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(Neu) Gespielte Spiele im Juli 2023

Im Juli ist es meistens warm. Und irgendwie regt Wärme nicht sehr zum Spielen an. Nur neun Partien und vier unterschiedliche Spiele. Immerhin drei davon waren neu für mich und kann ich hier kurz vorstellen: „Waypoints“, „Thiefdom“ und „Lacrimosa“.

Waypoints (Postmark Games, 2023)

„Waypoints“ ist die dritte Spieleveröffentlichung von Postmark Games. Alle drei Spiele wurden per Crowdfunding finanziert und die Besonderheit ist, dass es sich um reine Print'n'Play-Titel handelt. Als Unterstützer erhalte ich keine Spielschachtel mit Material, sondern nur einen Downloadlink auf ein oder mehrere PDFs, die ich daheim ausdrucken kann. Im Falle von „Waypoints“ war die Kickstarter-Kampagne mit über 6000 Unterstützern recht erfolgreich. Ich habe mitgemacht, weil mich das Thema interessiert hat.

In „Waypoints“ wandert jede Spielerin auf ihrer eigenen Karte durch ein Gebiet und erkundet dabei Tiere, Wälder und Seen, Berge und Aussichtspunkte. Gespielt wird über vier Tage (Runden), die alle identisch ablaufen. Jeden Zug wird ein sechsseitiger Würfel gewürfelt. Die Augenzahl gibt an, wie weit das Wetter auf der Wetterleiste voranschreitet. Je nach Ergebnis ist es sonnig und ich habe viele Bewegungspunkte oder es schneit und ich habe wenige. Mit diesen Bewegungspunkten kann ich mich auf der Karte bewegen. Hierfür zeichne ich mit einem Stift eine Linie von meinem aktuellen Wegpunkt zu einem anderen Wegpunkt, den ich besuchen möchte. Hierbei darf ich aber nur maximal so viele Höhen- und Gitternetzlinien überschreiten, wie ich Bewegungspunkte zur Verfügung habe. Wasserflaschen kann ich ausgeben, um die Bewegung zu erhöhen. Der Wegpunkt gibt vor, was ich sehe – beispielsweise Tiere, die ich dann einkreise. Je nach Art und Anzahl der Tiere erhalte ich Boni, die ich später wieder einsetzen kann. Mit einem Kajak kann ich auf dem Fluss fahren, die Regenjacke gibt mir mehr Bewegung bei schlechtem Wetter und mit einem Hängegleiter kann ich von einem Berg zu einem benachbarten Wegpunkt fliegen. Daneben kann ich meine Wasserflasche am See auffüllen oder im Wald weitere Tiere beobachten. So wird weiter gewürfelt und gezeichnet, bis das Wetter am Ende der Wetterleiste beim Sonnenuntergang angekommen ist. Dann tragen wir Besonderheiten in unser Journal ein (Punkte für erreichte Wegpunkte an diesem Tag), füllen das Wasser auf und starten die nächste Runde. Nach vier Tagen endet eine Partie und es gibt noch eine Spielendewertung, von deren vier zu Spielbeginn eine zufällig ausgewählt wurde. Danach werden für alle Symbolleisten die Punkte addiert und jemand gewinnt.

Dabei empfinde ich das Gewinnen bei „Waypoints“ als relativ unwichtig. Mich spricht vor allem das Thema der Wanderung und das Gesamtergebnis am Spielende an. Ich finde es einfach sehr schön, die Landkarte mit meiner eingezeichneten Route inklusive Kajak-Tour und Hängegleiterflug anzuschauen. Es erinnert mich tatsächlich an reale GPS-Routen, die ich mit meinem Navigationssystem beim Wandern aufzeichne. Dabei gibt es eine farbige und eine Schwarz-Weiß-Karte. Mir gefällt für das Spiel die schwarz-weiße Version etwas besser, weil die Symbole und Linien klarer hervorstechen. Natürlich ist das nicht alles thematisch. Allein die Boni durch die Tiere sind etwas fragwürdig und das Wetter schlägt an einem Tag auch gerne mal von senkender Hitze zu Schneesturm um.

Mechanisch finde ich es sehr elegant gelöst, dass ich mit meinen Bewegungspunkten entweder in die Höhe oder Breite gehen kann. Ansonsten bietet „Waypoints“ wenig Innovation im Roll'n'Write-Genre. Irgendwer würfelt und alle zeichnen gleichzeitig für sich eine Route ein. Das Spiel ist komplett interaktionslos. Es gibt nicht einmal ein Rennen um bestimmte Ziele. Am ehesten würde ich es mit „Ganz schön clever“ vergleichen. Es gibt nicht so extreme Kombozüge, aber wenn ich loslaufe, dann mein Kajak nutze, drei Gitternetzlinien weit fahre, dann die restlichen Bewegungspunkte nutze, um auf einen Berg zu klettern, von dort per Hängegleiter zu einem Aussichtspunkt fliege und lande, um dort einen anderen benachbarten Berg sehe, der mir dann die doppelte Punktzahl einbringt, ist das schon ein tolles Gefühl.

Waypoints – Karte 1
Waypoints – Karte 1

Durch den solitären Aspekt eignet sich „Waypoints“ prinzipiell gut als Solospiel. Ich habe aber zwei „Probleme“ mit dem Solomodus. Zum einen handelt es sich um eine reine Highscore-Jagd. Bis auf den Umstand, dass ich am Ende einer Tagesroute am Lagerfeuer sitzen muss, gibt es keine bestimmten Ziele zu erreichen. Das finde ich auf Dauer sehr langweilig. Schlimmer aber noch ist, dass die erreichten Punkte absolut nicht vergleichbar sind. Wenn ich nur kleine Zahlen würfel, vergeht ein Tag langsamer. Im Bestfall – ich würfel nur Einsen – stehen mir an Tag 1 in Summe 47 Bewegungspunkte zur Verfügung. Im schlechtesten Fall – ich würfel nur Sechsen – stehen mir dagegen nur 9 Bewegungspunkte zu. Diese enorme Differenz normalisiert sich nicht in einer Partie und so kann ich auf derselben Karte mal 100 Punkte machen oder mal 200 – obwohl ich gleich gut spiele. Bei BoardGameGeek gibt es eine Solo-Herausforderung, welche die Schrittweite fest vorgibt. Damit sind die erreichten Punktzahlen vergleichbar und so macht das Solospiel auch Spaß. Sicherlich verbessere ich mich, wenn ich „Waypoints“ öfters spiele, aber ausschlaggebend für eine hohe Punktzahl ist hauptsächlich, ob ich niedrige Zahlen würfel. Etwas seltsam fand ich auch, dass es im Solomodus nur zwei Schwierigkeitsstufen gibt: Auf „leicht“ muss ich mindestens drei der vier Tagesrouten an einem Lagerfeuer beenden. Auf „schwer“ muss ich an allen vier Tagen am Lagerfeuer rasten. Da wundert es mich, dass die Designer nicht fünf Schwierigkeitsstufen vorgeben haben: von null bis vier zu erreichenden Lagerfeuern.

Die Spielzeit in meinen Solopartien lag bei ungefähr 30 bis 40 Minuten. Zu zweit benötigten wir dagegen 80 Minuten für eine Partie. Das liegt nicht daran, dass das Spiel schlecht skaliert. Da alle simultan spielen, dauert eine Partie nur so lange, wie die langsamste Person zum Denken und Zeichnen benötigt. Und da kann – je nach Spielertyp – „Waypoints“ unter Umständen sehr langatmig sein. Vor allem, wenn ich viele Bewegungspunkte zur Verfügung habe, dazu noch Wasserflaschen, um die Reichweite zu vergrößern, und Boni wie Kajak oder Hängegleiter einsetzen kann, ergibt sich eine riesige Vielfalt an erreichbaren Wegpunkten. Und damit wächst auch meine Denkzeit, welchen ich davon wählen soll. Das Spiel ist also hochgradig Analyse-Paralyse-anfällig, was jedem am Tisch bewusst sein sollte. Zusätzlich spielt bei der Spielzeit natürlich der oben erwähnte Umstand mit rein, dass die Anzahl der Wegpunkte pro Tag extrem variieren kann. Es macht einen zeitlichen Unterschied, ob wir drei Wegpunkte an einem Tag erreichen oder das Maximum von 16.

Von der Anleitung her wurde alles gut erklärt. Dennoch habe ich auf BGG bei der Solo-Challenge gemerkt, dass es Regeln gibt, die sich schwerer merken lassen. Beispielsweise, dass ein Lagerfeuer nicht als Wegpunkt bei einem Journaleintrag gezählt wird. Oder dass ich Wasser aus einem See erst am Zugende erhalte und nicht sofort einsetzen kann. Interessanterweise steht in der deutschen Anleitung sogar eine Regel mehr drin, die etwas Klarheit schafft, in der englischen Originalausgabe aber fehlt.

Schön finde ich, dass sich „Waypoints“ sehr gut erweitern lässt. Bei der Kickstarter-Version wurden zwei Karten mitgeliefert, eine dritte soll noch folgen. Karte 2 „Burning Rock Canyon“ spielt sich tatsächlich ziemlich anders als Karte 1 „Whistling Water National Park“. Das liegt zum einen an der Topographie, da ein Canyon mit vielen Höhenlinien durch die Landschaft verläuft. Die drei Tiere von Karte 1 wurden durch andere Tiere mit anderen Boni ersetzt. So bringt mir die Schlange ein Seil, mit dem ich drei Höhenlinien zusätzlich überwinden darf. Der Wolf bringt mir ein Ticket, welches ich an einer Seilbahn einlösen kann, um damit auf die andere Seite des Canyons zu fahren. Zwischendrin darf ich auch noch eine Sehenswürdigkeit gratis mitnehmen. Und der Adler bringt mir einen Hut. Wofür einen Hut? Um Schatten zu haben. Denn immer, wenn ich vier oder fünf Bewegungspunkte zur Verfügung habe, muss ich zwingend durch ein bisher unbesuchtes Waldstück laufen. Alternativ kann ich mir auch einen Hut aufsetzen, der aber leider am Ende des Zuges vom Wind weggeweht wird. Es gibt auch andere Rundenziele (zum Beispiel Sets an Tieren sammeln oder die Canyon-Anhöhe überschreiten) und eine andere Endwertung (Seilbahnen benutzen).

Ich fand die Karte 2 wesentlich anspruchsvoller als Karte 1. Das hat vor allem mit der Schatten-Anforderung bei hoher Bewegung zu tun. Es gibt nur acht Waldstücke, aber 18 Wetterfelder, die Schatten verlangen. Diese werden natürlich im Schnitt niemals alle kommen. Aber allein die Ungewissheit, wann eine kommt, lässt mich immer auf der Hut sein, mich nie zu weit vom potenziellen Schatten zu entfernen – oder eben alternativ immer einen Hut in der Hinterhand zu haben, damit ich nicht einen Zug aussetzen muss. Sehr schön haben mir auch die Punkte für Tiersets gefallen. Wo ich mich auf Karte 1 sehr oft auf ein oder maximal zwei Tiere spezialisiert habe, verleitet die neue Punktewertung hier eher dazu, von allen Tieren möglichst viele mitzunehmen.

Waypoints – Karte 2
Waypoints – Karte 2

Mir hat „Waypoints“ ziemlich gut gefallen. Für nur fünf Euro erhalte ich ein vollwertiges Spiel, das ich fast überall spielen kann. Ein W6 (oder alternativ ein paar Karten, um eine Normalverteilung zu erhalten), ein paar Stifte und Zettel und es kann losgehen. Natürlich gefallen Print'n'Play-Titel nicht allen Menschen, weil sie eben nicht mit einem professionellen Spielbrett daherkommen. Immerhin spart man sich aber so den Lagerplatz im Regal. Ich denke, dass ich „Waypoints“ immer mal wieder für eine kurze Partie zu zweit am Abend auspacken werde. (8,5)

Wertung: (8,5)

#Waypoints

Thiefdom (Karma Games, 2024)

Das Diebesleben ist nicht leicht. Da will ich nur mal eben einen Adeligen ausrauben und ein Gemälde aus der nahegelegenen Villa mitnehmen, da taucht auch schon eine Wache auf und ich muss alles fallen lassen, um zu meinem Versteck zu entkommen. Blöd gelaufen – und der Mitspieler war schuld daran. In „Thiefdom“ steuern wir drei Diebe und das gemeine Volk in einer Stadt und versuchen sechs Nächte lang möglichst viel zu stehlen, um es in Siegpunkte umzuwandeln. Mit über 5000 Unterstützern verlief die Kickstarter-Kampagne von „Thiefdom“ recht erfolgreich. Via Tabletop Simulator konnte ich eine Partie zu zweit online spielen. Möglich gemacht hat dies im Übrigen eine vorausgegangene Kickstarter-Kampagne, über die mittels der eingenommen 424 Euro die TTS-Online-Version von „Thiefdom“ entwickelt wurde.

In „Thiefdom“ steuert jede Spielerin eine Diebesgilde, die aus je drei Dieben besteht. In der Planungsphase legen wir alle gleichzeitig unsere vier Reihenfolgeplättchen auf unsere drei Diebe und den vierten auf das eigene Stadtvolk-Tableau. Mit diesem kann ich einen Teil der Adeligen, einen Teil der Wachen und manchmal auch den Weinwagen steuern. Alle decken nach der Planung ihre Reihenfolgeplättchen auf. Diese geben an, in welcher Reihenfolge ich welchen Dieb und die Städter bewege. Dabei bewegt zuerst der Startspieler den Dieb/die Städter mit dem ersten Plättchen und dann reihum, bis der Startspieler erneut dran ist und den Dieb/die Städter mit dem zweiten Reihenfolgeplättchen bewegt und so weiter. Als Aktionen kann ich mich als Dieb hauptsächlich auf den Straßen bewegen, aber auch manche Gebäude betreten. In den Gebäuden kann ich Aktionen ausführen und mir beispielsweise einen Freund kaufen – das heißt bestechen – Likör kaufen oder in Siegpunkte umwandeln, Schmuggelaufträge erfüllen oder gestohlene Gemälde verhökern. Und natürlich kann ich die Adeligen und Wachen ausrauben und den Weinwagen überfallen. Wichtig dabei ist, dass ich nie in die Sichtlinie einer Wache gerate, da ich dann mein ganzes Diebesgut verliere und in mein Versteck zurückkehren muss. Nach allen Aktionen werden die Stadtvolk-Tableaus weitergegeben, womit auch der Startspieler wechselt. Wir planen erneut unsere Reihenfolge und spielen in Summe sechs Nächte. Die Spielerin mit der erfolgreichsten Diebesgilde gewinnt.

Thiefdom – Spielaufbau im Zweipersonenspiel (TTS)
Thiefdom – Spielaufbau im Zweipersonenspiel (TTS)

Bei vielen Spielen ist das Thema des Spiels beziehungsweise die thematische Umsetzung im Spiel wichtig für mich. „Thiefdom“ bietet ein neues Thema, denn die konkrete Steuerung von drei Dieben und das Laufen durch die Stadt ist mir noch nicht untergekommen. Zu einem Großteil passt die thematische Umsetzung dann auch. So gibt es die Sichtlinien der Wachen, die ich mit meinen Dieben nicht kreuzen sollte. Diebe haben nur begrenzt Lagerplatz für Diebesgut und Geld – und ein Gemälde nimmt gleich den ganzen Raum ein. Und Schmuggelaufträge oder verkaufte Gemälde bringen mir Ruhm (Siegpunkte) und noch andere Güter im Gegenzug. Wieso ich aber meinen Dieb nur mit einem Gegenstand ausrüsten kann, und diesen auch nie wechseln darf, und ebenso nur eine Person im ganzen Spiel bestechen darf, erschließt sich mir nicht. Dazu kommt es mir auch seltsam vor, dass wir als Diebesgilden-Spielerinnen die Adeligen und Wachen steuern. Sicherlich erzeugt das mehr Konflikte und Interaktion, aber thematisch passend wären eher eigene Bewegungsregeln mit einem zufälligen Bewegungskartendeck für die Adeligen, Wachen und den Weinwagen.

Zur Interaktion kann ich nur zu zweit aus der einen Partie etwas sagen. Ich vermute, dass wir uns zu viert auf dem 4x2-großen Stadtteilraster am meisten in die Quere kommen. Zu dritt sieht das schon wieder etwas geringer aus. Und zu zweit spielen wir zwar mit einem 3x2-Raster, aber in unserer Testpartie gab es sehr wenig Interaktion. Die gegnerischen Diebe selbst sind sich so gut wie nie begegnet und die Wachen nahmen nur zweimal einen Dieb gefangen. Da hätte ich nach dem Lesen der Anleitung mit mehr Interaktion gerechnet. Auf der anderen Seite war dies unsere Erstpartie und wir waren extrem vorsichtig, unsere Diebe nie offen draußen auf der Straße stehenzulassen, wenn eine Wache in der Nähe war.

Thiefdom – Die Wachen A und B haben den Schmuggler fest im Blick, sodass sich kein Dieb hineinschleichen konnte. (TTS)
Thiefdom – Die Wachen A und B haben den Schmuggler fest im Blick, sodass sich kein Dieb hineinschleichen konnte. (TTS)

Die Anleitung versprach wie gesagt einiges, erschlug mich anfangs aber auch. Es handelt sich in der Kickstarter-Ausgabe noch um ein Vorabexemplar, aber 40 Seiten wollen verstanden werden. Und teilweise fiel mir das echt schwer. Es gibt immer noch einen Regelsatz, den ich auch nach dem Spielen nicht verstanden habe. Sprachlich gibt es auch Missverständnisse wie „You are not allowed to set up hideouts in locations“ und gleich danach „If 1 of your own thieves enters the location with your hideout“. Wenn Verstecke nicht in „Locations“ gesetzt werden können, dann kann ich sie auch nicht betreten. Daneben hatten wir während der Partie immer mal wieder Regelfragen, die nicht alle durch die Anleitung beantwortet werden konnten. Problematisch während der Partie waren auch die kleinteiligen Regeln. So dürfen Häuser von jedem Feld aus betreten werden, „Locations“ aber nur durch die aufgedruckten Pfeile. Das vergaß ich bei fast jeder Planung und natürlich verhagelte mir das meinen Plan. Dann gibt es die Regel, dass, sobald ein Dieb ein „Wanted“-Poster hat (durch den Überfall des Weinwagens), er automatisch gefangen genommen wird, wenn er an Adeligen oder dem Weinwagen vorbeiläuft. Auch die haben wir mindestens einmal vergessen, als es eine wichtige Rolle für die Ausführung eines Zuges machte. Und mir passierte es ständig, dass ich Likör und Wein von den Symbolen verwechselte und mir die falschen Ressourcen nahm.

Allgemein bin ich mit der Symbolik nicht so richtig warm geworden. Ich glaube, dass sich alle Symbole erschließen und auch korrekt deuten lassen. Aber es sind einfach so viele. Als ich mir die Aktionsübersicht und die Symbolübersicht, die als Spielhilfe in TTS dabei liegt, anschaute, erschlug es mich fast. Es ist so viel abgebildet, dass es mir keinen Spaß machte, dies auswendig zu lernen. Ansonsten sind die Grafiken auf dem Spielplan sicherlich nicht hässlich, aber ich würde sie eher als funktional bezeichnen. Die Gegenstände sind ganz gut illustriert, am besten haben wir aber die Illustrationen der Freunde gefallen. Mihajlo „The Mico“ Dimitrievski hat diese sehr schön in Szene gesetzt. Manchmal vielleicht etwas stereotyp hat er es geschafft, die Rolle der Person gut abzubilden. Dazu sind die Personen auch noch sehr divers, was Hautfarbe und Geschlecht angeht, aufgestellt, sodass eine große und ansehnliche Varianz entsteht.

Thiefdom – Die Aktions- (links) und Symbolübersicht (rechts) erschlägt einen (TTS)
Thiefdom – Die Aktions- (links) und Symbolübersicht (rechts) erschlägt einen (TTS)

Die spielerische Varianz kommt dabei am ehesten von den Stadtteilen. In einer Drei- und Vierpersonenpartie liegen acht Stadtteile aus. Zwei sind durch einen Fluss definiert und haben unterschiedliche Vorder- und Rückseite. Die restlichen sechs können frei gedreht ausgelegt werden. Dadurch ergeben sich 23040 Möglichkeiten, die Stadt initial aufzubauen. Da ich nur eine einzige Partie gespielt habe, kann ich nicht sagen, wie stark sich das auswirkt. Ich denke aber, dass sich auch Strategien im Spiel ändern werden, wenn beispielsweise Taverne und Markt eher weit auseinander oder eher nah beieinanderliegen.

Die Laufwege sind für mich aber auch ein Negativpunkt, da ich gefühlt kaum etwas erreicht habe in der Partie. Nicht von den Punkten her: Am Spielende verlor ich ganz knapp mit 56:55 (und durch eine andere Entscheidung in der vorletzten Runde hätte ich 2 Punkte mehr gehabt), wir lagen also dicht beisammen. Aber im ganzen Spiel erfüllte ich mit meinen drei Dieben – die in Summe 60 Aktionen hatten – nur zwei Schmuggelaufträge, stahl und verkaufte ein Gemälde, raubte zwei Adelige aus und verkaufte etwas Likör. Die restlichen 80% des Spiels lief ich nur von A nach B, dann nach C und wieder zurück nach A. Für mich fühlt sich „Thiefdom“ nicht wie ein Diebesspiel an, sondern eher wie ein Laufspiel. Hauptsächlich bewege ich mich und die wichtigste taktische Entscheidung ist dabei auch immer, wie ich optimal von einem Ort zum anderen komme. Das fühlte sich für mich sehr unbefriedigend an. Ich hätte auf mehr echte Diebesaktionen gehofft.

Thiefdom – Meine Diebesgilde (TTS)
Thiefdom – Meine Diebesgilde (TTS)

Und damit komme ich auch zur Mechanik: Im Gegensatz zu anderen Aktionsprogrammierspielen programmiere ich die Aktionen in „Thiefdom“ nicht, sondern nur die Reihenfolge, wer wann etwas macht. Die Planungsphase ist wichtig, weil ich meine Diebe entsprechend koordinieren muss. So konnte ich in der vorletzten Runde gut planen, dass mein erster Dieb über meinen zweiten springt und ihm dabei alles an Geld gibt, was er dabei hatte. Der zweite Dieb ging damit in das Wirtshaus, kaufte damit Likör und stellte sich wieder vor den Laden. Und der dritte sprang dann über diesen, nahm den Likör mit und konnte diesen dann in der letzten Runde für doppelte Siegpunkte verkaufen. Wenn so etwas gelingt, fühlt sich das gut an. Aber es gibt zwei Probleme: Erstens kostet diese Überlegung Zeit. Ich muss wirklich exakt alle Aktionen und Bewegungsschritte aller Diebe abzählen, um eine gute Synergie zu erhalten. Vor allem das Platzieren von eigenen Dieben (oder Adeligen), um über diese zu springen und Bewegungspunkte zu sparen, halte ich für essenziell. Diese Planungszeit kann sich in die Länge ziehen. Da aber alle Spielerinnen gleichzeitig planen, ist dies meist zu verschmerzen. Das zweite Problem sind aber die Mitspielerinnen. Ich kann noch so gut die Reihenfolge der Aktivierungen planen, einzig der erste Zug des Startspielers ist sicher. Bei allen anderen Zügen danach müssen sich die Spielerinnen auf den neuen Zustand des Spielbretts einstellen. Da wurden dann Wachen oder Adelige verschoben, wann man es nicht erwartet. Oder durch irgendeinen „Trick“ stiehlt ein Dieb ein Gemälde aus der Villa, auf das ich es selbst gerade erst abgesehen hatte. Durch diesen Umstand kann ich zwar die Reihenfolge planen, aber in vielen Fällen musste ich meine Pläne über den Haufen werfen und umdisponieren, weil sich etwas auf dem Spielplan geändert hatte.

Und das kann dann wirklich zu einer hohen Wartezeit führen. Wie gesagt ist es während der Planungsphase nur dann ein Problem, wenn eine Person sehr lange nachdenkt, während die anderen schnell ihre Reihenfolgeplättchen legen. Aber gerade bei Analyse-Paralyse-anfälligen Spielerinnen kann dies bei „Thiefdom“ wirklich ein Problem werden. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, was ich zu Spielbeginn machen kann, um Siegpunkte zu erhalten. Diese Fülle an Möglichkeiten ist gut, aber sie verleitet auch dazu, alle durchrechnen zu wollen, was denn die beste Entscheidung ist. Es gibt zu Spielbeginn leider auch keine privaten Ziele oder etwas anderes, was mich an die Hand nimmt, damit ich weiß: „Ah, in die Richtung sollte ich mich mal bewegen und dann schauen wir mal.“ Vor allem während der Züge kam es immer mal wieder vor, dass wir neu nachdenken und planen mussten, was für den Mitspieler reine Wartezeit bedeutet. Unsere Spielzeit lag zu zweit bei circa zwei Stunden. Da das Spiel linear mit der Anzahl der Spielerinnen skaliert, würde ich bei einer Erstpartie mit vier Personen von vier Stunden ausgehen. Sicherlich läuft das real am Spieltisch und mit mehr Erfahrung besser, aber die ausgewiesenen 30 Minuten pro Spielerin sehe ich nicht.

Thiefdom – Diverse „Freunde“, die ich bestechen kann (TTS)
Thiefdom – Diverse „Freunde“, die ich bestechen kann (TTS)

Die Soloversion habe ich nicht getestet, weil sie bei TTS nicht umgesetzt ist. Allein spiele ich gegen die Wachen und eine zweite Diebesgilde. Die Bewegungen der Adeligen, Wachen und gegnerischen Diebe steuere ich dabei nicht selbst, sondern ein Würfelwurf mit einem W8 samt Übersetzungstabelle gibt an, wo sich eine Figur hinbewegt. In etwa so, wie ich das thematisch im Mehrpersonenspiel für die neutralen Stadtfiguren auch gesehen hätte. Aber natürlich ist das Würfeln etwas mehr Verwaltungsaufwand. Mit der vorliegenden Anleitung habe ich leider nicht verstanden, wann sich die Städter genau bewegen innerhalb der Aktionen meiner drei Diebe, wodurch ich die Solovariante sowieso nicht hätte spielen können.

Mein Fazit von „Thiefdom“ ist damit eher ernüchternd. Es ist definitiv kein schlechtes beziehungsweise ist es sogar ein gutes Spiel. Ich hatte mir etwas mehr Interaktionen und Diebesaktionen erwartet, weswegen das Spiel mich eher enttäuschte. Komplex ist das Spiel definitiv nicht, aufgrund der derzeit vorliegenden Regeln und Symbolik aber manchmal auch etwas interpretationswürdig. Ich fand unsere Zweierpartie bis zum Ende hin spannend, dennoch empfand ich die zwei Stunden Spielzeit zu zweit für etwas zu lang. In allen Fällen würde ich es bei Gelegenheit vielleicht noch einmal mitspielen, aber eine Anschaffung steht außer Frage. (6,5)

Wertung: (6,5)

#Thiefdom

Lacrimosa (KOSMOS, 2023)

Ich höre gerne Musik und kann einer Trommel sogar ein passendes Geräusch entlocken. Mehr Bezug zu Musik habe ich eigentlich nicht. Dennoch sprach mich das Thema von „Lacrimosa“ sofort an, weil es eben nicht das Standard-Eurogame mit Handel im Mittelalter, im Weltraum oder – als Mischung von beiden – im Mittel(meer)raum ist. Mozart komponierte bis zu seinem Tod 1791 am Requiem, welches mit dem Lacrimosa unvollendet blieb. Nach seinem Tod beauftrage Mozarts Frau, Constanze, einige von Mozarts Schülern, Eybler und Süßmayr, das Lacrimosa und das Requiem als Gesamtwerk zu vollenden. Die Spielerinnen schlüpfen in die Rolle der Gönner Mozarts, die sich mit Constanze nach Mozarts Tod treffen und zum einen die Vollendung des Requiems bezahlen, zum anderen aber auch von Mozarts Reisen berichten. Auf der SPIEL'22-Previewliste hatte ich mir dazu notiert: „Bilder sprechen nicht für ein Interesse; eher Standard-Euromechanismen, nicht so interessant“. Da „Lacrimosa“ nun auch auf Tabletopia spielbar ist, konnte ich dort prüfen, ob meine Vorabwertung gerechtfertigt war oder nicht.

Den Hintergrund des Spiels habe ich oben schon erwähnt. Mechanisch handelt es sich bei „Lacrimosa“ um eine Art Deckbau-Spiel, denn der zentrale Mechanismus sind meine neun Aktionskarten, welche die fünf Aktionen abbilden. Zu Beginn eines Zuges ziehe ich auf vier Handkarten auf. Hiervon wähle ich eine, die ich für die Aktionen oberhalb meines Tableaus spiele, und eine, welche ich unterhalb meines Tableaus spiele, die mir Ressourcen für die nächste Runde gibt. Nach Ausführung der Aktionen geht es reihum weiter. Auf die Art kann ich mit neun Karten im Deck genau vier Aktionen ausführen, dann habe ich nur noch eine Karte auf der Hand und die Runde endet. Zum Rundenende erhalte ich die Ressourcen der vier unten liegenden Karten, mische alle acht offen liegenden Karten zusammen und die nächste Runde beginnt. So spielen wir fünf Runden, bis das Spiel endet. Zum Schluss gibt es noch Siegpunkte, die zu den während der Partie erhaltenen addiert werden.

Die Aktionen sind natürlich die Essenz des Spiels: Zuerst kann ich mir aus einer Auslage eine neue Karte für mein Deck kaufen. Ich kaufe die Karte aber nicht einfach dazu, sondern ich tausche sie mit der in diesem Zug unten gespielten Karte aus. Auf die Art behalte ich immer neun Karten in meinem Deck und ich erhalte zusätzlich auch ein paar mehr Ressourcen für die nächste Runde. Die neuen Karten in der Auslage werden von Runde zu Runde immer stärker (es gibt fünf separate Stapel) und erlauben später auch Doppelaktionen. Ebenfalls aus der Auslage kann ich mir ein Opus holen. Dies gibt mir hauptsächlich Siegpunkte und ich benötige die Opera (Mehrzahl von Opus) für manche Zielplättchen am Spielende. Als weitere Aktion kann ich ein Opus vor mir entweder aufführen, was mir Geld gibt, oder verkaufen, was mir Siegpunkte und Einkommen bringt. Als vierte Aktion kann ich das Requiem vollenden. Hierfür muss ich einen der beiden Komponisten beauftragen, für eine der fünf Sequenzen für ein bestimmtes Instrument die Musik zu schreiben. Hierfür nehme ich einen Musikmarker von meinem Tableau und lege diesen auf das passende Feld der Partitur auf dem Spielbrett. Je nachdem, wie ich den Marker wende, zeige ich an, ob ich den ersten oder zweiten Komponisten beauftragen möchte. Im Gegenzug erhalte ich ein Komponistenplättchen, was mir manchmal einen Sofort- oder Dauerbonus gibt. Zum Schluss kann ich als Aktion mit Mozart auf einer Landkarte durch Europa reisen. Ich kann beliebig weit reisen, muss dafür aber Geld pro Route ausgeben. Die Städte und Knotenpunkte der Karte haben entweder ein Stadtplättchen oder ein Königshofplättchen ausliegen, welches ich mir nehmen kann. Die Stadtplättchen geben mir einen Sofortbonus in Form von Ressourcen, Geld, Siegpunkten oder sogar Aktionen. Die Königshofplättchen dagegen zeigen Bedingungen für das Spielende an. Entweder benötige ich bestimmte Opera vor mir ausliegen oder ich muss an bestimmten Sequenzen oder mit bestimmten Instrumenten am Requiem mitgearbeitet haben.

Lacrimosa – Mit Mozart auf Reisen (Tabletopia)
Lacrimosa – Mit Mozart auf Reisen (Tabletopia)

Als ich mich zur SPIEL'22 mit „Lacrimosa“ beschäftigt habe, fand ich die Mechanismen noch langweilig. Mit dem Lesen der Anleitung für die Online-Partie stellte ich aber fest, dass es schon ein paar Besonderheiten gibt. Zuerst ist da natürlich der Deckbau mit immer neun Karten. Am ehesten hat mich das an „Rokoko“ erinnert, bei dem ich ebenfalls neue Karten kaufen kann, die mir die gleichen Aktionen geben, aber mit einem immer besser werden Bonus über die verschiedenen Runden. Einzig für das Ausdünnen muss ich bei „Rokoko“ selbst sorgen, was mir bei „Lacrimosa“ direkt abgenommen wird. Den Mechanismus mochte ich sehr, auch wenn es augenscheinlich sehr oft immer bessere Aktionen gab, die ich ausführen wollte. Langfristig macht sich das Aufwerten der Karten aber bezahlt. Die Karten haben mechanisch eine zweite Besonderheit, da sie zum einen als Aktion dienen, zum anderen als Ressourcen für die Folgerunde. Auch das fand ich prinzipiell sehr clever, weil ich so theoretisch abwägen muss, welcher mein vier Handkarten ich als Aktion spielen will und von welcher ich die Ressourcen nutzen möchte. Sehr oft war mir aber klar, welche Karte ich für die Ressourcen wähle, weil ich meistens zwei andere Karten als mögliche Aktion für den nächsten Zug auf der Hand halten wollte. So richtig wichtig ist es auch gar nicht, welche Ressourcen ich nächste Runde genau erhalte. Möglichst habe ich von allem etwas, damit ich jede Aktion nutzen kann. Auf der anderen Seite kann ich jede Aktion aber mit dem Standarddeck auch nur ein- oder zweimal pro Runde nutzen. Ganz viele Ressourcen einer Art zu horten, bringt also gar nicht so viel. Wichtig dabei: Es gibt Ressourcenleisten und Ressourcenmarker. Die Leisten werden jede Runde auf 0 zurückgesetzt und dann anhand der unten liegenden Karten wieder bis maximal vier Ressourcen einer Art gesetzt. Die Ressourcenmarker dagegen kann ich behalten, womit sie ein klein wenig wertvoller sind.

Auch auf dem Spielbrett gibt es mechanische Besonderheiten. Zuerst besteht die Auslage gemischt aus Opus- und Aktionskarten. Diese werden beim Aufdecken aber etwas nach oben bzw. nach unten geschoben und legen somit extra Kosten frei. Je neuer die Karte, desto mehr muss ich dafür zahlen. Das ist alles andere als neu, aber mir gefällt die Idee, nur eine Auslage zu haben für zwei Kartenarten mit unterschiedlichen Mehrkosten. Daneben gibt es noch das Reisen auf der Europakarte. Auch das ist prinzipiell nicht neu, ebenso wenig wie unterschiedlich ausliegende Plättchen. Mir noch unbekannt war, dass am Ende einer Runde alle noch ausliegenden Plättchen umgedreht und erst danach leere Plätze aufgefüllt werden. Die Rückseite ist dabei sehr ähnlich zur Vorderseite, hat aber einen kleinen Bonus. So lohnt es sich manchmal, mit dem Reisen eine Runde zu warten – wenn eine Mitspielerin nicht schneller ist und das Plättchen vorher wegschnappt. Ich gebe aber zu, dass ich kein einziges Mal gesagt habe, dass ich nur aufgrund des kleinen Bonus lieber noch eine Runde warte mit dem Reisen. Dafür waren mir die 1 Ressource, 1 Geld und/oder 1 Siegpunkt extra einfach zu unwichtig, wenn ich das Gesamtergebnis betrachte.

Zum Schluss ist da natürlich noch die Komposition des Requiems. Für jede Sequenz gibt es am Spielende eine Mehrheitenwertung. Und zwar wird für jeden der beiden zur Verfügung stehenden Komponisten geprüft, wer mehr beigesteuert hat. Alle Marker des Komponisten, der die Mehrheit hat, ist dann mehr Punkte wert und die Spielerinnen, die die Marker gelegt haben, erhalten die Punkte. Da es in jeder Sequenz nur eine bestimmte Auswahl an Instrumenten gibt, muss ich also sehr genau schauen, wann ich meine Marker auf welche Sequenz mit welchem Komponisten lege. Das führte bei mir dann auch dazu, dass ich zwei meiner Musikmarker gar nicht mehr legen konnte. Vom Chor gab es nämlich nur zwei Felder im gesamten Requiem, sodass meine zwei Mitspieler dies mir wegnahmen. Und mit der Pauke wartete ich zu lange und konnte sie nicht mehr legen. Mir liegen Spiele mit Mehrheitenwertung leider gar nicht, weil ich nicht sinnvoll abschätzen kann, wann es sinnvoll ist, noch „anzugreifen“ und wann nicht. Immerhin positiv ist, dass ich oft einfach ins gleiche Horn blasen kann und den gleichen Komponisten wähle, der schon die Mehrheit hat. Das geht aber nicht beliebig, denn die Komponistenplättchen sind begrenzt und irgendwann kann ich nur noch die Minderheit unterstützen, wenn ich überhaupt an der Wertung teilnehmen will.

Lacrimosa – Das Requiem (Tabletopia)
Lacrimosa – Das Requiem (Tabletopia)

Positiv ist mir Komplexität des Spiels aufgefallen. Es gibt zwar einige Mechanismen, aber diese hängen nur minimal zusammen. Die drei Ressourcen im Spiel sind klar den drei Bereichen auf dem Spielbrett zugeordnet. Mozarts Talentmarker benötige ich für den Erwerb einer Opus-Karte, Wagenrad-Marker benötige ich beim Reisen für das Nehmen von Stadt- und Königshofplättchen und Kompositionsmarker benötige ich für das Anheuern der Komponisten, um das Requiem zu vollenden. Die größte Komplexität ergibt sich durch die Bonusaktionen der Komponisten (ich darf eine bestimmte Aktion erneut ausführen), durch Stadtplättchen (ich reise und darf dann eine andere Aktion ausführen) oder durch die Doppelzüge mit den verbesserten Karten. Natürlich ist „Komplexität“ ein sehr subjektives Empfinden. Mir hat es aber zusagt, dass „Lacrimosa“ im Gegensatz zu vielen meiner letzten Eurogames nicht nur um der Komplexitäts Willen extra verzahnt war.

Die gefühlt geringe Komplexität hat auch zu einer geringen Spielzeit und Wartezeit geführt. Solo benötigte ich ungefähr eine Stunde pro Partie, zu dritt waren es etwas weniger als zwei Stunden. Negativ spielt wie so oft die Tabletopia-Umsetzung mit, da der Spielaufbau sehr groß ist und sehr oft gescrollt und gezoomt werden muss. Und auch der Verwaltungsaufwand ist nicht gerade gering. Dennoch fand ich „Lacrimosa“ schnell gespielt. Die einzelnen Aktionen sind meist auch innerhalb von wenigen Sekunden abgehakt. Am längsten haben die Doppelaktionen, dann auch noch gepaart mit Bonusaktionen gedauert. In unserer Dreierpartie hatte ein Spieler eine Doppelaktion „Reisen“ und aufgrund des Komponisten bei jeder Reiseaktion noch eine extra Reiseaktion. Und als Bonus eines Stadtplättchen gab es dann auch noch eine zusätzliche Aktion. Solche Züge waren aber die Ausnahme. Etwas länger nachdenken musste ich auch, wenn ein Mitspieler vor mir eine Karte oder ein Plättchen wegnahm, was ich eigentlich nehmen wollte.

Das bringt mich dann auch gleich zur Interaktion. Sie ist nicht extrem hoch, aber ich fand sie hoch genug, dass wir uns schon gegenseitig stören konnten. Das fängt bei der Auslage an, als mir jemand ein Opus wegkaufte, welches ich dringend für mein Zielplättchen brauchte. Es geht beim Reisen weiter, als ich ein Ziel hatte, aber jemand anderes den Mozart-Marker in die ganz andere Richtung verschob. Und hörte natürlich beim Requiem auf, bei dem es ja aktiv um eine Mehrheitenwertung geht. Sehr lehrreich fand ich auch, dass wie oben geschrieben nicht jedes Instrument gleich oft vorkommt und ich so bei guter Platzierung einer Mitspielerin einen Bonus komplett verwehren kann. Das hat mir gut gefallen.

Vom Thema her bin ich bei „Lacrimosa“ zwiegespalten. Einerseits ist das Thema unverbraucht und als ich mir nach dem Spiel den Wikipedia-Artikel zum Requiem durchlas, fand ich extrem viele Spielelemente wieder, die reale Vorbilder hatten. Anderseits habe ich davon während den Partien sehr wenig gemerkt. Sicherlich müssen Spiele fast immer die reale Welt abstrahieren, um die Komplexität greifbar zu machen. Aber niemals fühlte es sich für mich so an, als würde ich Mozart auf seinen Reisen durch Europa begleiten. Stattdessen habe ich nur geschaut, welches Bonus oder welches Zielplättchen ich haben möchte und habe geprüft, ob ich die Ressourcen dafür habe. Ebenfalls fühlte sich die Anstellung der Komponisten zur Vollendung des Requiems für mich nicht so thematisch an. Die Auswahl der Musikinstrumente für die verschiedenen Sequenzen ist dabei thematisch sehr gut gelöst, die Kosten und Boni der Komponisten dagegen kommen mir vollkommen abstrakt vor. Schade ist dabei auch, dass das Requiem im Spiel gar nicht zu Ende komponiert wird. Im Worst Case hat niemand in einer Partie überhaupt etwas für das Requiem getan, was dann völlig am Hauptthema vorbei gespielt ist. Auch die Ressourcenmarker sind eher abstrakt. Wofür ich genau Wagenräder erhalte und was die genau darstellen sollen, weiß ich nicht so genau. Auch Mozarts Talentmarker sind halt nur eine Ressource, um die Opera zu bezahlen. Zumal ein Opus im Laufe einer Partie in der Auslage immer weiter nach rechts rückt und damit billiger wird, also weniger Talent erfordert.

Lacrimosa – Spielertableau (Tabletopia)
Lacrimosa – Spielertableau (Tabletopia)

Zwei Kritikpunkte sehe ich noch: Zum einen habe ich das Gefühl, dass sich die Zielplättchen, welche bestimmte Opus-Karten voraussetzen, kaum lohnen. In der Dreierpartie erhielt ich für meine vier Opera am Spielende 7 Siegpunkte. Wenn ich die Opera aber nicht behalten, sondern im Laufe der Partie verkauft hätte, hätte mir das 10 Siegpunkte und zusätzliches Einkommen gebracht. Natürlich hätte ich dafür auch vier Aktionen benötigt, aber diese hätte ich mitunter immer mal wieder einstreuen können. Zum anderen ist der Verwaltungsaufwand in der Wartungsphase nicht ohne. Auf dem Spielbrett müssen Plättchen gedreht und neue ausgelegt werden. Zusätzlich werden alte Karten einer Ära abgeworfen und mit neuen aufgefüllt und richtig hingeschoben. Das Komplizierteste ist aber der korrekte Ablauf beim Aufräumen des Spielertableaus. Mir passierte es anfangs mehr als einmal, dass ich meine Karten einsammelte und mich dann fragte, wie viele Ressourcen ich denn bekommen hätte. Und auch der Rundenbonus (es gibt Siegpunkte, Geld oder Ressourcen, wenn ich eine bestimmte Aktion spiele) hängt von den eigenen Karten ab und muss vor dem Aufräumen genommen werden. Zum Rundenbonus noch ein Wort: Gefühlt ist der Bonus so gering, dass es sich gar nicht lohnt, darauf zu spielen. Bei uns war es oft eher Zufall, ob jemand noch ein oder zwei Siegpunkte mitgenommen hat.

Wie groß die Variabilität des Spiels ist, kann ich nach drei Partien schwer einschätzen. Die Aktions- und Opuskarten kommen bei voller Spieleranzahl alle ins Spiel, bei drei Spielerinnen wird je eine pro Periode entfernt, bei zwei Spielerinnen zwei. Eine extrem große Varianz ergibt sich dadurch aber nicht. Die Bonusplättchen jeder Runde variieren da schon eher, denn es wird aus je dreien eines zufällig gewählt. Wie gesagt fand ich den Bonus aber als so gering, dass ich nicht darauf spielen würde. Variabilität gibt es bei den Komponisten, da ich (außer im Solospiel) immer zwei von vier verfügbaren auswähle. Insofern gibt es sechs verschiedene Kombinationen, die sich vermutlich auch etwas anders spielen. Was sehr unterschiedlich sein kann, sind die verschiedenen Strategien im Spiel. Konzentriere ich mich eher auf die Aufwertungen der Karten? Reise ich verstärkt durch Europa und nutze die Boni intensiv? Versuche ich über die Königshofplättchen zu punkten? Gehe ich eher auf Opera (Erwerb und Verkauf)? Oder konzentriere ich mich auf die Mehrheiten im Requiem? Hier hat mir bereits in den ersten Partien gefallen, dass ich den Fokus unterschiedlich legen kann.

Vor dem Fazit will ich noch ein Wort zur Soloversion verlieren. In der Theorie fand ich das Spiel gegen Emanuel Schikaneder sehr gut. Er hat ein eigenes Automadeck aus neun Karten und deckt jede Runde zwei auf. Eine ist für die Aktion. Die andere gibt durch Pfeile an, wie diese Aktion ausgeführt wird. Bis auf das Reisen fand ich jede Aktion sehr einfach abzuhandeln. Das Reisen war etwas komplizierter und auch mit FAQ hatte ich immer das Gefühl, dass ich etwas falsch spielen würde. Meine erste Solopartie brach ich dennoch nach einer Stunde und drei Runden ab, weil der Automa mir davonrannte. Das lag aber an einem Verständnisfehler meinerseits, denn beim Verkaufen einer Opus-Karte steht in der Anleitung „Update the Soloist’s [...] score shield according to the values on the Opus card.“ Aufgrund der Mehrzahl habe ich alle Siegpunktwerte auf der Karte addiert, was falsch war. Die anderen beiden, dann korrekten Partien verliefen besser. Aber selbst im leichten Modus konnte ich den Automa nicht bzw. nur ganz knapp mit 72:73 schlagen. Es ist einfach sehr schwer, den Automa direkt zu beeinflussen. Die Punkte, die er macht, sind bei allen Aktionen zufällig. Einzig beim Requiem kann ich versuchen, mit eigenen Markern die Mehrheit zu erreichen. Das fand ich etwas schade, ist aber nur ein kleiner Kritikpunkt. Ansonsten haben mir die Partien gegen den Automa gut gefallen.

Lacrimosa – Solotableau (Tabletopia)
Lacrimosa – Solotableau (Tabletopia)

Mein Fazit besteht aus meinem größten, sehr subjektivem Kritikpunkt: Ich verstehe nicht, wie „Lacrimosa“ funktioniert. Ich verstehe die Mechanismen und auch das Zusammenspiel, aber ich wurde in meinen Partien nicht wirklich besser und erkannte leider auch nicht, was ich groß hätte anders machen sollen. Aus dem Grund möchte ich „Lacrimosa“ nach drei Partien eigentlich nicht noch einmal spielen. Es ist definitiv kein schlechtes Spiel. Der Mechanismenmix passt, die Komplexität ist für mich angenehm, nur das Thema kommt mir etwas zu kurz. Aber ich sehe bei mir keinen Lerneffekt und damit würde jede weitere Partie langweilig werden. (6,5)

Wertung: (6,5)

#Lacrimosa

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