnerzoos und Universitäten. Es gibt 20 Automa-Karten, von A bis J, jeweils mit einer Variante 0 und einer Variante 1. Die Variante 1 ist dabei stärker. Dazu gibt es noch vier Upgrade-Karten mit Stärken 0, 1, 1 und 2. Auf die Art kann ich mir also über 4000 verschiedene Konstellationen mit einer Gesamtstärke von 0 (also A0 bis J0 und U0) bis 12 (A1 bis J1 und U2) zusammenstellen. Ob es diese Vielfalt braucht, weiß ich nicht, ich habe mich eher erschlagen gefüllt von dieser Fülle an Varianz. Zumal ich 14 Möglichkeiten habe, gegen HANNA in der Stärke 1 anzutreten und HANNAs Aktionen sich nur minimal ändern werden. Vor allem gehe ich davon aus, dass aufgrund des Zufalls in Arche Nova durch die Karten sich nicht immer hundertprozentig sagen lässt, ob ich wirklich sehr gut gegen HANNA in Stärke X gespielt habe oder ob Sieg oder Niederlage vielleicht auch nur Zufall waren.

HANNAs Aktionen spielen sich eigentlich recht schnell. Ich habe in der Erstpartie aber allein für die ersten zwei Runden 45 Minuten gebraucht, weil ich bei so gut wie jeder Aktion mindestens einmal, meist aber mehrmals nachlesen wusste, wie sie anzuwenden ist. Der Automa ist einfach wesentlich komplexer in der Ausführung als beispielsweise ARNO. Es ist sicherlich auch kein „Wasserkraft“ (dessen Solo-Bot ich nach zweieinhalb unverständlichen Runden – nicht Partien! – aufgegeben habe, da ich den Entscheidungsbaum nicht verstand und meine eigenen Züge vergaß), aber dennoch konnte ich erst in meiner dritten Partie HANNAs Aktionen einigermaßen automatisch und schnell ausführen – und dennoch unterliefen mir dabei immer noch Fehler. Am Ende dauerte meine Erstpartie 105 Minuten, ein Großteil davon verbrachte ich wie gesagt mit Nachschlagen in der Anleitung. Immerhin die Zweitpartie dauerte nur noch anderthalb Stunden und die dritte Partie war nach einer Stunde vorbei (Grund siehe unten). Am kompliziertesten wird es mit den Tierkarten. Diese werden nämlich nicht nur für ihre Attraktion, Artenschutz und Ruf ausgespielt, sondern auch die Aktionen auf den Karten werden befolgt. Das wirkt natürlich realistischer, aber ist auch mehr Aufwand für mich. Vor allem muss ich aktiv eine Entscheidung treffen, welche Tierkarte für HANNA am lukrativsten ist. Ebenso muss ich in der Einkommensphase prüfen, welches Einkommen HANNA von Sponsorenkarten und der Attraktionsleiste (da HANNA kein Geld sammelt, wird dies in Attraktion umgerechnet) erhält. All das kostet Zeit und bringt mich aus den eigenen Überlegungen heraus.

Problematisch an HANNA fand ich, dass ich nicht alle Entscheidungssituationen in der Anleitung gefunden habe. Als einfachstes Beispiel: HANNA spielt die Bauaktion und soll damit, weil sie ja nicht bauen kann, einen Partnerzoo nehmen. Davon hat sie aber schon vier, also keinen Platz mehr. Ich habe nicht gefunden, was in den Fällen passiert, wenn ich eine Aktion nicht ausführen kann. Ich habe mich dann für das Nehmen eines X-Markers entschieden. Mit drei X-Markern erhält HANNA immerhin einen Extrazug und ist sofort erneut an der Reihe. Das größte Unverständnis war aber bei den Artenschutzprojekten. Wenn HANNA keines auf der Hand hat, unterstützt sie ein Basisartenschutzprojekt. Davon gibt es drei, die Windrose gibt (vermutlich, denn die Anleitung beschreibt es nicht explizit) an, ob sie das linke, mittlere oder rechte unterstützt. Danach gibt wieder die Windrose an, ob HANNA darauf das linke, rechte oder mittlere Feld belegt. Und hier ist das Problem: Dieser Felder sind im Solospiel gegen HANNA immer von neutralen Steinen belegt (das rechte Feld auf dem rechten Basisartenschutzprojekt, das mittlere auf dem mittleren und das linke auf dem linken Basisartenschutzprojekt). Ich habe nicht gefunden, ob ich vielleicht für das Feld eine neue Karte mit Windrose ziehen soll. Und ich weiß auch nicht, was ich machen soll, wenn das Feld danach dennoch belegt ist? Ein anderes Feld nehmen? Mit mehr oder weniger Artenschutzpunkten? Oder die Verbandsaktion nicht ausführen und einen X-Marker nehmen?

HANNA in der Übersicht
HANNA in der Übersicht

Meine erste Partie spielte ich gegen HANNA mit Stärke 0, um deren Fähigkeiten kennenzulernen. Wie geschrieben, musste ich dafür sehr viel in der Anleitung nachlesen, da anfangs jede Aktion auf den Automa-Karten eine Erklärung benötigt. Auf der Rufleiste kam HANNA so gut wie gar nicht vorwärts, sie unterstützte nur ein Artenschutzprojekt (aufgrund der Unfähigkeit Basisartenschutzprojekte zu unterstützen, was ich aber noch nicht erkannte), hatte keinerlei neue Verbandsmitarbeiter bekommen und nur eine Uni und zwei Partnerzoos. Am Ende gewann ich mit 22 zu -37. Für einen Bot auf Stärke 0 klang das aber plausibel. Für die zweite Partie änderte ich die Karten A bis E in ihre stärkere Form, spielte also auf Stärke 5 gegen HANNA. Wieder unterstützt HANNA keine Basisartenschutzprojekte und erst jetzt erkannte ich, wo das Problem lag (siehe oben). Aus Konsistenzgründen behielt ich diese Spielweise aber bei. Dennoch frustrierte mich die Partie aus dem Grund und auch aus anderen Gründen, in denen HANNA aus meiner Sicht einfach nicht sinnvoll agierte. Vieles hat aber auch damit zu tun, dass es viele Sonderfälle gibt, wenn die erste Aktion nicht normal ausgeführt werden kann. Ich hatte in der zweiten Partie jedenfalls genügend Zeit, um alle Unis, Partnerzoos, Verbandsmitarbeiter und Aufwertungen zu spielen. Resultat: Ich gewann mit 39 zu -49 Punkten. Von mehr Stärke war bei HANNA nichts zu sehen.

Nachdem ich das Problem mit den Basisartenschutzprojekten erkannt hatte, spielte ich noch eine dritte Partie mit Stärke 5. Diesmal entschied ich mich bei den Basisartenschutzprojekten zufällig irgendwohin zu setzen, weil das vermutlich in der Anleitung auch gemeint war. Und endlich spielte HANNA besser. Vielleicht auch ein bisschen zu gut, denn ich verlor mit -73 zu 22 nach einer Stunde Spielzeit. Ich war also kaum losgelaufen, als HANNA die Ziellinie überschritt. Hauptgrund waren vermutlich die Artenschutzpunkte durch die Basisartenschutzprojekte und die Boni durch deren Unterstützung. Und durch die Boni auf der Artenschutzleiste ging der Ruf hoch und Karten wurden aufgewertet. Vor allem die aufgewertete Aktionskarte „Tiere“ zusammen mit einem hohen Ruf war für die Niederlage ausschlaggebend, denn damit konnte HANNA gezielt aus der Auslage das lukrativste Tier spielen, sowie das lukrativste aus ihrer Hand. HANNA hatte am Spielende fast nur Tiere mit Kosten größer 20 Geld ausliegen, also auch mit entsprechend hoher Attraktion, Ruf und Artenschutzpunkten. War die zweite Partie frustrierend, weil HANNA unsinnige Entscheidungen traf, war die dritte Partie frustrierend, weil es sich anfühlte, als würde HANNA betrügen. Sicherlich spielte auch wieder der Kartenzufall eine Rolle, aber ich sehe nicht, wie ich da hätte gegen ankommen können.

Interessant wäre noch, wie sich HANNA mit den angepassten beziehungsweise vermutlich so angedachten Basisartenschutzprojekte-Regeln auf Stärke 0 spielt. Aber das werde ich vermutlich nicht mehr testen. HANNA ist mir zu aufwändig in der Handhabung. Denn ich muss als Mensch immer noch Entscheidungen für HANNA treffen und das will ich bei einem Automa nicht. Ich möchte mich gerne auf mein eigenes Spiel konzentrieren und nicht für jemand anderes mitdenken. Zusätzlich sind die Regeln teils so kleinteilig, sodass ich auch in der dritten Partie wieder etwas falsch spielte – wodurch HANNA aber vermutlich nur etwas weniger schnell gewonnen hat. (6,0)

HANNA im Detail mit Aktions-/Entscheidungskarten
HANNA im Detail mit Aktions-/Entscheidungskarten

Wertung: (6,0)

#ArcheNova #ArcheNovaHANNA

Feed the Kraken (Funtails, 2022)

Kapitän: „Navigator, ahoi. Wohin steuerst du denn? Ich sagte doch nach Steuerbord.“ – Navigator: „Der Leutnant hat aber gesagt nach Backbord und das hielt ich für die bessere Idee so mit den komischen Tentakeln, die da vorne aus dem Meer schauen.“ – Leutnant: „Backbord? Ich wollte doch geradeaus segeln. Und die Tentakel sind noch meilenweit entfernt.“ – Restliche Crew: „Lügner und Betrüger. Morgen meutern wir und dann werden wir unser Ziel sicher erreichen.“ – So in etwa hört sich eine Diskussion bei „Feed the Kraken“ an.

„Feed the Kraken“ ist ein „Social Deduction“-Spiel, bei dem fünf bis elf Seemänner und -frauen als Segler (blau), Piraten (rot) oder Kultisten (gelb) an Bord eines Schiffs anheuern. Jede Runde wählt der amtierende Kapitän einen Leutnant und einen Navigator aus. Danach stimmt die gesamte Crew geheim mittels Pistolen in der Hand darüber ab, ob diese Personalwahl eine gute Idee ist. Landen mindestens drei Pistolen auf dem Tisch, kommt es zur Meuterei und die Spielerin mit den meisten Pistolen wird neuer Kapitän. Geht das Schiff irgendwann mit der Auswahl auf Reise, ziehen Kapitän und Leutnant je zwei Navigationskarten. Diese geben die Richtung an, die das Schiff steuert. Blaue Karten steuern damit den sicheren Hafen (rechts auf dem Spielplan) für die Segler an. Rote Karten lassen das Schiff nach links segeln, Richtung Piratenversteck. Und die gelben Navigationskarten fahren eher Richtung Mitte und helfen damit den Kultisten. Und so wählen Kapitän und Leutnant geheim je eine Navigationskarte, aus denen der Navigator dann entscheiden darf, welche er wählt. Danach bewegt sich das Schiff entsprechend und es entstehen Diskussionen am Tisch, wieso genau dahin gesegelt wurde, wer welche Karte auswählte und warum nur Verräter am Tisch sitzen. Die Navigationskarten haben auch noch Symbole, die verschiedene Aktionen nach der Schiffsbewegung auslösen. Eine setzt den Kapitän wegen Trunkenheit außer Gefecht. Eine andere lässt einen Spieler die abgeworfenen Navigationskarten anschauen, womit geprüft werden kann, ob jemand vielleicht gelogen hat. Am wichtigsten sind die gelben Navigationskarten, da sie dem Kultführer eine 3/5 Wahrscheinlichkeit geben, eine Mitspielerin zum Kult zu bekehren. Das ist wichtig, denn der Kultführer will geopfert werden. Drei Felder am Ende des Spielplans zeigen zwei Krakenarme und einen Krakenkopf. Landet das Schiff auf einem der Felder, muss der Kapitän einen Mitsegler über Bord gehen lassen. Das Spiel endet, sobald das Schiff ein Zielfeld für Segler, Piraten oder Kultisten erreicht oder falls der Kultführer über Bord gegangen ist.

Wir spielten zwei Partien und Fünf ist definitiv keine gute Spielerzahl für „Feed the Kraken“. In der ersten Partie spielten wir auf dem großen Seeplan. Ein Spieler sah meine Gesinnung recht früh und ich wurde als Pirat abgestempelt. Das war aber okay, denn so konnte mein Piratenmitspieler ungestört im Hintergrund agieren. Der Kultführer hatte dagegen keine Chance. Vor allem als er ausgepeitscht und die blaue Karte abgelegt wurde, war klar, dass er lügt. Die zwei übrigen Seeleute hatten aber kaum eine Chance zu gewinnen. Allein wegen der Kartenverteilung mit mehr roten Navigationskarten war die Chance groß, dass bei drei Personen pro Navigation etwas schiefgeht. Und so fuhren wir immer weiter Richtung rote Küste. Ich wurde zwar kurz vor Schluss noch über Bord geworfen, aber der Piraten-Navigator machte alles richtig und so gewann ich im Meer treibend mit ihm. Dadurch, dass bei fünf Spielern ein oder zwei Piraten im Spiel sein können, ist beim Verhältnis von 11 roten zu 6 blauen Navigationskarten die Tendenz vorgegeben.

Die zweite Partie spielten wir auf dem kleineren Seeplan. Gleich zu Beginn spielten wir eine gelbe Navigationskarte, der Kultführer zog zufällig eine Bekehrungskarte und zog den ersten Seemann zur gelben Seite der Macht. Kurz danach gab es die zweite gelbe Navigationskarte und erneut eine Bekehrung und ich durfte mich als zweiter Seemann zur gelben Fraktion dazu zählen. Und kurz darauf folgte eine weitere gelbe Navigationskarte und der dritte Seemann wechselte die Seiten. Am Ende des Spiels standen vier Kultisten einem Piraten gegenüber. Es war also nur die Frage, wie wir den Kultführer nicht zum Kapitän machen und das Schiff auf den Kraken fahren können, was natürlich recht einfach gelang. Nur durch vier rote, gezogene Karten durch Kapitän und Leutnant hätte der Pirat in der letzten Runde noch gewinnen können.

Ich bin unsicher, ob das zufällige Aussortieren einer blauen oder roten Gesinnung bei fünf Spielerinnen das Spiel nicht eher kaputt macht. Beim vergleichbaren „Jäger der Nacht“ ist es zwingend erforderlich, dass gleich viele Personen pro Partei Werwölfe und Vampire teilnehmen und das funktioniert wunderbar. Die Zufälligkeit bei „Feed the Kraken“ bringt zwar mehr Unsicherheit, aber gefühlt eben auch ein zu starkes Ungleichgewicht mit rein. Auch skaliert die Bekehrung der Mitspielerinnen zu fünft nicht. Selbst mit zwei konvertierten, also drei Kultisten, ist es schwer für die anderen noch zu gewinnen. Und je mehr Kultisten es werden, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass mehr gelbe Navigationskarten gespielt werden und dadurch noch mehr Personen zu Kultisten werden. Das erinnerte mich stark an „Panic Station“, wenn nach und nach sich immer mehr Personen infizieren und man irgendwann auf der Seite der Guten infiziert werden will (was natürlich spielerisch verpönt ist), weil es sonst keine Möglichkeit mehr gibt, zu gewinnen. Seltsamerweise sind auch im Spiel zu zehnt nur drei Bekehrungskarten enthalten, sodass sich mit etwas Glück maximal vier Kultisten sechs anderen Personen gegenüberstehen.

Vom Material her war die gespielte Version ein seltsamer Mischmasch aus Plastik und Plättchen. Das Schiff als 3-D-Plastikschiff fand ich sehr schön, die beiden 3-D-Plastik-Marker für Leutnant und Navigator aber unsinnig und klobig. Kleine Standees hätten es da auch getan, wie es sie beispielsweise auch für den letzten Navigator gibt, um anzuzeigen, dass er nicht mehr im Dienst ist. Daneben hätte ich mir noch einen Anzeiger für den amtierenden Kapitän gewünscht. Der hat zwar die Schatulle für die Navigationskarten, reicht sie aber herum. Selbst zu fünft fragten wir uns einige Male, an wen der Navigator die Box zurückgeben muss. Die 3-D-Krakenteile sind zwar ebenfalls für das Spiel unsinnig, geben dem Spiel aber etwas mehr Tiefe. ;) Mir haben sie jedenfalls gefallen und in Summe finde ich das Spiel optisch gut umgesetzt. Auch thematisch passt alles gut zusammen, was die drei Fraktionen und deren Ziele angeht. Okay, dass Kapitän und Leutnant dem Navigator geheim eine Richtung zurufen und der dann entscheidet, wo es langgeht, ist es eine seltsame Art ein Schiff zu navigieren. Aber die Diskussionen am Tisch nach der Offenbarung der gewählten Fahrtrichtung lassen das Thema um Verräter und Meuterei schön aufleben.

Apropos leben – „Feed the Kraken“ lebt natürlich von solchen Diskussionen und hängt damit auch sehr von der Spielgruppe ab. Wer kein „Social Deduction“ mag oder nicht gerne diskutiert, wird auch mit dem Spiel wenig Spaß haben. Entweder wird man beschuldigt irgendetwas zu sein und muss sich verteidigen (was nicht jeder mag) oder man spielt stumm vor sich hin, aber spielt nicht wirklich mit. Hierin ist „Feed the Kraken“ so gut wie die meisten anderen „Social Deduction“-Spiele. Am ehesten würde ich es mit „Resistance“ beziehungsweise das spätere „Secret Hitler“ vergleichen. Gruppe erstellen, über diese Zusammenstellung mit viel Diskussion abstimmen, dann bestimmen, wo es lang geht/was man macht/wie eine Mission ausgeht, und erneut über den Ausgang diskutieren. Den Fortschritt auf dem Spielbrett und das langsame Ansteuern des Ziels hat mir dabei sehr gut gefallen, da es dadurch weniger abstrakt daherkommt als beispielsweise ein „Resistance“. Auch die Auswahl der Karten mit ihren Symbolen fand ich sehr gut, da ich das immer taktisch einbauen konnte, um zum Beispiel den Kapitän wegen Trunkenheit abzulösen.

„Feed the Kraken“ ist sicherlich ein sehr gutes Spiel, aber es funktioniert nicht so richtig zu fünft, finde ich. Vermutlich wird es erst mehr Spielerinnen richtig reizvoll, wenn auch eine feste Anzahl an Seglern und Piraten im Spiel ist. Dennoch haben mir die Diskussionen am Tisch wieder viel Spaß gemacht. In einer größeren Gruppe würde ich es gerne wieder mitspielen – nur die muss man erst einmal zusammenbekommen. (8,0)

Feed the Kraken
Feed the Kraken

Wertung: (8,0)

#FeedTheKraken

(Neu) Gespielte Spiele im März 2022

Eigentlich wollte ich den Februar und den März 2022 zusammenfassen, aber da die Texte doch etwas länger geworden sind, habe ich es wieder aufgetrennt.

Earth (Inside Up Games, 2023)

Die Erde. Was für ein wundervoller Planet. Es gibt Wüsten und Berge. Regenwälder und weiten Eislandschaften. Und überall wächst und gedeiht es. Vom kleinen Moos in der Antarktis bis hin zu den Riesenmammutbäumen im Westen der USA. Und wäre es nicht toll, all diese Flora (und teilweise auch Fauna) im eigenen Wohnzimmer zu haben? Nein, vermutlich nicht. Ich habe bereits bei meinem Eindruck von „Verdant“ erwähnt, dass in meiner Wohnung absichtlich nur ein Stoffkaktus zu finden ist. Aber dennoch hat mich „Earth“ angesprochen, obwohl oder vielleicht auch gerade, weil das Endergebnis so schön grün ist.

In „Earth“ übernehmen wir die Rolle von … ja, wovon eigentlich? Die Anleitung drückt sich gar nicht darum, dass das Spiel kein erzählerisches Thema hat, sondern dass es einfach darum geht, Pflanzenkarten auszuspielen, die gute Synergie-Effekte erzielen. Aus dem Grund bezeichnet sich „Earth“ auch selbst als „open world engine builder“. Und mechanisch passt das auch ganz gut, auch wenn der eigentliche, zentrale Mechanismus die Aktionswahl mit Folgemechanismus ist. Als aktiver Spieler wähle ich eine von vier Aktionen, die farbig markiert sind, auf meinem Spielertableau aus. Zuerst führe ich die Aktion aus, danach dürfen alle meine Mitspielerinnen die gleiche Aktion etwas abgeschwächt ebenfalls ausführen. Die Aktionen erlauben es mir, Erde-Marker zu nehmen, die ich abgeben muss, um Pflanzen- und Geländekarten in meine 4x4-Auslage legen zu dürfen. Andere Aktionen erlauben es mir, auf den Pflanzenkarten kleine Bäume gestapelt wachsen zu lassen oder Pflanzenmarker daraufzulegen. Zusätzlich haben so gut wie alle Karten noch Fähigkeiten in den vier Farben der Aktionen. Wieso? Weil, nachdem ich und alle Mitspielerinnen meine gewählte Aktion ausgeführt haben, werden alle Fähigkeiten der gleichen Farbe in der Auslage von allen Spielerinnen ausgeführt. Und warum mache ich das überhaupt? Siegpunkte. Auch hier macht das Spiel keinen Hehl daraus, dass es auf einen Punktesalat am Spielende hinausläuft. Immerhin in acht Kategorien gibt es Siegpunkte. Neben den Siegpunkten auf ausgespielten Karten gibt es auch Siegpunkte für eine eigene Ökosystem-Karte (Ziel am Spielende) und für die zwei öffentlich ausliegenden Ökosystem-Karten, für Fauna-Karten, deren Bedingung wir im Laufe des Spiels erfüllen können, für abgeworfene/kompostierte Karten und für die Wachstums- und Pflanzenmarker auf eigenen Karten. Das Spiel endet dabei in der Runde, in der eine Spielerin 16 Karten in einem 4x4-Raster ausgelegt hat.

Natürlich hat „Earth“ noch ein paar mehr Regeln, aber das Spielprinzip lässt sich wirklich auf die obige Beschreibung zusammenfassen. Die sehr gute Anleitung und die klaren Regeln halfen mir dabei, dass ich das Spiel sogar ohne Vorab-Probepartie in circa 25 Minuten fast fehlerfrei erklären konnte. Mit realem Material und ohne Nachfragen der Mitspielerinnen schaffe ich das in 15 Minuten. Aber trotz der wenigen Aktionen bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, „Earth“ zu spielen. Die acht Punktekategorien helfen dabei, zumal sie relativ gut ausbalanciert wirkten – soweit ich das nach zwei Partien sagen kann. Einziges Manko der englischen Anleitung: Es gibt ein „player board“, ein physikalisches Stück Pappe, auf denen einige Startkarten, der Komposthaufen und Erde-Marker gesammelt werden, und es gibt ein „player tableau“, womit einfach die 4x4-Auslage der Pflanzen- und Geländekarten gemeint ist. Im Deutschen würde ich aber nicht „Spielerbrett“ sagen, sondern „Spielertableau“ für das physische Stück Pappe. Und die Auslage ist … na ja, halt die Auslage. Es verwirrte mich einige Male, als in der Anleitung auf Karten auf dem „player tableau“ verwiesen wurde und ich auf meinem (geistig übersetzten) „Spielertableau“ diese nicht fand. Da das Spiel im Deutschen von Skellig Games übersetzt und vertrieben wird, findet sich dafür aber sicherlich eine sprachlich gute Lösung.

Die Variabilität von „Earth“ ist recht hoch. Und dabei sind gar nicht die ca. 230 Pflanzen- und Gelände-Karten gemeint, die ich ausspielen kann. Daneben gibt es jede Partie vier von 16 doppelseitigen Fauna-Karten, welche mir Siegpunkte während des Spiels bringen. Dazu noch je eine private und zwei öffentliche von 32 doppelseitigen Ökosystem-Karten für Siegpunkte am Spielende. Und zusätzlich erhält jede Spielerin zu Spielbeginn eine von 10 doppelseitigen Insel-Karten, welche die Startressourcen bestimmen, und eine von 10 doppelseitigen Klima-Karten, welche besondere Fähigkeiten mitbringen. Da ich zu Spielbeginn entscheiden kann, mit welcher Seite ich die drei mir zugewiesenen Karten (Insel, Klima und Ökosystem) spielen möchte, hat es in meiner Erstpartie circa 15 Minuten gedauert hat, bis wir diese acht Möglichkeiten evaluiert und uns entschieden hatten. Ich denke, mit mehr Erfahrung und Blick auf die ausliegenden Fauna- und öffentlichen Ökosystem-Karten, wird dies zukünftig aber wesentlich schneller gehen.

Earth – Ausliegende Fauna- und Ökosystem-Karten (Tabletopia)
Earth – Ausliegende Fauna- und Ökosystem-Karten (Tabletopia)

Eine Pflanzenkarte enthält viele Informationen. In der Anleitung werden 15 Stück genannt, von denen nur zwei (der botanische Name und etwas Hintergrundtext) nicht für das Spiel relevant sind. Dennoch ist die Symbolik des Spiels so gut, dass mir innerhalb weniger Züge klar war, wo ich hinschauen muss. Einzig Tabletopia ist es anzukreiden, dass ich öfters hinein- und herauszoomen musste, um Details zu sehen oder den Überblick zu haben. Sehr nett fand ich die Idee, dass die Fähigkeiten auf Karten, welche sich auf benachbarte Karten oder in der gleichen Reihe, Spalte oder Diagonale beziehen, eine kleine weiße Markierung um das Fähigkeitenkästchen haben. Ich habe diese Information zwar nicht oft genutzt, weil ich immer noch den Text lesen musste, aber ich denke, wenn die meisten Karten auswendig gelernt sind, hilft diese Information. Nicht ganz optimal fand ich mitunter die Farbwahl für Aktionen und Fähigkeiten. Zum einen passen die Farben und Fähigkeiten, die dann ausgelöst wird, nicht immer exakt zusammen (beispielsweise ist die Aktion „Kompostieren“ orange, die ausgelöste Fähigkeit dazu aber rot). Und nicht ganz optimal fand ich die braunen Fähigkeiten, da diese doppelt belegt sind. Einmal geben solche Karten einen Bonus während des Spiels (ein Baum braucht zwei Erde-Marker weniger zum Pflanzen), zum anderen geben sie Punkte am Spielende, wenn besondere Bedingungen erfüllt sind. Und so musste ich während des Spiels immer alle braunen Kartentexte lesen, obwohl ich doch nur an den Boni und nicht den Spielende-Punkten interessiert war. Hier hätte ich mir ein extra Symbol gewünscht, was das besser unterscheidbar macht.

Das Spiel ist nicht sprachneutral, aber die Symbolik ist so klar, dass sie sich meist selbst herleiten ließ, ganz ohne Referenz. Dennoch gibt es zahlreiche Karten, die Fähigkeiten-Texte haben, weil sie sich auf benachbarte Karten und auf ausgeführte Aktionen beziehen oder weitere Erklärungen enthalten. Der Grund, wieso ich „Earth“ aber definitiv lieber auf Deutsch spielen würde, sind die deutschen Pflanzennamen. Obwohl sie nur Flavortext sind, finde ich es einfach schöner, wenn ich einen Butter-Röhrling einpflanze anstatt eines „Slippery jack“ oder mir einen Affenbrotbaum in den Garten stelle anstatt eines „Baobab tree“.

Die Spielerinteraktion ist leider sehr gering. Hauptsächlicher Teil ist das Wettrennen um die Fauna-Karten, da zwar jeder diese Ziele während des Spiels erfüllen kann, es aber immer weniger Punkte dafür gibt. Das zweite Rennen ist um das Spielende. Zum einen winken der Person, die das Spielende einläutet, also 4x4-Karten ausgelegt hat, sieben Sondersiegpunkte. Zum anderen will ich das Spiel mitunter schnell beenden, wenn ich sehe, dass meine Mitspielerinnen mit weiteren Aktionen irgendwo noch sehr viele Punkte durch Ökosystem-Karten oder ähnliches erreichen können. Der zweite Interaktionsaspekt ergibt sich durch einige, wenige Karten, die sich auch auf die Auslage der Mitspielerinnen beziehen (beispielsweise „zwei Siegpunkte pro Karte mit roter Fähigkeit am Spielende“). Und das war es dann eigentlich auch schon. In der Regel spielt jeder vor sich hin. Das muss nicht schlecht sein, aber manche Spielertypen möchten einfach etwas anderes. Was im Gegenzug gar kein Problem ist, ist die Downtime, denn sie existiert nicht. Mit jeder Aktion einer Mitspielerin bin ich aktiv involviert. Die Aktionen gehen dabei auch recht schnell, sodass es kaum Wartephasen gibt. Und durch das Aktivieren aller Karten der bestimmten Aktionsfarbe bin ich erneut dran etwas zu tun. In der Erstpartie schauten wir noch genau darauf, was der andere gerade macht. Die Gefahr ist aber groß, dass dies mit mehr Erfahrung parallel abgearbeitet wird und ich mich noch weniger dafür interessiere, was meine Mitspielerinnen so treiben. Bei uns führte die geringe Downtime sogar dazu, dass wir nicht einmal nachgezogene Karten in Ruhe anschauen konnten.

Earth – Auslage am Spielende (Tabletopia)
Earth – Auslage am Spielende (Tabletopia)

Ich habe zwei Partien von „Earth“ auf Tabletopia jeweils zu zweit spielen können. Die Bedienung in Tabletopia war wie so oft die größte Herausforderung des Spiels. Aus dem Grund brauchten wir für die Erstpartie auch ungefähr zwei Stunden. Von der Online-Bedienung abgesehen spielt sich „Earth“ daher sehr schnell runter. Mit mehr Wissen über die Karten bzw. am realen Spieltisch ist eine Zweierpartie in einer Stunde machbar. Aktion wählen, Karten ziehen oder auslegen oder Ressourcen nehmen, noch die Fähigkeiten aktivieren und der nächste ist an der Reihe. Vor allem bei den Fähigkeiten hatte ich befürchtet, dass die Auslage sehr unübersichtlich und die Ausführung sehr langwierig wird. Aber beides war nicht der Fall. Durch die gute Farbkodierung sehe ich sehr schnell, was ich überhaupt aktivieren kann. Die einfache Symbolik hilft schnell zu erkennen, was ich erhalte. Eine richtige Strategie konnte ich in meinen Partien noch nicht ausmachen. Hauptsächlich habe ich zuerst auf die Fauna-Karten gespielt, damit ich das Rennen gewinne. Zu zweit war das aber mitunter ein Nullsummenspiel, weil meine Mitspieler dann oft ein anderes Ziel zuerst erreichten. Beim Ausspielen der Karten habe ich mitunter die öffentlichen Ökosystem-Zielkarten ein bisschen aus dem Blick verloren. Ansonsten habe ich versucht, Synergien durch Landschaftskarten und passende Pflanzen zu bilden. Durch den anderen Startaufbau und die zahlreichen Karten liefen die Partien tatsächlich etwas anders ab. In der zweiten Partie hatte ich beispielsweise wesentlich mehr Pflanzenmarker am Ende des Spiels auf meinen Karten liegen als davor (42:8), weil eine Ökosystem-Karte hierfür Punkte brachte. Der Kernablauf bleibt natürlich immer gleich, weswegen sich die Spieltiefe in Grenzen hält, was aber auch die Komplexität reduziert. Aus dem Grund würde ich „Earth“ als gehobenes Familienspiel einordnen, was auch mit Jüngeren gespielt werden kann. Das führt aber auch dazu, dass beispielsweise die Pflanzenmarker, Wachstumsmarker und Kompostkarten meist keine tiefere Bedeutung haben, als dass sie am Spielende Siegpunkte wert sind.

Es gibt auch eine Solo-Variante gegen die Gaia-KI, leider ist diese nicht in Tabletopia enthalten. Die eigenen Aktionen laufen identisch, die KI erhält einen bestimmten Bonus als andere Spielerin. Für Gaias Zug gibt es ein KI-Deck mit sechs Karten, welche zweimal durchgespielt werden. Diese geben ihr Aktionen und lassen sie Pflanzenwürfel, Wachstumsmarker oder Kompostkarten sammeln. Dies klingt recht einfach in der Handhabung und doch ganz anspruchsvoll als Mitspielerin. Es gibt vier Schwierigkeitsstufen, die das Spiel variabel und anpassbar machen. Wie gut der Solo-Modus wirklich ist, werde ich erst 2023 sehen, wenn das Spiel erscheint.

Zum Abschluss will ich noch auf ein paar Ähnlichkeiten zu anderen Spielen eingehen. „Earth“ macht eigentlich nichts neu. Natürlich fühle ich mich beim Ausspielen der Karten an „Arche Nova“ erinnert, nur eben mit Pflanzen statt Tieren. Die Komplexität ist aber eine ganz andere. Der Aktionswahl-Mechanismus kommt mir ähnlich zu „Scythe“ vor. Dort gibt es sogar eine Art Folge-Mechanismus, wobei mich der wiederum eher an Spiele wie „Puerto Rico“ erinnert. Das Ausführen von Karten nach Wahl der Aktion wiederum kenne ich schon von „Flügelschlag“, auch wenn da die Karten in einer Reihe liegen. Das Auslegen von Pflanzenkarten in einem Raster hat mich zusätzlich an „Verdant“ erinnert. Es gibt also sehr viele Ähnlichkeiten, aber der Mix ist dennoch neu und macht mir zumindest Spaß.

Obwohl „Earth“ gar keine thematische Geschichte erzählen will, wirken die Aktionen doch thematisch. Pflanzen benötigen Erde, speichern mitunter Wasser, wachsen unterschiedlich hoch und das Terrain beeinflusst die Pflanzen rundherum. Auch die Fauna-Zielkarten fand ich sehr gut. So freut sich der Regenwurm über 15 Karten im Komposthaufen. Und der Maulwurf hätte gerne 20 Erde-Marker. Das passt alles sehr schön zusammen. Das ist auch der Grund, wieso ich das Projekt bei Kickstarter nach der ersten Tabletopia-Partie unterstützt habe. Die deutsche Version wird von Skellig Games veröffentlicht und voraussichtlich irgendwann 2023 wird das Spiel erscheinen. Die Spielermatten für die Auslage finde ich im Übrigen kontraproduktiv, da sie ein festes Raster von 4x4-Karten vorgeben. Da gefällt es mir besser, dass ich irgendwo auf dem Tisch anfange und mir von dort mein 4x4-Raster aufbauen kann. (9,0)

Earth – Zwei-Personen-Partie (Tabletopia)
Earth – Zwei-Personen-Partie (Tabletopia)

Wertung: (9,0)

#Earth

Oak (Game Brewer, 2022)

Druiden klettern auf einen Baum. Was sicherlich ein guter Einstiegssatz für „Mutabo“ wäre, umschreibt sehr kurz das Thema von „Oak“. Das Spiel von Wim Goossens wird bis Anfang April auf Gamefound finanziert. Da es eine digitale Tabletopia-Umsetzung gibt, habe ich mir diese in mehreren Solo- und einer Zweipersonen-Partie angeschaut.

Jede Spielerin leitet einen Druidenorden. Auf der Hand hat jeder die gleichen drei Aktionsauswahlkarten und auf dem eigenen Spielertableau stehen drei Druiden für den Arbeitereinsatz bereit. In meinem Zug spiele ich in der Regel einer meiner Aktionskarten aus. Jede Aktionskarte bezieht sich auf einen von drei Tempeln auf dem Spielbrett. Und auf jeder Aktionskarte sind drei Aktionen abgebildet, die wiederum drei Feldern in einem Tempel entsprechen. Ich spiele also eine Karte aus, die den Tempel bestimmt. Danach setze ich einen Druiden auf das gewünschte Tempelfeld und führe gegen Bezahlung von Ressourcen (Federn, Misteln oder Runen) die gewählte Aktion aus. Auf der Aktionskarte steht auch noch eine vierte Aktion zur Verfügung, für die ich aber keinen Druiden von meinem Tableau einsetzen muss. Stattdessen bewege ich einen meiner Druiden, die auf dem Spielbrett am Fuße der dem Spiel namensgebenden großen Eiche stehen, auf einem Ast der Eiche ein Feld weiter bzw. setze einen ein. Auch das kostet mich Ressourcen und bringt mir im Gegenzug Siegpunkte. Alternativ zur Aktionskarte kann ich einen Druiden auch auf speziellen Aktionsfeldern einsetzen. Davon gibt es nur eins auf dem Spielbrett, ein oder zwei auf dem Spielertableau und weitere auf Artefakten, die ich mir besorgen kann. Die Aktionsfelder sind nur einmalig belegbar und wenn sie besetzt sind, kann ich meinen Druiden dort nicht hinstellen. Die Aktionsfelder des Tempels dagegen kann ich mehrfach besetzen. Nur muss ich dann zusätzlich einen Druiden von meinem Tableau zum großen Baum setzen, wo ich ihn nicht mehr für Aktionen nutzen kann.

Und warum die ganzen Aktionen? Hauptsächlich für Siegpunkte. Kreaturen bringen drei Siegpunkte, ebenso wie einen dauerhaften Bonus. Ein Artefakt bringt vier Siegpunkte und ein neues Aktionsfeld. Wenn ich dort einen Druiden einsetze, wird das Artefakt etwas gedreht. Dadurch führe ich die Aktion aus, verliere aber Siegpunkte. Nach der dritten Drehung ist das Artefakt verbraucht, dafür wird der Artefaktslot wieder frei. Und natürlich kann ich als Druide auch Tränke brauen, für die ich Zutaten abgeben muss, die ich im Wald erhalte, wenn ich passe. Denn nur dann dürfen meine Druiden vom Fuße des Baums diese einsammeln. Wenn ich also früh passe, erhalte ich mehr Zutaten. Die Tränke wiederum ermöglichen mir eine Aktion oder geben Siegpunkte. Auch die Behausungen (Schreine) für meine Druiden bringen mir neben dem Schlafplatz zwei oder vier Siegpunkte. Und für den Bau eines Menhirs erhalte ich sechs Siegpunkte. Schritte auf dem Baum geben mir immer zwei Siegpunkte, außer am Ende eines jeden Astes. Dort gibt es Siegpunkte für Kreaturen, Artefakte, Schreine etc., die ich bis dahin gesammelt habe (beispielsweise zwei Siegpunkte pro Kreatur). Das Feld kann dafür nur von einem Druiden besetzt werden.

Oak – Druiden klettern auf einen Baum (Tabletopia)
Oak – Druiden klettern auf einen Baum (Tabletopia)

Eine größere Besonderheit ist, dass ich mit einer Aktion einen meiner Druiden aufwerten kann. Als Aufwertung stehen mir sechs Gimmicks zur Verfügung, die ich jeweils einem Druiden umhängen/anheften kann, um zu markieren, dass dieser eine spezielle Rolle hat. Alle aufgewertete Druiden können auf speziellen Aktionsfeldern eingesetzt werden, die für normale Druiden nicht zur Verfügung stehen. Dafür brauchen diese Druiden aber auch einen speziellen Übernachtungsplatz und kommen nicht überall unter. Diese Übernachtungsplätze kann ich mit einer Aktion als Schrein bauen, was mir auch Siegpunkte bringt. Die Druiden-Aufwertungen bringen manchmal einen Einmalbonus. So erweitert der Barde mein Tableau um einen weiteren Anlegeplatz für Schreine/Menhire und Kreaturen. Der Einsiedler bringt sein eigenes Zelt zur Übernachtung mit. Andere wie der Erzdruide vergünstigen Tempelaktionen oder wie der Heiler das Tränkebrauen. Und der Krallenmeister kann sich auf belegte Tempelaktionsfelder setzen, ohne dass ich einen weiteren Druiden abgeben muss. Der sechste Druide kommt nur durch einen speziellen Trank ins Spiel und umfasst die Fähigkeiten aller anderen Druiden. Da ich anfangs nur drei Druiden habe, es aber sechs Aufwertungen gibt, empfiehlt es sich neue Druiden vom Fuße des Baums zu rekrutieren, was ebenfalls über eine Aktion geht.

Eine Runde endet, wenn alle Spielerinnen gepasst haben. Jeder, der passt, darf, solange nicht alle gepasst haben, mit einem Druiden vom Fuße des Baums eine Zutat aus dem Wald einsammeln. Auf die Art wird frühes Passen manchmal belohnt, wenn ich genau diese eine Zutat in der nächsten Runde für eine Trank benötige. Danach kommen die Druiden auf Tempel- und Aktionsfeldern zurück auf mein Tableau (wenn sie einen Schlafplatz haben), alle anderen zurück zum Fuße der Eiche. Ein Sonnenmarker (nicht gleichbedeutend zum Rundenmarker) wird weitergerückt und löst bei jedem zweiten Mal eine Sonnenwende aus. Bei dieser erhalten alle Spielerinnen ein kleines Einkommen gemäß ihrer Druiden auf den Ästen des Baums, wenn sie auf der Siegpunktleiste hinter dem Sonnenmarker stehen. Dies dient als kleiner Catch-up-Mechanismus und verschafft mir mitunter Ressourcen, die ich später benötige. Nach fünf Runden ist Schluss und der Druidenorden mit den meisten Siegpunkten gewinnt.

Oak – Spielertableau des Druidenordens „Cairns“ (Tabletopia)
Oak – Spielertableau des Druidenordens „Cairns“ (Tabletopia)

„Oak“ hat eine sehr schöne Illustration. Das Spielbrett und die Spielertableaus sind wunderbar detailliert gestaltet und ein genaues Hinschauen lohnt sich. Schade ist, dass auf Tabletopia dies nicht wirklich herauskommt, da ich schon sehr nah heranzoomen musste, um die Details zu erkennen. Alle Informationen für den Spielablauf und auch die Nebenaktionen (Tausch von Zutaten in Ressourcen oder ähnliches) stehen auf dem Spielbrett, den Spielertableaus oder auf zwei Hilfekarten. Leider ist die Symbolik nicht immer auf Anhieb intuitiv zu verstehen. Sie macht das Spielmaterial zwar komplett sprachneutral, aber in der Erstpartie musste ich jede Kreatur, jeden Trank und jedes Artefakt in der Anleitung nachschlagen. In meiner dritten Partie ging es dafür fast ohne Anleitung. Ein Problem der Symbolik könnte auch sein, dass diese sehr realistisch gezeichnet ist. Sie fügt sich sehr gut ins Bild ein, aber lässt sich dadurch auch etwas schlechter durch einen schnellen Blick erfassen.

Thematisch lässt sich „Oak“ für mich schwer einordnen. Die Anleitung strotzt vor (englischen) Begriffen wie „gorget“, „ovate“, „moot“, „crane bag“ oder „recluse“. Das wirkt thematisch (wenn man die Übersetzung findet), erschwerte mir das Erlernen aber auch, da es keine englischen Standardvokabeln sind. Dass ich als Druiden-Anführer einen Druidenorden in einem Dorf leite, kommt noch einigermaßen heraus. Und auch das Trankbrauen passt zum Thema. Aber es fühlt sich leider alles extrem mechanisch an. Ich braue keinen Trank, sondern ich gebe Zutaten aus, um eine Aktion auszuführen. Die Kreaturen und Artefakte hole ich mir durch Aktionen und geben Ressourcen dafür aus, aber es fühlt sich nicht so als würde ich gerade ein wertvolles Artefakt im Wald finden (sie liegen halt in einer Auslage) oder mich mit einer bestimmten Kreatur anfreunden – oder diese einfangen oder was auch immer ich mit den Kreaturen mache. Der Erhalt der Ressourcen bei einer Sonnenwende für Federn und Misteln ist noch logisch, aber wieso finde ich Runen in den Baumwipfeln? Warum klettern die Druiden überhaupt auf den Baum? Und die Tempelfelder sind reine Arbeitereinsetzfelder, die einen Einsatzkonflikt erzeugen, aber sich nicht thematisch erklären lassen. Die Ressourcen Federn, Misteln und Runen sind dabei auch nicht wirklich thematisch greifbar. Es sind einfach drei Ressourcen, die auch gegen Blätter, Kieselsteine und Eicheln ersetzt hätten werden können. Was mir das Thema aber am meisten verleitet: Für (fast) alles gibt es Siegpunkte. Kreatur holen? Drei Siegpunkte. Artefakt finden? Drei Siegpunkte. Auf dem Baum herumlaufen? Zwei Siegpunkte. Schrein bauen? Zwei oder vier Siegpunkte. Menhir errichten? Sechs Siegpunkte. Alles dient nur dem Erhalt von Siegpunkten, was das Thema und das Setting ziemlich in den Hintergrund drängt. Einzig die aufgewerteten Druiden passen von ihren Fähigkeiten sehr gut ins Spiel.

Oak – Auswahl an Kreaturen, Artefakten und Tränken (Tabletopia)
Oak – Auswahl an Kreaturen, Artefakten und Tränken (Tabletopia)

Die Mechanik des Arbeitereinsatzes funktioniert dabei ganz gut. Für mich neu war, dass es eine Ecke mehr zu bedenken gibt. Ich muss, wenn ich eine Aktion ausführen möchte, nicht nur darauf achten, ob das Feld belegt ist und ich die Ressourcen für die Aktion habe. Ich muss zusätzlich schauen, dass ich noch die richtige Aktionskarte auf der Hand habe. Diese Lösung hat Vor- und Nachteile für mich. Vorteil: Ich muss eine Sache mehr bedenken und kann nicht immer das was machen, was ich will. Die Zwänge sind meistens angenehm. Das ist aber zugleich auch der Nachteil, denn es passierte mir sehr oft, dass ich zwar viele Ressourcen einer Art und auch Druiden hatte, aber keine sinnvolle Karte mehr, um diese zu nutzen. Spätestens beim dritten Druiden, den ich einsetzen will, fällt die Auswahl nicht mehr auf das, was ich gern machen möchte, sondern darauf, wo Tempelfelder frei sind und welche Ressourcen ich zur Verfügung habe. Und so klapperte ich alle neun Tempelfelder ab und oft blieben dann nur zwei Felder übrig, die ich sinnvoll nutzen konnte. Dies war mir etwas zu eingeschränkt, weil ich damit keinen sinnvollen Plan verfolgen konnte. Das Laufen auf dem Baum ist ganz nett, aber irgendwie sehr losgelöst vom restlichen Spiel, da der Fortschritt dort keine Auswirkung auf andere Aktionen hat. Der Ertrag bei einer Sonnenwende hält sich in Grenzen (maximal zwei Ressourcen für je drei Druiden, wenn diese genau richtig stehen). Und ich erhalte dies auch nur, wenn ich nicht vor dem Sonnenmarker liege. Im Solospiel führte das dazu, dass der Bot nie Ressourcen erhielt, weil er immer zu weit vorne lag. HEs gibt noch eine Eclipse-Variante in der Anleitung, bei der alle Spielerinnen, die vor dem Sonnenmarker liegen, Ressourcen abgeben müssen gemäß ihrer Druiden auf den Ästen. Aber in dem Fall würde ich einfach den Baum komplett ignorieren, wenn ich so weit vorne liege. Der Mechanismus mit Ernte bei Sonnenwende läuft daher oft ins Leere, was schade ist. Die Mechanik der Artefakte (Drehen bei Benutzung und Ablegen nach drei Drehungen) erinnerte mich sehr stark an die Drehmaschinen aus „Corrosion“. Interessant fand ich dabei, dass mir ein Artefakt beim Erwerb vier Siegpunkte bringt, ich beim Einsatz aber ein, zwei und dann drei, also in Summe sechs Siegpunkte verliere. Der Einsatz will also wirklich gut überlegt sein. Anfangs interessant fand ich die Abwägung, wie viele Druiden ich mir zusätzlich auf das Tableau hole. Denn von den sechs zusätzlich verfügbaren Druiden wollen vielleicht schon drei auf dem Baum herumklettern. Und irgendwer sollte beim Passen auch noch Zutaten ernten, wenn möglich. Und nur viele Druiden im Dorf zu haben bringt nichts, wenn ich keine Aktionskarten oder Aktionsfelder zum Einsetzen habe. Nach drei Partien scheint mir aber, dass zwei zusätzliche Druiden ausreichen, um gut über die Runden zu kommen.

Wo „Oak“ bei mir gar nicht punktete, war die Anleitung. Ich habe mich selten so schwergetan, ein Spiel zu erlernen. Neben den englischen Fachbegriffen (siehe oben) lag dies auch am Aufbau der Anleitung. Die ersten acht Seiten erklären nur die Karten, Druiden-Fähigkeiten und sonstige Basis-Mechanismen. Dabei wird auf Begriffe eingegangen (wie „Dusk“), die noch nicht erklärt wurden. Erst auf Seite 9 erfahre ich, wie der Spielablauf überhaupt ist und wie das Spiel mechanisch funktioniert. Aber selbst als ich die nächsten vier Seiten gelesen hatte, wusste ich essenzielle Dinge immer noch: Wie erhalte ich neue Druiden? Wie werte ich diese auf? Und wie komme ich an neue Ressourcen? Das musste ich mir erst selbst durch den Anhang erarbeiten, in dem alle Karten, Artefakte, Kreaturen, Tränke etc. beschrieben sind. Und auch dann musste ich die erste Solopartie nach ein paar Fragen auf BGG abbrechen, weil ich einige Abläufe grundlegend falsch verstanden hatte. Geholfen hat dabei auch nicht, dass ich zuerst bei Gamefound mit einer veralteten Anleitung das Spiel gelernt habe und Tabletopia nach der Aktualisierung der Anleitung teils noch die alten Symbole zeigt. Alles in allem fühlt sich das Spiel komplizierter an, als es ist. Die Erklärung auf Tabletopia dauerte dennoch 45 Minuten. Die Grundprinzipien waren schnell erklärt, aber danach müssen noch alle Aktionen der Standard- und erweiterten Aktionskarten sowie die ausliegenden vier Tränke, drei Artefakte und drei Kreaturen erklärt werden, ehe die Partie starten kann.

Wenn alle Spielerinnen das Spiel kennen und insbesondere die Symbolik verinnerlicht haben, kann sich „Oak“ recht schnell spielen. Meine Solopartien dauerten circa 75 Minuten, was in der Realität sicherlich in unter 60 Minuten zu schaffen ist. Und auch eine Zweipersonen-Partie könnte ich mir in etwa 60 Minuten vorstellen. Unsere dauerte auf Tabletopia dann aber doch 2:25 h. Es gibt dafür drei Gründe: Erstens waren die Abläufe und Zusammenhänge meinem Mitspieler logischerweise nicht bekannt. Da kostet das Überlegen etwas mehr Zeit. Zweitens ist ein Vorplanen für spätere Züge zwar möglich, aber vor allem bei den Tempelfeldern besetzt der Mitspieler ständig ein Feld, dass ich nutzen wollte. Dann muss ich umdisponieren und neu überlegen. Vor allem im Spiel zu viert stelle ich mir das noch einmal gravierender vor. Ich kann meinen Zug erst richtig überlegen, wenn ich dran bin, weil Kreaturen oder Artefakte bereits weg und Tempelfelder belegt sind. Der dritte, gravierendste Punkt ist, dass sich „Oak“ ziemlich gut durchrechnen lässt (unter der Annahme, was die Mitspieler machen). Und so passiert es, dass ich anfange auszurechnen, mit welchen Aktionen ich beim Einsatz welcher Druiden und Handkarten ich wie viele Punkte herausholen kann. Vor allem in der letzten Runde war dies bei uns extrem. Das kann ich dem Spiel natürlich wenig ankreiden, aber mit Spielerinnen, die zur Analyse-Paralyse neigen, spielt sich „Oak“ nicht flüssig. Die Wartezeit zu viert stelle ich mir vor allem in den ersten Partien sehr groß vor.

Oak – Ende der Zweipersonen-Partie
Oak – Ende der Zweipersonen-Partie

Ansonsten interessiert es mich leider sehr wenig, was die Mitspielerinnen machen. Einzig auf dem Baum kann so etwas wie ein Wettrennen entstehen, was im Zweipersonenspiel aber vermutlich nicht vorkommt, weil selten beide Spielerinnen die gleiche Strategie fahren. Jedenfalls ist es möglich, dass zwei Personen auf das gleiche Astziel hinspielen. Schafft es einer, dieses eine Runde eher zu erreichen, hat die andere vermutlich keine Chance mehr auf den Spielsieg. Bis auf dieses Wettrennen gibt es keine direkte Interaktion. Einzig Karten und Tempelfelder kann ich meinen Mitspielern wegnehmen, was ich aber selten absichtlich tue, wenn es mir nicht gerade auch gut passt. Schön ist, dass das Spiel gut skaliert. Für zwei und drei Spielerinnen gibt es kleine Anpassungen, sodass im Spiel zu zweit immer drei der neun Tempelaktionsfelder belegt sind. Im Spiel zu dritt ist es nur eines, welches immer belegt ist. Gewundert hat mich, dass der Startspieler in jeder Konstellation immer einmal mehr drankommt, da immer fünf Runden gespielt werden. Ob sich das direkt auf die Siegchancen auswirkt, weiß ich nicht, aber ich wollte schon immer zuerst drankommen, damit ein Tempelfeld nicht belegt wird, auf das ich zwingend setzen will.

Und wie schaut es mit der Varianz aus? Artefakte, Kreaturen und Tränke werden zufällig ausgelegt. Dabei gilt: Es werden drei von zwölf Artefakten ausgelegt, die bei einem Erwerb gleich aufgefüllt werden. Hier kamen mir bereits in der zweiten Partie die gleichen Artefakte unter, sodass es sich etwas gleich anfühlt, was die möglichen Aktionen auf den Artefakten angeht. Anders bei den Kreaturen. Davon liegen drei von 35 aus und werden direkt aufgefüllt. Auch in meiner dritten Partie waren wieder neue Kreaturen dabei, sodass sich Dank der Boni der Kreaturen jede Partie etwas anders spielen kann. Von den Tränken gibt es je fünf Stück in den Stufen I, II und III, von denen jeweils ein Trank dauerhaft ins Spiel kommt und auch nicht ausgetauscht wird. Ich empfand das als genug Variation, nach drei Partien habe ich noch nicht alle Tränke gesehen. Die größte Varianz bringen aber die Spielertableaus ins Spiel. Jeder Druidenorden hat (mindestens) ein spezielles Aktionsfeld, welches nur von einem aufgewerteten Druiden genutzt werden kann. In meiner Zweipersonen-Partie spielte ich mit dem Orden, der hiermit Kreaturen erwerben kann. Also spielte ich voll auf Kreaturen und ging auf dem Baum den Ast entlang, der mir am Ende Siegpunkte für Kreaturen bringt. Dafür braute ich keinen einzigen Trank zusammen. Das spielte sich ganz anders als meine erste Solopartie mit dem Orden, der jeweils zwei Schreine bzw. Menhire auf einen Bauplatz bauen kann und zusätzlich ein Aktionsfeld für Schreine hat. Hier ging ich voll auf den Bau dieser und hatte nur eine Kreatur ausliegen. Ob die unterschiedlichen Druidenorden gleichwertig von den Siegchancen sind, weiß ich natürlich nicht. Ich weiß nur, dass ich in meiner zweite Solopartie mit dem Orden, der extra Tränke brauen kann, wesentlich schlechter abgeschnitten habe. Die verschiedenen Wege, Siegpunkte über den Baum, Menhire, Schreine, Kreaturen und Artefakte zu erzeugen, wirkten aber ausbalanciert.

Ein paar Worte noch zur Soloversion: Hier spiele ich gegen einen virtuellen Druiden namens Broichan. Broichan hat ein eigenes Aktionsdeck, von dem immer eine Karte aufgedeckt wirkt. Diese bestimmt, auf welchem Tempel ein Druide eingesetzt beziehungsweise welcher Ast am Baum beschritten wird. Ich musste – wie bei allen Karten im Spiel – anfangs jede Aktionskarte nachschlagen, aber da es nur sechs gibt, hatte ich diese schnell verinnerlicht. Danach spielt sich Broichan sehr angenehm und schnell und stellt einen realistischen Mitspieler dar. Interessant fand ich, dass beide Solopartien sehr knapp ausgingen. Die erste Partie gewann ich mit einem Punkt Vorsprung 57:56, die zweite verlor ich bei Gleichstand 37:37. Die Besonderheit des Bots ist, dass sobald ich passe, Broichan ebenso passt. Und so macht mein virtueller Mitspieler ungefähr gleich viele Aktionen wie ich. Ich vermute, dass das dazu führt, dass die Ergebnisse so nahe beieinanderliegen – wenn ich „normal“ spiele. Diese Mechanik lässt sich nämlich auch ausnutzen: Da der Bot im Schnitt zwei Siegpunkte pro Zug macht und sein Deck immer durchspielt, macht er also zwölf Punkte pro Deckdurchgang. Wenn ich pro Runde nur eine Aktion durchführe (beispielsweise Schreine bauen für vier Siegpunkte), dann gewinne ich immer, was ich auch verifizieren konnte. Diese Art zu spielen ist natürlich langweilig, weil ich nur mechanisch gewinne, aber wenig Spielspaß aufkommt. Ob der Bot aus dem Grund aber dauerhaft als sinnvoller Gegner herhalten kann, weiß ich nicht.

Oak – Ende der zweiten Solopartie
Oak – Ende der zweiten Solopartie

Mein Fazit: Grafisch hübsch, thematisch etwas mau (weil fast alles nur Siegpunkte bringt), mechanisch okay (mit den Aktionskarten auf der Hand ein Kniff mehr aber auch längere Bedenkzeit) und das Erlernen war ein Graus. Ich würde „Oak“ vermutlich wieder mitspielen, wenn es mir über den Weg läuft. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir uns nicht noch einmal begegnen werden. (7,0)

Wertung: (7,0)

#Oak

(Neu) Gespielte Spiele im Februar 2022

Eigentlich wollte ich den Februar und den März 2022 zusammenfassen, aber da die Texte doch etwas länger geworden sind, habe ich es wieder aufgetrennt.

Seas of Havoc (Rock Manor Games, 2023)

In „Seas of Havoc“ verschlägt es uns als Freibeuter aufs Meer. Der Kickstarter dazu läuft noch bis zum 24. Februar 2022 und die Finanzierung ist mit dem Achtfachen des geplanten Finanzierungszieles (Stand: 18.02.2022) locker in trockenen Tüchern. Mich hat das Spielprinzip genug angesprochen, um zwei Partien solo und eine Partie zu zwei auf Tabletopia zu spielen.

„Seas of Havoc“ geht über mehrere Runden, von der jede in zwei Phasen eingeteilt ist. In der Inselphase stehen uns je drei Barken zur Verfügung, die wir in gewohnter Arbeitereinsetzmanier auf den Inselfeldern um das Seeschlachtfeld einsetzen dürfen. An den meisten Orten kann ich mir damit Ressourcen in Form von Segeln, Kanonen oder Gold holen. Die Ressourcen wiederum benötige ich auf dem Markt. Dort kann ich mir Karten reservieren und am Ende der Inselphase auch auf die Hand nehmen, um mein Schiff in der nächsten Phase zu bewegen. Es gibt dabei Manöverkarten, Schießkarten und Wendekarten. Zusätzlich gibt es noch vier Flaggen, die ich mir holen kann – egal, wer diese gerade besitzt. Die Flaggen bringen mir einen Sofortvorteil (Ressource nehmen, Karte vernichten, Karte ziehen, noch eine Aktion ausführen), der ebenfalls ausgelöst wird, wenn ich in der Seephase eine Karte mit dieser Flagge ausspiele. Natürlich ist es auch möglich, Karten dauerhaft abzulegen. Dann bekomme ich sogar die Kosten der Karte in Form von Ressourcen zurück.

Und wieso mache ich das? Da es sich bei „Seas of Havoc“ um ein Spiel mit Schiffen handelt, ist es irgendwie passend, dass es auch einen Deckbau-Mechanismus gibt. Denn genau darüber steuert man in der zweiten Phase, der Seephase, sein Schiff über das 6x6-Seeschlachtfeld. Vier Karten ziehe ich zu Beginn einer Runde, gekaufte Karte oder nachgezogene Karten kommen noch dazu. Nacheinander spielen wir die Karten aus und bewegen dadurch unsere Schiffe (jeder hat nur eins, im Zweipersonenspiel zwei), drehen sie oder – lustiger – schießen mit Kanonen nicht auf Spatzen oder Möwen, sondern auf die Schiffe der Mitspielerinnen. Dies bringt den Getroffenen Schadenskarten ins Deck und mir dafür Verrufenheit (gleichbedeutend mit Siegpunkten). Daneben kann ich auch Verrufenheit erhalten, wenn ich ein gegnerisches Schiff voller Absicht ramme (ich verliere dadurch aber eine Handkarte). Blöd ist es, wenn ich gegen eine der ausliegenden Felsen fahre, die mir dann Schadenskarten bringen. Daneben befinden sich noch Böen und Strudel auf dem Seefeld, welche mein Schiff abtreiben oder im Kreis drehen können. Und natürlich gehören auch versunkene Schiffswracks dazu, die ich beim Überfahren plündern kann und die mir Ressourcen geben. Das Spiel endet, wenn der Schadenskartenstapel leer ist. Es werden neben der Verrufenheit aus dem Spiel auch noch die Punkte von gekauften und aufgewerteten Karten gezählt und Schadenskarten abgezogen. Die Person mit der größten Verrufenheit gewinnt die Schlacht.

Im Solospiel kämpfe ich gegen zwei Geisterschiffe, die durch ein Solodeck gesteuert werden. Die Geisterschiffe fahren dabei sehr zufällig, dafür wiederum berechenbarer als manche Mitspielerin. Das liegt daran, dass sie manche Manöver nicht ausführen, wenn sie damit direkt vor einem Felsen landen würden. Je nach Position des Geisterschiffes kann ich also grob abschätzen, ob sich das Schiff bewegt oder nicht und ob ich vielleicht meine Kanonen Vorsorge halber mal belade. In Summe ergab sich in den zwei Solopartien ein spannender Kampf zwischen mir und den Geisterschiffen.

„Seas of Havoc“ spielt sich sehr gut und vor allem thematisch. Erst an Land die Besorgungen tätigen und dann zur See die Schlachten schlagen. Das Ausspielen von Karten verstehe ich als Befehle des Kapitäns, das Ruder herumzureißen und dann alle Kanonen backbords feuern zu lassen. In der ersten Runde der ersten Partie war ich noch etwas überfordert, welche Aktionen ich an Land genau auswählen soll und welche Karten dann zur See wie gespielt werden. Aber bereits nach einem Rundendurchlauf war das kein Problem mehr. Natürlich gibt es auch Brüche im Thema, die der Mechanik geschuldet sind. Wieso kosten mich neue Befehle Ressourcen? Wieso kann ich diese überhaupt auf einem Markt kaufen? Und dann auch noch abwerfen, um die Ressourcen zurückzuerhalten. Sprich, der Deckbau-Aspekt passt nicht so richtig zum Thema, integriert sich dafür aber wiederum sehr gut ins Spielgeschehen. Dass ich Kanonen ausgeben muss, um zu schießen, oder Segel, um ein erweitertes Manöver durchzuführen, passt dafür umso besser. Dann frage ich mich aber wieder, was ich mit den rostigen Kanonenkugeln und den vermoderten Segeln anstellen soll, die ich aus den Schiffswracks berge. Es gibt also einige gute und weniger gute Aspekte, welche die Integration des Themas betreffen.

Grafisch gefällt mir das Spiel ebenfalls sehr gut. Auf Tabletopia gibt es leider wieder das Problem der zu starken Beleuchtung, sodass die Karten in der Hand nicht erkennbar sind. Immerhin kann ich mir jede Karte durch einen simplen Druck auf die Leertaste groß anzeigen lassen. Problematisch auf Tabletopia war auch die Ausrichtung der Schiffe. Wenn diese nach Osten oder Westen ausgerichtet sind und ich sie um 90 Grad drehe, erkannten wir nicht mehr, ob diese jetzt nach Süden oder Norden zeigen. Wir mussten dann umständlich die Ansicht rotieren, um eine schräge Draufsicht zu haben und die Ausrichtung der Schiffe zu erkennen. In der Realität spielt dies aber keine Rolle. Soweit ich das auf der Kickstarterseite beurteilen kann, sehen die restlichen Komponenten sehr gut aus. Vor allem das Double-Layer-Spielertableau mit seinem drehbaren Steuerrad (welches etwas unthematisch die Segelstärke angibt) sieht sehr gut und thematisch aus. Und auch die kleinen Kanonenkugeln, die ich in der Realität dann auch thematisch auf meine Gegner werfen kann, begeistern mich – jedenfalls mehr als au Tabletopia das langweilige Hoch- und Runterscrollen, um dort die Ressourcen zu zählen.

Seas of Havoc (Tabletopia)
Seas of Havoc (Tabletopia)

Kleine Abzüge gibt es bei der Spieldauer. Im Solospiel dauerten die zwei Partien bei mir 90 bis 120 Minuten, das Zweipersonenspiel dauerte ebenfalls zwei Stunden. Natürlich liegt das auch an Tabletopia und hier kann ich in der Realität sicherlich mindestens 30 Minuten abziehen. Aber auch dann geht das Spiel etwas zu lang. Jetzt der Pluspunkt: Ich kann die Spieldauer über die Anzahl der Schadenskarten jederzeit steuern. Für ein längeres Spiel nehme ich mehr Karten dazu, für ein kürzeres Spiel lasse ich ein paar weg. Ich habe es zwar nicht getestet, aber in der Theorie finde ich diese Anpassungsmöglichkeit sehr gut.

Und obwohl die Partien etwas zu lang waren, fühlte ich mich gut unterhalten. Das ist deswegen interessant, weil die Begeisterungskurve nur sehr langsam ansteigt und im Spiel auch nicht an Fahrt gewinnt. Zum Ausdünnen des Decks kam ich aufgrund der geringen Aktionsanzahl nie so wirklich. Das heißt, ich kaufe zwar neue Karten, aber diese mischen sich immer mit den Grundkarten zusammen. Ich kann mein Schiff zwar aufwerten (es gibt pro Schiff zwei Aufwertungskarten, die mir Spezialfähigkeiten verleihen), aber auch dies verschafft mir nur einen kurzen Kick, wenn ich die Aufwertung erreiche. Danach ist die Fähigkeit aktiv und wird genutzt oder auch nicht. Ich horte auch keine Ressourcen, weil mir das nicht viel bringt. Wenn ich gut optimiere, dann investiere ich alle Ressourcen in neue Karten oder gebe sie in der Seephase für die Navigation und Angriff aus. So fühlt sich die erste und die letzte Runde sehr ähnlich an. Aber glücklicherweise eben ähnlich gut und interessant. Sprich, das Grundkonzept des Spiels macht einfach Spaß, weswegen ich es nicht schlimm finde, dass sich die Abläufe wiederholen.

Positiv hervorzuheben sind noch die Charaktere und Schiffe. Es gibt per Standard sechs unterschiedliche Kapitäne, die unterschiedliche Fähigkeiten als Person und zwei Deckkarten mitbringen. Dabei haben die Macher auf Diversität bezüglich Geschlecht, Herkunft und Alter geachtet. Neben den Charakteren gibt es noch sechs unterschiedliche Schiffe (von der behäbigen, aber schießfreudigen Kriegsdschunke bis zur kleinen, wendigen Schaluppe), die wiederum sechs unterschiedliche Basis-Deckkarten mitbringen und je zwei andere Schiffaufwertungskarten. Die Variabilität ist also gegeben, wobei ich die unterschiedlichen Basis-Deckkarten nicht als so anders empfand. Die Aufwertungskarten für die Schiffe und die Charakterfähigkeiten der Kapitäne wiederum machen schon eher aus, wie ich „Seas of Havoc“ spiele.

Ein letzter Noch-Negativpunkt ist die Anleitung. Diese ist zwar recht logisch und gut lesbar aufgebaut, lässt aber zahlreiche Fragen offen, die vor allem aus einigen Sonderkonstellation von Charakterfähigkeiten und Aufwertungskarten oder den Geisterschiffen im Solospiel herrühren. Zusätzlich gibt es einige kleinteilige Regeln, die zumindest ich bei meiner ersten Erklärung vergessen habe. Dafür gibt es aber eigentlich eine Schnellreferenz auf der Rückseite der Anleitung, die aber natürlich nicht jede Detailregel enthält. Da es sich um ein Kickstarterprojekt handelt, ist die Anleitung aber noch im Fluss. So wurden inzwischen bereits einige Regeln aus der ersten mir bekannten Version von Dezember 2021 entfernt, Erklärungen besser strukturiert und Details genauer erklärt. Ich vermute, dass eine FAQ zu den Fähigkeiten und Aufwertungskarten nicht lange auf sich warten lässt.

Zuletzt bleibt noch zu sagen: Arbeitereinsatz und Deckbau? Gab es da nicht schon mal was? Genau, mit „Die verlorenen Ruinen von Arnak“ und „Dune Imperium“ gab es 2021 gleich zwei Spiele mit ähnlicher Mechanik. Wo ich die beiden genannten Spiele vom Ablauf noch vergleichen konnte, ist „Seas of Havoc“ aber eigenständiger und spielt sich komplett anders, vor allem eben aus meiner Sicht thematischer. Aber nicht nur Arnak und Dune finde ich im Spiel wieder. Die Böen und Strudel, die etwas Chaos ins Spiel bringen, aber auch taktisch genutzt werden können, erinnern mich sehr stark an die Förderbänder und Zahnräder aus „RoboRally“. Ebenso das Schießen auf die Gegner, auch wenn natürlich ein physikalischer Unterschied zwischen Kanonenkugeln und Lasern besteht. Die Schadenskarten, die das Deck etwas verstopfen, wiederum sind mir schon in „Nightfall“ auf die Nerven gegangen, wobei ich dort zumindest noch etwas Sinnvolles damit am Zugende machen konnte.

Aber trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Anleihen aus anderen Spielen spielt sich „Seas of Havoc“ sehr gut. Etwas wiederholend, aber dennoch spaßig. Wenn das Abschießen der gegnerischen Schiffe am realen Spieltisch noch mit entsprechenden Sprüchen versehen wird, ist das Piraten-Feeling ganz nah. Ist mir das ca. 80 Euro für die Standard-Edition bzw. 108 Euro für Deluxe-Version wert? Nein, definitiv nicht. Vor allem wäre für ein echtes Eintauchen ins Thema es für mich unersetzlich, dass ich das Spiel auf Deutsch spielen könnte. Vielleicht findet sich da aber noch ein deutscher Partner, der die Anleitung sowie die Karten übersetzt. Aber auch wenn ich es mir nicht kaufe, haben mir die Partien viel Spaß gemacht und weitere könnten folgen. (8,5)

Seas of Havoc (Tabletopia)
Seas of Havoc (Tabletopia)

Wertung: (8,5)

#SeasofHavoc

Winterhaven Woods (Featherstone Games, 2022)

Auf „Winterhaven Woods“ von Joel Bodkin bin ich im Juni 2021 aufmerksam geworden, als ich die damals aktuell laufenden Kickstarter-Projekte durchschaute. Ich fand es optisch sehr ansprechend, aber ohne Lernpartie konnte ich mir keinen richtigen Eindruck vom Spiel machen. Pünktlich zur Auslieferung des Spiels gibt es seit Ende Februar 2022 auf Tabletopia eine Version zum Ausprobieren. Und so gab es einige Solopartien auf der Online-Plattform.

Stimmungsvoll und thematisch kommt das Spiel daher. In „Winterhaven Woods“ versuchen wir einen kleinen Wald aufzubauen, um dort Tiere vor dem Einbruch des Winters zu schützen. Rehe, Hasen und Eichhörnchen möchten bei uns Unterschlupf finden und auch der ein oder andere Igel schaut vorbei. Wären da nur nicht die Raubtiere: Fuchs und Eule stehlen ganz frech und Wölfe und Bären fressen die Waldbewohner gleich ganz auf.

Mechanisch kommt in „Winterhaven Woods“ ein Draftmechanismus zum Einsatz. Alle Spielerinnen erhalten sieben Handkarten, wählen eine aus und behalten diese verdeckt vor sich, geben den Rest nach links weiter, wählen wieder eine aus etc. Wenn jeder wieder sieben Karten hat, legen wir alle unsere Karten in den eigenen Wiesenbereich aus. Jetzt erst beginnt der interessante Teil mit weiteren drei Phasen: Zuerst lege ich alle meine Bäume zu einem bestehenden Wald oder eröffne ein neues Waldstück. Maximal drei Waldstücke darf ich haben. Wichtig ist, dass irgendwann mindestens drei Bäume in einem Waldstück dort stehen (zwei Bäume machen noch keinen Wald), denn in der nächsten Phase möchte ich den Tieren dort Unterschlupf gewähren. Dabei gilt: Jeder Wald muss sortenrein bleiben, also darf ich keine Tiere mischen. Und für jedes Tier muss mindestens ein eigener Baum zur Verfügung stehen. Die Tiere haben noch Besonderheiten: Eichhörnchen gibt es in Rot und Grau und ich darf sie nicht mischen. Rehe muss ich in Paaren bevölkern, ein Reh allein traut sich nicht in den Wald. Hasen darf ich in den Wald zu anderen Tieren stellen, aber maximal einen Hasen, weil sie sich sonst zu stark vermehren. Und die Igel sind sehr genügsam und bleiben einfach auf der Wiese. Wenn wir alle die Tiere mehr oder weniger untergebracht haben, kommen die Raubtiere zum Zug. Mit einem Fuchs darf ich ein Tier auf der Wiese einer Mitspielerin klauen und direkt bei mir ansiedeln. Mit der Eule darf ich wiederum direkt aus einem Waldstück einer Mitspielerin etwas klauen. Und die Biber fällen einzeln stehende Bäume bei einer Mitspielerin und pflanzen den dann praktischerweise bei mir wieder ein. Unschön für die Bestohlene: Wenn es jetzt mehr Tiere im Waldstück gibt als Bäume, muss ein Tier auf die Wiese umziehen. Und wenn es sogar weniger als drei Bäume sind, werden alle Tiere hinausgekehrt. Danach geht es mit dem Wolfsrudel bestehend aus drei Wölfen weiter, die etwas von einer Wiese essen wollen (außer Igel, die schmecken nicht) und sich dann schlafen legen (Karte seitwärts drehen). Die Bären wiederum jagen allein und können sogar einzelne Wölfe fressen. Am Ende einer Runde muss ich entscheiden, ob ich schlafende Raubtiere wecke. Falls nein, sichere ich mir damit die Punkte in Form der gefressenen Tiere. Falls ja, dann muss ich zwingend erneut jagen, um die bisher gefressenen Tiere zu punkten. Nach drei Runden dieser Art ist das Spiel vorbei und es gibt Punkte für Tiere auf der Wiese und in den Wäldern, für die Raubtiere und ihre Beute (nur wenn sie schlafen), für drei Waldstücke, für unterschiedliche Tiere, die gefressen wurden, für die größte Rehherde und für kleine Vögel in den Bäumen. Abzug gibt es für Füchse, Eulen und Biber, die ich zuvor gespielt habe. Neben der normalen Version gibt es auch noch Varianten für die Mehrpersonenspiele, die beispielsweise ohne die Angriffskarten auskommen bzw. diese anders behandeln.

Das Zweipersonen-Spiel ist fast identisch, nur alle Wölfe werden offen in die Tischmitte gelegt. Wenn sich ein Wolfsrudel mit drei Wölfen gefunden hat, jagen diese auf den Wiesen beider Spielerinnen und werden dann abgelegt. Das Solo-Spiel ist dagegen etwas anders, da ich gegen alle Raubtiere antreten muss. Jede Runde werden 3 (oder 4 im schweren Modus) Raubtiere aufgedeckt. Sobald diese etwas bei mir stehlen oder essen können, tun sie das und werden abgelegt. Am Ende der Runde werden offene Raubtiere abgelegt und neue gezogen. Ich selbst ziehe acht Karten zu Beginn, spiele eine Karte in meine Wiese oder Wald, werfe eine Karte ab und ziehe eine Karte nach, sodass ich pro Runde sieben Karten ausspiele. Nach drei Runden erhalte ich Punkte wie gewohnt und zähle alle Raubtiere plus deren Beute. Gewonnen habe ich, wenn ich mehr Punkte als die Raubtiere habe.

Winterhaven Woods: Tiere im verschneiten Wald (Tabletopia)
Winterhaven Woods: Tiere im verschneiten Wald (Tabletopia)

Wie oben schon geschrieben hat mich „Winterhaven Woods“ vor allem wegen der Grafik angesprochen und auch auf Tabletopia wirkt das Spiel sehr hübsch. Die rein weißen Karten mit ihren einfachen Grafiken passen einfach sehr gut zum Thema, welches ich auch gut umgesetzt finde. Die Aktionen der Tierkarten tun genau das, was ich von den Tieren auch erwarten würde. Das finde ich sehr schön und stimmig.

Die Anleitung ist größtenteils verständlich, leider gab es bei mir aber dennoch Regelfragen. Die Bären müssen zwingend jede Runde jagen. Aber es wird nicht erklärt, was passiert, wenn sie eine Runde nicht jagen. Für das Solo-Spiel müssen Karten aussortiert werden, um das Solo-Deck und das Raubtierdeck zu erstellen (was in Tabletopia bei 122 Karten im Deck echt ein aufwändiger Akt ist). Es wird aber nicht erwähnt, wie viele Karten die Decks haben sollten. Mein Solo-Deck hatte nur 31 Karten. Für eine volle Partie ohne Neumischen hätte es aber 45 Karten benötigt. Es wird nicht erklärt, ob ich zu wenig Karten habe oder die abgelegten Karten neu mischen soll. So gab es bei mir auch vier graue Eichhörnchen und nur drei rote. Sprich, es lohnte sich mehr, die grauen zu sammeln, weil ich davon eins mehr in meinem Wald unterbringen kann. Leider habe ich bisher nach sechs Tagen noch keine Antwort auf Boardgamegeek erhalten. Die Regeln gibt es online auch übersetzt ins Deutsche, die Kartentexte sind Englisch, erklären aber auch nur die Kartenaktionen. Wenn man diese einmal verstanden hat, benötigt man die Texte nicht mehr.

Davon abgesehen spielten sich die Solopartien danach sehr rund und schnell. Circa 20 Minuten dauern die drei Runden. Vermutlich auch, weil die Taktik recht klar ist: Möglichst keine Karten ausspielen, welche die Angreifer punkten lassen. Rehe sortiere ich z.B. immer aus, weil so gut wie immer ein Bär oder Wolf dabei ist, der es sofort essen würde. Und rote Eichhörnchen siedel ich nicht an, weil es davon eins weniger im Deck gibt. Und so fühlte sich das Solo-Spiel nach vier Partien sehr wiederholend an. Bäume setzen, graues Eichhörnchen dazu, dann noch ein Hase und die Igel in die Wiese. In der dritten Runde fressen oder stehlen die Angreifer meist, dann kann ich in einem Wald doch noch zwei oder vier Rehe unterbringen. Eine maximale Ausbeute von 28 Punkten ist so erreichbar, wenn ich mich nicht verzählt habe. Im normalen Modus mit drei Angreifern konnte ich immer gewinnen, mit vier Angreifern ist es spannender. Das liegt daran, dass bei drei Raubtieren das Spiel mindestens 9 und maximal 18 Punkte macht. Im schweren Modus sind dies schon 12 bis 24 Punkte. Meine Punkte lagen meistens um die 20, im schweren Modus niedriger, weil ich mehr Karten verlor. Insofern würde ich immer den schwierigeren Modus bevorzugen. Wie ich abschneide, hängt dabei aber auch extrem davon ab, welche Karten ich ziehe und welche Raubtiere kommen. Wenn es nur Wölfe und Bären gibt, spiele ich halt keine Rehe aus. Und wenn es nur Füchse sind, keine Igel. Das ist eine leichte Taktik. Wenn aber jede der drei Runden unterschiedliche Angreifer kommen, verliere ich auch jede Runde aufs Neue etwas. Das fand ich etwas zu zufällig.

Ich denke, „Winterhaven Woods“ glänzt mehr im Mehrpersonenspiel. Die Anleitung liest sich nach einer sehr hohen Interaktion mit sehr vielen Ärger-Momenten, was viel Spaß machen könnte. Durch das Auswählen der Karten, aber auch das Stehlen und Fressen anderer Tiere kommt man sich sicherlich extrem gut in die Quere. Ich finde es aber auch gut, dass es eine Nicht-Angriffsvariante gibt, die ich nehmen könnte, wenn eher friedfertige Mitspielerinnen den Weg an meinen Spieletisch finden. Der Anspruch ist trotz der süßen Thematik dabei recht hoch. Es will gut überlegt sein, welche Tiere ich wähle und spiele. Leider konnte ich den Mehrspielermodus (noch) nicht testen. Als Solo-Spiel überzeugt mich „Winterhaven Woods“ aber nicht wirklich. Zu viel Zufall, zu wenig Abwechslung. (Solospiel: 5,0)

Winterhaven Woods: Mein Wald am Ende des Spiels (Tabletopia)
Winterhaven Woods: Mein Wald am Ende des Spiels (Tabletopia)

Wertung: (5,0)

#WinterhavenWoods

Open Ocean (Featherstone Games, 2020)

Weil ich mir zuvor „Winterhaven Woods“ angeschaut hatte, brachte mich die Suche auf Tabletopia auch gleich zu „Open Ocean“. Das Spiel ist ebenfalls von Joel Bodkin und wurde 2020 über Kickstarter finanziert und Anfang 2021 ausgeliefert. Auf Tabletopia habe ich einige Solopartien absolviert.

In „Open Ocean“ sind wir Meeresbiologen und jeder versucht für sich einen Teil eines Riffs wieder aufzubauen, welches durch einen Taifun zerstört wurde. Hierfür startet jeder mit einer einzelnen Korallenkarte vor sich und sechs Karten auf der Hand. In der Mitte des Tischs liegt der Nachziehstapel und drumherum acht offene Karten. Der Spielablauf ist dann klassisches Drafting: Alle wählen gleichzeitig eine Karte von der Hand und spielen diese beim Startspieler beginnend nacheinander in ihr Riff aus. Danach geben alle ihre Handkarten inklusive Startspielermarker nach links und so geht das Spiel weiter. Die letzte Karte wird abgeworfen. Dies wird drei Runden wiederholt und die Endwertung findet statt.

Die meisten Karten lösen eine Aktion beim Ausspielen in mein Riff aus. Mit diesen Aktionen kann ich mir meistens Karten aus der Tischmitte in mein Riff holen (anlocken) und muss diese dort an die gerade ausgespielte Karte anlegen. Zusätzlich gibt es Legeregeln, die ich beachten muss. Eine Koralle oder Anemone muss immer orthogonal oder diagonal mit einer anderen Koralle oder Anemone verbunden sein. Und sie erlaubt mir, einen kleinen Fisch aus der Tischmitte anzulocken. Einen kleinen Fisch muss ich immer orthogonal an eine Koralle oder Anemone anlegen. Die Karte erlaubt mir einen mittelgroßen Fisch anzulocken. Einen mittelgroßen Fisch muss ich immer orthogonal an einen kleinen Fisch anlegen und kann damit einen großen Fisch anlocken. Und große Fische muss ich immer orthogonal an mittelgroße Fische anlegen. Alternativ zur Reihenfolge „Koralle/Anemone – klein – mittel – groß“ kann ich auch gleiche Fischarten zusammenlegen, was mir mehr Punkte am Spielende bringt. Spezialkarten erlauben mir beim Ausspielen entweder den Tausch mit einer Karte aus der Tischmitte (Hai) oder das Ausspielen von einer Karte aus der Tischmitte (Schildkröte) oder den Tausch mit einer Karte aus dem Riff einer Mitspielern (Delfin).

Die Endwertung gibt mir Punkte für jeden Fisch (klein=1, mittel=2, groß=3) und für jede Koralle und Anemone (je 1). Gleiche Fische in einer Gruppe geben je einen extra Punkt. Und für eine Sammlung verschiedenfarbiger Korallen erhalte ich noch einmal Punkte. Als optionales Spielelement können die Spielerinnen noch Ziele erfüllen, bei denen ich Punkte bekomme, wenn ich beispielsweise gleiche Fischarten sammel oder bestimmte Fische neben bestimmten Korallen ansiedele.

Das Zweipersonenspiel funktioniert ähnlich. Nur darf die zweite Spielerin nach ihrem Zug eine Karte aus der Tischmitte abwerfen. Im Solo-Spiel spiele ich ohne Delfine, weil es ja keine anderen Riffe gibt, und habe neun Handkarten zu Beginn. In meinem Zug spiele ich eine Karte aus, führe die Aktion aus und werfe danach eine Karte sowohl von meiner Hand als auch aus der Tischmitte ab. Zusätzlich spiele ich immer mit den Zielkarten. Daneben gibt es im normalen Spiel noch zahlreiche kleine Erweiterungen oder Module (Krabben, Joker-Koralle, Weißer Hai und Ereigniskarten), die ich mit dazunehmen kann. Und die Anleitung zeigt noch zahlreiche Varianten und sogar Hausregeln auf.

Open Ocean: Zielkarten mit Informationen zu den Fischen (Tabletopia)
Open Ocean: Zielkarten mit Informationen zu den Fischen (Tabletopia)

Als Erstlingswerk halte ich „Open Ocean“ für gelungen. Es richtet sich nicht an Kennerspieler, sondern an Familien – auch mit Kindern. Hierfür sind die zahlreichen Varianten und Regelanpassungen ganz hilfreich, weil jeder das Spiel so konfigurieren kann, wie er möchte. Ich gebe aber zu, dass ich kein Fan von solchen Erweiterungen, Modulen und Varianten bin. Teilweise wirkt es so, als wäre dem Designer selbst nicht ganz klar, wie sein Spiel am besten zu spielen sei. Ich bevorzuge es daher, ein Spiel auf genau eine Art zu spielen ohne mir Gedanken machen zu müssen, was ich jetzt noch hinzunehmen möchte und was nicht. Aber ich kann verstehen, wenn jemand darin einen Vorteil sieht. Die Module habe ich nicht getestet, da sie im Solo-Spiel nicht vorkommen.

Grafisch hat mir das Spiel sehr gut gefallen. In meiner Auslage entsteht eine schöne, bunte Unterwasserwelt mit vielen Fischen, Schildkröten und Delfinen. Die Zielkarten haben neben den Zielen auch noch eine kleine Erklärung zu den Fischarten oder Korallen abgedruckt, sodass das Spiel auch noch etwas bildet, was mir sehr gut gefällt. Die Symbolik ist mitunter nicht ganz eindeutig. Zumindest die Aktionen „Tausche mit anderem Riff“ (Delfin: zwei Pfeile übereinander nach links und rechts), „Tausche mit Auslage“ (Hai: zwei Pfeile im Rechteck mit einem Fisch in der Mitte) und „Frische Auslage auf und nimm eine Karte“ (Schildkröte: zwei runde Pfeile im Kreis mit Stern in der Mitte) musste ich ständig nachschlagen. Auch die Symbolik mit drei kleinen Fischen bedeutet laut Anleitung: „Locke einen kleinen Fisch aus dem Meer.“ Aber wieso sind dann drei Fische abgebildet? Weil auf der Fischkarte auch drei kleine Fische abgebildet sind. Das heißt, ich kann nie nur einen kleinen Fisch anlocken.

Die Regeln des Spiels sind eigentlich einfach, die Anleitung hat mir aber das Verständnis etwas erschwert. Beispiel für die Anlegeregeln: „Fish cards may be connected in order“. Also ein Kann? Nein, das ist ein Muss. Es gibt zu der Regel aber eine Alternative, wenn ich Gruppen bilde. In der deutschen Regel steht: „Fischkarten müssen […] der Reihe nach verbunden werden.“ Leider habe ich die verständlichere, deutsche Anleitung erst nach meinen Partien gefunden. Der Link auf die Publisher-Webseite am Ende der englischen Anleitung existiert nicht (mehr). Per Zufall habe ich in einer Update-Meldung auf der Kickstarter-Seite dann einen Link auf die deutsche Anleitung gefunden. Das führte dazu, dass ich vor allem in der ersten Solopartie ein sehr schlechtes Gefühl beim Ausspielen von Karten hatte, weil ich dachte, ich mache etwas falsch.

Ich habe ein paar Partien solitär auf Tabletopia gespielt. Wenn die Regeln einmal drin sind, geht das Spiel recht flott von der Hand. Die Spieldauer war mit circa 20 Minuten dabei wirklich recht kurz und angemessen. Schade ist, dass ich zu einem gewissen Grad sehr von den Karten abhängig bin, vor allem bei den Zielkarten fiel mir das auf. Da immer nur drei Zielkarten ausliegen, kann es sein, dass diese das ganze Spiel blockiert sind, weil ich nicht die richtigen Fische oder Korallen ziehe. So schaffte ich in der ersten Partie nur zwei Ziele, weil nicht die richtigen Karten kamen. Und umgekehrt kann es sein, dass neu aufgedeckte Zielkarten sich automatisch selbst erfüllen, weil zufälligerweise schon die richtigen Karten in meinem Riff liegen. Die Punkteberechnung des Solospiels habe ich leider nicht verstanden. Es wird irgendwie aus den regulären Punkten (unklar, ob die Zielkarten dazu zählen) und der Anzahl der erfüllten Zielkarten jeweils ein Level errechnet und das Ergebnis dann gemittelt. Ich hätte es irgendwie besser und sinnvoller gefunden, dass einfach nur Punkte gerechnet werden und mir eine Liste von 0 bis 100 in 20er-Stufen sagt, wie gut das ungefähr war, was ich erreicht habe.

Die Ähnlichkeiten zu „Winterhaven Woods“ sind unverkennbar. Familienspiel, Drafting, Tiere, eine gewisse Interaktion und Punkte für die ausgespielten Tiere. Auch der Solomodus spielt sich ähnlich, aber doch etwas anders. Von der Komplexität her liegt „Open Ocean“ nach meinem Empfinden noch eine Stufe unter „Winterhaven Woods“. Ich denke, das Spiel lebt vor allem von mehr Spielern und der Interaktion. Die zwei Solopartien waren nett, aber irgendwie auch nicht mehr. Ich denke aber, als Einführung in die Spielewelt mit Familien oder Wenigspielern ist „Open Ocean“ sehr gut geeignet. Bis auf die Ziel- und Ereigniskarten ist das Material sprachneutral, auch wenn es natürlich schöner wäre, die deutschen Namen von Nemo und Dori lesen zu können. (Solospiel: 6,0)

Open Ocean: Mein Riff am Ende des Spiels (Tabletopia)
Open Ocean: Mein Riff am Ende des Spiels (Tabletopia)

Wertung: (6,0)

#OpenOcean

(Neu) Gespielte Spiele im Januar 2022

Im Januar konnte ich vor allem über Tabletopia einige neue Spiele kennenlernen. Das werde ich wohl auch in Zukunft beibehalten, soweit es die Zeit zulässt, dass ich mir dort pro Monat immer zwei bis drei neue Spiele vornehme.

Encyclopedia (Holy Grail Games, 2023)

Beim Stöbern auf Tabletopia bin ich über „Encyclopedia“ gestolpert. Ich gebe zu, dass der sehr generische Spieltitel kein Grund war, näher hinzuschauen, aber das Cover hat einen gewissen Dr.–Dolittle-Charme und versprach etwas von Abenteuer und Tieren. Und genau darum geht es auch in „Encyclopedia“. Im Jahr 1739 lädt uns Georges-Louis Leclerc, der Comte de Buffon, ein, Tiere auf der ganzen Welt zu erforschen und damit seine Arbeit an der Enzyklopädie „Allgemeine und spezielle Geschichte der Natur“ voranzutreiben. Wir machen aus naturwissenschaftlichem Geist und der Neugier auf das Unbekannte mit – und natürlich, weil am Ende Siegpunkte winken.

Eine Partie „Encyclopedia“ geht über sechs Runden. Zu Beginn einer Runde werden neue Tier– und Expertenkarten aufgedeckt. Jeder zieht vier farbige Würfel (W6) aus einem Beutel, würfelt diese und platziert sie auf dem eigenen Tableau in vier Slots, denen vier Boni zugeordnet sind. Reihum wählt nun jeder einen Würfel und führt damit eine Aktion aus. Das Besondere ist, dass ich mir jeden Würfel nehmen kann, auch bei meinen Mitspielerinnen. Wenn ich dies tue, dann erhält diejenige Spielerin den zugeordneten Bonus als Belohnung. Umgekehrt erhalte ich eine Belohnung, wenn mir jemand meine Würfel wegnimmt. Die Würfel können für verschiedene Aktionen eingesetzt werden. Dabei gibt es vier wichtige Aktionen. Zuerst kann ich mit einem beliebigen Würfel Experten für die Expedition anheuern. Diese liegen in Form von farbigen Karten aus. Passt die Würfelfarbe zum Experten, erhalte ich noch einen Expeditionsmarker dazu. Ich kann bis zu vier Experten auf meinem Tableau lagern. Diese geben mir einen Einmalbonus, einen dauerhaften Bonus bei anderen Aktionen oder einen Bonus am Ende des Spiels. Die zweite wichtige Aktion sind die Tiere. Wenn ich ein Tier erforschen möchte, muss ich einen farbig passenden Würfel ablegen. Die Augenzahl gibt dabei an, wie viele Schritte ich auf meiner Rufleiste vorgehen kann. Diese gibt mir immer wieder neue Boni, wenn ich darauf fortschreite. Das Tier lege ich zu mir in die Auslage. Mit der dritten Aktion starte ich eine Expedition zum Heimatkontinent eines oder mehrere Tiere. Auch hier muss die Würfelfarbe zum Kontinent und damit auch zur Tierkartenfarbe passen. Die Augenzahl und der Einsatzort geben an, wie viele Expeditionspunkte ich habe, die ich mit Expeditionstoken, Geld und Siegeln erhöhen kann. Je nachdem, welche Eigenschaften der Tiere ich erforschen möchte (Klasse, Ernährung, Lebensraum und/oder Klima) kostet mich das unterschiedlich viele Expeditionspunkte, bringt mir aber auch direkt unterschiedlich viele Siegpunkte ein. Wenn ich denke, dass ich genügend Tiere erforscht habe, kann ich mit einer Aktion mein Wissen veröffentlichen. Hierfür wähle ich eine Tierkarte aus und benötige einen Würfel in der gleichen Farbe. Die Augenzahl gibt an, bis zu welcher Tiereigenschaft ich etwas veröffentlichen darf (der Kontinent braucht eine 2, das Klima eine 6). Dabei bestimmen die Forschungswürfel auf dem ausgewählten Tier, welche Eigenschaften ich überhaupt veröffentlichen darf. Wenn ich beispielsweise eine Echse, die im heißen Klima lebt, auswähle, darf ich nur das Wissen über andere Tiere, die ebenfalls einen Forschungsmarker auf Echse und/oder heißen Klima liegen haben, veröffentlichen. Auch hierfür gibt es wieder Siegpunkte und die Marker werden auf das Spielbrett zu der jeweiligen Eigenschaft gelegt. Alle Tiere, zu denen ich etwas veröffentlicht habe, die vom gleichen Kontinent wie mein anfangs ausgewähltes Tier stammen, darf ich beiseitelegen und behalten. Alle anderen Tierkarten, von denen ich etwas veröffentlicht habe, werden abgelegt. Dies geht reihum und für sechs Runden. Am Ende des Spiels erhalte ich noch einmal Siegpunkte für die Marker auf dem Tableau, die dort durch Veröffentlichung hingekommen sind. Hierbei gibt es erst ab vier Markern überhaupt Siegpunkte und je mehr Marker ich habe, desto lukrativer ist es für mich. Mit den erforschten Tierkarten und Experten wird genauso verfahren, sodass ich für jede Kontinentfarbe prüfe, wie viele Punkte es gibt.

„Encyclopedia“ hat mich wie gesagt aufgrund des Covers und der Spielidee angesprochen. Die Tierkarten sind sehr schön von Joëlle Drans und Ronan Toulhoat illustriert. Im Hintergrund einer Tierkarte befinden sich immer Strichzeichnungen ausgewählter Körperteile, so wie manche es vielleicht aus sehr alten naturwissenschaftlichen Büchern kennen. Schade ist, dass die Experten komplett abstrakt bleiben. Sie haben zwar einen – mitunter komplizierten – fiktiven Namen, aber keinerlei Gesicht oder andere Identifikationsmerkmale. Immerhin sind sie – vom Namen abgeleitet – sehr divers aufgestellt, was Herkunft und Geschlecht angeht. Dennoch werden die Experten durch die fehlende Identifikation auf ihre Symbole und Boni reduziert, was schade für das Thema ist. Das kommt nämlich ganz gut heraus. Okay, wieso ich Würfel für irgendetwas nutze, ist eher abstrakt. Aber die Reihenfolge mit Tierkarten nehmen, Expedition starten und dann die Ergebnisse veröffentlichen, passt sehr gut zum Thema des Spiels. Ich fühle mich dabei aber nicht wie jemand, der etwas zu einer Enzyklopädie beiträgt, sondern eher wie jemand, der versucht gleiche Tiere und Farben zu sammeln. Und das ist das „Encyclopedia“ dann am Ende auch: ein Set-Collection-Spiel. Ich hole das Optimum heraus, wenn ich möglichst gleichartige Tiere sammel, erforsche und das Wissen dazu veröffentliche.

Ein Grund, wieso mir das Spiel auch ins Auge gestochen ist, ist natürlich eine gewisse Ähnlichkeit zu „Arche Nova“, was die Tierkarten angeht. Tiere mit Kontinentkennzeichnung, eingeteilt in Vögel, Echsen und Säugetiere und in Fleisch–, Pflanzen– oder Allesfresser. Dazu der gewisse Set-Collection-Anteil, da es sich auch bei Arche Nova oft anbietet, gleichartige Tiere zu sammeln. Eine Rufleiste, auf der ich voranschreite und Boni erhalte. Und die Experten, die sich bei „Arche Nova“ mitunter bei den Sponsorenkarten wiederfinden. Aber da hören die Gemeinsamkeiten dann auch auf. „Encyclopedia“ spielt sich wesentlich einfacher und etwas unthematischer. Der Set-Collection-Aspekt hat einen wesentlichen höheren Stellenwert und ist sogar spielentscheidend.

Encyclopedia – Spielertableau und die schön illustrierten Tierkarten
Encyclopedia – Spielertableau und die schön illustrierten Tierkarten

Ich habe das Spiel nur zwei Partien allein gegen eine AI gespielt. Von dieser liegen drei unterschiedlich starke Charaktere mit drei unterschiedlichen Siegpunktbedingungen zum Spielende bei, sodass sich neun unterschiedliche Schwierigkeitsgrade ergeben. Die AI spielt sich dabei sehr leichtgängig und einprägsam. Als störend empfand ich nur, dass der Siegpunktefluss bei der AI konträr zu meinem Spiel war. Während ich vor der Spielendewertung mit über 100 Punkten vor der AI lag, überholte mich diese in beiden Partien am Spielende durch ihre eigenen Siegpunktbedingungen. Das machte es mir während des Spiels schwer abzuschätzen, wie ich im Vergleich zur AI stehe. Es führte dazu, dass ich so spiele, wie ich es mir zurechtgelegt habe, ohne direktes Feedback zu haben, ob es gut oder schlecht ist, was ich mache. Immerhin die zweite Partie ging 192:197 für die AI aus, sodass ich nicht extrem schlecht abschnitt.

Der Spannungsbogen im Spiel ist leider eher flach. Bei der ersten Partie lagen bei mir zwischen Runde 1 und 2 ein Tag. Zwischen Runde 2 und 3 zwei Wochen, weil ich irgendwie keine Motivation hatte, mich weiter an das Spiel zu setzen. Das Einsetzen der Würfel wirkte teils belanglos und monoton. Das liegt sicherlich auch daran, dass ich jede Runde etwas Ähnliches mache: Tiere holen, erforschen, veröffentlichen. Manchmal gestreckt auf zwei oder drei Runden, weil die vier Aktionen pro Runde nicht für einen optimalen Zug reichen. Wenn ich das Spiel sehr gut spiele, dann verschwindet meine Auslage an Tieren nach jeder Veröffentlichungen eben wieder. Das fühlte sich nicht so an, als würde ich etwas aufbauen, ohne etwas zu erreichen – außer Siegpunkten. Die zweite Partie spielte ich dann am Stück in etwas mehr als einer Stunde durch. Hier gefiel mir der Spielfluss ein klein wenig besser, aber dennoch machte ich in den sechs Runden nicht sehr viel Unterschiedliches. Es fühlte sich immer noch etwas langweilig an.

Der Zufall im Spiel ist hoch, schließlich ziehe ich vier Würfel aus einem Sack mit 20 Würfeln. Dazu kommen noch jede Runde zufällige Tierkarten und Experten dazu. Und vor allem bei den Tierkarten ist es wichtig, dass für Auswahl, Erforschen und Veröffentlichung die Würfelfarbe passt. Das ist aber in Summe gar nicht so schlimm. Zum einen gibt es durch Expeditionsmarker und Siegel die Möglichkeit, die Würfelfarbe zu modifizieren und durch Geld, Expeditionsmarker und Siegel die Augenzahl zu erhöhen. Zum anderen darf ich mir schließlich jeden Würfel auf dem Tisch nehmen. Ja, meine Mitspielerin erhält dann einen kleinen Bonus, aber das ist verschmerzbar, wenn ich mir dadurch eine Sechs in der richtigen Augenfarbe nehmen kann. Dabei habe ich keine sinnvolle Entscheidungslogik gefunden, wie ich die Würfel bei Rundenbeginn den unterschiedlichen Boni zuordne. Am Ende habe ich die Zuordnung einfach wie die AI nach Werten aufsteigend gemacht. Gegebenenfalls kommt der Aspekt der Würfelzuordnung in einem Mehrpersonenspiel eher zum Tragen.

Deswegen fällt es mir auch schwer etwas zur Interaktion zu sagen. Diese ergibt sich eigentlich nur durch das Anbieten bzw. Wegnehmen von Würfeln und Erhalt der Boni. Daneben kommen sich die Spielerinnen natürlich auch bei der Auswahl von Experten und Tieren und vor allem beim Start der Expeditionen in die Quere. Aber alles in einem so geringen Maße, dass vermutlich jeder größtenteils vor sich hinspielt. Ob es sich beispielsweise für mich lohnt, einer Mitspielerin eine Tierkarte wegzunehmen, weil diese schon viele Tiere dieser Art hat, wage ich zu bezweifeln.

Die Anleitung las sich anfangs sehr gut, einzig bei den AI-Regeln kam ich manchmal ins Straucheln. Nebensätze wie in „Wenn es mehrere Würfel mit gleicher Augenzahl zur Auswahl gibt, fällt die Wahl gemäß der Priorität [Anmerkung: Das ist eine eindeutige Anordnung der Würfelfarbe.] und was dem Spieler am wenigsten nützt.“ bei der Würfelauswahl sind nicht hilfreich, weil ich dann einen Nutzen abwägen muss. Nützen mir drei Siegpunkte oder drei Rufschritte mehr? Daneben wurde vergessen zu beschreiben, dass am Ende der Runde alle Würfel vom Spielplan wieder in das Säckchen kommen. Das ergab sich aber von selbst, da bei vier Spielerinnen die Würfel immer nur für eine Runde reichen. Ansonsten wurde aber alles sehr gut beschrieben. Das Spielbrett hätte teils etwas mehr Informationen vertragen können. So stehen beispielsweise die Expeditionspunkte und die Siegpunkte bei der Veröffentlichung nicht auf dem Spielplan. Diese Information hat es aber auf eine kleine Spielhilfe geschafft, die ich rechts an mein Spielertableau anlege. Zu den Spielertableaus gehören auch noch vier Charaktererweiterungen, die links angelegt werden. Leider scheinen diese bis auf ein Porträt keinerlei Eigenschaft zu haben. Hier hätte ich irgendwie variable Charakterfähigkeiten erwartet. Aber das kann ja im Kickstarter noch kommen, der im März/April 2022 starten soll. Die Auslieferung des Spiels ist dann erst für 2023 geplant. Ob das Spiel auf Deutsch erscheinen wird, weiß ich nicht. Das Spielmaterial ist zwar komplett sprachneutral, aber vor allem die Eigenschaften der Experten musste ich in der Anleitung fast immer nachschlagen, da deren Symbolik für mich nicht eingängig war.

Mein Fazit von den zwei Solopartien: Nett. Vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als nett, aber leider nicht überragend. Ich denke, als Kennerspiel ist es recht solide und trägt die geschätzten zwei Stunden Spielzeit sicherlich auch. Aber als etwas komplexeres Set-Collection-Spiel ist es mir dann doch zu lang. Eine Extrapolation dieser Erfahrung auf das Mehrpersonenspiel kann ich wie oben geschrieben nicht machen. Hier hat der Einsatz der Würfel und das Wegnehmen von Tieren vielleicht einen ganz anderen Stellenwert als im Solospiel. Und dann spielt es sich vielleicht auch etwas kurzweiliger und weniger monoton. (6,5)

Encyclopedia (Tabletopia)
Encyclopedia (Tabletopia)

Wertung: (6,5)

#Encyclopedia

Tenpenny Parks (Thunderworks Games, 2022)

Themenpark-Spiele stehen bei mir eigentlich nicht sehr hoch im Kurs. Als ich die Beschreibung von „Tenpenny Parks“ aber auf Tabletopia gelesen habe („Arbeiter auf dem Spielbrett einsetzen, um Aktionen wie Bäume entfernen, Stände und Attraktionen bauen oder Eigentum erweitern auszuführen“) war das Interesse geweckt. Auch der Grafikstil des Spielschachtelcovers im Stile der 1960er weckte meine Neugier und es bestätigte sich später, dass der recht bekannte Illustrator Vincent Dutrait sich für die Umsetzung verantwortlich zeichnet.

In „Tenpenny Parks“ lädt uns der Bürgermeister Tenpenny der Stadt Fairview ein, damit wir einen Themenpark für die Stadt bauen. Ich gebe zu, dass das Thema hier schon etwas krankt, denn welcher Bürgermeister lädt bis zu vier konkurrierende Unternehmen ein, welche die Gegend mit Achterbahnen und anderen Fahrgeschäften zupflastern, nur um nach fünf Monaten einen von denen den Goldenen Schlüssel der Stadt zu überreichen? Was passiert mit den anderen drei Themenparks, die nicht gut genug waren? Aber das Thema hat mich ja auch nicht zum Spiel hingezogen, sondern die Mechanik. Fünf Monate/Runden haben wir Zeit, unseren Themenpark aufzubauen. Hierfür stehen mir drei Arbeiter jede Runde zur Verfügung. Nach der Einkommensphase (durch Stände und Attraktionen) setzen wir die Arbeiter reihum nacheinander um ein Karussell mit zehn Aktionsfeldern ein. Sechs der Felder sind Baufelder, welche mich neue Attraktionen bauen lassen. Diese kommen als Polyominos daher und ich muss diese in meinem Park in Form eines Spielertableaus einbauen. Einzige Bauregel ist, dass sich Fahrgeschäfte nicht direkt berühren dürfen, weil dann niemand mehr dazwischen langlaufen kann. Die Fahrgeschäfte kosten Geld, bringen mir aber Siegpunkte durch Werbung und/oder am Ende des Spiels. Zusätzlich weckt jede Attraktion gewisse Emotionen (in Form von aufgedruckten Symbolen) bei meinen Parkbesuchern, sodass ich auf den drei Leisten Nervenkitzel, Bewunderung und Spaß vorwärtsziehen kann. Neben dem Bauen kann ich auch Bäume ausreißen, um Platz für die Attraktionen zu schaffen, das Gelände rechts oder links vergrößern, bei der Bank Geld abheben oder eine kleinen Stand (Hotdog, Ballonverkauf, Zauberkünstler etc.) bauen, der mir entweder Geld und/oder weitere Emotionen bringt. Wenn alle Arbeiter eingesetzt sind, wird für jede der drei Emotionsleisten geprüft, wer dort vorne liegt. Wenn ich führe, kann ich einen Schritt auf der Leiste abgeben und erhalte einen recht starken Bonus oder ich erhalte einfach nur einen Siegpunkt. Danach kann ich noch Werbung für meine Attraktionen machen (ich wandel einfach nur Geld in Siegpunkte) und es beginnt von vorne. Der Startspieler darf dann das Karussell drehen und verändert damit die Preise der Attraktionen im Bereich -2 bis +2 und kann somit ein bisschen festlegen, was nächste Runde welche Attraktion kosten wird. Nach fünf Runden endet das Spiel und es gibt noch Siegpunkte für geheime Ziele, für das Vorankommen auf den drei Emotionsleisten, für die Attraktionen selbst und für eine gewisse Anzahl an Attraktionen noch einmal zusätzlich.

„Tenpenny Parks“ ist ein eher einfaches, aber dennoch unterhaltsames Kennerspiel. Die Anleitung ist leicht verständlich und ich hatte sie in 15 Minuten gelesen und verstanden. Was mir im Spiel immer Probleme macht war die Reihenfolge der Phasen, vor allem „Emotionsbonus“, „Werbung“ und „Aufräumen“ brachte ich einige Male durcheinander. Hier hätte ich mir auf dem Spielplan eine Abbildung gewünscht. Ansonsten ist das Spiel aber leicht eingängig. Andere Informationen, vor allem für den Emotionsbonus und Siegpunkte am Spielende sind gut erkennbar. Der eigentliche Ablauf der Aktionen ist auch sehr eingängig: Attraktion bauen, ggf. mal Bäume entfernen, ggf. mal den Plan erweitern, ggf. mal einen Stand nehmen und fertig. Das wirkt alles sehr stimmig und rund. Und obwohl ich jede Runde das Gleiche mache, sehe ich, wie mein Park wächst, mein Einkommen am Rundenanfang sich langsam vergrößert und ich mehr Möglichkeiten habe.

Tenpenny Parks – Mein fertiger Park
Tenpenny Parks – Mein fertiger Park

Grafisch sticht das Spiel für mich vor allem durch die Attraktionen heraus. Es gibt 35 Attraktionen und alle haben ihr eigenständig illustriertes Polyomino. Dadurch ergibt sich am Ende des Spiels ein sehr schön gestalteter Themenpark. Dieser wirkt nur etwas seltsam, weil zwischen den Fahrgeschäften zahlreiche 3D-Bäume stehen und es kein Wegenetz oder ähnliches gibt. Ich bin unsicher, wie die Besucher sich im Park zurechtfinden und von Attraktion zu Attraktion gelangen. Dafür sehen die Bäume zumindest hübsch aus. Die Attraktionskarten, die angeben, wie viel ein Fahrgeschäft kostet und was es an Emotionen bzw. Werbung bringt, sind auf Tabletopia noch nicht final. Einzig die gelben Attraktionen, die Geld bringen, sind fertig illustriert. Ich gebe zu, dass mir die nicht finalen, eher abstrakten Attraktionskarten sogar besser gefallen, da ich die relevanten Informationen besser ablesen kann. Ich bin gespannt, wie diese final aussehen werden. Auch problematisch bei Tabletopia sind die Werte um das Karussell, welche die Preise der Attraktionen verändern. Vor allem das Vorzeichen, ob Plus oder Minus war nur bei ganz nahem Heranzoomen richtig zu erkennen. Ich denke, dass aber auch das in der gedruckten Version kein Problem darstellen wird.

Die Interaktion im Spiel ist nicht extrem hoch, aber dennoch vorhanden und es gibt interessante Entscheidungen. Zum einen blockieren sich die Spielerinnen auf den Baufeldern und können sich so aktiv Attraktionen wegnehmen. Auch die Stände sind endlich, wobei aber genügend für alle ausliegen. Zum anderen – und in meinen Augen viel wichtiger – sind die drei Emotionsleisten. Der eine Siegpunkt ist nett, viel wichtiger sind aber die Boni. Auf der Nervenkitzel-Leiste erhalte ich als Führender einen extra Arbeiter für die nächste Runde, auf der Bewunderung-Leiste erhalte ich als Führender den Startspielermarker und auf der Spaß-Leiste erhalte ich drei Geld und das ist vor allem am Anfang rar. Dementsprechend umkämpft sind diese Leisten, zumal ich aktiv durch die Wahl der Attraktionen gezielt beeinflussen kann, auf welcher ich mich vorwärts bewegen will. Da ich die Boni aber nur gegen Abgabe eines Schrittes auf der Leiste erhalte und damit ggf. nächste Runde nicht mehr führe, muss ich mir diese Entscheidung sehr gut überlegen. Dazu kommt, dass ich erst bei Erreichen von Feld 8 auf jeder Leiste am Spielende extra Siegpunkte erhalte, daher darf ich nicht zu oft einen Schritt gegen einen Bonus tauschen. Diese Mechanik der drei Leisten hat mir am Spiel auch am besten gefallen. Auch die Entscheidung, wann und ob ich Bäume entferne, fand ich spannend, da diese gefühlt immer im Weg stehen und ich sehr oft gezielt drumherum bauen musste.

Zum Thema hatte ich oben schon etwas geschrieben. Es fängt beim Einstieg an, geht bei den Bäumen weiter und hört bei der Anleitung sicherlich nicht auf. Ich finde, dass der Aufbau des Themenparks selbst das Thema ganz gut trifft. Aber wenn ich dann schaue, wie ich dorthin komme, warum ich etwas mache und was es am Ende bewirkt, merke ich, dass es sich um ein abstraktes Puzzlespiel mit einer netten Arbeitereinsatzmechanik handelt. Vor allem die Anleitung steht sich thematisch manchmal selbst im Weg. Wieso wird von „tree marker“, „money token“ und „concession token“ (das sind die Stände) gesprochen? Ohne das Marker und Token am Ende wäre es genauso eindeutig, würde das das Thema aber besser umsetzen. Dass ich im Spiel mit „VP“ keine „Victory Points“, sondern „Visiting People“ erhalte, ist ein netter Gag. Aber die Siegpunkt-Marker mit klassischem Lorbeerkranz drumherum deuten nicht an, dass ich hier wirklich Besucher in meinen Themenpark ziehe.

Ich habe zwei Partien gespielt, beide solitär gegen die künstliche Mitspielerin Becky. Ihren ersten Arbeiter setzt sie auf die teuerste Attraktion, ihren zweiten auf die preiswerteste Attraktion und mit dem dritten zieht sie einen zufälligen Stand aus dem Beutel. Sie hat kein Geld, läuft aber auf den drei Emotionsleisten vorwärts und macht mir dadurch enorme Konkurrenz. Hierfür erhält sie auch Siegpunkte und den Startspielermarker und auch bei der Werbung erhält sie einfach Siegpunkte für ihre zuletzt genommene Attraktion. Das ist extrem eingängig und spielt sich sehr flott. Und dennoch hat Becky so viel Tiefe, dass ich entsprechend gefordert werde. Denn sie kommt auf den Leisten immer sehr gut voran und erhält für diese und für die zehn Attraktionen am Spielende ordentlich Siegpunkte. So war es immer wieder ein Kopf-an-Kopf-Rennen auf einzelnen Leisten und wenn ich das Karussell als Startspieler drehen durfte, überlegte ich immer im Voraus für die nächste Runde, welche Attraktionen Becky in welcher Reihenfolge nimmt, welche Emotionen sie dadurch erhält und vor allem, welche Attraktionen ich unbedingt bauen möchte. Meine erste Partie gewann ich ganz knapp mit 49:44. Mit einem kleinen Kniff wird es aber ordentlich schwerer: Einfach Aktion 1 und 2 tauschen, sodass Becky zuerst die preiswerteste und danach die teuerste Attraktion nimmt. Und schon verlor ich mit 40:62. Da eine Solopartie auf Tabletopia gerade einmal eine Stunde dauert, kann ich mir weitere Partien vorstellen. (Es schreit aber bereits das nächste Tabletopia-Spiel nach meiner Aufmerksamkeit. ;))

Fazit: „Tenpenny Parks“ ist sicherlich keine Achterbahn der Emotionen, aber es spielt sich sehr angenehm und leicht runter. Die Komplexität hält sich im Rahmen und so lässt sich das Spiel sicherlich auch mit spielaffinen Kindern bewerkstelligen. Das Material würde diese sicherlich ansprechen. Mich würde eine Runde zu viert interessieren, bei der es wesentlich mehr Gerangel um die Attraktionen gibt, aber auch Solo gegen Becky hat das Spiel Spaß gemacht. Ich wäre also definitiv bei weiteren Partien dabei. Das Spiel ist noch nicht erschienen und soll im Laufe des Jahres 2022 direkt in den Handel kommen. Ob es eine deutsche Version geben wird, weiß ich nicht. Das Spielmaterial ist aber – bis auf die Benamung der Attraktionen und der Beschreibung der Zielkarten – komplett sprachneutral. (7,5)

Tenpenny Parks (Tabletopia)
Tenpenny Parks (Tabletopia)

Wertung: (7,5)

#TenpennyParks

GigaWatt (Eigenverlag, 2022)

Das Thema Elektrizität und erneuerbare Energien zieht mich bei Brettspielen immer wieder an. Aus dem Grund bin ich bei Tabletopia auch auf „GigaWatt“ gestoßen, welches im März über Kickstarter gefördert werden soll. Und so habe ich einen Blick auf das Spiel geworfen und zwei Solo-Partien absolviert.

In GigaWatt kämpfen bis zu sechs europäische Regionen darum, den fossilen Brennstoffen in Form von Kohle und Gas den Rücken zu kehren und auf alternative Energien wie Solar, Wind, Wasser, Biomasse oder Atomkraft zu setzen. Eine Runde läuft dabei wie folgt ab: Zuerst können Technologiekarten gekauft werden, die mir entweder Vorteile bringen (beispielsweise eine Preisreduktion beim Kauf bestimmter Kraftwerke) oder meinen Mitspielerinnen beim Ausspielen Nachteile. Die Nachteile gehen dabei sogar so weit, dass eine betroffene Person bestimmte Typen von Kraftwerken gar nicht mehr ausspielen kann. Wird bei den Technologiekarten eine Karte für CO₂-Steuer gezogen, müssen alle ihre noch vorhandenen fossilen Kraftwerke extra bezahlen. Danach können reihum neue Kraftwerke in die eigene Region gebaut werden. Der Platz ist dabei begrenzt, alte Kraftwerke kann ich aber auch wieder abreißen. Das Abreißen gilt aber nicht für die fossilen Kraftwerke, die muss ich speziell schließen. Jedes Kraftwerk kostet Geld, bringt mir dafür aber eine gewisse Leistung Gigawatt an Elektrizität mit. Die aktuelle Gesamtleistung meiner Kraftwerke wird mit einem Marker auf einer Leiste um das Spielfeld festgehalten. Neben den Kraftwerken kann ich auch Stromspeicher bauen oder Stromtrassen zu den benachbarten Regionen. Dabei gibt es neben den sechs spielbaren Regionen auch noch drei neutrale, externe Regionen. Im nächsten Schritt entscheiden ein bis drei Würfel (W6) darüber, wie stark die Nachfrage an Strom bei jeder Spielerin steigt. Auch dies wird per Marker auf einer Leiste festgehalten. Zwei Wetterwürfel für Solar und Wind sorgen gegebenenfalls dafür, dass Kraftwerke dieser Art nur die halbe Menge an Elektrizität produzieren. Die Nachfrage an Strom bringt mir dann Einkommen. Die Differenz zwischen aktueller Nachfrage und eigener Produktion bringt Probleme. Eine Überproduktion (grüne Marker) ist gar nicht so falsch, wenn ich den überschüssigen Strom speichern oder im nächsten Schritt mit den benachbarten Regionen (auch neutralen) handeln kann. Ein Mangel an Strom (rote Marker) muss ich durch Zukauf der Überproduktion meiner Nachbarn kompensieren, was mich aber je nach Handel etwas kosten wird. Mit einer Stromtrasse kann ich dabei 4 statt nur 1 Marker mit der jeweiligen Nachbarregion handeln. Bleiben nach dem Handel immer noch Marker übrig (egal ob rote oder grüne), muss ich diese recht teuer mit 3 Geld Strafe bezahlen. Zuletzt findet in einer Runde eine Versteigerung von ein bis drei (je nach Spieleranzahl) Schließrechten statt. Hierbei bekommen die jeweils Höchstbietenden die Schließrechte und dürfen ein fossiles Kraftwerk schließen. Das Spiel endet, sobald eine Person keine fossilen Kraftwerke mehr besitzt und der Elektrizität-Produktionsmarker die Nachfrage erreicht oder übersteigt. Neben der normalen Version gibt es auch noch eine kurze Version, die ohne Technologiekarten auskommt. Ich bin aber unsicher, wieso diese Version kürzer sein soll. Die Karten verzögern das Spiel maximal durch die negativen Effekte, weil sie Spieler bei Bauen der Kraftwerke behindern. Aber so richtig viel schneller geht es ohne die Karten eigentlich nicht.

Die Solo-Regeln spielen sich fast identisch. Ich starte mit mehr fossilen Kraftwerken und höherer Energieproduktion (ich habe nicht verstanden, wieso die Anleitung 18 nennt, ob die Produktionssumme der Kraftwerke 19 ergibt). Alle nicht mitspielenden Regionen werden neutrale Regionen. Diese erhalten per zufälligem Würfelwurf fünf rote (Energiemangel) oder grüne (Überproduktion) Marker, die ich später handeln kann. Daneben gibt es logischerweise keine Auktion um die Schließrechte. Für 6 Geld darf ich jede Runde genau ein fossiles Kraftwerk schließen. Der Solo-Gewinn ist etwas seltsam, weil es „Gewonnen“ und „Besonders gewonnen“ gibt. Bei einem normalen Gewinn (alle fossilen Kraftwerk schließen und Produktion >= Nachfrage) gibt es keine Siegpunkte. Wenn ich aber zusätzlich alle grünen Marker aus der Überproduktion loswerden konnte, ist mein übriges Geld die Siegpunkte. Das fand ich eine eher seltsame Definition.

Auf „GigaWatt“ aufmerksam geworden bin ich wie gesagt wegen des Themas. „CO₂“ finde ich klasse, ist aber recht komplex. Da fand ich ein Spiel mit gleichem Thema, aber einfacheren Regeln sehr ansprechend. Die Regeln sind recht verständlich geschrieben. Ich hatte beim Lesen nur zwei Fragen, die aber weiter hinten in der Anleitung beantwortet wurden. Während des Spiels ergaben sich in einigen Situationen andere Fragen, die ich nicht beantworten konnte. Gemeinsam wird man am Spieltisch aber sicherlich eine Lösung finden. Nach der Regellektüre hatte ich Lust auf das Spiel, es gab aber ein, zwei Dinge, die sich etwas seltsam lasen. Dies bestätigte sich dann in meinen zwei Solo-Partien auch und auf diese will ich kurz eingehen:

Farbwahl: Der erste Punkt ist der mich am wenigsten störende und zusätzlich zu einem gewissen Grad Geschmackssache. Gerade das Cover von „GigaWatt“ mit einem Mann, der auf einem Strommast sitzt und die Stromleitungen wie Zügel in den Händen hält, fand ich interessant. Die Farbgebung war zwar bunt, aber dennoch sehr klar abgetrennt. Es wirkte sogar etwas abstrakt. Leider erstreckt sich der Stil aber auch auf den Spielplan. Dieser zeigt die Karte von Europa mit seinen Regionen. Dabei sind die Regionen teilweise farblich zur Spielerfarbe eingefärbt, aber eben nur teilweise. Durch die Pyrenäen (rot) ziehen sich auch orange, hell- und dunkelblaue Farbstreifen. Orange, Hell- und Dunkelblau sind aber ebenfalls Spielerfarben. Das heißt, die Regionen zerfließen stellenweise ineinander. Ich habe auch nicht erkannt, nach welchem Schema einzelne Teile einer Region eingefärbt sind. Aus anderen Spielen kenne ich es, dass dies oft Gebirge, Wälder oder Seen sind. Hier wirkt die Farbgebung sehr zufällig und macht das Erkennen der Regionen sehr schwer. Diese sind zwar zusätzlich noch durch gestrichelte, weiße Linien abgegrenzt, aber auch diese sind nicht so leicht zu sehen. Immerhin helfen die Trassenverläufe zu erkennen, welche Regionen miteinander verbunden sind und handeln dürfen. Auch die Namen der Regionen sind mitunter mit einem sehr geringen Kontrast gegenüber dem Hintergrund abgedruckt. Die Region der Karpaten (Gelb auf Gelb) konnte ich nur erahnen. Bei Tabletopia gab es noch das Problem der Beleuchtung, sodass die roten Würfel auf dem Adria-Region (orange-rot) nicht gut zu sehen waren. Die Zählleiste um das Spiel herum fand ich dagegen sehr trist. Komplett schwarz, mit weißen Zahlen und wenigen Symbolen. Das wirkte etwas langweilig auf mich, soll aber vielleicht den Kontrast zum sehr farbigen Spielplan bilden.

GigaWatt – Ein farbenfrohes Europa
GigaWatt – Ein farbenfrohes Europa

Hoher Zufall: Bei der Erklärung oben habe ich nicht erwähnt, dass „GigaWatt“ in drei Phasen eingeteilt ist. Ich beginne in Phase I (Stromnachfrage liegt zwischen 1 und 25 Gigawatt). Hier darf ich nur Kraftwerke der Phase I bauen. Zusätzlich wird für die Erhöhung der Nachfrage ein W6 gewürfelt. In Phase II (Stromnachfrage liegt zwischen 26 und 45 Gigawatt) darf ich Kraftwerke der Phase II bauen oder von Phase I aufwerten. Zusätzlich werden für die Erhöhung der Nachfrage zwei W6 gewürfelt. Und in Phase 3 (Stromnachfrage liegt zwischen 46 und 90 Gigawatt) analog die Kraftwerke aus Phase III und es werden drei W6 für die Erhöhung der Nachfrage gewürfelt. Die Würfel werden dabei für jede Spielerin individuell gewürfelt. Dementsprechend können sich die Spielerinnen auch in unterschiedlichen Phasen befinden. Das führt zu folgendem Phänomen: In meiner ersten Partie (Start bei 19 Gigawatt Nachfrage) würfelte ich 2, 2, 1 und 3. Die ersten vier Runden verbrachte ich also in Phase I. Ich konnte mir zwar keine Kraftwerke der Phase II kaufen, die verfügbaren waren dafür aber bezahlbar und ich hatte fast immer eine geringe Überproduktion an Strom, die ich dazu noch verkaufen konnte. In meiner zweiten Partie würfelte ich 1, 5 und 3 und ab da war das Spiel verloren. Denn bereits in Runde 2 stieg die Nachfrage so hoch, dass dies durch meine Kraftwerke nicht mehr befriedigt werden konnte. Nicht nur das, die Nachfrage steigt erst nach dem Bau meiner Kraftwerke. Ich muss also raten, wie viel Strom ich brauchen könnte. Das ist bei einem W6 noch okay, aber bei zwei oder gar drei Würfeln ist es nur schwer möglich, den richtigen Wert zu treffen. Ich habe eine Testpartie gespielt und die Nachfrage-Würfel immer auf 6 gestellt. Ich konnte zwar fünf Runden überleben, konnte im Gegenzug aber kein fossiles Kraftwerk schließen und hing der Nachfrage immer um einige Schritte hinterher. Da der Bauplatz für neue Kraftwerke beschränkt ist, war dann nach Runde 5 auch Schluss.

Abwärtsspirale: Wie geschrieben muss ich raten, wie groß die Nachfrage sein könnte. Im Normalfall versuche ich den antizipierten Wert leicht zu übertreffen. In meiner zweiten Partie baute ich in Runde 1 zwei neue Kraftwerke und schloss ein fossiles Kraftwerk. In Runde 2 baute ich (glaube ich) nur Stromtrassen, weil ich dachte, ich hab noch etwas Puffer an Strom. Leider würfelte ich aber eine 5 und mein Windkraftwerk produzierte nur noch die Hälfte. Das führt zu 8 roten Markern, die ich bezahlen musste. Von meinen 25 Einkommen blieb nur noch 14 Geld übrig. Ich schloss (um diese Strategie zu testen) wieder ein fossiles Kraftwerk für 6 Geld und baute in Runde 3 auch wieder ein Kraftwerk. Dies kompensierte den Mangel aber nicht. Somit geriet ich 16 Schritte in Rückstand, mir blieben am Rundenende nur 4 Geld übrig. Davon konnte ich mir dann in Runde 4 nichts mehr leisten. Ich war pleite und damit aus dem Spiel. Für mich fühlte sich das falsch an, weil ich keinen Weg aus dieser Abwärtsspirale sehe. Ich kann eigentlich nur hoffen, dass der Würfel niedrige Werte zeigt und ich somit wieder den Strombedarf aufholen kann. Und natürlich darf ich nicht auf Teufel komm raus alte Kraftwerke schließen, weil mir der Energie dann zusätzlich fehlt. Das war ein Spielfehler meinerseits, der mich aber komplett aus dem Spiel kegelte.

Spielerelimination: Und rauskegeln ist ernst gemeint, denn wenn es in einem Mehrpersonenspiel passiert, dass ich nicht mehr bezahlen kann, bin ich ausgeschieden. Das heißt auch, wenn eine Person echt Pech bei den Würfelwürfen hat und nur hohe Werte würfelt, dann ist diese nach drei Runden bereits ausgeschieden oder zieht das Unvermeidliche nur etwas hin (siehe mein Versuch oben). Wenn dagegen eine andere Person nur niedrige Zahlen würfelt, dann ist es ein Kinderspiel, denn die Überproduktion wird man in der Regel leichter los als eine Unterproduktion und erhält dafür im Normalfall sogar noch Geld. Hier greift dann wieder die Spirale, die Spieler mit schlechten Würfelwerten noch einmal extra bestraft. Grundsätzlich habe ich nichts gegen Spielerelimination. „King of Tokyo“ macht gerade beim Rauskicken der Monster Spaß. Aber „King of Tokyo“ spielt sich in 30 Minuten, „GigaWatt“ benötigt unter Umständen zwei Stunden. Aber da ich das Spiel noch nicht als Mehrpersonenspiel gespielt habe, kann ich nicht sagen, ob das Rausfliegen aus der Partie eher zur Mitte der Spielzeit oder eher am Ende stattfindet. Wäre es am Ende, wäre dies vielleicht gar nicht so schlimm, wenn ich nur noch fünf Minuten zuschauen muss. Dennoch kommt mir dieses Spieldesign erst einmal seltsam vor.

Balancing: Das ist ein schwieriges Thema, ganz einfach, weil ich nach zwei Partien fast nichts dazu sagen kann. Aber es zeigte sich im Solospiel etwas Einfaches: Die Regionen auf der Europakarte haben unterschiedlich viele Nachbarn. Die Nordsee hat beispielsweise nur drei, Mitteleuropa, Adria und Karpaten haben dagegen fünf Nachbarn. Somit habe ich mit den letztgenannten Regionen zwei Nachbarn mehr, mit denen ich handeln kann. Und dies macht einiges aus, denn bei mir lagen in Partie 2 mit Nordsee als Heimatregion oft nur rote Würfel bei meinen Nachbarn (ich konnte also meinen Strommangel nicht weghandeln). ABereits die größere Optionsvielfalt macht die drei Regionen mit fünf Nachbarn auf den ersten Blick wesentlich attraktiver als die Nordseeregion. Ich habe auch nichts gefunden, was die Nordsee irgendwie attraktiver machen würde. Die Windkraftanlagen sind etwas preiswerter, dafür sind sie aber für den Windwürfel anfällig und produzieren mit viel Pech jede Runde nur den halben Strom. Wie gesagt kann ich nach zwei Partien nicht sagen, dass die Regionen nicht balanciert sind. Aber zumindest wirken einige Regionen wesentlich attraktiver als andere.

Und so ergaben sich für mich auch zwei sehr seltsame Solo-Partien. In der ersten spazierte ich durch, jede Runde konnte ich ein fossiles Kraftwerk schließen. Energie war immer genügend da, nach Runde 5 waren alle fünf fossilen Startkraftwerke geschlossen und ich hatte mit 60 Geld gewonnen. In Partie 2 machte ich in Runde 2 den Fehler, ein Kohlekraftwerk zu schließen und konnte mich aus dem Energiemangel und der Abwärtsspirale nicht mehr befreien und war nach vier Runden ausgeschieden. Es hätte sich für mich sehr komisch angefühlt, wenn dies eine Zweipersonen-Partie gewesen wäre und die eine Person dank Würfelglück durchschlendert, während die andere ins Bodenlose fällt. Das erinnerte mich irgendwie auch an „Monopoly“, weil auch hier oft die bestraft werden, denen es eh schon schlecht geht. Und das ist deswegen witzig, weil dies meine erste Assoziation war, als ich die „GigaWatt“-Spielermarker für die Nachfrage gesehen hatte. Diese sind nämlich individuell gestaltet und mit Pinguin und Gummienteneinhorn (oder so etwas in der Art) auch sehr lustig. Ob ich wiederum als Feuerlöscher oder Thermometer (zwei weitere Spielermarker) durch die Gegend laufen will, weiß ich nicht. Ebenfalls hübsch sind die Energie-Produktionsmarker. Diese stellen eine Steckdose und einen Stecker dar und werden beim Bau und Schließen eigener Kraftwerke entsprechend verrückt. Der Stecker wird dabei bei einer Unterproduktion bei Windstille und fehlender Sonne temporär in einer Runde verschoben – und passt thematisch damit irgendwie nicht mehr zum Wetter.

Ansonsten ist „GigaWatt“ thematisch grundsätzlich gut umgesetzt. Die steigende Nachfrage an Strom fühlt sich realistisch an, der Platzmangel ebenso und auch die Abschaltung alter, fossiler Kraftwerke. Dass Atomkraft als Alternative zu fossilen Energieträgern angesehen wird, darüber gehen die Meinungen auch heute in Europa weit auseinander. Insofern passt auch dies sehr gut zum Thema. Einzig unpassend fand ich, dass auf dem Spielplan die Jahreszahlen 1990 am Anfang der Zählleiste und 2050 am Ende aufgedruckt sind. Dies suggeriert, dass wir 60 Jahre Energiewende spielen. Dabei stellen die Werte zwischen den Jahreszahlen aber den Energie-Hunger dar, der dazu von Runde zu Runde (vielleicht Jahrzehnt zu Jahrzehnt?) steigt. Dazu steigt der Energiebedarf auch noch durch Würfel bestimmt zufällig für jede Spielerin unterschiedlich. Das passt dann irgend nicht ganz zu den Jahreszahlen, kann aber auch leicht ignoriert werden. Unthematisch fand ich auch, dass ich mit roten Markern (Unterproduktion) handeln kann. Es macht spielerisch natürlich keinen Unterschied, ob ich grüne Marker (Überproduktion) bei einer anderen Region einkaufe und diese grüne Marker sich mit meinem roten aufhebt, oder ob ich den roten Marker (Unterproduktion) an die Nachbarregion verkaufe (für -1 Geld sozusagen) und sich die beiden Marker dort aufheben (was sie vermutlich tun, das ist in der Anleitung nicht erklärt). Aber thematisch ergibt es keinen Sinn, dass ich eine Unterproduktion weggeben kann, wenn ich die Anleitung richtig verstanden habe.

Die Spielhilfen enthalten alle wichtigen Informationen, sind aber auch entsprechend groß. Sie wirken anfangs etwas kompliziert, stellen aber ganz gut dar, in welcher Phase welches Kraftwerk wie viele kostet und was ich für eine Aufwertung bezahlen muss. Ich habe aber nicht verstanden, wieso die generischen Informationen wie beispielsweise die Anzahl der Schließrechte bei einer Auktion oder die Strafzahlungen nicht mit auf den Spielplan gedruckt wurden. Die Symbolik ist meist auch gut zu verstehen, einzig die Energie-Produktion auf der Leiste und der Schritt „Bauen“ haben das gleiche Symbol, aber auch das ist zu verschmerzen.

Alles in allem möchte ich „GigaWatt“ eher nicht noch einmal spielen. Mich interessiert zwar, wie eine Sechspersonenpartie vom Würfelzufall her ablaufen würde, aber ich mag keine Freihandelsspiele, sodass ich auf die Nicht-Soloversion vermutlich keinen Blick werfen werde. Aufgrund der obigen für mich problematischen Punkte bleibt aber auch kein gutes Solospiel mehr übrig. Es ist mir einfach zu sehr von den Würfeln abhängig, ob ich durchspaziere oder komplett untergehe. Kleine Fehler werden dabei so stark bestraft, dass das Spiel komplett gelaufen ist und maximal durch viel Würfelglück eingefangen werden kann. Daher ist das nichts für mich und ich spiele lieber das komplexere „CO₂“ oder andere Genre-Vertreter wie „Prosperity“ oder „Electropolis“. (3,5)

GigaWatt (Tabletopia)
GigaWatt (Tabletopia)

Wertung: (3,5)

#GigaWatt

DinoGenics (Ninth Haven Games, 2020)

„Di di di, di diiii. Di di di, di diiii. Di di diii, di diii, di diiii di. <Ein Brachiosaurus läuft durchs Bild.> …“ – Wer erinnert sich nicht an die Titelmelodie und den ikonischen Beginn von „Jurassic Park“? Vermutlich alle, die den Film nicht gesehen haben. Das ist aber nicht schlimm, denn mit „DinoGenics“ gibt es das passende Brettspiel zum Film – nur, dass nirgends „Jurassic Park“ drauf steht.

In „DinoGenics“ wollen wir im Wettstreit mit den Mitspielerinnen den attraktivsten Dinopark bauen. Auswildern und Artenschutz spielt weniger eine Rolle, wir sind ja froh, überhaupt Dinosaurier halten zu dürfen. Um einen Dinosaurier zu erzeugen, benötige ich eine gewisse Anzahl an DNS-Karten, je nach Dinospezies zwischen 2 und 4 gleiche davon. Und natürlich benötige ich ein Gehege (bis auf den Brontosaurus, der nicht eingepfercht sein will), damit die Viecher nicht gleich wieder ausbüxen – oder noch schlimmer sich an den Besuchern im Park laben. Mechanisch funktioniert das Ganze per klassischem Arbeitereinsatz. Ich habe anfangs – im Zweipersonenspiel – vier Arbeiter, später fünf, die ich aufs Festland schicken kann, um meine Aufgaben zu erledigen. Im Stadtzentrum kann ich kurz auf dem DNS-Markt vorbeischauen und eine Dose Ankylosaurus mitnehmen, ein paar Zäune auf der Insel errichten, Hotels für die Besucher bauen – es sind sehr kleine Hotels, die nur zwei Besucher beherbergen können – oder andere Gebäude im Park oder den Außenanlagen hochziehen, die mir im Laufe des Spiels Vorteile und/oder am Spielende Siegpunkte bringen. Alternativ kann ich auf weiteren Arbeitereinsatzfeldern zufällige DNS-Karten ziehen, mir Manipulationskarten besorgen oder diese ausspielen, per Fähre Geld kassieren oder per Timesharing weitere Besucher ankarren. Wichtig ist auch der Friedhof, auf dem ich gezielt nach DNS-Ausschuss suchen kann, was mir aber einen Skandal-Marker bringt. Und noch wichtiger ist die DinoGenics IOM, welche mir für entsprechende DNS-Karten einen Dinosaurier bastelt. Dieser bringt mir Attraktivität, die ich an jedem Rundenende direkt in Siegpunkte wandel, und Ansehen in der Dinopark-Bauer-Gemeinschaft, was für den Startspieler wichtig ist. Ein Dinosaurier braucht dabei eine bestimmte Gehegegröße, die ich zuvor optimalerweise gebaut habe. Manche Dinosaurier sind Fleischfresser und benötigen am Rundenende Fleisch in Form vom Ziegen, die ich im Dreierpack als Aktion erhalten kann. Jeder Einsatzort auf dem Spielplan hat eine bestimmte Anzahl an Feldern und kann meist mehrfach aufgesucht werden. Und so setzen wir reihum unsere Arbeiter ein. Zu Beginn einer Runde gibt es noch eine Eilmeldung, die uns mitteilt, was nächste Runde Gutes oder Schlimmes passieren wird. Dazu erscheinen noch Besucher in meinen Hotels, die mir entsprechend Geld einbringen. Überleben diese bis zum Rundenende, bringen sie mir sogar Siegpunkte. Nach sieben Runden ist der Park im Optimalfall vollgebaut, das Spiel auch schon vorbei und es wird ausgewertet. Siegpunkte gibt es noch einmal für manche Gebäude und – viel wichtiger – drei Siegpunkte pro Dinosaurierspezies im Park. Monokulturen rechnen sich also nicht so sehr. Eine wichtige Eigenschaft habe ich noch nicht erwähnt: Wenn Dinosaurier falsch untergebracht werden (nicht oder zu klein eingezäunt), nicht gefüttert werden können oder als zwei Spezies in einem Gehege untergebracht werden, dann toben sie. Ein Würfelwurf entscheidet darüber, ob das ganze zur Show gehört und die Besucher sogar erfreut. Oder ob der Dinosaurier einen Zaun beschädigt oder ausbricht und ein Gebäude abreißt oder im schlimmsten Fall einen Besucher auffrisst.

Zusätzlich spielten wir noch mit der Erweiterung „DinoGenics: Controlled Chaos“. Diese erweitert das Festland um ein weiteres Spielbrett mit Arbeitereinsatzfeldern. Größtes Novum sind die Wasserdinosaurier und einige Elite-Dinosaurier, die besondere Bedingungen haben (beispielsweise einen Wassertank), aber auch entsprechend Punkte bringen. Dazu gibt es neue Gebäude, die gleich zwei Felder einnehmen, und Spezialisten, die ich anheuern kann. Diese bringen mir im Laufe des Spiels oft Siegpunkte, ebenso wie am Ende des Spiels – und das nicht zu wenig.

DinoGenics – Meeresdinopark mit Spa
DinoGenics – Meeresdinopark mit Spa

„DinoGenics“ gibt es leider nur auf Englisch. Die Anleitung liegt zwar in Deutsch vor, das Spielbrett und vor allem die Eilmeldungen, DNS-Karten, Manipulationskarten und Spezialisten sind ausschließlich Englisch und enthalten viel Text. Wir spielten mit einer teilübersetzten Version, sodass zumindest Eilmeldungen, Spezialisten und Manipulationskarten auf Deutsch vorlagen. Die DNS-Karten der Dinosaurier enthalten aber immer noch viel Text, immerhin hilft hier die deutsche Dinosaurierübersicht mit allen Eigenschaften der Tiere. Das Spielmaterial ist toll, vor allem die Dinosaurier-Meeple reißen es heraus. In Grün-, Braun- und Blautönen kommen diese daher und haben alle eine individuelle Form. Im Grundspiel sind acht Spezies enthalten, mit der Erweiterung werden es 19. Die acht Grüntöne und fünf Blautöne machen das Auffinden zwar nicht ganz so einfach, aber dafür sehen die Meeple einfach großartig aus. Hier punktet „DinoGenics“ bei mir auch im Gegensatz zur Farbwahl in „Dinosaur Island“. Daneben gibt es noch Double-Layered-Spielertableaus, die einerseits dafür sorgen, dass nichts verrutscht. Andererseits gibt es außer der Dinosaurier-Attraktivität keine Marker, die verrutschen könnten. Bei den Zäunen fand ich die Aussparungen sogar eher hinderlich als förderlich. Den Spielplan fand ich vom Material her und der Übersicht ganz okay. Schade war, dass einige Karten oder Plättchenstapel die Sicht auf die Aktionsfelder für irgendjemand am Tisch versperren. Die Aktionen sind aber so eingängig, dass dies eigentlich nicht lange ein Problem ist. Das Geld gefiel mir nicht so sehr, aber das ist oft auch Geschmackssache.

Trotz der englischen Sprache wird das Thema des Spiels super herübergebracht. Okay, es ist eine interessante Welt, in der ich auf einem Markt Dinosaurier-DNS einkaufen kann. Aber ansonsten passt vieles thematisch einfach zusammen, was Dinosaurier-Erstellung und -Unterbringung, Gebäude und Spezialisten angeht. Unthematisch sind die Eilmeldungen bzw. die Vorschau darauf. In welcher Welt kennt man schon die Nachrichten von Morgen? Antwort: In der Welt, in der es Dinosaurier-DNS auf einem Markt zu kaufen gibt. Es macht das Spiel natürlich planbarer, wenn ich weiß, was mich nächste Runde erwartet. Aber es nahm auch etwas vom Spielgefühl. Schade fand ich auch, dass das Toben, was sich bei der Erklärung wie eine sehr wichtige Spielfunktion anhörte, nur ein einziges Mal im Spiel griff. Im Gegensatz zu „Dinosaur Island“, in dem ich ständig die Sicherheit erhöhen muss, reicht es in „DinoGenics“, wenn ich mich an gewisse Vorgaben halte, damit nichts Schlimmes passiert. Es gibt einige Eilmeldungen oder Elite-Dinosaurier, die etwas Chaos ins Spiel bringen können, aber auch dies ist beherrschbar. Nach einer Partie denke ich einerseits, dass mir dieses Chaos-Element in einem „Jurassic Park“-Spiel irgendwie fehlte, andererseits war ich aber froh, dass der Aufbau meines Parks dadurch nicht gestört wurde.

Auch sonst gefällt mir „DinoGenics“ mechanisch sehr gut. Der Dinoparkbau erinnerte mich sehr stark an „Agricola“ – nur die Animeeple sehen anders aus – die kumulierten Siegpunkte am Rundenende durch meine Dinosaurier an „Russian Railroads“. Ansonsten ist der Arbeitereinsatz natürlich nichts Neues und auch die Art und Weise eher Standardkost und nicht wirklich innovativ. Immerhin skaliert das Spiel gut, da entsprechend Aktionsfelder abgedeckt werden, sodass ich nicht immer die Aktion machen konnte, die ich wollte. Zu 80% der Partie konnte ich meine Pläne aber ungehindert umsetzen. Das heißt, die Interaktion mit den Mitspielerinnen ist nicht sehr hoch. Einzige Ausnahme war der Startspielermarker. Ich konnte diesen ab Runde 2 bis Runde 7 verteidigen, da mein Park einfach den besseren Ruf hatte, auch wenn die Dinosaurier des Mitspielers attraktiver waren. Dies brachte mir sowohl bei den Besuchern einen Vorteil (ich erhielt dadurch mehr) als auch bei der Erstwahl der Aktionsfelder. Was weniger gut bei uns funktionierte war der DNS-Karten-Durchsatz. Für meinen Ankylosaurus benötigte ich drei DNS-Karten. Zwei davon hatte ich bereits in der ersten Runde auf der Hand. Und danach kamen weder beim Nachziehen, noch auf dem Markt, noch auf dem Friedhof eine weitere Karte dazu. Am Ende half mir eine Manipulationskarte aus, aber es war etwas frustrierend, da ich den Dinosaurier gerne regulär gespielt hätte. Die Manipulationskarten sind allgemein oft hilfreich, vor allem durch die Erweiterung werden sie aber wichtig …

… denn nur mit Manipulationskarten kann ich Spezialisten anwerben. Nach einer Partie ist es natürlich schwer zu beurteilen, aber ich denke, dass mir das Grundspiel ohne Erweiterung weniger Spaß gemacht hätte. Das Grundspiel ist sehr simpel (vom Toben mal abgesehen), kann aber auch sehr wiederholend wirken. Immerhin ist es schön, den Dinopark wachsen zu sehen. Mit den Spezialisten, den Wassersauriern, die andere Gehege benötigen, und den großen Sondergebäuden kam für mich aber ein echt schönes Spielgefühl auf. Dabei hat mein Mitspieler aber gezeigt, dass man auch gut mithalten kann, wenn man die Erweiterung fast komplett ignoriert. Ich dagegen stürzte mich regel(ge)recht darauf und erstellte mir einen Park fast nur bestehend aus Wasser- und Elitesauriern. Dazu noch ein privater Flughafen im Park und ein Spa neben den Hotels und es fühlte sich einfach thematisch, stimmig und rund an. Ich weiß nicht, ob sich das mit den Grundspiel-Dinosauriern und -gebäuden genauso gut angefühlt hätte.

Es gibt aber auch ein paar Dinge, die ich bemängeln muss. Kleinigkeiten wie den ungünstigen Kartendurchsatz habe ich schon erwähnt. Das größte Manko für mich war die Symbolik des Spiels, bei der es an vielen Stellen krankt. Zum einen ist sie nicht intuitiv. So gut wie jedes Gebäude, was auf dem Markt aufgedeckt wurde, mussten wir nachschlagen, weil sich die Symbolik nicht von selbst ergibt. Verwundert war ich, dass es Gebäude gibt, die mir am Spielende drei Siegpunkte pro Fleischfresser geben. Das Symbol für Fleischfresser ist aber auf keiner Dinosaurier-Karte abgebildet und zusätzlich auf Anhieb auch nicht zu erkennen. Ich dachte zuerst an drei Siegpunkte pro Vampir, aber die gibt es im Spiel nicht. Zum anderen waren die Symbole für mich auf den Gebäuden viel zu klein gedruckt. Ich hatte bisher in keinem Spiel Probleme, etwas zu erkennen. Aber hier musste ich die Plättchen in die Hand nehmen, ins richtige Licht drehen und dann konnte ich erkennen, um was es sich handelt. Die Erweiterungsgebäude machen das besser. Diese sind aber auch doppelt so groß und die Symbole haben damit mehr Platz. Aber auch die Erweiterungsgebäude machen nicht alles gut. Denn im Grundspiel gibt es Symbole für das Rundenende (Upkeep, zwei graue Pfeile nach oben) oder Spielende (Eieruhr), wenn mir das Gebäude Vorteile bringt. In der Erweiterung ist das dagegen textuell beschrieben. Diese kleine Inkonsistenz erschwert die Spielübersicht. Auch die Symbolik für Siegpunkte, Dinosaurierattraktivität und Ruf fand ich nicht eingängig. Siegpunkte werden durch ein weiß-goldenes V-Emblem dargestellt. Auf den Dinosaurier-DNS-Karten befindet sich genau dieses Symbol, also erhalte ich die Siegpunkte beim Ausspielen? Nein, denn dies zeigt nur an, wie viele Attraktivität (die etwas langweilig „Dinosaurier-Wert“ in der Anleitung genannt wird) mir dieser Dinosaurier beim Ansiedeln gibt. Die Dinosaurierattraktivität wird erst am Rundenende in Siegpunkte gewandelt. Und auch der klassische Lorbeerkranz wird verwendet – aber nicht für die Siegpunktanzeige, sondern für den Ruf, welcher den Startspieler bestimmt. Eine kleine Überarbeitung der Symbole und vor allem der DNS-Karten würde dem Spiel helfen, weil es intuitiver verständlich wäre.

Davon aber abgesehen hat mir die Partie sehr gut gefallen. Es hat mir viel Spaß gemacht, meinen Dinopark vor allem mit den Meeresdinosauriern aufzubauen und zu unterhalten. Dass dabei kein Dinosaurier zu toben begann, stört mich im Nachhinein weniger, da ich so meinen Park auf die Art aufbauen konnte, ohne dass mir jemand oder etwas alles kaputt macht. Die Interaktion war nicht sehr hoch, nur beim Ruf umkämpften wir uns ein bisschen. Ich schaute meinem Mitspieler aber auch gerne zu, wie er seinen Park weiter ausbaute. Die Spielzeit lag zu zweit bei ca. zwei Stunden. Mit 45 Minuten Erklärung davor war der Abend also gut gefüllt, aber keinesfalls monoton. Interessiert hätte mich noch das Solospiel, da es hier 10 Szenarien als Herausforderung gibt. Vor allem der Wettstreit gegen die KI Synth (Szenario 8) klingt herausfordernd. Da ist es praktisch, dass es auf Tabletopia die Soloszenarien 2, 3 und 8 (Synth) sowie von der Erweiterung die Soloszenarien 1 bis 3 zum Spielen gibt. Ich bin gespannt, ob ich diese mal testen werde. (9,0)

DinoGenics mit Erweiterung Controlled Chaos
DinoGenics mit Erweiterung Controlled Chaos

Wertung: (9,0)

#DinoGenics #DinoGenicsControlledChaos

(Neu) Gespielte Spiele im Dezember 2021

Das Jahr 2021 ist vorbei und bot spielerisch wenig Neues, aber immerhin ein bisschen. Spielerische Vorsätze für 2022? Nein, das kommt, wie es kommt.

Now or Never (Red Raven Games, 2021)

„Now or Never“ ist das dritte Spiel von Ryan Laukat in der Arzium-Reihe, welche auch noch „Oben und Unten“ und „Nah und Fern“ umfasst. Die Hintergrundgeschichte ist einfach: Vor 20 Jahren schlug ein Meteorit in einem kleinen Dorf namens „Monument“ ein. Aus dem Meteorit kletterten Monster und vertrieben alle Bewohner. Jetzt, 20 Jahre später, werden die Monster schwächer und wir wollen das Dorf „Monument“ wieder aufbauen. Hierfür heuern wir Spezialisten an, die das Dorf aufbauen, reisen durch die Welt und erleben Abenteuer. Und natürlich kämpfen wir gegen Monster, um die Dorfbewohner zu befreien, die danach in unserem neu aufgebauten Dorf angesiedelt werden. „Now or Never“ stellt eine interessante Mischung aus Eurogame und Abenteuerspiel dar. Hierfür gibt es sogar zwei Spielmodi: Während der Standardmodus eher die Planer und Optimierer anspricht, ist der Story-Modus eher für Rollenspieler interessant, die mehr über die Welt und die Charaktere erfahren wollen. Ich habe auf Tabletopia den Standardmodus getestet (da der Storymodus dort nicht implementiert ist).

„Now or Never“ geht (im Standardmodus) sechs Runden („Seasons“ genannt), in welcher wir reihum Aktionen durchführen, bis alle gepasst haben. Es gibt zwei Arten von Aktionen: Entweder bewege ich meinen Helden auf der Weltkarte und agiere mit dieser oder ich nutze die Fähigkeit eines Spezialisten. Die Heldenbewegung kann ich dabei nur dreimal pro Runde vornehmen. Nach den Bewegung kann ich je nach Standort entweder Suchen (falls ein Suchplättchen ausliegt), ein Monster bekämpfen oder den Ort selbst nutzen. Die Nutzung einer Ortsaktion gibt mir ganz verschiedene Dinge. Meist tausche ich etwas gegen etwas anderes ein. Dabei kann es aber schon sein, dass ich auch mit Lebenspunkten bezahlen muss, um Geld zu erhalten. Wenn es ein spezieller, benamter Ort ist und ich eine entsprechende Abenteuerkarte auf der Hand habe, kann ich diese vorher noch ausspielen. Diese Karten bringen mir manchmal Ressourcen oder Siegpunkte am Spielende, manchmal aber auch dauerhafte Boni. Der Kampf gegen ein Monster ist recht simpel: Das Monster hat Lebenspunkt und Angriffsstärke. Ich würfel mit einem W4, der zufällig bestimmt, mit welchem meiner vier Waffen/Zauber ich angreife. Diese können im Laufe des Spiels ersetzt oder aufgelevelt werden, was auch notwendig ist, um gegen die stärkeren Monster auf der Karte eine Chance zu haben. Mein Angriff macht Schaden beim Monster, dann schlägt das Monster zurück und ich erhalte Schaden. Das wird wiederholt, bis ich das Monster besiegt habe, das Monster mich besiegt hat oder ich mich aus dem Kampf zurückziehe. Als Belohnung im Kampf winken mir Erfahrungspunkte und wichtiger noch gerettete Dorfbewohner, die ich bei mir ansiedeln will.

Dies führt dann zu den Spezialisten: Vier Stück kann ich davon gleichzeitig haben. Ich kann einen meiner Spezialisten nutzen (was Geld kostet), einen Spezialisten einer anderen Spielerin nutzen (was mich Geld kostet, das wiederum der andere teilweise erhält) oder einen neuen Spezialisten anheuern (was mehr Geld kostet) und gleich dessen Dienste in Anspruch nehmen. Die Spezialisten können mich heilen, geben mir Erfahrungspunkte und Ressourcen und, ganz wichtig, bauen Gebäude in mein Dorf. Hierfür stehen allen Spielerinnen die gleichen Gebäude in einem 5x4-Raster zur Verfügung, die aber bei allen zufällig angeordnet sind. Bauen darf ich erstmals nur vom Rand und danach nur von einem leeren Platz aus angrenzend, weswegen ich mir mein erstes Gebäude gut überlegen sollte. Mein Dorf besteht aus einem 4x4-Raster; ich kann also nicht alle Gebäude bauen. Das erste Gebäude muss in die unterste Reihe gebaut werden, danach immer angrenzend zu bestehenden Gebäuden. Wieso baue ich überhaupt Gebäude? Zum einen bringen mir diese am Rundenende Ressourcen oder am Spielende Siegpunkte, zum anderen kann jedes Gebäude einen Dorfbewohner beherbergen, die dann – und erst dann – für mich arbeiten und am Rundenende eine Ressource produzieren. Die Produktion aller Gebäude und beherbergter Dorfbewohner am Rundenende ist wichtig, denn nur dadurch erhalte ich Ressourcen, die ich auf dem Markt nach festen Vorgaben jederzeit verkaufen darf. Und das Geld davon benötige ich dringend, um meine Spezialisten zu bezahlen oder neue Gebäude zu bauen. Die wiederum brauche ich, um vor Monstern gerettete Dorfbewohner unterzubringen. Und das mache ich, um Ressourcen in der Produktion zu erhalten. So schließt sich der Kreis.

Das Spiel endet nach sechs Runden. Ein schöner Kniff: Vor der finalen Produktion verlieren aber die Spielerinnen alle Ressourcen und Geld, die sie bisher gehortet hatten. Es wird noch einmal produziert und auf dem Markt gegen Geld respektive Siegpunkte getauscht. Weitere Siegpunkte gibt es für volle Häuserreihen im eigenen Dorf oder unterschiedliche Dorfbewohner. Und auch die erfüllten Abenteuerkarten können ordentlich Siegpunkte abwerfen. Und wie üblich gewinnt die Spielerin mit den meisten Siegpunkten.

Anhand der immer noch kurzen Beschreibung (das Regelheft umfasst in Summe 28 Seiten) sieht man, dass „Now or Never“ das komplexeste der drei Arzium-Titel ist. War „Oben und Unten“ sehr gut mit jüngeren Kindern spielbar, „Nah und Fern“ dann eher mit älteren Kindern, würde ich „Now or Never“ eher im Kennerspielbereich ansiedeln. Die einzelnen Aktionen sind zwar nicht sehr kompliziert zu erfassen, das Zusammenspiel von Monstern, Dorfbewohnern, Spezialisten, Gebäuden und Abenteuerkarten erfordert aber schon Einiges an Denkarbeit, um effizient zu spielen. Die komplette und ausführliche Erklärung des Spiels hat deswegen bei mir 40 Minuten gedauert. Nach der Regellektüre war ich auch etwas überwältigt, bereits in der ersten Partie merkte ich aber, dass alles sehr gut und recht logisch zusammenspielt. Durch den Wegfall der Story-Elemente im Standardmodus fühle ich mich als Eurogamer auch viel mehr angesprochen. Ich fand „Oben und Unten“ nett, aber sehr tiefgründig waren die Geschichten nicht. „Nah und Fern“ machte das etwas besser, aber dennoch waren die Story-Elemente für mich eher Beiwerk. Daher finde ich es gut, dass Ryan Laukat jetzt zwei getrennte Modi entwickelt hat, sodass sich jeder genau das Spiel heraussuchen kann, das er spielen möchte. Dennoch eine kleine Warnung: Trotz Eurogame-Elementen lässt sich das Spiel nicht komplett durchplanen. Allein der Würfelwurf beim Kampf und beim Suchen (ich nehme zufällig 1-4 Schaden) lässt das Spiel nicht komplett berechenbar sein.

Als ich die Regeln las, staunte ich nicht schlecht über die Vielfalt: Aktionswahl über eigene und fremde Spezialisten, Plättchenlegen beim Gebäudebau, Produktion über Gebäude und Dorfbewohner, „Charakter“entwicklung über teilweise charakterspezifische Ausrüstungsgegenstände, Rasterbewegung auf der Karte, Kämpfe gegen Monster und ein bisschen Story-Aspekte durch die Abenteuerkarten. Nach drei Partien (zweimal solo, einmal zu zweit) kann ich aber sagen, dass „Now or Never“ im Kern etwas ist, was ich anfangs nicht erkannte, nämlich ein Engine-Builder. Zwar kann ich auf verschiedene Arten Siegpunkte im Spiel machen, es führt aber kein Weg daran vorbei, eine gute Produktion aus Gebäuden und Dorfbewohnern aufzubauen, die mir Ressourcen bringen, die ich dann in Geld wandeln muss, um mir damit neue Gebäude, Ausrüstung und Spezialisten zu besorgen, die dann wiederum dafür sorgen, dass ich Kämpfe gewinne, neue Dorfbewohner erhalte und somit noch mehr produzieren kann. Wenn man das im Übrigen wie ich nicht gleich erkennt, kann das mitunter frustrierend sein, da der Fluss des Spiels oft sehr ähnlich abläuft. In der ersten Runde baue ich ein oder sogar Gebäude und kann auch ein oder zwei Dorfbewohner ansiedeln. Deren Produktion reicht aber oft nicht aus, um in der zweiten und dritten Runde viel mehr zu aufzubauen. Erst ab Runde vier nimmt die Engine wirklich Fahrt auf, wenn die Produktion so viel Ressourcen/Geld abwirft, dass ich mir pro Runde mehrere Gebäude leisten kann und durch die stärkeren Monster auch mehr Dorfbewohner erhalte. Ohne Vorerfahrung ist dies in Runde 2 aber sehr frustrierend. So fragte ich mich auch, wie ich das Geld je zusammenbekommen soll, um 16 Gebäude zu bauen oder vier Spezialisten anzuheuern. Von den geforderten 100 Siegpunkten im Solo-Spiel ganz zu schweigen. Umso erstaunter war ich, dass ich in den letzten beiden Solo-Runden alle vier eigenen Spezialisten nutzte (eigentlich sogar noch mehr durch Zukauf neuer Spezialisten), die oberste Gebäudereihe erklomm und das Spiel mit 136 bzw. 113 Siegpunkte über der geforderten Marke beendete. Ich gebe zu, dass diese Lernkurve – wenn auch anfangs frustrierend – am Ende sehr befriedigend war. Auf der anderen Seite war es aber auch unbefriedigend gleich in der ersten Solo-Partie die Zielmarke zu reißen. Da ist der Anreiz auf eine weitere Runde mit einer reinen Steigerung der Punktzahl eher gering.

Das Thema des Spiels kommt so einigermaßen zur Geltung. Wie so oft passierte es mir als Eurogamer aber, dass ich die Gebäude, die Spezialisten, die Dorfbewohner und die Monster auf ihre Symbole reduzierte. Es war mir leider egal, wie die Dorfbewohner aussehen, Hauptsache sie produzieren die richtigen Ressourcen. Das war bei „Oben und Unten“ anders, da bekam jeder Dorfbewohner einen Namen und eine Hintergrundgeschichte von mir verpasst. Das wäre mir bei „Now or Never“ aber auch etwas zu viel des Guten gewesen. Unter Umständen kommt dieser Aspekt im Story-Modus aber besser zum Tragen. Einzig die Abenteuerkarten versprühten etwas mehr Thema, da ich dort immerhin den Kartentitel und den Ort (der ja bestimmt, wo ich die Karte ausspielen darf) las und mir die Grafik genauer anschaute. Grafisch hält das Spiel auch, was Ryan Laukat verspricht. Gefühlt wirkt die Karte, die Orte und die Personen etwas erwachsener, kantiger und dunkler. Mir gefällt der Grafikstil aber sehr gut. Vor allem passt die Karte auch sehr gut zur Hintergrundgeschichte, sodass sich beispielsweise um die Einschlagsstelle des Kristallmeteoriten stärkere Monster tummeln. Auch die Symbolik ist gut und leicht verständlich. Einzig beim Spezialisten-Symbol für den Kauf von Ausrüstungsgegenständen musste mir eine Mitspielerin erklären, dass dies ein Rucksack darstellen soll. Die Rückseite der Weltkarte zeigt die „Unterwelt“ als Variante, die bis auf leicht andere Belohnungen und drei ausgetauschte Monstertypen sich aber sonst identisch spielt. Die Symbolik und die Gestaltung der Karte ist auch so gut, dass ich kaum etwas in der Regel nachschlagen musste. Ein, zwei Dinge hätten zwar noch auf das Spielbrett beziehungsweise dem Rundentableau Platz gehabt oder hätten Erwähnung finden können, aber in Summe passte das schon. (Mir fehlte beispielsweise der Hinweis auf der Karte , dass ich beim Betreten von Gebirge einen Lebenspunkt verliere oder dass die Dorfbewohner-Auslage erst aufgefüllt wird, wenn sie leer ist – im Gegensatz zu den Spezialisten und Ausrüstungsgegenständen.) Auch die Regel liest sich sehr gut und verständlich. In meinen Partien blieben bis auf eine wenige Kleinigkeiten keine Regelfragen offen.

Now or Never – Spielertableau
Now or Never – Spielertableau

Der Automa als simulierter, zweiter Spieler fühlt sich ganz gut an. Durch ein Kartendeck wird jeden Zug entschieden, welche Aktion der Automa durchführt. Dabei sammelt der Automa aber kein Geld oder Ressourcen, er ist einzig dafür da, um Suchplättchen, Monster, Dorfbewohner, Aufträge, Ausrüstung und Abenteuerkarten aus dem Spiel zu nehmen und seine eigenen und meine Spezialisten zu erschöpfen. Vor allem das Erschöpfen meiner eigenen Spezialisten war mitunter eine schöne taktische Hoffnung, da ich dann Geld bekam, welches ich mitunter wieder sinnvoll einsetzen konnte. Und auch durch die Wegnahme der Dorfbewohner nach einer bestimmten Reihenfolge kam mir der Automa das eine oder andere Mal in die Quere. In der zweiten Partie gelang ich deswegen gerade einmal an einzigen Dorfbewohner mit Kristall, weswegen ich einige Punkte nicht erhielt. Ansonsten haben mich seine Aktionen aber wenig tangiert, vor allem ob irgendwelche Monster, Spezialisten oder Suchplättchen verschwinden, war mir ziemlich egal, da es genügend Alternativen gab. Die Spieldauer gegen den Automa lag in den zwei Partien bei 100-120 Minuten, wobei ein großer Teil der Zeit für die Navigation in Tabletopia veranschlagt wurde. Zum einen gibt es viele Token zum Bewegen, zum anderen ist das Spielbrett mit eigenem Tableau sehr groß, sodass viel Scrollarbeit angesagt war. Der Automa simuliert das Spiel zu zweit aber sehr gut, wie ich dann in der Zwei-Personen-Partie merken musste. Es war schade, aber auch hier interessierte es mich eher wenig, was meine Mitspielerin machte. Die Karte ist zu zweit auch groß genug und es gibt genügend Monster, sodass man sich nicht in die Quere kommt. Abenteuerkarten und Aufträge werden sowieso zufällig gezogen. Selbst der interaktive Aspekt, dass ich bei meiner Mitspielerin einen Spezialisten mit nutze, kam nicht zum Tragen, da sie keine (für mich sinnvollen) Spezialisten anheuerte, die ich nutzen wollte. Unter Umständen ändert sich das Spiel aber, wenn man zu viert über die Karte wuselt.

Zum Spielgefühl habe ich oben schon Einiges geschrieben, nach einer guten ersten Runde, wich in Runde 2 die Motivation der Frustration, um dann von Runde zu Runde wieder zu steigen, um am Ende ungläubig die Punkte zu zählen. Strategisch muss ich aufgrund der Zusammenhänge von allem etwas machen, dominiert hat aber der Dorfausbau. Dieser ist auch der zentrale Mechanismus, ohne den es im Spiel nicht vorwärts geht. Das ist in meinen Augen im Standardmodus aber völlig okay, im Storymodus könnte es vielleicht störend wirken. Was mir ab der nicht so guten Runde 2 geholfen hat, war ein gezogenes Auftragsplättchen. Damit hatte ich dann ein Ziel vor Augen, welche Ressourcen ich benötige. Dies hat mir am Anfang des Spiels gefehlt, da ich einfach alles machen kann und es keine Vorgabe gibt, was denn sinnvoll ist. Das Problem sah ich dann auch bei meiner Mitspielerin in der Zwei-Personen-Partie, da sie nicht wusste, was sie überhaupt tun soll. Diesen Weg muss man sich also erst selbst erarbeiten. Einzig durch die Abenteuerkarten gibt es bestimmte Ziele auf der Karte, die ich im Laufe des Spiels ansteuern möchte. Einige davon sind aber aufgrund der Bedingungen und verlangten Ressourcen erst viel später im Spiel anwendbar. Die Suche empfand ich anfangs sehr unattraktiv, da ich darüber 1-4 Lebenspunkte zufällig verliere, und nicht weiß, was ich erhalte. Hierfür eine von drei Heldenbewegungen auszugeben kam mir nicht lukrativ vor. In der zweiten Solopartie merkte ich aber, dass mir die Belohnung der Suche doch das ein oder andere Mal geholfen hätten.

Variabilität erhält das Spiel hauptsächlich durch den zufälligen Aufbau der Gebäude und der Charaktere. Diese spielten sich aber trotz ihrer Unterschiede in Laufgeschwindigkeit, Angriffsstärke, Ausrüstungsgegenstände, Mana-Poolgröße und Sonderfähigkeit doch sehr ähnlich. Vermutlich liegt das daran, dass das Spiel sehr stark vorgibt, was zu tun ist (Gebäudebau für Dorfbewohner, Ausrüstung für starke Monster, Dorfbewohner für Produktion). Zumindest habe ich in meinen drei Partien wenig Möglichkeiten erkannt, von diesem Schema abzuweichen. Die zufällige Verteilung bzw. Auslage von Auftragsplättchen, Abenteuerkarten, Suchplättchen, Ausrüstungsgegenständen, Dorfbewohnern und Spezialisten erzeugte dagegen bei mir keine Variabilität. Ich musste halt damit leben, was kam, was einige Möglichkeiten einschränkte, aber keine Alternativ-Strategien erzeugte. Insofern spielt sich eine Partie immer sehr ähnlich, was bei einer Partie pro Monat aber auch kein Problem darstellt.

Die 100-120 Minuten Spielzeit im Solomodus waren etwas lang, es handelte sich aber auch um die ersten zwei Partien und um Tabletopia. In der Realität denke ich, dass ich die Solo-Spielzeit sicherlich auf 80-90 Minuten verringern könnte. Die offizielle Spielzeit wird dagegen mit 45 Minuten pro Spielerin angegeben, was ich etwas schade finde, da ich noch nicht weiß, ob das Spiel tatsächlich 180 Minuten bei vier Spielerinnen trägt. Unser Zwei-Personen-Partie dauert dann – erneut aufgrund Erstpartie bei einer Spielerin und Tabletopia-Umsetzung – aber auch länger als die angegeben 90 Minuten. Nach den 40 Minuten Erklärung spielten wir 120 Minuten – und unterbrachen dann die Partie mitten in der fünften Runde. Eine Woche später folgt die Fortsetzung und in Summe spielten wir ca. 180 Minuten. Dabei gingen die ersten Runden noch sehr flott, da wir nur 3-4 Aktionen ausführen konnten. In den letzten zwei Runden sind es dann aber schon 8-9 Aktionen, was die Spielzeit natürlich vor allem im späteren Spielverlauf entsprechend erhöht. Zusätzlich versuchten wir in der letzten Runde noch einmal alles zu optimieren, damit möglichst viele Ressourcen/Geld in der letzten Produktion entstehen. Jedenfalls sind 180 Minuten definitiv zu lang und ich weiß nicht, ob das Spiel mit genügend Erfahrung und am realen Tisch tatsächlich in 90 Minuten spielbar ist. Im Storymodus soll eine Partie noch etwas mehr Zeit beanspruchen. Auch die Aufbauzeit, die digital dankenswerterweise entfällt, ist bei „Now or Never“ nicht ohne. Bei vier Spielen die 20 Gebäude zu mischen und in einem Raster auszulegen, sowie die Auslage von Abenteuerkarten, Auftragsplättchen, Ausrüstungsgegenständen, Dorfbewohnern und Spezialisten erfordert einiges an Zeit. Auf Englisch würde ich mir das Spiel sowieso nicht kaufen, da die Abenteuerkarten etwas Text enthalten und ich bei solchen Spielen Deutsch bevorzuge. Das restliche Spielmaterial ist bis auf einige Gebäude mit wenigen Worten und die Bezeichnung der Ausrüstung sprachneutral. Vor allem den Storymodus mit seinen Geschichten würde ich in einer deutsche Version bevorzugen.

In Summe hat mir „Now or Never“ trotz der Spielzeit ziemlich gut gefallen. Der Storymodus wurde ausgelagert und „stört“ den Eurogamer im Standardspiel nicht mehr. Ob der Storymodus analog dazu die immersiven Rollenspielgefühle befriedigen kann, kann ich aber nicht sagen, da ich diesen nicht gespielt habe. Sollte dieser aber irgendwann einmal auf Deutsch auf dem Tisch landen, bin ich bei einer Partie dabei. Und den Standardmodus spiele ich auf alle Fälle sehr gerne wieder mit, in der Hoffnung, dass sich die Spielzeit dann etwas verringert. Für mich ist „Now or Never“ der bisher beste Teil der Arzium-Reihe. (9,0)

Now or Never
Now or Never

Wertung: (9,0)

#NoworNever

Winter der Toten (Heidelberger, 2015)

„Fünf Jahre ist es nun her. Fünf sehr unschöne Jahre. Das Virus greift weiter um sich. Und nur wer sich völlig abschottet, wird diesen elenden Winter überleben. Wir haben uns verbarrikadiert und auf das Klopfen an der Tür reagieren wir schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Ich weiß nicht, wie lange ich dies noch aushalten kann. Aber ich habe gehört, es gibt eine Heilung. Oder zumindest ein Mittel, was diesen ganzen Irrsinn eindämmen kann. Ich freue mich auf den Tag, an dem ich wieder ungestört und befreit vor die Tür treten kann.“ – So in etwa lautete die Einführung unseres Szenarios von „Winter der Toten“ (Nein, tat sie nicht.) Tatsächlich ist es exakt fünf Jahre her, dass ich „Winter der Toten“ zuletzt gespielt hatte. Und nach der Partie fragte ich mich, wieso eigentlich.

In „Winter der Toten“ leben wir verbarrikadiert in einer Kolonie, die sich von der Außenwelt abgeschottet hat. Ein Winter zerrt an den Kräften und die Zombies vor den Toren wollen nichts Gutes. Jeder von uns kontrolliert eine kleine Gruppe von anfangs zwei Überlebenden. Zu Beginn eines Tages/Runde würfelt jeder eine Handvoll Würfel. Mit diesen kann ich bestimmte Aktionen ausführen, wie beispielsweise Barrikaden bauen, Zombies töten oder Orte suchen. Von den Orten gibt es sechs an der Zahl, die wichtige Dinge zum Überleben bringen: Nahrung, Benzin, Werkzeug oder Waffen. Aber auch weitere Überlebende finden sich manchmal dort, die dann zur Gruppe dazustoßen. Aber die Suche an den Orten kommt mit einem Preis. Der Weg zu einem Ort und zur Kolonie zurück ist gefährlich und auch die Suche kann neue Zombies anlocken. Überrennen sie einen Ort, ist das das Aus für den schwächsten Überlebenden. Bei der Bewegung und beim Kampf entscheidet ein Würfelwurf, ob und wie ein Zombie zurückschlägt. Eine einfache Wunde ist noch okay. Eine Frostwunde nervig, weil mein Überlebender dadurch im Laufe der Zeit weitere Wunden erhält. Und ein Zombie-Biss endet tödlich. Nicht nur das, die Infektion breitet sich dann an dem Ort weiter aus und mehr Überlebende könnten sterben. In unserem Szenario hatten wir sieben Tage Zeit, um die Zombiezahl an den Orten auf nahezu Null zu reduzieren, ohne dass die Moral auf 0 fällt. Und das geht sehr schnell, denn jede Runde werden wir uns neue Aufgaben (Krisen) gestellt, die die Abgabe von wertvoller Nahrung, Benzin oder anderen Gegenständen erfordert. Zusätzlich muss die Kolonie ernährt und manchmal sogar gesäubert werden, denn ansonsten sinkt die Moral ebenfalls. Und wenn ein Überlebender stirbt, trägt dies auch nicht zum Moralerhalt bei.

Auch wenn dies nach einem kooperativen Erlebnis klingt (wie man „Winter der Toten“ auch spielen kann), bevorzuge ich (in der richtigen Gruppe) die semi-kooperative Variante. Alle haben eine geheime Agenda und müssen bis zum Spielende des Szenarios zusätzlich noch Aufgaben erfüllen. Nicht nur das, es gibt gegebenenfalls auch einen Verräter in den eigenen Reihen. Dieser gewinnt nur, wenn die Moral auf 0 fällt (was eine Kleinigkeit ist), muss aber auch eine eigene Agenda erfüllen, um zu gewinnen. Gerade die eigenen Agenden lassen einen manchmal Dinge tun, die vielleicht nicht für das Wohl der Gruppe sorgen. Und so mache ich mich verdächtig, wenn ich an einem Ort wiederholt suche und Lärm mache, was Zombies anlockt, die wir gerade vermeiden wollen. Dieses Nicht-Wissen sorgt für eine großartige Spannung am Spieltisch.

Zusätzlich Stimmung kommt durch die Crossroads-Karten auf. Bei jedem Zug einer Spielerin wird eine Ereignis-Karte vom Nachbarn gezogen. Auf der Karte steht, wann bzw. ob der Kartentext wirkt. Es kann sein, dass ich mich dafür nur in der Kolonie aufhalten muss. Es kann aber auch sein, dass ich mit einem ganz bestimmten Charakter an einem ganz bestimmten Ort eine ganz bestimmte Aktion ausführen muss. Durch dieses System wird nicht immer ein Ereignis ausgelöst, aber wenn es einmal ausgelöst wird, passt es sehr gut zur aktuellen Spielsituation, was mir sehr gut gefällt. Der Nachteil des Systems ist, dass manchmal keine einzige Crossroads-Karte im Spiel vorgelesen wird, was schade ist. Um es noch stimmiger zu machen, lesen wir bei den Ereignissen nur die Handlungsmöglichkeiten vor (oft steht nur „links oder rechts“, „ja oder nein“ zur Wahl), aber nicht deren Auswirkung. So wird die Entscheidung einer Person oder der Gruppe oft eine moralische und keine spielmechanische, was mir sehr gut gefällt, das Spiel aber auch schwerer machen kann.

In unserer Partie gab es keinen Verräter, dennoch war das Vertrauen nicht unendlich hoch zwischen uns. Da hatten meine Mitspieler auch mal massig Karten auf der Hand und steuerten nichts zur aktuellen Krise bei, was sehr verdächtig war. Meine Agenda war es, zwei Waffen auszurüsten. Aus dem Grund ging ich in Runde 1 direkt zur Polizeistation. Meine Ausrede war, dass diese auch Benzin bringt, die wir für die Krise brauchten. Und tatsächlich fand ich in zwei Runden zwei Waffen. Zurück in der Kolonie verteilte ich die Waffen dann auf anderer, stärkere Charaktere, die vermutlich nicht so schnell von Zombies gefressen werden. Und so konnte ich mich ab Runde 2 fast völlig auf das Gesamtziel konzentrieren. Ein Mitspieler hatte das Ziel mindestens 12 Überlebende in der Kolonie zu haben (inkl. den hilflosen Überlebenden, die nichts beitragen können, aber trotzdem Nahrung brauchen und Zombies anlocken). Das Ziel erfüllte ich für diesen Mitspieler fast alleine mit, denn meine erste Crossroads-Karte bescherte mir einen neuen Überlebenden, der gleich seine ganze Familie als hilflose Überlebende mitbrachte. Der dritte Spieler am Tisch musste Benzin sammeln, was er aber heroisch in Runde 4 oder 5 aufgab, um die Krise zu meistern, deren Auswirkung wir moralisch nicht überlebt hätten. Durch das Opfer konnte der Mitspieler aber am Ende nicht mehr gewinnen. Ich gebe zu, dass dies ein Problem des Spiels sein kann, denn es gibt in solchen Fällen immer mal wieder Spieler, die dann auf den Modus „wenn ich nicht gewinnen kann, verlieren wir halt alle“ umschalten. Das ist dann zwar extrem nahe an der Realität, spielerisch kann es aber eine Partie vermiesen. Glücklicherweise trat dies bei uns nicht ein und der Mitspieler, der als Einziges nicht gewann, hatte trotzdem Gefallen am Spiel.

Mir gefällt „Winter der Toten“ immer noch sehr gut und ich bin froh, es behalten zu haben. Als besonders schön empfinde ich auch die Illustrationen, u.a. von Fernanda Suárez, die auch dieses Mal wieder zur sehr guten Stimmung bei mir beigetragen haben. Die Erweiterungen „Kampf der Kolonien“ und „Die lange Nacht“ benötige ich dabei nicht, auch wenn diese vermutlich gut sind. Zum einen halte ich Erweiterungen für ein Spiel, welches ich nur alle fünf Jahre einmal spiele, nicht für sinnvoll. Und zum anderen ist „Winter der Toten“ in der richtigen Gruppe bereits im Grundspiel ein richtig tolle Erfahrung. (9,0)

Winter der Toten
Winter der Toten

Wertung: (9,0)

#WinterderToten

Nine Tiles Panic (Oink, 2020)

Was passiert, wenn man „Galaxy Trucker“ in eine Schrottpresse wirft und den kleinen Quader, der dabei herauskommt, danach neu anmalt? Die Antwort lautet: „Nine Tiles Panic“. Wie bei Oink Games üblich, kommt das Spiel in einer sehr kleinen Schachtel daher und sieht erst einmal etwas unscheinbar aus. Wir haben alle die gleichen neun Plättchen auf der Hand. Auf der Vorder- und Rückseite sind Straßen, Häuser, Menschen, Hunde, Agenten, Aliens und Burger abgebildet. Es werden drei Aufgabenkarten ausgelegt, die es zu erfüllen gilt. Beispielsweise eine möglichst lange Straße zu haben, möglichst viele Paare an Hunde und Menschen oder möglichst viele Aliens zu fangen (wenn auf der gleichen Straße ein Agent auf ein Alien trifft). Gleichzeitig legen wir die neun Plättchen vor uns in einem 3x3-Gitter aus, wobei nur Wege passend gelegt werden müssen. Wer zuerst fertig ist, dreht die Sanduhr um. Alle anderen haben danach nur noch diese Sanduhr Zeit, ihre neun Plättchen anzuordnen. Danach werden die Ziele ausgewertet und Punkte verteilt. Dies wird wiederholt, bis jemand eine gewisse Anzahl an Punkten erreicht und damit gewonnen hat.

Das Spielgefühl von „Nine Tiles Panic“ ist tatsächlich sehr ähnlich zu „Galaxy Trucker“. Durch die weniger Plättchen und schlankeren Regeln haben auch Neulinge eine Chance. Wer „Nine Tiles Panic“ aber schon oft gespielt hat, hat definitiv einen Vorteil, da er die Plättchen sehr gut kennt und bereits weiß, welche er für welche Aufgaben wie hinlegen muss. Etwas gemein finde ich, dass bei einem Baufehler (nicht alle neun Teile verbaut oder Straße nicht richtig angebaut) es für die Person 0 Punkte gibt. Bei 3-4 Runden pro Spiel kann dies schon ein Viertel der Punkte ausmachen. Eine etwas sanftere Bestrafung hätte bei uns vermutlich dazu geführt, dass ein Mitspieler mit zwei Fehlbauten nicht so extrem auf dem letzten Platz landete. Dennoch ist „Nine Tiles Panic“ ein nettes, kleines Spiel mit netter Grafik und gutem Unterhaltungswert. (7,0)

Nine Tiles Panic
Nine Tiles Panic

Wertung: (7,0)

#NineTilesPanic

A.D.E.L.E. (Nice Game Publishing, 2021)

Wer den Film „2001: Odyssee im Weltraum“ gesehen hat, kennt auch schon die Geschichte von „A.D.E.L.E.“: Wir befinden uns auf einem Raumschiff auf dem Weg zum Mars. Gesteuert wird das Schiff von einer künstlichen Intelligenz namens A.D.E.L.E. Das wäre toll, würden in der letzten Zeit nicht ständig die Lebenserhaltungssysteme ausfallen oder es an allen Ecken und Ende zu brennen anfangen. Wir haben den Verdacht, dass A.D.E.L.E. uns an den Kragen will. Also haben wir zwei Optionen: das Raumschiff heimlich, still und leise in einer Rettungskapsel verlassen oder den Computer hacken. Also in echt. Mit einer Axt!

In „A.D.E.L.E.“ agieren ein bis vier Crew-Mitglieder gegen die KI, welche ebenfalls durch eine Person verkörpert wird. Zu Beginn des Spiels befinden wir uns als Crew auf einem Raumschiff mit 20 Räumen, in denen zufällig verteilt Gegenstände liegen. Das kann ein Raumanzug oder ein Feuerlöscher sein oder sieben der für die zwei möglichen Missionen notwendigen Gegenstände. Niemand – auch nicht A.D.E.L.E. – weiß, welcher Gegenstand sich wo befindet. Immerhin wissen einzelne Crew-Mitglieder, welche Missionsgegenstände in welchen Raum gebracht werden müssen. Auf welche der beiden Missionen sich die Crew einlässt, weiß A.D.E.L.E. auch nicht. Dummerweise weiß die Crew das ebenso wenig, da sie anfangs noch gar keinen Gegenstände in den Händen hält. Spielmechanisch passieren zuerst schlimme Dinge – durch eine Ereignis-Karte repräsentiert – die uns beispielsweise Leben oder Aktionspunkte verlieren lässt. Danach programmiert jedes Crew-Mitglied mit vier Aktionswürfeln geheim seine Aktionen. Wir können uns dabei zwar absprechen, aber A.D.E.L.E. hört natürlich die ganze Zeit mit. Danach ist A.D.E.L.E. am Zug und zieht aus einem Beutel Stör-Marker und legt sie auf ihre Konsole. Die Marken kosten Energie und damit kann sie diese auf Räume legen, beeinflusst durch Handkarten, welche die Raumnummern angeben. Auf die Art breitet sich das Feuer auf dem Schiff aus, die Luft geht aus oder Türen schließen sich plötzlich. Dann deckt die Crew ihre Aktionen auf und führt diese reihum aus – soweit dies jetzt noch geht. Ist die Tür des Raums plötzlich zu und ich habe keine „Tür öffnen“-Aktion programmiert, muss ich halt woanders lang laufen. Als Aktionen stehen mir neben Tür öffnen und Laufen auch das Suchen im Raum/Aufnehmen eines Gegenstandes und die Aktivierung eines Gegenstandes aus meinem Rucksack zur Verfügung. Die letzte Aktion „Terminal“ hat mehrere Bedeutungen und ist teurer (kostet mehr Aktionswürfel): Ich kann damit einen der gesuchten Missionsgegenstände im passenden Raum aktivieren, ich kann die Spezialfähigkeit mancher Räume nutzen (beispielsweise Heilen in der Krankenstation) oder einige der Stör-Marker entfernen, die A.D.E.L.E. zuvor in einen angrenzenden Raum gelegt hat. Dies geht so weiter, bis entweder die Crew eine der beiden Missionen erfüllt hat (also die richtigen Gegenstände in den richtigen Räumen aktiviert haben) oder bis A.D.E.L.E. sich eines Mannschaftsmitglieds entledigt hat oder das Schiff zu weit vom Kurs abgekommen ist, sodass es keine Rettung mehr gibt (umgesetzt durch einen simplen Rundenanzeiger).

Von der Story her habe ich mich echt auf das Spiel gefreut: Sci-Fi mit einer bösen KI? Das hat auch schon bei GLaDOS super funktioniert. Leider krankt „A.D.E.L.E.“ aber an zahlreichen Punkten. Zuerst ist da die Anleitung, die zum Lernen und Nachschlagen nicht hilfreich geschrieben ist. Wie die Crew gewinnt, ist klar in einem Absatz beschrieben. Wie A.D.E.L.E. gewinnt, findet sich aber in zwei unterschiedlichen Absätzen in Nebensätzen. Es war auch nicht ganz klar, wie die Anomalie-Plättchen ausgespielt werden und wie die Ereignis-Karten mit diesen zusammenspielen. Erst im Spiel fügte sich das zusammen. Das machte den Einstieg entsprechend holprig.

Die Symbolik des Spiels ist leider auch nicht sehr klar. Wir mussten auch in der vorletzten Runde immer noch nachschlagen, welche Auswirkungen diese oder jene Stör-Marker auf dem Schiff haben. Dabei gibt es eine A4-Seite mit einer Spielhilfe. Die ist aber nicht sehr hilfreich, da sie nicht das erklärt, was für das Spiel – vor allem in der Erstpartie – wissenswert wäre. Konkret: Es steht darauf, welche Sonderkarten A.D.E.L.E. ziehen könnte, was die Crew gar nicht interessiert, weil sie darauf nicht spekulieren kann. Es stehen die Fähigkeiten der Crew-Mitglieder darauf, was einmalig sinnvoll ist, ich aber nicht in jedem Zug brauche. Und es stehen die Fähigkeiten der Gegenstände erklärt, was tatsächlich hilfreich ist. Was aber fehlt: die Erklärung der Aktionen, vor allem des Terminals, da dieses multifunktional ist. Und es fehlt die Erklärung der Stör-Marker auf dem Spielbrett. Dass ein Feuermarker einen Schaden macht und man hierfür würfeln muss, konnten wir uns irgendwann merken, weil es zu viele davon gab. Dass ein Erstickungsmarker einen Aktionswürfel verlieren lässt oder Dunkelheit einen Aktionsmarker mehr für eine Aktion erfordert, ging nicht in unsere Köpfe rein. Und das ist schade, weil die A4-Spielhilfe zweiseitig ist. Und auf beiden Seiten steht exakt derselbe Text. Das ist vielleicht nur ein Druckfehler, aber die Spielhilfe in dieser Art ist wenig Hilfe gewesen.

Meine Motivationskurve beim Spiel war die ersten Runden nach der Erklärung sehr weit unten, stieg dann in der Mitte des Spiels leicht an und fiel dann wieder stark ab. Zur Begründung: Im ersten Teil weiß niemand, wo die gesuchten Gegenstände liegen. Jedes Crew-Mitglied weiß nur, wo es bestimmte Gegenstände hinbringen muss. Sprich, der erste Teil des Spiels besteht für die Crew nur aus dem stupiden Herumlaufen durch das Raumschiff und Aufsammeln beziehungsweise Anschauen von Gegenständen. Dadurch, dass ich nur vier Ausrüstungsslots habe, kann ich aber nicht alle Gegenstände mitnehmen, sondern muss manchmal welche abwerfen oder liegenlassen und mir dabei merken, welche Gegenstände in welchem Raum liegen. Mir machen Memory-Spiele aber nicht so viel Spaß. Ich konnte mir nicht einmal dauerhaft merken, welche Gegenstände ich in meinem Rucksack hatte und musste ständig nachschauen. Auch das ständige Nachschlagen in der Anleitung, weil die Symbolik für uns nicht intuitiv war, störte den Spielfluss am Anfang sehr. Der zweite Teil machte etwas mehr Spaß, als die Crew ein paar Missionsgegenstände im Rucksack hatte und A.D.E.L.E. durch Abhören herausfand, was die Zielräume für diese Gegenstände waren. Es ging jetzt also darum, die Gegenstände zum Zielort zu bringen, dabei die Stör-Marker zu beseitigen und nicht zu sterben. Das machte aber nur kurzzeitig Spaß, denn alsbald sah ich nicht mehr, wie wir das Spiel hätten gewinnen können. A.D.E.L.E. blockierte zwei Zielräume durch mehrere Stör-Marker. Einer davon verbietet die Terminal-Aktion in einem Raum, um die Missionsgegenstände dort zu aktivieren. Es gibt im Raumschiff aber nur einen einzigen Raum (Hauptcomputer-Terminal), der es erlaubt, diese Terminaldefekt-Marker durch eine Terminalaktion zu entfernen. Das heißt, eigentlich muss ein Crew-Mitglied zwingend in dem Raum stehen, um die Stör-Marker aus den Zielräumen zu entfernen, und die anderen Crew-Mitglieder müssen sich den Weg zu den Zielräumen bahnen. Das klingt also zumindest für eine Spielerin nicht sehr spannend. In unserem Fall waren wir nur zu zweit und auf die Art hätten wir ewig gebraucht, die Zielräume alle zu erreichen. Interessant im Sinne von „spielkaputtmachend“ wäre es gewesen, wenn A.D.E.L.E. auch noch den Terminaldefekt-Marker auf den Hauptcomputer-Terminal-Raum (Raum 20) gelegt hätte. Dann hätten wir nämlich bis zum Spielende keine Chance mehr gehabt, die Missionen zu erfüllen. Ich weiß aber nicht, ob diese Spielsituation tatsächlich eintreten kann, das heißt, ob es eine Raumkarte mit der Nummer 20 gibt.

Für die schlechte Spielerfahrung hat sicherlich auch die fehlende Kommunikation oder Kooperation gesorgt. Ich kann mich zwar mit meinem Mitspieler absprechen, aber das bringt nicht viel, wenn A.D.E.L.E. alles mitbekommt. Beispielsweise kann ich mit einer Drohne mir einen beliebigen Gegenstand im Schiff anschauen. Dann weiß ich zwar, ob dieser relevant ist oder nicht, aber wenn ich es meinem Mitspieler sage, wird A.D.E.L.E. den Raum abschotten. Bluffen bringt dabei auch nichts, denn dann verwirre ich auch meinen Mitspieler. Und geheime Absprachen in der Crew sind nicht erlaubt. Das führte dazu, dass wir zwei Crew-Mitglieder eben jeder auf dem Raumschiff seinen Weg ging und irgendetwas machten. Wir trafen uns ein einziges Mal für einen Gegenstands- und Wissensaustausch (es ist dann erlaubt, sich die Zielräume der anderen Missionsgegenstände anzuschauen). Da ich nicht mehr hoch motiviert war, machte ich mich einfach auf direktem Weg zu einem der Zielräume und starb dabei, weil überall Feuer lag und ich nur mit einer 1 hätte überleben können. Und so gewann A.D.E.L.E. das Spiel, was mir aber ziemlich egal war. Ganz im Gegenteil war ich froh, dass die Partie vorbei war.

Prinzipiell hätte ich Interesse, „A.D.E.L.E.“ noch einmal zu spielen. Diesmal etwas regelfester und mit mehr Mitspielern, sodass wir uns im Schiff besser aufteilen können. Aber so richtig glaube ich nicht, dass die langweilige Suchphase am Anfang des Spiels oder die Kooperation im Spiel wirklich besser wird. Ich werde es vermutlich nicht herausfinden. (4,5)

Wertung: (4,5)

A.D.E.L.E.
A.D.E.L.E.

#ADELE

Canvas (Road To Infamy Games, 2021)

Das Thema „Bilder malen“ in Spielen finde ich immer wieder attraktiv. Sei es als Arbeitereinsetzspiel wie in „Alte Meister“ oder als Sammelkartenspiel wie in „Kanagawa“ oder als schöne Panorama-Ansicht (wenn auch nicht als Gemälde) wie zuletzt in „Im Schatten der Pagode“. Mit „Canvas“ gab es dieses Jahr eine Kickstarter-Veröffentlichung, die auch im Laden erhältlich ist.

In „Canvas“ malen die Spielerinnen Gemälde. Hierfür kann ich in meinem Zug entweder eine Gemäldekarte aus der Auslage nehmen oder eines meiner drei Gemälde vollenden. Das Besondere: Die Gemäldekarten sind transparent und können übereinander gelegt werden. Drei Stück benötige ich für ein fertiges Gemälde. Was das bringt? Natürlich Punkte. Denn auf jedem Gemälde sind am unteren Rand fünf Farben mit jeweils unterschiedlichen Symbolen angegeben. Es liegen vier Zielkarten pro Partie aus. Diese erfordern beispielsweise ein Gemälde mit genau einem Farbkreis. Oder ein Gemälde mit allen fünf Farben. Oder ein Gemälde mit 3 gleichen und 2 gleichen Symbolen. Welche Farben und Symbole am Ende sichtbar sind, hängt also davon ab, wie ich meine drei Gemäldekarten übereinander lege. Wenn ich ein Gemälde vollende, erhalte ich je nach Erfüllung einer Aufgabe einen passenden Marker dafür. Wenn jeder drei fertige Gemälde vor sich liegen hat, werden Punkte verteilt in Abhängigkeit zur Menge der erhaltenen Marker.

Die Idee von „Canvas“ mit den transparenten Karten ist sehr nett, wenn auch nicht neu. Bereits in „Gloom“ hat mir dieses Spielprinzip gefallen, ebenso wie in „Mystic Vale“. Mitunter entstehen bei dem Übereinanderlegen sehr schöne Szenerien, manchmal aber auch nur Unsinn. Aber darauf kommt es leider gar nicht an. „Canvas“ ist ein rein abstraktes Spiel, welches auch ohne Gemälde auskommen würde. Nur die Farben und Symbole sind relevant für die Zielerfüllung.

Wir spielten zwei Partien zu viert. Die erste Partie mit den Einstiegswertungskarten verlief ganz gut. Es war fast immer möglich mehrere, wenn nicht sogar alle Wertungen mit einem Bild zu erfüllen. Die zweite Partie spielten wir mit zufälligen Wertungskarten und das machte das Spiel verkopfter. Fast jeder von uns stöhnte, wie man mal mehr als zwei Wertungen gleichzeitig erfüllen soll. Aber auch das war unterhaltsam, da sich mehr um konkrete Karten gestritten wurde. Das ist auch die einzige Form der Interaktion in „Canvas“: Wir nehmen uns Karten aus einer Auslage weg. Da ich ein Handkartenlimit von 5 habe und dann zwingend mit drei Karten etwas malen muss, lohnt es sich nicht, jemand anderem etwas wissend wegzunehmen. Aber zumindest hoffe ich auf die passenden Symbole und freue mich, wenn mir jemand eine Karte, die ich will, nicht weggenommen hat.

Mit 12-14 Runden spielt sich „Canvas“ recht flott, aber es hinterlässt auch keinen so bleibenden Eindruck. Vor allem die Abstraktion finde ich etwas schade. Da gefällt mir „Kanagawa“ wesentlich besser, welches die gesuchten Symbole direkt mit in die Bilder einbindet und so ein schöneres, nicht so abstraktes Bild entstehen lässt. (7,0)

Canvas
Canvas

Wertung: (7,0)

#Canvas

(Neu) Gespielte Spiele im Oktober und November 2021

Der Oktober stand natürlich im Zeichen der SPIEL.digital 2021, weswegen ich die restliche Zeit des Monats viel zum Spielen gekommen bin. Dennoch gab es einige Neuheiten, die ich mit den Spielen im November zusammenfasse.

Adventure Games – Die Vulkaninsel (Kosmos, 2019)

Der dritte Teil der Adventure-Games-Reihe verschlägt uns auf „Die Vulkaninsel“. Als Studenten unter Professor Abréu begeben wir uns auf eine Insel, auf der es einen Schmugglerring gibt. Da die Polizei alle Hände voll zu tun hat, sollen wir nach Ungewöhnlichem Ausschau halten. Und so werden wir in die Geschichte geworfen, in der wir in klassischer Computerspiel-Point'n'Click-Manier Orte erkunden, Gegenstände einsammeln und diese mehr oder weniger sinnvoll miteinander kombinieren.

Das Spiel besteht aus vier Kapiteln, wobei die Kapitel 1, 2 und 4 ca. 75 Minuten dauern und das dritte Kapitel 150 Minuten. Insofern erhielten wir für recht wenig Geld sehr lange Unterhaltung. Dies war aber auch ein bisschen das Problem, da sich das Spiel zum Ende hin eher wie ein Abarbeiten anfühlte und nicht wie Spielspaß. Sechs Stunden Spielzeit in Summe waren uns einfach zu lang für das Gebotene, denn es gibt nur wenig echte Rätsel. Oft ist es sehr offensichtlich, was wir womit kombinieren mussten, um zum Ziel zu gelangen. Wenn die Rätsel nicht fordern sind, dann sollte aber zumindest die Story herhalten. und diese trug bei uns einfach nicht, weil sie uns zu konfus vorkam. Das fängt schon damit an, dass vier Studenten Polizeiarbeit leisten sollen, um einen Schmugglerring auszuhebeln. Es zieht sich aber auch durch das Spiel bis zum Ende hin durch, welches wir nicht verstanden. Uns fehlten offensichtlich einige ganz wichtige Informationen, die wir nicht mitgenommen hatten. Und so war die Auflösung der Geschichte für uns absolut unverständlich. Mitunter sorgen natürlich Spielabläufe und Aktionen dafür, dass etwas unlogisch erscheint. So werkelte ein Charakter an einem Ort herum, während der andere keine fünf Meter davon entfernt durch einen Schlag ohnmächtig wurde und dort die ganze Nacht liegen blieb, ohne dass der erste Charakter irgendwelche Hilfe leisten konnte. Ziemlich unrealistisch ist auch der Zeitverlauf in Kapitel 1. Durch das Betreten neuer Orte schreitet die Zeit voran und nach sechs Stunden war das erste Kapitel zu Ende. Von der Mechanik her ist es gut, das Spiel zu bestimmten Zeitpunkten weiter laufen zu lassen. Aber wieso die erste in der Gruppe eine Stunde braucht, um einen Ort zu betreten, alle anderen danach aber ohne Zeitverlust hingehen können, erschließt sich mir nicht. Ein ähnliches Phänomen gab es auch in Kapitel 3, als wir mit einem Auto von Ort zu Ort reisen konnten. Dabei kostete aber nur die allererste Fahrt einen Kanister Benzin, danach konnten wir uns ohne Einschränkung über die Orte hinweg bewegen.

Aufgrund der langen Spielzeit mussten wir das Spiel auf fünf Spieleabende aufteilen, die terminbedingt teilweise acht Wochen auseinander lagen. Auch das tat dem Spiel nicht gut, da wir uns oft nur rudimentär an das Geschehene erinnern konnten. An einer Stelle mussten wir sagen, welcher Charakter im letzten Kapitel eine bestimmte Aktion durchgeführt hatte. Das hatten wir uns natürlich nicht gemerkt und es stand auch nirgends im Text, dass wir uns das merken sollten. Nach zweimonatiger Pause haben wir also zufällig einen Charakter ausgelost, was unbefriedigend war. Noch blöder war, dass dieser Charakter dann direkt außer Gefecht gesetzt wurde und nicht mehr mitspielen durfte. Das ist in einem kooperativen Spiel natürlich nicht ganz so schlimm, aber für die Spielerin, die jetzt nur noch mitdiskutieren, aber nicht mehr mitagieren durfte, war dies unbefriedigend. Das war auch deshalb unglücklich, weil es wieder die Spielerin erwischte, die bereits in „Die Monochrome AG“ an einen Stuhl gefesselt war und zahlreiche Runden einfach nur zuschauen durfte. In Hinblick auf die Spielzeit ziehe ich andere Exit– und Escape-Games vor, die an einem Abend durchgespielt werden können.

Sehr schön fand ich, dass es manchmal einen Unterschied machte, wer wo welche Aktion ausführt, da die vier Studenten andere Studienfächer und damit anderes Wissen haben. Ich hätte mir das sogar noch etwas häufiger gewünscht, aber das wäre dann schon fast ein Rollenspiel. Und vermutlich könnten wir damit in Sackgassen laufen, in denen das Spiel nicht weitergeht. Ebenfalls positiv möchte ich die App hervorheben, denn es gibt viele Orte zu erkunden und viel Geschichte zu hören. Das war auch der Hauptgrund, wieso wir die App nutzten. Der sehr gute Erzähler setzt das Geschehen wesentlich stimmungsvoller in Szene als wir das könnten. Und ständig im Abenteuer-Buch blättern und lesen und zuhören ist auf Dauer auch anstrengend.

In Summe hat „Die Vulkaninsel“ uns eher enttäuscht zurückgelassen. So sehr, dass wir vorerst keine „Adventure Games“ mehr spielen wollen. Die sehr lange Spielzeit, die uns unverständliche Story, dazu auch noch wenige Rätsel sprechen einfach nicht für das Spiel. (5,5)

Wertung: (5,5)

#AdventureGamesDieVulkaninsel

Lovecraft Letter (Pegasus, 2017)

Von dem erstklassigen, minimalistischen Spiel „Love Letter“ gibt es inzwischen zig Varianten in bekannten Universen: Batman, Avengers, Star Wars, Herr der Ringe. 2017 gesellte sich der Cthulhu-Mythos von H.P.Lovecraft mit „Lovecraft Letter“ dazu.

Das Kernprinzip des Spiels bleibt gleich: Jede Spielerin hat eine Karte auf der Hand. Wenn ich dran bin, ziehe ich eine Karte und muss dann eine der beiden ausspielen. Die Karten haben Funktionen wie mir die Handkarte einer Mitspielerin anzuschauen, deren Karte abzuwerfen, Karten zu tauschen oder die Karte einer Mitspielerin zu erraten. Durch manche Aktionen kann ich ausscheiden bzw. andere aus der laufende Runde rausschmeißen und wer bis zuletzt in der Runde ist, gewinnt. Gehen vorher die Karten aus, gewinnt die Spielerin mit dem höchsten Kartenwert auf der Hand.

„Lovecraft Letter“ kopiert alle diese Karten und fügt ihnen eine Wahnsinnsfunktion hinzu. Wir spielen also erst einmal ganz normal „Love Letter“. Sobald eine Wahnsinnskarte vor mir liegt (aus einer vorherigen Runde), bin ich wahnsinnig. Ab dann kann ich beim Ausspielen einer Wahnsinnskarte die normale Funktion oder die Wahnsinnsfunktion nutzen. Die Wahnsinnsfunktionen sind zwar stärker, aber am Anfang meines Zuges muss ich so viele Karten vom Stapel aufdecken, wie ich bereits Wahnsinnskarten ausliegen habe. Ist bei den aufgedeckten eine Wahnsinnskarte dabei, scheide ich sofort aus.

Mir hat „Lovecraft Letter“ aus zwei Gründen nicht so gut gefallen: Zum einen ist „Love Letter“ ein minimalistisches Spiel mit wenig Material, wenig Regeln und sehr viel Spielspaß. „Lovecraft Letter“ verkompliziert das eigentlich simple Spielprinzip durch die Wahnsinnskarten und ihre Doppelfunktionen. Zum anderen führen die Wahnsinnskarten zu einer Zufälligkeit, die mir zu viel ist. Auch in „Love Letter“ kann es passieren, dass ich mich selbst aus dem Spiel schmeiße, weil ich zweimal die gleiche Karte auf der Hand habe, deren Auswirkung dann zum Ausscheiden führt. In „Lovecraft Letter“ kommt noch das zufällige Ziehen von Karten dazu, durch die ich dann ohne Zutun ausscheiden kann. Wenn das bei uns passierte, fühlte sich das irgendwie unschön an.

Ich bevorzuge daher lieber das Original und werde „Lovecraft Letter“ von jetzt an meiden. (6,0)

Lovecraft Letter
Lovecraft Letter

Wertung: (6,0)

#LovecraftLetter

Dungeon Guilds (Moaideas Design, 2013)

„Dungeon Guilds“ ist eines der Spiele in meiner Sammlung, die nicht überragend sind, aber dennoch von Zeit zu Zeit viel Spaß machen. Dazu kommt, dass kaum jemand das Spiel kennt oder hat (laut BGG-Statistik nur 242 Besitzer, „Love Letter“ haben 96.000 Personen eingetragen), weswegen es mich auch nicht verlassen wird. Ich habe es auf der SPIEL '13 erstanden und nun kam es wieder einmal auf den Tisch.

Da kaum jemand das Spiel kennt: In der Mitte liegen Dungeons nach Anzahl der Spielerinnen aus. Auf jeder Dungeonkarte steht die mögliche Stärke des dahinter befindlichen Monsters (z.B. 3-6) und die Anzahl möglicher Münzen, die als Belohnung winken (z.B. 10-15). Aus fünf Heldinnen mit der Stärke 1-5 haben alle jede Runde nur drei zur Verfügung, die anderen zwei sind erschöpft. Reihum legen die Spielerinnen jeweils eine Heldin an einen Dungeon an, an dem aber nur zwei Heldinnen beliebiger Spielerinnen stehen dürfen. Stärkere Heldinnen dürfen schwächere (auch eigene) gegen einen kleinen Obolus an Bank und Mitspielerin vertreiben. Erreichen zwei Heldinnen in einem Dungeon die Mindeststärke des Monsters, ist der Dungeon geschlossen und niemand kann dort vertrieben werden. Wenn alle Dungeons geschlossen sind und jede Spielerin exakt zwei Heldinnen gelegt hat, werden die Dungeons einzeln geprüft. Wenn die Stärke beider Heldinnen in Summe der Stärke des Monsters entspricht, ist das Monster besiegt und die beiden Spielerinnen teilen sich die Belohnung gerecht auf (ist nur eine Spielerin beteiligt, erhält sie den ganzen Schatz für sich). Falls die Stärke nicht ausreicht, gehen die Spielerinnen leer aus und müssen ggf. sogar noch Heilungskosten zahlen. Kleiner Kniff: Auch alle Dungeons darunter haben automatisch verloren. Nach X Runden (X = Anzahl Spielerinnen) ist das Spiel vorbei. Bosse, die jede Runde neu aufgedeckt werden, verändern dabei die Stärke der Monster oder die Schatzausbeute minimal.

„Dungeon Guilds“ ist schnell erklärt und hat eine süße Chibi-Grafik, die aber nicht jedem gefällt. Das Thema ist natürlich fast egal, da es nur um Zahlwerte geht, aber dafür finde ich es immer noch stimmig umgesetzt. Die starken Vorteile des Spiels sehe ich in der Vertreibung, die bei „Evo“ oder „Sechsstädtebund“ (und zahlreichen anderen Spielen) ähnlich funktioniert. Die Abwägung, wann ich jemand vertreibe und dafür Geld zahle, ist sehr spannend. Ebenfalls die Frage, wann ich einen Dungeon schließe, indem ich eine starke Heldin dort auslege, ist oft nicht einfach zu beantworten. Denn wenn ich mich auf die tollen Dungeons weiter unten konzentriere, muss nur weiter oben jemand absichtlich das Vorhaben torpedieren (durch das Legen schwacher Heldinnen, die die Minimalstärke des Monsters erreichen, aber es wahrscheinlich nicht besiegen werden) und ich gehe sogar mit Schulden aus dem Dungeon heraus.

Leider haben wir das Spiel falsch gespielt, weil ich die Regeln nach der letzten Partie vor circa vier Jahren nicht mehr korrekt wiedergeben konnte. Das „schnelle“ Überfliegen der Anleitung hat dabei nicht gereicht. Spaß gemacht hat es dennoch, es wäre nur anders ausgegangen. Schade war, dass bei der Minimalbesetzung von drei Spielerinnen das Spiel innerhalb von 15 Minuten schon vorbei ist (wobei man natürlich auch einfach mehr Runden spielen könnte) und die Vertreibung kaum zum Einsatz kommt, da es zu wenig Interessenkonflikte gibt. Mit mehr Personen ist das Spiel sowohl von der Dauer als auch Interaktion besser. (7,5)

Dungeon Guilds
Dungeon Guilds

Wertung: (7,5)

#DungeonGuilds

Messina 1347 (Delicious Games, 2021)

Messina im Jahr 1347. In der Stadt legen Schiffe an, die neben neuen Bürgern auch Ratten und die Pest nach Europa bringen. Unsere Aufgabe ist es, die Passagiere in Empfang zu nehmen, sie, wenn nötig, in Quarantäne zu stecken oder bei uns arbeiten zu lassen, die Pest zu bekämpfen und die Stadt wieder aufzubauen.

Der Kern von „Messina 1347“ ist ein Arbeitereinsetzmechanimus, der in der Folge weitere Aktionen erlaubt. Die Stadt Messina besteht aus mehreren sechseckigen Plättchen (Orte), die je nach Spieleranzahl anders ausgelegt werden. Daneben gibt es noch vier Häfen, über welche am Anfang jeder Runde ein oder zwei Schiffe in der Stadt anlegen. Diese bringen zum einen die Pest in Form schwarzer Würfel und neue Bürger in die Stadt (zumindest habe ich das so verstanden). Über das Bevölkerungsrad wird auf eine clevere Art und Weise bestimmt, auf welche Orte in dieser Runde Pestwürfel und Bürgerplättchen gelegt werden (unter Umständen sind das auch schon Einwohner der Stadt, die nur gerade jetzt vor die Tür gehen und von uns gesehen werden). In meinem Zug setze ich entweder einen meinen Arbeiter (Leutnant) auf ein noch nicht belegtes Stadt- oder Hafenplättchen beziehungsweise bewege ich in den Folgerunden bereits eingesetzte Arbeiter auf benachbarte Orte. Liegt ein Bürger auf dem Plättchen nehm ich diesen zu mir. Wenn auch ein Pestwürfel an dem Ort liegt, muss der Bürger für zwei Runden in Quarantäne. Wenn kein Pestwürfel an dem Ort liegt, leg ich den Anwohner auf mein eigenes Spielertableau passend zum Typ (Handwerker, Aristokrat oder Nonne). Dann kann ich die Pest bekämpfen, indem ich ein Feuerplättchen abgebe. Falls ich nicht kann oder will, kommt eine Ratte zu mir, die am Ende des Spiels Minuspunkte bringt. Danach kann ich entweder die Aktion des Ortes nutzen, was mir meist Ressourcen wie Holz, Geld oder Feuer bringt, aber meine Marker auch auf den diversen Leisten vorrücken lässt. Oder ich baue den Ort wieder auf und muss dafür neben einigen Ressourcen auch Bürger von meinem Tableau abgeben.

Nach sechs Runden (also mindestens 18 Aktionen, weil natürlich kann ich noch bis zu zwei weitere Arbeiter über Leisten freischalten) ist das Spiel vorbei und es gibt noch einmal eine Menge an Siegpunkten für die drei Leisten, dann für den vordersten Platz auf einer bestimmten Leiste, für die aufgebauten Orte, für ein weiteres Tableau, auf dem ich durch Schriftrollen vorwärtsgehen kann und für restliche Marker. Aber das ist ja noch nicht alles. Es gibt auch noch die drei Vorsteher, die auf meinem eigenen Tableau umherlaufen und die eingesetzten Bürger aktivieren. Natürlich ist jeder der drei nur für einen Bereich zuständig, später beim Laufen dann aber auch für mehr Bereiche. Und hatte ich schon erwähnt, dass …

Vladimír Suchý hat einige großartige Spiele veröffentlicht, zuletzt das in meinen Augen sehr gute „Praga Caput Regni“. und „Underwater Cities“ spiele ich gerne mit, auch wenn es etwas länger dauern kann. Daher war ich auch auf „Messina 1347“ gespannt, dessen Prototyp „La Peste Negra, Mesina 1347“ von Raúl Fernández Aparicio stammt, sodass Suchý eigentlich eher der Co-Autor des Spiels ist. Bereits bei der zwanzigminütigen Erklärung merkte ich aber, dass das Spiel nicht meinen Geschmack trifft. Das hat mehrere Gründe.

Zum einen wurde zwar versucht sehr viel des Themas umzusetzen, aber für mich blieb davon sehr wenig übrig. Das „Anwesen“ (mein Spielertableau), auf denen ich die Bürger einsetze, ist für mich kein Anwesen, sondern wirkt eher wie ein Labyrinth mit seinen Linien und Gängen und Symbolen. Die Orte der Stadt bestehen für mich nur aus Aktionssymbolen und darauf liegenden Bürgerplättchen, die Grafik auf den Plättchen tritt total in den Hintergrund. Hätten die Orte Bezeichnungen gehabt, dann hätte man über die zugehörige Aktion sicherlich noch einen thematischen Bezug herstellen können (siehe die Plättchen von „Suburbia“, was das thematisch großartig macht). Und ob die Bürger mit dem Schiff ankommen und ziellos durch die Straßen wandern, wo sie von uns aufgesammelt werden, oder ob sie nur unvorsichtig vor die Tür gehen und von uns gekidnappt werden, ist nicht klar. Und wieso wird die Stadt schon aufgebaut, obwohl die Pest noch wütet (was dem Erbauer eines Ortes später sogar Ratten bringen kann)? Ich habe auch nicht verstanden, wieso ich zum Wiederaufbau einen Wagen brauche. Vermutlich um die Beschäftigten aus meinen Anwesen auf einen Wagen zu laden und in die Stadt zu fahren. Thematisch erklärt wird es aber nicht in der Anleitung und es war mir im Endeffekt auch egal. Ich habe nur geschaut, welchen Typ Plättchen und welche Aktionen ich brauche und wie ich mit meinem Arbeiter dort am besten hinkomme.

Kommen wir zum anderen, denn das Dahinkommen ist gar nicht so einfach, wenn man an der kurzen Seite des Tisches – also etwas weiter entfernt – sitzt. Es war für mich sehr oft schwer zu erkennen, wo überhaupt noch Bürgerplättchen liegen, da sich diese sehr gut in die Hintergrundgrafik der Orte integrieren. Und es war auch schwer zu sehen, wo überhaupt noch gültige Orte sind, auf die ich meine Arbeiter bewegen darf. Denn bereits benutzte Arbeiter stehen und besetzen einen Ort, liegende aus der vorherigen Runde kann ich aber ignorieren. Und dazwischen gibt es auch noch Orte, auf denen sich kein Arbeiter befindet. Dies auf eine gewisse Entfernung zu erkennen fiel mir jedenfalls schwer und ich musste mich einige Mal dichter über das Spielbrett beugen.

Mechanisch funktioniert „Messina 1347“ super und trotz der Regelfülle fand ich sehr leicht hinein. Sogar so leicht, dass ich nicht die meiste Bedenkzeit im Spiel hatte (was selten vorkommt), sondern sehr gut aus dem Bauch heraus meine Entscheidungen treffen konnte. Das hat mir gut gefallen, musste ich kein schlechtes Gewissen haben, dass die anderen auf mich warten. Arbeiter bewegen, Bürgerplättchen nehmen, Pest bekämpfen, auf Leiste vorrücken, Aktion ausführen, was dann vielleicht den Aufseher bewegt, der dann Aktionen auslöst, womit ich was bauen kann, was mir wieder etwas anderes ermöglicht. Das greift alles sehr schön ineinander und war die etwas mehr als zwei Stunden Spielzeit recht unterhaltsam. Während der Erklärung musste ich aber mehrfach grinsen, weil nach jedem Block mit Erklärung, bei dem ich dachte, es wäre der letzte, ein „Und das hier gibt es auch noch.“ kam. Das fühlte sich so an, als wollten beide Autoren noch eine weitere Leiste und noch eine weitere Verzahnung einbauen, einfach nur, weil sie es können. Und obwohl die Regeln eingängig sind, gab es dann im Detail immer wieder Sonderregeln, die nicht sofort ersichtlich waren (z.B. die Punkte für die Gebäudenutzung und nicht den Bau, die Siegpunkte beim Produzieren der aufgewerteten Bürger, die Kosten beim Vorrücken für die Arbeiter, die man bereits abgegeben hat oder die Aktionen von Leisten, die manchmal erst in der nächsten Runde oder auch gar nicht ausgeführt werden).

Bis auf den Schlussspurt fand ich „Messina 1347“ recht unterhaltsam. In der letzten Runde versuchten aber alle mit ihren drei bis fünf Aktionen noch den letzten Siegpunkt herauszuholen, was in viel Rechnerei und Wartezeit ausartete. Unsicher bin ich, ob das Bevölkerungsrad bei Spielerinnen, die „Messina 1347“ öfters spielen, nicht irgendwann auswendig gelernt werden würde. Für unsere Runde wäre das kein Problem, da wir Spiele nicht so oft auf den Tisch bringen. Ob „Messina 1347“ dort überhaupt noch einmal landen wird, weiß ich nicht. Ich würde es vermutlich wieder mitspielen, auch wenn es mich thematisch leider gar nicht mitgenommen hat. (7,0)

Messina 1347
Messina 1347

Wertung: (7,0)

#Messina1347

Spicy (HeidelBÄR Games, 2020)

„Spicy“ ist Mäxchen mit Karten. Da aber nicht jeder Mäxchen kennt, eine kurze Beschreibung des Spiels: In „Spicy“ hat jede Spielerin sechs Handkarten in drei Farben und Werten von 1 bis 10. Die Startspielerin spielt verdeckt eine Karte und sagt an, was diese darstellt (beispielsweise „eine blaue Zwei“). Reihum müssen die nachfolgenden Spielerinnen jeweils immer eine Karte mit gleicher Farbe, aber höherem Wert als ihre Vorgänger verdeckt ausspielen. Auf eine 10 darf eine 1,2 oder 3 folgen. Das Besondere: Niemand muss die Wahrheit sagen. Und je weniger Handkarten jemand hat, desto eher lügt diese Person. In dem Fall darf jeder am Tisch die gespielte Karte anzweifeln – ich muss aber sagen, ob die Farbe oder der Wert inkorrekt ist. Falls ich Recht beim Anzweifeln habe, erhalte ich die gespielten Karten als Siegpunkte und die Lügnerin zwei Strafkarten auf die Hand. Umgekehrt genauso, wenn ich zu Unrecht gezweifelt habe. Das Spiel endet, wenn es dreimal geschafft wurde, alle Handkarten auszuspielen oder wenn die Spielende-Karte im Nachziehstapel gezogen wird.

„Spicy“ ist eine nette Abwandlung von Mäxchen. Vor allem, dass ich beim Anzweifeln noch Farbe oder Wert sagen muss, offenbart mir beim Lügen eine 50:50-Chance, dass ich damit durchkomme. Gut Bluffen sollte man aber können, vor allem wenn man die Mitspielerinnen trotz korrekt angesagter Karte zum Anzweifeln bringen will. Mir war das Spiel aber zu zufällig und zu beliebig, wer gewinnt. Wir haben zwei Partien gespielt, da diese sehr schnell vorbei sind, und in beiden hatte ich keinen wirklichen Spaß. Da haben auch die edel aussehenden Karten mit Goldrand und der interessante Grafikstil der Karten nicht geholfen. (5,0)

Spicy
Spicy

Wertung: (5,0)

#Spicy

Poule Poule (Game Factory, 2020)

Gleich danach gab es ein weiteres, schnelles Kartenspiel. In „Poule Poule“ mimen wir abwechselnd einen Regisseur, dessen Filmrollen durcheinander gekommen sind. Wir wissen nur noch, dass am Ende fünf Eier vorkommen. Und so spiele ich als Regisseur einfach nacheinander beliebig Karten aus, auf denen Eier, Hühner und Füchse abgebildet sind. Wenn eine Spielerin denkt, dass es fünf Eier sind, haut sie mit der Hand auf den Stapel und erhält theoretisch einen Punkt … wenn niemand anderes das Ergebnis anzweifelt. Dann wird ausgezählt und wenn es tatsächlich fünf Eier sind, bekommt die Spielerin, die unterbrochen hat, einen Punkt und die Zweifler verlieren einen. Haben die Zweifler aber recht, erhalten sie einen Punkt. Wer zuerst drei Punkte hat, gewinnt.

Ein wichtiges Detail habe ich absichtlich ausgelassen, denn bis fünf (Eier) können die meisten zählen. Die ausgespielten Karten interagieren miteinander. So setzt sich ein Huhn auf ein Ei und das Ei ist weg. Kommt dann ein Fuchs, verjagt er das Huhn und das Ei ist wieder sichtbar. Wird also ein Ei, ein Ei, ein Huhn, ein Fuchs, ein Fuchs und ein Huhn gespielt, ist nur ein Ei im Film vertreten. Und gerade dieses mitzählen macht den Spaß aus – denn irgendwann kommt man auf alle Fälle durcheinander und versucht zu schätzen und sich von seinem Bauchgefühl leiten zu lassen. Es war sehr witzig, als jemand ganz schnell einen Film abspult, das heißt Karten ausspielt und jeder versucht noch mitzukommen. Interessanter wird es mit Erweiterungskarten wie Bauer, Huhn, verkleidetem Fuchs etc., die für noch mehr Durcheinander sorgen (bis auf die Ente, die mag ich nicht). In unserer Runde (die normalerweise so etwas wie „Anachrony“, „Underwater Cities“ oder „Wasserkraft“ spielt) ging es jedenfalls sehr heiter zu, was ausspielen, ansagen und anzweifeln anging.

Die grafische Gestaltung ist recht niedlich mit den Tieren und den etwas psychedelischen, übergroßen Augen. Und das Spiel ist wirklich schnell gespielt, sodass reihum jeder einmal Regisseur sein kann. Für ein Zwischendurch-Spiel, auch für Kinder jüngeren Alters, hat mir „Poule Poule“ („Poule“ heißt Henne auf Französisch) wirklich sehr gut gefallen. (8,0)

Poule Poule
Poule Poule

Wertung: (8,0)

#PoulePoule

Furnace (Kobold Spieleverlag, 2021)

Das Spiel „Furnace“ stand bereits auf meiner Interessenliste zur SPIEL.digital'20. Ich kam damals aber nicht zum Spielen bei Hobby World. Inzwischen ist das Spiel auf Deutsch beim Kobold Spieleverlag erschienen und ich konnte eine Partie zu viert spielen.

Das Thema von „Furnace“, dass wir Kapitalisten im 19. Jahrhundert sind und versuchen lukrative Produktionsketten aufzubauen, ist nicht falsch, aber auch irrelevant. Mechanisch teilt sich das Spiel in vier Runden auf, die aus drei Phasen bestehen. In der ersten Phase setzen wir reihum auf eine Handvoll ausliegender Karten Chips mit Werten von 1 bis 4 ein. Auf jede Karte dürfen nur verschiedenfarbige Chips (also von verschiedenen Spielerinnen) mit unterschiedlichen Wertengelegt werden. Wenn alle ihre vier Chips eingesetzt haben, wird in Phase 2 jede Karte ausgewertet. Die Person mit dem höchsten Wert erhält die Karte für ihre Produktionskette. Alle anderen erhalten die auf der Karte angegebenen Ressourcen multipliziert mit dem Wert des Chips. In Phase 3 bauen alle ihre erhaltenen Karten in ihre bestehende Produktionskette ein und lassen die Produktion einmal von links nach rechts durchlaufen. So wird dann hoffentlich lukrativ aus Kohle Eisen gemacht, aus dem dann Öl wird und das wird dann in Geld gewandelt. Nach vier Runden ist Schluss und die Person mit dem meisten Geld gewinnt.

„Furnace“ bricht Auktionsmechanismus und Engine-Building auf das Notwendigste zusammen. Dabei wächst die Engine stetig von Runde zu Runde an und entsprechend wachsen die Ressourcen und das Vermögen, was natürlich ein schönes Gefühl hinterlässt. Die Produktionskarten hängen dabei voneinander ab. Das heißt, eine Karte gibt vielleicht Kohle und wandelt Eisen in Geld. Eine andere gibt Eisen und wandelt Öl in Kohle. Und so muss ich mich entscheiden, welche Produktionsreihenfolge ich auslösen möchte, denn beide Resultate (Öl und Geld) werde ich mit den beiden Produktionen nicht in einem Zug erreichen können. Diese Entscheidung, wo die Produktion in meiner Kette eingegliedert wird, fand ich sehr spannend. Dabei ist dies „nur“ eine Variante in der Anleitung. Eigentlich ist angedacht, dass bei jeder Produktionsphase jede Spielerin ihre Produktionen neu anordnen kann. Das würde aber dazu führen, dass einige durchrechnen wollen, was die beste Kombination ist und das Spiel unnötig in die Länge ziehen.

Bereits auf die von uns gespielte Art habe ich auf das Durchrechnen verzichtet und aus dem Bauch heraus Karten ersteigert, Ressourcen genommen und diese irgendwie in meine Produktionskette eingebaut. Das Schöne ist, dass auf die Art vielleicht kein Optimum erzielt wird, aber auf die eine oder andere Art entsteht dennoch eine sinnvolle Kette. Ich denke, dass selbst Einsteiger ins Engine Building ziemlich schnell verstehen, welche Ressource in welche andere gewandelt wird und wie sich mit einer anderen Karte daraus dann Geld machen lässt. Schwierig fand ich beim Einstieg in das Spiel nur die Unterscheidung der Angaben für Ressourcen, die ich als Überbotener erhalte (oben auf der Karte), und die, die meine Produktion betrifft (unten auf der Karte). Ab Runde 2 war dies dann aber auch verinnerlicht. Dafür sind die Karten grafisch schön gestaltet, vor allem weil sich die Vorderseite und die aufgewertete Rückseite grafisch etwas unterscheiden und die Industriegebäude auf der aufgewerteten Seite etwas besser ausgebaut sind.

Den Bietmechanismus fand ich ebenfalls sehr schön, da er zwar simpel, aber für alle gewinnbringend ist. Auch als Überbotener erhalte ich Ressourcen beziehungsweise spekuliere ich irgendwann sogar darauf, dass mich jemand überbietet, weil ich gar nicht die Karte, sondern die Ressourcen haben will. Umso lustiger ist es, wenn dann jemand mit einem 2er-Chip eine Karte erhält und dann der Satz „Die wollte ich doch gar nicht.“ fällt. Insofern erinnert mich das Bieten auch an „Vegas“, denn hier weiß ich am Anfang einer Runde auch nie, welche Karten ich am Ende bei der Auswertung erhalte. Spielt bei „Vegas“ aber der Zufall eine große Rolle, kann ich es in „Furnace“ aktiv steuern – auch wenn meine Mitspielerinnen dann meine Pläne doch wieder durchkreuzen.

Problematisch fand ich hauptsächlich die geringe Interaktion in Phase 3 und 4, die parallel durchgeführt werden. In Phase 1 ist der Bietmechanismus sehr interaktiv. Ich schaue immer, welche Marker meine Mitspielerinnen schon gelegt haben und wäge ab, wo sich vielleicht jemand anderes noch draufsetzen könnte. Und auch in Phase 2 beim Verteilen der Ressourcen und Karten sind alle involviert. Phase 3 und 4 tüftelt aber jeder vor sich hin, nimmt sich Ressourcen, wandelt diese um und erhält gegebenenfalls auch Geld. Da alle parallel spielen, bekomme ich also gar nichts davon mit, was die anderen tun. Und auch nicht, ob sich dort unabsichtlich Fehler beim Ressourcenwandel einschleichen. Am Ende jeder Runde beziehungsweise am Ende des Spiels hat jeder eine Menge Geld vor sich liegen. Wie diese Menge zustande gekommen ist, weiß ich nicht. Umgekehrt wäre es aber auch keine Freude, wenn ich einer Mitspielerin bei der Auswertung ihrer Produktion zuschauen müsste, denn für meine Produktion ist dies nicht mehr relevant.

„Furnace“ ist sehr solide und fast schon minimalistisch. Ich bin sicherlich bei einer Runde wieder dabei, aber ich würde das Spiel vermutlich nicht noch einmal vorschlagen. Mir ist es zu wenig, was passiert, auch wenn das Bieten und Ausbauen der eigenen Produktion Spaß macht. (7,0)

Furnace
Furnace

Wertung: (7,0)

#Furnace

Belratti (Games 4 Gamers, 2019)

Das Thema von „Belratti“ lasse ich einfach mal unter den Tisch fallen, denn es ist nicht relevant. Wichtig ist, dass wir in einer Gruppe gemeinsam gegen das Spiel bestehen müssen und es einen Stapel mit Gemäldekarten gibt, auf denen jeweils ein Gegenstand abgebildet ist. Jede Runde werden zwei Gruppen von Käufern und Malern gebildet. Die Käufer sagen an, wie viele Gemäldekarten sie von den Malern erwarten. Zwei aufgedeckte Gemäldekarten geben vor, welche passende Karten die Maler ausspielen müssen. Die Maler legen nur mit Absprache der Anzahl die gewünschte Anzahl Karten verdeckt in die Mitte. Es kommen vier Karten vom Stapel dazu und alles wird gemischt. Die Karten werden aufgedeckt und die Käufer müssen dann die gewünschte Anzahl an Karten den beiden Ausgangsgemälden zuordnen. Wenn also ein Gemälde Gummistiefel zeigt, und in den Malerkarten eine Regenjacke zu sehen ist, ist die Chance sehr hoch, dass diese zusammengehören. Dann wird aufgelöst und für jede richtige Zuordnung erhält die Gruppe einen Punkt. Karten, die vom Zugstapel (vom Fälscher „Belratti“) kamen und zugeordnet wurden, werden aussortiert. Nach sechs solcher falschen Zuordnungen ist das Spiel vorbei und die Punkte werden gezählt.

Ehrlich gesagt sind die Punkte irrelevant, denn es geht nur um den Spaß am Spiel. Und der ist definitiv da. Die Ansage der Käufer fand ich etwas langweilig, weil irgendwie sagt man halt eine hohe Zahl wie 5 oder 6 und das wird schon irgendwie passen. Das Heraussuchen der Handkarten als Maler wiederum ist schon ein spaßiger kreativer Prozess. Am meisten hat mir aber die Rolle als Maler gefallen, wenn die Käufer versuchen, die Karten zuzuordnen. Das hat mich sehr an „Mysterium“ erinnert, sodass ich mehrfach innerlich den Kopf schütteln musste, welche Verbindungen die Käufer denn da alles sehen. Immerhin sind die Karten bei „Belratti“ sehr schlicht (in meinen Augen aber auch sehr langweilig) gehalten, sodass Verbindungen meistens sehr direkt gezogen werden. Wären es solche vielfältigen Karten wie bei „Mysterium“, wäre eine korrekte Zuordnung vermutlich extrem schwer.

In Summe spielt sich „Belratti“ ganz witzig. Und da der Weg das Ziel ist, ist die Punkteauszählung mit Bewertung im Gegensatz dazu etwas witzlos und unnötig. Dennoch macht es Spaß und hat uns den Abend gut unterhalten. (7,5)

Belratti
Belratti

Wertung: (7,5)

#Belratti

City of Angels (Pegasus, 2021)

Los Angeles, 1940. Am Ufer wurde die Leiche einer Frau gefunden, Zeugen berichten von zwei Personen, die vom Tatort geflüchtet sind. Als Ermittler beim LAPD wollen wir den Mordfall aufklären. Und das natürlich vor unseren Kollegen, die ebenfalls nach Beweisen suchen. Wer Täter, Tatwaffe und Tatmotiv zuerst errät, gewinnt „City of Angels“.

Mechanisch handelt es sich um Deduktionsspiel, in dem eine Person den Gegenspieler („Stichel“ genannt) mimt. Der Stichel agiert mit dem Spiel und versucht die Ermittler auf falschen Fährten zu locken. Die Ermittler agieren dabei nicht kooperativ, sondern jeder ist sich selbst am nächsten. Da ist es auch nicht ungewöhnlich, dass wir unsere Kollegen bespitzeln oder bestechen können, um an deren Informationen zu kommen. Jede Runde, die einem Tag entspricht, habe ich vier Aktionen zur Verfügung. Ich kann mich in der Stadt von Ort zu Ort bewegen, Zeugen und Verdächtige zu bestimmten Dingen befragen oder diese gleich durchsuchen oder Orte durchsuchen. Sehr inspirierend fand ich die Aktion „Nachdenken“, die mir 1 Dollar einbringt. Da wird man tatsächlich mal fürs Denken bezahlt … Das Durchsuchen von Personen und Orten ist hilfreich, denn es verschafft mir neue Informationen und Beweise. Bei der Befragung dagegen kommt der Stichel ins Spiel. Je nachdem, wen ich nach etwas frage, liefert der Stichel mir eine mehr oder weniger hilfreiche Antwort. Diese akzeptiere ich oder ich zweifel sie an. Liege ich beim Anzweifeln richtig, bekomme ich eine bessere Antwort. Liege ich dagegen falsch, erhält der Stichel ein Druckmittel gegen mich und kann später im Spiel auch einmal die Aussage komplett verweigern. Wenn ich meine vier Aktionen durchgeführt habe, ist die nächste Spielerin an der Reihe. Wenn alle dran waren, ist der Tag zu Ende. Im Einstiegsfall hatten wir nur fünf Tage Zeit, um den Fall zu lösen. Und sind dabei mehrfach gescheitert …

Das Spielprinzip von „City of Angels“ gefällt mir gut. Durch die Stadt fahren/laufen, Orte durchsuchen, Personen befragen. Selbst in dem sehr einfachen Einstiegsfall gibt es aber vor allem bei der Befragung eine sehr hohe Kombinatorik. Drei Personen kann ich zu sieben Dingen etwas fragen. Wenn ich tatsächlich alles abfragen will, kostet mich das 21 Aktionen (ohne die Bewegung zum Ort, an dem sich die jeweilige Person aufhält). Da ich aber nur 20 Aktionen im Einstiegsfall habe, funktioniert es auf die ganz stupide Art nicht. Ich muss also schon überlegen, wo ich hingehe und wen ich zu etwas befrage. Und dann kann der Verdächtige (in Vertretung durch den Stichel) auch noch lügen, was es noch ein bisschen schwieriger, aber auch ansprechender macht. Dennoch hatten wir ein Problem: An Tag 3 hatten wir geglaubt, alle Informationen zusammengetragen zu haben. Am Anfang meines Zuges kann ich einmalig im Spiel den Fall lösen. Der Stichel sagt mir dann, was von den drei Angaben zu Täter, Tatwaffe und Motiv korrekt ist. Und leider lagen wir zwei Ermittler beide voll daneben. Und dummerweise wussten wir nicht, wieso. Wir versuchten die letzten zwei Tage noch das eine oder andere herauszufinden, aber es war wie ein Stochern im Nebel. Echte Detektivarbeit halt! Am Ende des Spiels, wenn der Fall nicht gelöst wurde, dürfen alle Ermittler noch einmal raten. Aber auch das ging schief, da wir keine neuen Informationen erhielten.

Schön ist, dass es eine Auflösung am Ende des Falls gab. Stimmungsvoll, aber in meinen Ohren auch zu lang, hört man über eine App die sehr ausführliche Vorgeschichte, die zum Mordfall führte. Wir erkannten dabei, dass uns eine sehr relevante Information im Laufe der Partie fehlte. Nicht nur das, wir wussten davor nicht einmal, dass diese uns fehlte. Das ist etwas, was ich bei verschiedenen anderen Detektivgeschichten auch erlebte. Ich recherchiere, deduziere und liegen falsch, denn am Ende löst sich alles ganz anders auf, weil ich nicht auf die (hier frei erdachte) Idee kam, in die Mülltonne vor dem Haus eines Verdächtigen zu schauen. Und das fand ich etwas schade, dass uns das Spiel nicht ein bisschen in die richtige Richtung geschubst hat. Der Stichel als Gamemaster hat dabei auch keine Chance zu unterstützen, wenn er sieht, dass die Ermittler nicht vorwärtskommen. Schließlich darf er nicht sagen: „Befragt doch mal genau diesen Typ nach diesem Gegenstand.“ Im Nachhinein betrachtet hätten wir über einen Nebensatz auf einer Karte tatsächlich ein bisschen auf den richtigen Weg kommen können. Aber der Nebensatz las sich schnell und kann später auch nicht mehr nachgeschaut werden, sodass wir daran scheiterten.

Beim Lösen des Falls fand ich die Mechanik des Tatmotivs eher seltsam. Die Anleitung gibt an, dass in den meisten Fällen mehr als ein Motiv gilt. Das kann in der Realität sogar der Fall sein, aber das Spiel vermischt hier das Tatmotiv mit dem Tathintergrund. Denn (erneut frei ausgedacht), wenn eine drogenabhängige Prostituierte aus Eifersucht eine Nebenbuhlerin um die Ecke bringt, ist das Motiv „Eifersucht“, aber nicht „Prostitution“ oder „Drogensucht“, die im Spiel ebenfalls gelten würden. Das fand ich spielmechanisch natürlich verständlich, weil es sonst sehr schwer wird, aber thematisch eher schwach. An dem Beispiel sieht man auch, dass das Spiel nicht für Kinder geeignet ist oder zumindest nicht ohne Beisein von Erwachsenen, die das Geschehen erläutern können, gespielt werden sollte. Die Sprache des Spiels ist teilweise sehr rau, dadurch aber auch sehr stimmig.

Nicht stimmig bzw. aus dem Thema herausreißend fand ich die Befragungen und Durchsuchungen. Auf die Aussage an den Stichel (wieder ausgedacht) „Ich befrage Gangster Loui nach dem Chevy.“ kommt vom Stichel zurück „Sag mir mal die Buchstaben dazu, sonst finde ich das hier nicht.“ Und während des Spiels haben wir unter anderem Aussagen getroffen wie „Ich suche mal bei 42.“, „Was hat G denn zu C zu sagen?“ oder „Ich filze F.“ Auch hier ist es mechanisch verständlich, dass man keine lange Suche nach Namen haben will und auch nicht jedem Ort auf dem Spielplan einen aufgedruckten Namen geben kann, aber es bricht mit dem Thema und reißt mich aus der Welt heraus.

Hilfreich (oder sogar Pflicht?) ist es, in victory points for completed quest carwenn der Stichel den Fall kennt. Ansonsten kann es eine sehr lange Partie werden, da sich die Spielerin erst während des Spiels in alle Antwortmöglichkeiten und Vorkommnisse einlesen muss. Das ist natürlich etwas schade, da zumindest für den Stichel der Fall bereits Geschichte ist und es zu keinen Überraschungsmomenten kommt. Einzig die Freude darüber, dass die Ermittler im Dunklen tappen oder auf eine falsche Fährte gelockt werden konnten, trägt da zum Spielspaß auf des Stichels Seite bei.

Alles in allem war mein Spielerlebnis von „City of Angels“ eher durchwachsen. Wir können den Fall natürlich nicht in der gleichen Spielrunde wiederholen, da wir die Auflösung kennen. Der Wiederspielwert eines Falls ist also gleich Null, dafür gibt es aber mehrere Fälle im Spiel. Wir hätten gerne noch einen zweiten Fall drangehängt, aber der Spielbesitzer kannte nur den ersten, weswegen auch das nicht ging. Insofern würde ich zwar gerne noch einmal einen Fall spielen, aber ich fände es auch schlimm, wenn es aus irgendwelchen Gründen nicht dazu kommt. (6,0)

Wertung: (6,0)

#DetectiveCityOfAngels

Paleo (Hans im Glück, 2020)

Die Steinzeit war wahrlich eine beschwerliche Zeit. Wenn ich am Fluss fischen will, läuft mir ein Nilpferd über den Weg. Bei der Suche nach Beeren im Wald stolpere ich über eine Schlange. Und diese niedlich aussehende Ziege in den Bergen hat sicherlich auch nichts Gutes vor. Da bleib ich doch lieber daheim und vergrößere meinen Stamm oder baue mir ein Floß. Oder noch besser eine Waffe, damit ich endlich dieses Mammut, welches mich jeden Morgen um 6 Uhr aus dem Bett trampelt, erlegen kann. Wenn wir es schaffen zu überleben, malen wir ein hübsches Bild an die Wand, sodass in ca. 45.000 Jahren unsere Nachfahren noch davon berichten werden. Oder es eben wie in „Paleo“ nachspielen werden – als wäre das Überleben ein Spiel.

„Paleo“ ist ein kooperatives Spiel, in dem wir als Steinzeitmenschen gemeinsam gewinnen, wenn wir so lange überleben, bis wir eine Höhlenmalerei bestehend aus fünf Teilen fertiggestellt haben. Das Spiel besteht aus einer Reihe an Modulen, von denen zwei für eine Partie kombiniert werden. Dadurch entsteht eine gewisse Vielfalt und Abwechslung. Wer die einzelnen Module aber kennt, weiß auch grob, worauf man sich in Kombination mit anderen Modulen einstellen muss. Wir spielten in unseren beiden Partien mit „Mammuts“ (Modul A) und dem „Großen Fluss“ (Modul H).

Wir teilen uns ein Stapel an Karten, in denen die Basiskarten und manchmal auch Modulkarten stecken. Jeder erhält ungefähr die gleiche Anzahl an Karten. Von den obersten drei Karten meines verdeckten Stapels suche ich mir eine Karte aus – ohne deren Vorderseite anzuschauen! Das geht, da die Rückseiten der Karten anzeigen, wo ich hingehe: Fluss, Berg, Wald, Lager, Gefahr oder zu einer Sonderkarte. Die Auswahl geschieht (hoffentlich) in Absprache mit den Mitspielerinnen, sodass wir uns beim gleichzeitigen Aufdecken der Karten gut aufteilen oder unterstützen können. Die Vorderseite der Karte verrät mir dann, ob ich Nahrung, Holz oder Steine sammeln kann. Hierfür benötige ich aber entsprechende Handwerker (in Form von Karten) in meinem Stamm (Auslage). Andere Spielerinnen können mich mit ihrer Aktion aber oft – sofern es deren ausgespielte Karte erlaubt – unterstützen und ich kann ihre Handwerker mit benutzen, falls ich keine oder zu wenige habe. Manchmal springt aber auch ein gefährliches Tier hinter einem Busch hervor oder ich stelle mich direkt einer Gefahr. Dann helfen meist Späher und Jäger, bei denen mich die anderen ebenfalls unterstützen können. Daheim kann ich je nach Vorderseite der Karte neue Stammesmitglieder anwerben oder neues Werkzeug bauen, welches ich für manche Szenarien benötige. Wenn mein Kartenstapel durchgespielt ist oder wenn ich mich entscheide, aufzuhören, endet der Tag für mich. Wenn alle Spielerinnen sich zur Ruhe gelegt habe, kehrt die Nacht ein, wir müssen die Aufgaben der Modulkarten erfüllt haben und ein neuer Tag beginnt – wieder mit dem Mischen und Aufteilen des gemeinsamen Kartenstapels. Wir gewinnen, wenn wir die Höhlenmalerei beendet haben, deren Teile es als Belohnung auf einigen Modulkarten gibt. Oder wir verlieren, wenn wir zu viele Totenköpfe erhalten haben, die es für gestorbene und hungernde Stammesmitglieder sowie unerfüllte Aufgaben in der Nacht gibt.

Die Ungewissheit, was auf der Rückseite einer Karte kommt, macht die Spannung von „Paleo“ aus. Ich kann mir einfach nicht sicher sein, dass ich im Gebirge einen Stein finde, den ich für den Speer brauche. Es führt aber natürlich auch zu einem gewissen Frust, wenn wir unbedingt Holz für unser Floß benötigen, ich dreimal in den Wald gehe, und dreimal nur Beeren oder schlimmer irgendein Tier finde. So ist eine grobe Absprache zwar in jeder Runde möglich, aber das genaue Ergebnis zeigt sich erst nach dem Aufdecken. Optimal läuft es, wenn alle Spieler ihre gewählte Aktion ausführen können. Meistens ist es aber so, dass mir irgendeine Profession fehlt und dann entweder ich meine Aktion aufgebe und den anderen helfe, die das gleiche Problem haben, oder jemand unterstützt mich. Die Abstimmung und Diskussion dabei machte für mich einen großen Teil des Spielreizes aus.

Besorgt war ich nach der Erklärung, ob sich das Spiel nicht endlos ziehen kann. Das heißt, wenn wir jede Runde nur unseren Stamm ernähren und die Modulaufgaben erfüllen, würden wir ewig spielen. Der Besitzer und Erklärer des Spiels, der bereits alle Module gespielt hatte, musste dabei grinsen und versicherte mir, dass dies nicht der Fall sein wird. In der Tat verloren wir die erste Partie in Runde 3. Nur, wenn es optimal läuft, können wir alle Vorgaben erfüllen und erhalten keine Totenköpfe. In unserem Fall war dies aber fast immer ausgeschlossen. Aus dem Modul „Mammut“ benötigten wir jede Runde 3 Nahrung und 1 Fell. In Fellen schwammen wir, aber die Nahrung ging eigentlich immer für den Stamm drauf, sodass uns jede Runde ein Totenkopf sicher war. Für das Modul „Der große Fluss“ halfen uns die Felle, in denen wir schwammen nicht, wir mussten stattdessen jede Runde ein Floß bauen und abgeben. Ich habe ehrlich gesagt nicht verstanden, wieso unser Floß jede Nacht den Geist aufgibt und wir ein neues bauen müssen, aber es hatte sicherlich einen Sinn. Das Modul „Fluss“ selbst kam kaum zum Tragen. In der ersten Partie zogen wir nur eine oder zwei Karten, die unser Verderben waren. In der zweiten Partie war es nur eine, die dann auch gleich ein Glücksgriff war und den Sieg mit dem letzten Höhlenmalerei-Plättchen bedeute, da wir bereits alle Mammuts erlegt und damit vier Teile der Höhlenmalerei zusammenhatten.

Hat mir „Paleo“ gefallen? „Naja“ trifft es wohl am besten. Die Komponenten und Grafik sind gut, das Spielprinzip leicht verständlich und die Kommunikation klasse. Dennoch stellte sich bei mir nach den zwei Partien ein „Andor“-Gefühl ein. Ich muss ein Modul oder eine Modul-Kombination mindestens einmal spielen und daran scheitern, damit ich weiß, auf was ich im zweiten Versuch alles achten muss. Und das gefällt mir nicht, weil es sich nach einer Zwangswiederholung anfühlte. Schlimmer eigentlich noch: Bei „Andor“ wusste ich genau, wieso wir verloren haben (zu viele Monster getötet, weil man das ja halt normalerweise macht). Bei „Paleo“ hatte ich nach der Partie keine wirkliche Idee, was wir genau falsch gemacht haben. Ja, wir waren nicht effizient und halfen uns zu oft. Aber die Karten gaben es auch oft nicht anders her. Und wir versuchten in der ersten Partie alle Vorgaben der Module zu erfüllen. In Partie 2 sparten wir uns das Mammut-Ziel und kassierten dafür lieber Totenköpfe, was sich für mich auch irgendwie wie am Spiel vorbeigespielt anfühlte.

In Summe würde ich „Paleo“ sicherlich noch einmal mitspielen, wenn es denn irgendwie sein muss, aber ich würde es nicht vorschlagen. Ich bin auch kein Fan von modularen Spielen. Ich bevorzuge einen ähnlichen Aufbau und die gleichen Regeln, wenn ich ein Spiel mehrfach spiele. Module mit neuen Regeln, die ich bei einer Folgepartie erst neu erlernen muss, sind da weniger etwas für mich. (6,0)

Paleo
Paleo

Wertung: (6,0)

#Paleo

Der Fuchs im Wald (Schwerkraft, 2019)

„Der Fuchs im Wald“ ist ein kleines Stichspiel für genau zwei Personen. 33 Karten gibt es im Spiel, drei Farben und Wert 1 bis 11. Beide Spielerinnen erhalten 13 Karten auf die Hand, eine Karte wird vom Stapel aufgedeckt, die Trumpf bestimmt. Danach geht es mit normalen Stichregeln weiter: Farbe muss bedient werden. Wenn das nicht geht, irgendeine andere Farbe spielen. Die Person mit dem höchsten Kartenwert oder Trumpf gewinnt den Stich und kommt neu raus. Zwei Besonderheiten gibt es: Zum einen haben alle ungeraden Karten eine Sonderfähigkeit beim Ausspielen. So verliere ich mit einer 1 sicher den Stich, dafür darf ich danach aber rauskommen. Andere Karten tauschen die Trumpffarbe aus oder lassen Handkarten tauschen. Zum anderen gilt es nicht die meisten der 13 Stiche zu holen. Optimalerweise bin ich bescheiden und gewinne nur 0 bis 3 Stiche oder ich bin siegreich und erhalte 7 bis 9 Stiche. Denn beides gibt mir 6 Siegpunkte. Alles dazwischen gibt nur 1 bis 3 Siegpunkte. Und wenn ich zu gierig bin und 10 bis 13 Stiche mache, gehe ich komplett ohne Punkte vom Feld. Wir spielten eine kurze Partie, bei der nach 15 Siegpunkten Schluss ist.

„Der Fuchs im Wald“ spielt sich ganz nett. Anfangs fand ich die Sonderfähigkeiten zu viel und nervig („Fluxx“ mit sich ändernden Regeln fand ich zu chaotisch), aber nach einer Runde gewöhnte ich mich daran, dass die Trumpffarbe sich ändern kann. Das lässt sich auch strategisch ausnutzen, was ich aber nicht gut beherrsche. Stichspiele spiele ich meistens eher aus dem Bauch heraus. Sehr gut und kniffelig fand ich, die richtige Anzahl an Stichen zu machen. Wenn die Mitspielerin schon drei Stiche hat, wie kann ich ihr dann einen vierten überlassen, den sie nicht will? Und wie erhalte ich alle restlichen Stiche danach? Das waren wirklich interessante Fragen.

Besonders hervorheben will ich die Grafik von Jennifer L. Meyer. Die Illustrationen auf den ungeraden Karten (die geraden haben nur Zahlwerte) gefallen mir sehr gut und unterstützen die Geschichte, die im Regelheft in Auszügen erzählt wird, großartig. Was dafür schade ist: Wie lautet die vollständige Geschichte vom „Fuchs im Wald“? Das Regelheft gibt Auszüge von einer Hexe, die Tränke verkauft, eine Holzfällertochter, die ihrem Vater in den Wald folgt, einem Fuchs, der sie dort begleitet, einer Königin, die ein Monster besiegt haben möchte, und ein Schwan, der die Holzfällertochter vor der Königin beschützt. Nachtrag: Auf der Webseite von Foxtrot Games gibt es die Geschichte auf Englisch zum Lesen. :)

Die Geschichte vom „Fuchs im Wald“ habe ich sehr gern gelesen, sogar noch lieber als das Spiel zu spielen. Dennoch hat das Spiel die kurze Zeit, die es dauert, Spaß gemacht und ich kann mir weitere Runden vorstellen, wenn wir mal wieder nur zu zweit sein sollten. (7,5)

Der Fuchs im Wald
Der Fuchs im Wald

Wertung: (7,5)

#DerFuchsImWald