Skip to content

(Neu) Gespielte Spiele im Juni 2023

Der Juni war etwas weniger verspielt, aber zumindest konnte ich mit „Yukon Airways“ und „CO₂: Second Chance“ zwei Spiele aus dem heimischen Schrank auf den Tisch bringen. Und den neuen Lacerda „Inventions: Evolution of Ideas“ habe ich mir online angeschaut.

Yukon Airways (Asmodee/Ludonova, 2020)

Auf „Yukon Airways“ hatte ich seit Erscheinen 2020 ein Auge geworfen, aber konnte es nie spielen. Über den BGG Mathtrade im November 2022 konnte ich dann eines meiner anderen Spiele gegen „Yukon Airways“ tauschen. Ich schrieb dann auch schnell eine Kurzanleitung und seitdem lag das Spiel in meinem Schrank. Es kam immer ein anderes Spiel dazwischen, dass ich lieber spielen wollte. Nach über einem halben Jahr kam „Yukon Airways“ jetzt aber endlich zu zweit auf den Spieletisch.

In „Yukon Airways“ steuert jede Spielerin ein Flugzeug und möchte Passagiere auf einer Karte an die richtigen Zielpunkte bringen. Hierfür werden zu Rundenbeginn verschiedenfarbige Würfel als Passagiere gewürfelt und passend zur Augenzahl an die sechs Landungsstege gelegt. Wenn ich am Zug bin, wähle ich einen der Landungsstege und lade bis zu vier Passagiere einer einzigen Farbe ein. Spätere Flugzeug-Upgrades lassen mich auch unterschiedliche Farben einladen. Je mehr Passagiere ich mitnehme, desto weniger Treibstoff steht mir zur Verfügung. Der ist wichtig, weil ich die Passagiere vom Startort Whitehorse aus im ganzen Yukon verteilen möchte. Auf einer Karte des Yukon liegen kleine farbige Holzwürfel, die angeben, wo es für welchen farbigen Passagier etwas Interessantes zu sehen gibt. Durch das Ausspielen von Handkarten lege ich den Zielort fest, an dem ich landen und Passagiere aussetzen will. Dies kostet mich Treibstoff, dafür erhalte ich aber Geld vom Passagier. Passt die Farbe des Passagiers zu der Holzwürfel-Farbe, darf ich ein Upgrade am Flugzeug vornehmen. Habe ich weitere Würfel an Bord und Karten auf der Hand, kann ich auch einen zweiten oder gar dritten Flug absolvieren. Zum Rundenende kommen alle Flugzeuge zurück an den Startort, wir ziehen Karten nach und starten erneut. Nach sechs Runden ist das Spiel vorbei und wir prüfen, wer das meiste Geld durch Flugtickets eingenommen hat.

Das Wichtigste für mich an einem Spiel ist oft das Thema. „Yukon Airways“ versucht hier einiges richtigzumachen. So finde ich die Idee klasse, dass je mehr Passagiere ich mitnehme, desto weniger Platz ich für Treibstoff habe. Andersherum ist es aber seltsam, dass ich bestimme, wo die Passagiere aussteigen. Ich kann also einen grünen Würfel an einem Ort ohne grünen Holzwürfel herauslassen, auch wenn es dort für den Passagier gar nichts zu sehen gibt. Dafür erhalte ich eben nur kein Upgrade. Die wiederum sind auch thematisch seltsam, weil ich nicht verstehe, wieso ich mein Flugzeug aufrüsten kann, wenn ich einen Passagier dort herauslasse, wo er hinwollte.

Yukon Airways – Spielertableau mit eigenem Flugzeug und Upgrades
Yukon Airways – Spielertableau mit eigenem Flugzeug und Upgrades

Spielmechanisch verstehe ich das natürlich, da es sonst zu langweilig geworden wäre. Und prinzipiell finde ich die Upgrades auch interessant. So kann ich immer mehr Handkarten ziehen bzw. behalten oder ich erhalte immer mehr Treibstoff. Beides ist zwingend notwendig, wenn ich die entlegenen Orte des Yukons erreichen will. Aber selbst mit diesen Upgrades fühlt sich jede Runde sehr ähnlich an. Da ich fast immer alle meine Handkarten ausgebe und das Flugzeug jede Runde auf den Startort gestellt wird, mache ich jede Runde das Gleiche. Es liegen nur immer weniger Würfel auf der Landkarte, die ich ansteuern kann. Eine große Spannungskurve habe ich in meiner Zweipersonenpartie nicht erlebt und ich fürchte, sie würde mit mehr Partien noch mehr abflachen.

Variabilität in eine Partie kommt hauptsächlich durch die drei ausliegenden Zielkarten, die mir Punkte während der Partie bringen, wenn ich die Bedingungen erfülle. Ich habe nur eine Partie gespielt, aber gefühlt ändert sich der eigentliche Ablauf eher wenig, wenn andere Ziele ausliegen. Das heißt, für Personen, die „Yukon Airways“ oft auf den Tisch bekommen, könnte sich irgendwann eine Standard-Strategie für die Upgrades abzeichnen, sodass jede Partie sehr ähnlich verlaufen könnte.

Ansonsten haben mich die 90 Minuten der Erstpartie gut unterhalten gefühlt. Den Spielablauf empfand ich nicht als so gut zugänglich, aber es gibt Spielhilfen, die einen durch die Phasen führen. Diese waren aber wirklich wichtig, um nichts zu vergessen oder in der falschen Reihenfolge auszuführen. Gefallen hat mir vor allem die Optimierung jede Runde, denn alle Informationen für eine Runde sind mir bekannt. Ich kenne meine Handkarten, die ausliegenden Passagiere und die Würfel auf dem Spielplan. Ich weiß auch, wie viel Benzin ich zur Verfügung und während eines Fluges ggf. noch erhalten werde. Das heißt auch, die meiste Denkzeit im Spiel geht während einer Runde in der ersten Phase drauf, wenn ich durchrechne, wie viele Passagiere ich mitnehmen und irgendwo absetzen kann. Die Flüge selbst sind dann nur noch das Abspulen dergleichen – außer eine Mitspielerin kommt mir in die Quere und schnappt sich einen Passagier bzw. einen Würfel auf dem Plan weg, den ich einkalkuliert habe.

Mehr Interaktion gibt es dann eigentlich auch nicht, wobei es mir ausgereicht hat, dass wir uns ab und zu Würfel weggenommen haben. Ansonsten fliegt jeder seine Route ab, die stark von den Handkarten abhängen. Das ist für mich auch ein kleines Manko am Spiel, da ich enorm vom Zufall beim Kartenziehen abhängig bin. In einer Runde zog ich nur Orte, die diametral auseinander lagen. Somit konnte ich nur entweder den einen oder den anderen Ort ansteuern, aber nicht zwei Flüge machen. Andere Spielerinnen ziehen in der Zeit drei Orte, die alle direkt benachbart liegen und die sie somit nacheinander anfliegen können.

Abschließend noch ein Wort zur Grafik: Das Cover ist das hübscheste am Spiel. Der Spielplan und die Karten dagegen sind eher übersichtlich gehalten, was die Planung natürlich erleichtert. Einen Schönheitspreis würde ich dem Spiel aber nicht geben.

Yukon Airways – Spielplan
Yukon Airways – Spielplan

Insgesamt war „Yukon Airways“ eine schöne Spielerfahrung, die ich prinzipiell auch wiederholen würde. Ich weiß aber auch, dass ich vermutlich immer einen Grund finde, ein anderes Spiel auf den Tisch zu bringen. Und damit darf „Yukon Airways“ zu einem anderen Standort weiterfliegen. (7,5)

Wertung: (7,5)

#YukonAirways

CO₂: Second Chance (Giochix.it, 2018)

„CO₂: Second Chance“ von Vital Lacerda (dessen Name mir damals sehr wenig sagte) habe ich auf der SPIEL'18 kennengelernt. Wir spielten damals eine von vier Dekaden kooperativ. Das begeisterte uns so sehr, dass gleich drei Personen aus der Gruppe das Spiel mitgenommen haben. Daheim kam „CO₂“ dann bei mir noch einmal kompetitiv und einmal solo auf den Tisch. Das war im November 2018. Nach fast fünf Jahren ungespieltem Dasein wollte ich wissen, ob das Spiel weiter in meinem Schrank stehen soll oder ob es woanders einziehen darf.

Ich bin der Meinung, dass der kompetitive Modus von „CO₂“ (in meiner Spielegruppe) nicht funktioniert. Genau genommen handelt es sich eigentlich um einen semi-kooperativen Modus, denn alle müssen gemeinsam die Verschmutzung unter einem bestimmten Level halten, um nicht gemeinsam zu verlieren. Am Spielende gewinnt dann aber doch nur eine Person. In jedem Spiel mit so einem Spielmodus führt das aber fast immer dazu, dass die hintenliegenden Spielerinnen, die eh nicht mehr gewinnen können, sich denken, dass dann halt keiner gewinnen soll und die Kooperation verweigern oder sogar dagegen agieren. Aus dem Grund haben wir uns zu zweit für den kooperativen Modus entschieden.

Wer das Spiel nicht kennt: Thematisch mimen die Spielerinnen in „CO₂“ Energiekonzerne, die erneuerbare Energie-Kraftwerke (Wind, Wasser, Sonne etc.) anbieten müssen, um den Energiehunger der Welt zu stillen. Hierfür kann jede Spielerin entweder ein Kraftwerk in einer Region planen, die Infrastruktur dafür zur Verfügung stellen (auch wenn jemand anderes geplant hat) oder das Kraftwerk tatsächlich bauen (auch wieder egal, wer es geplant oder die Infrastruktur dazu gebaut hat). Die Aktionen greifen dabei alle sehr gut ineinander, sodass es mir viel Spaß machte, die Kraftwerke zu planen und zu bauen.

CO₂ – Viele Kraftwerke wurden gebaut.
CO₂ – Viele Kraftwerke wurden gebaut.

Anfangs spielten wir zwei noch nebeneinander her, aber bereits in Dekade 2 mussten wir uns abstimmen, wer was wo baut, damit wir nicht verlieren. Zusätzlich ist die Absprache zwingend notwendig, weil die UN-Ziele nur die Person erfüllen kann, welche die Infrastruktur für bestimmte Kraftwerke geliefert hat. Insofern mussten wir genau absprechen, wer welche Infrastruktur übernehmen kann, was mir sehr gefallen hat. Seltsam fand ich im kooperativen Modus die geheimen, privaten Ziele. Es führte dazu, dass mich mein Mitspieler zähneknirschend anschaute, als ich ungeplant in einer Region die Dominanz übernahm, die mir völlig egal war. Oder er schnappte mir einen Kraftwerksbau weg, um die Dominanz zu erhalten, obwohl ich besser für den Bau aufgestellt war. Damit wusste ich, dass er wohl eine Zielkarte mit Dominanz auf der Hand hat.

Die Regeln lernten sich ganz gut noch einmal neu, aber das war nach fünf Jahren Schrankaufenthalt auch zwingend notwendig. Auch eine damals ausgedruckte Spielhilfe half mir wenig, das Spiel zu verstehen. Ich musste die Anleitung von vorne bis hinten erneut lesen. Die Erklärung dauerte dann auch 40 Minuten, weil es einfach sehr viel zu erklären gibt. Immens wichtig im Spiel sind die Mini-Übersichten, die für jede Aktion den Ablauf bestimmen. Ohne die hätten wir sicherlich die Hälfte vergessen oder falsch gespielt. Leider fühlten sich die Aktionen für mich oft wie die Abarbeitung einer Checkliste an und nicht wie die Ausführung einer einzelnen Aktion. Und selbst in der letzten Dekade mussten wir immer wieder nachlesen, welche Schritte bei einer Planung, einer Infrastruktur oder einem Kraftwerksbau genau auszuführen sind.

Und trotz intensivem Regelstudium hatten wir einen katastrophalen Regelfehler dabei, der das Spiel viel zu einfach machte. So hatte ich die fünf Lobbyistenkarten, die ich als Nebenaktion ausspielen kann, so verstanden, dass ich die darauf stehende Aktion ausführe und zusätzlich einen Bonus erhalte. Grund dafür ist die Kartenbeschreibung im Anhang wie beispielsweise „Ein Projekt in der abgebildeten Region planen und 3 $ erhalten.“ Gemeint ist damit aber: „Wenn ich ein Projekt in der abgebildeten Region plane, erhalte ich 3 $.“ Damit hatten wir also jeweils fünf Aktionen zu viel, um Kraftwerke vorzubereiten oder zu bauen. Entsprechend gewannen wir die Partie dann auch recht locker.

Die Spielzeit lag bei ca. 150 Minuten zu zweit. Da wir im Zweipersonenspiel genauso viele Aktionen wie im Vierpersonenspiel ausführen, würde das Spiel zu viert auch nur minimal länger dauern, wenn mehr Absprachen getroffen werden müssen. Mir kam es in Summe etwas zu lang vor, auch wenn ich mich während der Partie gut unterhalten gefühlt habe.

CO₂ – Spielende
CO₂ – Spielende

Alles in allem gefiel mir die „CO₂“-Partie wieder sehr gut. Thematisch, optisch (auch damals schon von Ian O'Toole) und mechanisch ist das Spiel einfach klasse. Und dennoch habe ich entschieden, dass ich es verkaufen werde. Der Grund hierfür ist, dass es vermutlich wieder fünf Jahre dauert, ehe es wieder auf den Spieltisch kommt. Kooperativ darf es ruhig etwas leichtgewichtiger sein bzw. habe ich selten die richtigen Menschen am Tisch sitzen, die solche komplexen Spiele mitspielen würden. Und kompetitiv funktioniert das Spiel bei mir nicht. Daher muss nun jemand anderes die Welt mit Energie versorgen. (9,0)

Wertung: (9,0)

#CO2SecondChance

Inventions: Evolution of Ideas (Eagle-Gryphon Games/Skellig Games, 2024)

Das letzte Spiel von Vital Lacerda hat mich nicht sehr begeistert. „Weather Machine“ war mir zu unthematisch und hatte für mich zu viele Mechanismen und Stellschrauben, die mir eher kompliziert als komplex vorkamen. Daher war ich auch etwas skeptisch, als ich von „Inventions: Evolution of Ideas“ hörte. Das Spiel wurde Ende Juni/Anfang Juli 2023 bei Kickstarter finanziert und hat bereits erfolgreich über eine halbe Million Euro eingenommen. Wie oft zuvor bei anderen Lacerda-Titeln konnte ich eine Partie auf Tabletopia zumindest anspielen, um mir einen Überblick über und ersten Einblick in das Spiel zu verschaffen.

„Inventions“ spielt über einige Millionen von Jahren, denn wir starten in der Steinzeit und arbeiten uns in sechs Ären bis zum Computerzeitalter vor. Die Steinzeit besteht dabei nur aus einer Runde und das Computerzeitalter aus gar keiner, weil nur die Endabrechnung hineinfällt. Die anderen vier Ären spielen wir jeweils drei Runden mit je einer Aktion. Im gesamten Spiel stehen uns also 13 Hauptaktionen zur Verfügung. Aktionswahl ist dann auch der Hauptmechanismus, denn ich kann auf fünf Foren mit jeweils zwei Aktionsfeldern meine Arbeiter (in Form von Säulen) einsetzen bzw. verschieben. Wichtig ist, dass ich meine Säule nicht dahin setzen kann, in dessen Forum bereits eine von mir steht. Somit sind, je länger eine Ära dauert, immer mehr Aktionsfelder für mich gesperrt.

Die Hauptthemen von „Inventions“ sind – wie der Spieletitel treffend aussagt – Erfindungen und die davor notwendigen Ideen. Die vier Kernaktionen des Spiels sind nämlich Ideen in einer Region der Welt präsentieren, die Ideen erfinden, eine Erfindung ggf. erneuern/verbessern oder die Erfindung mit der Welt teilen. Zum Erfinden ist es notwendig, dass ich über das entsprechend notwendige Vorwissen verfüge. Um beispielsweise Seide zu erfinden, muss ich Baumwolle kennen. Dieses Vorwissen kommt in Form von Meilensteinen daher. Ich starte bei einem Ära-2-Meilenstein und kann mich im Laufe der Partie immer weiter fortbilden, was auch notwendig ist, damit ich weitere Erfindungen umsetzen kann. Mit den fortschreitenden Runden und Ären bewegt sich aber auch der Chronos-Marker, der die Zeit darstellt. In jeder neuen Ära werden alte Ideen und Meilensteine vergangener Ären abgeworfen und werden Allgemeingut, sodass ich nicht komplett abgehängt werde, wenn ich mir nicht rechtzeitig den Zugriff auf einen Meilenstein sichere.

Inventions – Aktionen (rechts) und Meilensteine (links) (Tabletopia)
Inventions – Aktionen (rechts) und Meilensteine (links) (Tabletopia)

Eine Besonderheit bei den Ideen, Erfindungen und Verbesserungen ist, dass diese von verschiedenen Spielerinnen stammen können. Und das ist teilweise wichtig, denn sobald die Erfindung geteilt wird, erhält jeder, der irgendwie Anteil daran gehabt hat, ein Stück vom Kuchen. Für die Ideen und Erfindungen benötige ich Spezialisten, die als Händler, Künstler und Denker für die zugehörigen Fachgebiete Ökonomie, Kultur und Technologie daherkommen. Nach getaner Arbeit (also nach dem Teilen einer Erfindung) wandern alle Spezialisten in die Region, in der die Idee ursprünglich präsentiert wurde. Hier können sie mit weiteren Aktionen als andere Spezialisten zurückgeholt werden oder ich sichere mir mit ihnen den Einfluss in einer Region, was mir Punkte bringt.

Der Einfluss ist für zwei Dinge wichtig: Zum einen kann ich durch Aktionen Fortschrittsplättchen in den drei Fachgebieten sammeln und in mein Spielertableau auf Hexfelder einbauen, um Boni zu bekommen. Zum anderen bestimmt mein Einfluss, wie viele Kettenaktionen ich in einer Runde ausführen darf. Kettenaktionen sind an verschiedenen Stellen des Spielplans durch ein Kettenaktionssymbol markiert. Führe ich Aktion X aus, darf ich im Falle eines solchen Symbols einen Kettenaktionsmarker erschöpfen und die angekettete Aktion ausführen. Diese variiert dabei aber immer wieder und ist nicht fest an die Aktion X geknüpft.

Als Zusammenfassung der Regeln bzw. Konzepte sollte dies ausreichen, um zu verdeutlichen, dass es sich bei „Inventions“ wirklich um einen Lacerda handelt, der aktuell bei BGG ein Gewicht von 4,52 (von 5) hat. Und ich muss leider sagen: Das hätte nicht sein müssen. Es gibt einige Mechanismen und Konzepte des Spiels, die ich nicht vermissen würde, wenn sie fehlen würden. Ganz im Gegenteil hätte ich gesagt, dass ein besseres Spiel entstanden wäre. Zuerst aber die positiven Punkte zu den Mechanismen: Ich finde die Ideen, Erfindungen und Meilensteine großartig umgesetzt. Das passt thematisch alles so toll zusammen und ergibt ein sehr schlüssiges Gesamtbild. Auch die Allgemeinwissenauslage (Meilensteine alter Ären) ist thematisch klasse und bietet jedem eine Chance, noch mitzuspielen. Ebenso passen die Spezialisten in den drei Fachgebieten gut zu den Erfindungen. Der Mechanismus, dass mehrere Personen an der Idee oder der Erfindungen arbeiten können, ist dabei nicht neu. Bereits in „CO₂: Second Chance“ konnte eine Spielerin ein Kraftwerkprojekt planen, eine andere die Infrastruktur stellen und die dritte das Kraftwerk vollenden. Das fand ich bei „CO₂“ klasse und es gefällt mir auch hier. Der zweite Hauptmechanismus der Aktionswahl mittels der fünf Foren gefällt mir ebenfalls sehr gut. Ein bisschen hat es mich an „Darwin's Journey“ erinnert, in dem Aktionen durch Bücher gekoppelt sind. Die Planung, wo ich meine Säulen hinstelle, ist deshalb essenziell in „Inventions“.

Inventions – Spielplan mit den sieben Regionen (Tabletopia)
Inventions – Spielplan mit den sieben Regionen (Tabletopia)

Und hier hätte Lacerda meinetwegen gerne aufhören können. Die Kettenaktionen sind in meinen Augen absolut unnötig. Sie sorgen nur dafür, dass ich noch länger über den perfekten Zug nachdenke und die Downtime erhöhe, weil ich Aktion an Aktion reihe, während der Rest zuschaut. Als Beispiel: Ich konnte als Aktion eine Idee verbessern. Dies bot mir eine Kettenaktion, mit der ich eine Idee in einer Region präsentieren durfte. Durch den Einsatz der Spezialisten wiederum erhielt ich die Möglichkeit, Spezialisten zurückzuholen (keine Kettenaktion), was mir eine Kettenaktion auf eine meiner Erfindungen bot. Das fand ich nicht mehr schön und die Wartezeit nicht mehr vertretbar. Mein zweites Problem habe ich mit den Fortschrittsplättchen, die sich wie ein vollkommen anderes Spiel im Spiel anfühlen. Diese erhalte ich bei drei Aktionen und kann sie in mein Tableau einpuzzeln. Sie geben mir dauerhafte Boni, wenn ich eine Aktion ausführe (Kultur), Einmalboni pro Ära (Ökonomie), Siegpunkte am Spielende (Wohlstandsplättchen) oder Kettenaktionen (Technologie). Sie haben also keinerlei Einfluss auf das Hauptthema des Spiels: die Ideen und Erfindungen. Man könnte eine Partie auch komplett ohne diese Plättchen spielen und hätte immer noch „Inventions“. Für mich fühlen sich die Plättchen an, als wären sie nur hinzugefügt wurden, um die Komplexität des Spiels zu erhöhen. Ich halte sie für vollkommen fehl am Platz. Und ohne Kettenaktionen und Fortschrittsplättchen bräuchte man auch die komplette Einflussleiste und den Einfluss nicht, was das Spiel ebenfalls schlanker machen würde. „Inventions“ fühlt sich für mich einfach nicht elegant an.

Ein bisschen spiegelt sich das auch in den Aktionen wider. Jede Aktion ist symbolisch auf dem Spielplan abgedruckt und besteht aus zwei bis vier Mikroaktionen. Ich fand diese nicht so eingängig oder intuitiv, sodass sich jede Aktion eher wie das Abarbeiten einer Checkliste anfühlte und nicht wie das Ausführen einer Aktion. Jedes Mal schwang bei mir die Furcht mit, dass ich irgendwas Kleines bei einer Aktion doch wieder vergessen habe. Ohne Fortschrittsplättchen und Kettenaktionen wären die meisten Aktionen wesentlich einfacher abzuhandeln gewesen. Mich würde wirklich interessieren, wie sich „Inventions“ spielt, wenn diese Elemente wegfallen würden.

Als nicht optimal erachte ich auch die gewählte Symbolik von Ian O'Toole. So gibt es vier unterschiedliche Aktionssymbole, die eine Glühbirne enthalten. Manche sind intuitiv erkennbar, bei anderen würde ich wohl nie in den Kopf bekommen, was das Symbol bedeutet, wenn ich es alleinstehend auf irgendeinem Bonusplättchen sehe. Ich denke, wenn man die Symbole einmal auswendig gelernt hat, dann lassen sie sich auch gut lesen, aber die initiale Hürde halte ich für relativ groß im Vergleich zu anderen O'Toole-Titeln. Die restliche Grafik und die Illustrationen auf den Erfindungen und Meilensteinen haben mir aber sehr gut gefallen. Die Landkarte mit ihren Seilen und Verbindungen ist etwas gewöhnungsbedürftig, erfüllt aber sehr gut ihren Zweck und gefiel mir am Ende der Partie ganz gut. Die Symbole sorgen aber zumindest dafür, dass das Spiel fast sprachneutral ist. Nur auf den Ideen- und Erfindungskarten und auf den Meilensteinen stehen englische Begriffe. Gerade diese sorgen aber dafür, dass ich mir das Spiel nicht auf Englisch holen würde, denn für mich ist es wichtig, dass ich die thematischen Zusammenhänge zwischen Meilenstein und Erfindung nativ lesen kann. Ich möchte tatsächlich Seide erfinden und dafür vorher das Wissen über Baumwolle haben und nicht „Silk“ und „Cotton“ auf den Karten lesen, auch wenn die Namen spielerisch keinerlei Auswirkung haben. Auf Deutsch erscheint das Spiel bei Skellig Games in 2024.

Inventions – Spielertableau mit Fortschrittskarte (Tabletopia)
Inventions – Spielertableau mit Fortschrittskarte (Tabletopia)

Eine Variabilität gibt es hauptsächlich durch das zufällige Auslegen diverser Plättchen. Die Ideen, Erfindungen und Meilensteine sind jede Partie identisch. Das muss aber so sein, denn es wäre schlecht, wenn Ideen im Spiel sind, zu denen es keine Meilensteine gibt, denn sonst könnten die Erfindungen nicht umgesetzt werden. Das finde ich aber nicht schlimm. Dadurch, dass ich im Spiel vielleicht nur ein paar Erfindungen tätigen kann, variieren diese zumindest jede Partie ein bisschen. Ich denke, dass die zufällige Auslage vollkommen ausreicht, dass „Inventions“ für einige Partien spannend bleibt. Positiv finde ich, dass jeder zum Spielstart drei private Zielkarten sowie eine Startidee und passenden Meilenstein auf die Hand bekommt. Das sorgte bei mir dafür, dass ich sofort wusste, in welche Richtung ich die ersten Züge spielen sollte, ohne von der Fülle an Optionen erschlagen zu werden.

Zu zweit gibt es noch eine Besonderheit, um mehr Interaktion zu erzeugen: der Automa namens Chronos. Dieser führt die vier Kernaktionen auf dem Spielplan durch. Sein Marker wandert dabei jede Runde von Region zu Region. Dort präsentiert er Ideen (aus der Auslage), erfindet, wenn etwas erfunden werden kann, verbessert, was verbessert werden kann, oder teilt die Erfindung, falls ihm das möglich ist. Der Kernmechanismus des Automa ist recht simpel, die genauen Details und der Entscheidungsbaum sind aber schon etwas komplexer. Der Automa reißt mich nicht aus den eigenen Gedanken, wie der Solo-Automa bei „Barrage“ es getan hat. Aber er ist dennoch komplexer als beispielsweise der Automa von „Dune: Imperium“, der ebenfalls bei zwei Personen eingesetzt werden muss. Chronos' Aktionen sind im Zweipersonenspiel aber enorm wichtig, da es sonst kaum Interaktion auf dem Spielplan geben würde. Die ist zu zweit sowieso schon sehr gering, ohne Automa wäre sie fast nicht existent und dann würde „Inventions“ nicht mehr funktionieren. So darf beispielsweise der Erfinder einer Erfindung diese nicht selbst erneuern. Diese Aktion kann nur von einer Mitspielerin ausgelöst werden. Mit den sieben Regionen auf der Weltkarte gibt es aber sehr viel Platz, um sich zu zweit aus dem Weg zu gehen. Eher zufällig haben wir beide in unserer Partie mehr mit Chronos agiert als miteinander. Zu viert ist die Interaktion natürlich wesentlich höher. Aus der Sicht wäre das also meine empfohlene Spieleranzahl für „Inventions“ – wenn denn da die Spielzeit nicht wäre.

Unsere Testpartie zu zweit dauerte 65 Minuten – für die ersten vier der 13 Runden! Dabei war für mich gar nicht die Online-Umsetzung der größte Einflussfaktor auf die Spielzeit, da nur wenig Material hin- und hergeschoben wird, sondern das Nachlesen und Abarbeiten der Aktionen. Unsere Erstpartie hätte hochgerechnet also circa vier Stunden gedauert, was mir definitiv zu lang gewesen wäre. Mit mehr Personen skaliert „Inventions“ linear, weil immer die gleiche Rundenanzahl gespielt wird. Das heißt, zu viert hätte unsere Testpartie also locker zwei Stunden gedauert. Mit mehr Partien würde das sicher besser werden, aber ich sehe noch nicht, wie die Spielzeit von 150 Minuten für vier Spielerinnen eingehalten werden soll. (Der aktuelle Durchschnitt für drei Spielerinnen auf BGG liegt für 15 Partien bei 190 Minuten. Für vier Spieler wurden noch keine Partien geloggt.) Deswegen liegt vermutlich der empfohlene Kompromiss auf BGG zwischen langer Spielzeit und hoher Interaktion bei drei Spielerinnen. Zusätzlich zur Spielzeit kommt auch noch die recht lange Aufbauzeit, denn es müssen zahlreiche Plättchen aussortiert und auf dem Spielplan platziert werden.

Es gibt auch einen Solomodus, bei dem ich gleich gegen zwei Automa antreten muss: Chronos und Hephaistos. Chronos' verhält sich wie in der Zweipersonenpartie. Hephaistos dagegen agiert ganz anders und handelt eher wie ein realer Mitspieler. So hat er ein Aktionskartendeck, welche den Einsatz seiner drei Säulen bestimmt und er kann Kettenaktionen durchführen. Ich kann den Aufwand der Umsetzung nicht bestimmen, da ich den Solomodus nicht getestet habe. Rein von der Anleitung her klingt er aber für mich zu aufwändig, sodass ich womöglich meine eigenen Züge vergesse, wenn ich die zwei Automa nebenher steuern muss.

Inventions – Solotableau für Chronos und Hephaistos (Tabletopia)
Inventions – Solotableau für Chronos und Hephaistos (Tabletopia)

Mein Fazit zu „Inventions“ fällt in Summe eher nüchtern aus: Das Thema finde ich gut und in der Kernmechanik auch super umgesetzt. Der Säuleneinsatz und auch das Vorantreiben der Ideen, Erfindungen und Meilensteine machte mir Spaß. Das Fortschrittstableau dagegen finde ich unpassend und wie ein Fremdkörper im sonst eleganten Spieldesign. Auch die Kettenaktionen sorgen nur für eine hohe Wartezeit bei der Planung und Ausführung der Aktionen. Im Zweipersonenspiel kommt dann noch ein Automa hinzu und solo sogar gleich zwei. Dazu wird ein Preis von 120 Euro ausgerufen, was das Spiel definitiv unattraktiv für mich macht. (6,5)

Wertung: (6,5)

#Inventions

Trackbacks

Keine Trackbacks

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Kommentar schreiben

Die angegebene E-Mail-Adresse wird nicht dargestellt, sondern nur für eventuelle Benachrichtigungen verwendet.
Formular-Optionen