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(Neu) Gespielte Spiele im August 2023

Der August war sehr warm und auch spielerisch ging es gut her. Mit „Tribes of the Wind“ und „Planet Unknown“ traf ich auf zwei Highlights des aktuellen Jahrgangs, „Black Hole Buccaneers“ dagegen werde ich bald wieder vergessen haben und mit „Mistwind“ stand auch wieder ein Kickstarter-Testspiel auf dem Plan.

Tribes of the Wind (HUCH!, 2023)

„Tribes of the Wind“ war mein Topspiel der BGG-Previewlisten-Vorauswahl, welches ich auf der SPIEL'22 unbedingt spielen wollte. Da es keine freien Tische gab, ergab sich keine Partie. Aber auch so war ich vor Ort nicht mehr so angetan vom Spiel. Sowohl optisch als auch spielerisch von der Erklärung hatte es mich nicht mehr überzeugt. Fast ein Jahr später landete das Spiel dann doch unverhofft auf dem Spieltisch.

„Tribes of the Wind“ spielt irgendwann in der Zukunft. Nach Jahrhunderten der Ausbeutung der Erde durch den Menschen machte sich eine neue Art einer Verschmutzung/Vergiftung breit, die einen Großteil des Lebens auf der Erde auslöschte. Einige Menschen schlossen sich zu Stämmen zusammen und überlebten in Dörfern, die sie hoch oben in den Baumwipfeln bauten. Sie fliegen von Ort zu Ort, um nicht mit dem Gift in Berührung zu kommen.

Tribes of the Wind – Mein Tableau bei Spielende.
Tribes of the Wind – Mein Tableau bei Spielende.

Spielerisch ist das ganze so umgesetzt, dass jede Spielerin ein Tableau mit zwölf Feldern vor sich liegen hat, auf denen Verschmutzungsmarker liegen. Jeder bekommt zu Beginn fünf Elementkarten, welche auf der Rückseite für alle sichtbar den Elementtyp (Wasser, Feuer, Luft, Erde) und auf der Vorderseite für mich sichtbar die konkreten Aktionen zeigen, die ich damit ausführen kann. Die Karten haben auf der linken Seite Anforderungen und auf der rechten einen Effekt abgebildet. Die Anforderungen beziehen sich dabei auf meine eigenen Karten, aber auch auf die Karten meiner Nachbarn. Da ich deren Kartenrückseite sehe, weiß ich also, welche Anforderungen an die Elemente ich erfüllen kann. Die Kartenaktionen sind sehr übersichtlich: Wasser nehmen, Verschmutzungsmarker entfernen, gegen Abgabe von Wasser ein Waldplättchen nehmen und auf mein Tableau auf ein leeres Feld (also ohne Verschmutzungsmarker) legen oder meine Windgleiter um einige Felder auf den Waldplättchen bewegen. Wenn ich alle Landeplätze auf einem Waldplättchen mit Windgleitern belegt habe, kann ich als eigene Aktion ein Dorf gründen. Hierfür drehe ich das Plättchen um, lege einen Dorfmarker darauf, die Windreiter entferne ich und in benachbarte leere Felder werden neue Verschmutzungsmarker gelegt. Die Waldplättchen geben beim Umdrehen noch einen Bonus. Beim Bau eines Dorfes wähle ich auch eine ausliegende Dorfkarte, deren Soforteffekt ich sofort einsetzen kann. Oder ich entscheide mich stattdessen auf die Zielvorgabe zu gehen, was mir am Spielende Siegpunkte bringt, wenn ich sie erfülle. Zum Schluss kann ich per Aktion und Abgabe von drei Karten auch einen Tempel auf ein Waldplättchen bauen, was mir je nach Tempel einen Bonus wie Wasser, entfernte Verschmutzungsmarker, einen Wald oder Windreiterbewegungen gibt. Zusätzlich hat jeder Stamm noch ein eigenes Kartendeck und zwei Bedingungen auf dem Tableau abgedruckt. Zum einen muss ich etwas erreichen (z.B. drei Dörfer bauen oder ein Tempel in der rechten Spalte) und zum anderen muss ich fünf Plättchen in bestimmten Farben in der richtigen Reihenfolge auf meinem Tableau liegen haben. Wenn ich eines der beiden Bedingungen erreiche, darf ich mir eine Stammeskarte aussuchen und sie ab sofort als Bonus nutzen. Am Ende meines Zuges fülle ich wieder auf fünf Handkarten auf. Die Partie endet, wenn jemand sein fünftes Dorf gebaut hat.

Vor allem die Anlehnung an den Film „Nausicäa aus dem Tal der Winde“ und damit auch das Thema interessierte mich. Die grafische Umsetzung von Vincent Dutrait fängt dabei die inoffizielle Filmvorlage sehr gut ein. Auf der SPIEL'22 hatte mich das triste Tableau mit seinen Verschmutzungsmarkern noch abgeschreckt. Real am Tisch erkannte ich aber viele kleine Details darauf, welche die Zerstörung der Zivilisation sehr gut darstellen. Dass die Stammesbilder etwas von Windreitern und Dörfern verdeckt sind, fand ich in der Partie nicht mehr schlimm. Und die Kartengrafiken haben mir sehr gut gefallen. Sie wiederholen sich zwar zum Teil, zeigen dann aber minimale Änderungen, sodass es sogar Spaß macht, diese während einer Partie zu suchen. Die Symbolik muss anfangs etwas interpretiert werden, aber nach der Erklärung konnte ich mir auch unbekannte Symbole herleiten. Grafisch auszusetzen habe ich eigentlich nur die weiße Schrift auf den hellgelben Windreiter-Symbolen, die ich auf die Entfernung nicht gut erkennen konnte.

Tribes of the Wind – Die Karten sind sehr schön von Vincent Dutrait illustriert.
Tribes of the Wind – Die Karten sind sehr schön von Vincent Dutrait illustriert.

Vom Thema bleibt im Kern nicht viel übrig. Die Karten stellen einfach nur Farben dar, mit denen ich gleichfarbige Aktionen ausführen kann: rote Marker vom Tableau entfernen, blaue Marker sammeln und gegen grünes Plättchen eintauschen, gelbe Figuren bewegen und Plättchen umdrehen. Das fühlt sich schon abstrakt an, wenn man es so spielen will. Aber: Das Thema kommt durch die Optik des Spielmaterials und die Aktionen in meinen Augen dennoch sehr gut heraus.

Die Mechanik des Spiels stützt sich stark auf die Kartenaktionen. Welche Aktion kann ich überhaupt mit meinen eigenen Karten und denen meiner Nachbarn ausführen? Auch wenn ich kaum Einfluss auf die Karten meiner Mitspielerinnen habe (einzig der Spielerin links von mir kann ich eine Kartenfarbe wegnehmen), hat es mir Spaß gemacht jede Runde auf Neue zu schauen, welche Aktion ich sinnvoll ausführen kann. Dabei spielt sich „Tribes of the Wind“ oft sehr taktisch. Da beide Nachbarn bis zu meinem Zug meist eine, manchmal sogar drei neue Karten auf der Hand halten, kann ich erst, wenn ich am Zug bin, prüfen, welche Karte ich überhaupt erfüllen kann. Da die Karten neben der meist angestrebten, starken Aktion (beide Nachbarn erfüllen eine Bedingung) auch noch eine schwache Aktion (nur ein Nachbar erfüllt eine Bedingung) haben, gehe ich selten ganz leer aus. Dennoch kann es passieren, dass ich keine Karte spielen kann. Dann kann ich aber immer noch drei Karten abwerfen und mir den Bonus eines Tempels nehmen. „Tribes of the Wind“ kann ich aber auch strategisch spielen, indem ich einerseits gezielt Karten aus der Auslage nehme, deren Farben zu meinen Bedingungen passen. Und anderseits kann ich Karten, die ich derzeit nicht sinnvoll spielen kann, aufheben, bis sich die Handkarten meiner Nachbarn stark genug geändert haben. Sowohl das taktische, als auch das strategische Element haben mir gefallen.

Dass ich erst entscheiden kann, wenn ich am Zug bin, führt leider zu einer gewissen Wartezeit. Wir spielten die erste Partie zu fünft und es dauerte mitunter fünf Minuten zwischen zwei eigenen Zügen. Das hatte aber auch damit zu tun, dass aufgrund der Wartezeit sich die Leute miteinander unterhielten und wirklich erst nachdachten, als sie dran waren. Das lässt sich optimaler und schneller spielen, wie die Zweitpartie zu viert zeigte. Denn die Aktionen selbst sind oft schnell ausgeführt: Karte ausspielen, Bedingungen prüfen und dann Ressourcen nehmen oder abgeben. Etwas Negatives hat die Mechanik aber auch: Die Karten stehen normalerweise in den Kartenhaltern vor den Spielerinnen vor deren Tableaus, damit sie gut von hinten sichtbar sind (was bei fünf Spielern an einem viereckigen Tisch nicht wirklich gut funktioniert). Ich sehe damit also gar nicht, was die anderen hinter ihrem „Sichtschirm“ treiben, was sehr schade ist. Denn da das Spiel endet, wenn eine Person ihr fünftes Dorf baut, handelt es sich um ein Wettrennen, bei dem ich wissen muss, wer gerade wie weit ist. In der Zweitpartie änderten wir das und jeder stellte sein Tableau vor den Kartenhalter, sodass alle jederzeit den Blick auf die Tableaus der Mitspielerinnen haben konnten. Einen Nachteil hatten die Kartenhalter direkt vor der Person: Vor allem am langen Tischende wurden die Halter öfters beim Vorbeugen umgeworfen, weil entlang der Tischbreite einfach kein Platz mehr neben Auslage, zwei Tableaus und zwei Kartenhaltern war. Dennoch empfand ich diese Änderung als positiv, weil ich damit die Pläne meiner Mitspieler genauer verfolgen konnte. Vor allem in Bezug auf die Dorfkarten mit Siegpunkten beobachtete ich, was andere vielleicht aus der Auslage benötigten und was sie noch nicht erfüllt hatten. Das Tableau meines Gegenübers (ich saß am kurzen Tischende und er entsprechend weit weg) konnte ich aber nicht mehr wirklich erkennen.

Das Wettrennen ist auch schon fast die einzige Interaktion im Spiel. Zufällig nimmt man sich mal Karten oder Plättchen aus der Auslage weg, aber selten gezielt, da ich ja nicht weiß, was jemand anderes als Bedingung braucht. Ausnahme sind hier die Bedingungen für das Legen einer bestimmten Reihe an Plättchenfarben, um eine Stammeskarte auszuspielen. In dem Fall habe ich gerne ein Plättchen genommen, was mein linker Mitspieler brauchte, wenn mir die Farbe egal war. In der Fünfpersonenpartie war es mir auch egal, was die zwei Mitspielerinnen abseits des linken und rechten Nachbars machen. Auch das änderten wir in der Zweitpartie zu viert. Wir wählten die Spielerreihenfolge zufällig, sodass wir „über Kreuz“ spielten und nicht einfach nur im Uhrzeigersinn. Das half ein bisschen der Interaktion. Von meinen Tischnachbarn rechts und links war ich sowieso schon abhängig. Aber da mein Gegenüber vor mir dran war, interessierte es mich auch, was er mit der Auslage machte. Und ich musste mindestens dreimal meinen Unmut zum Ausdruck bringen, weil er mir (wenn auch unabsichtlich) eine wichtige Dorfkarte direkt vor der Nase wegschnappte. Ansonsten ist „Tribes of the Wind“ bis auf das Wettrennen aber ein eher solitäres Spiel, was mich aber nicht groß störte. Ich fand das Ausspielen meiner Karten für die Aktionen zum richtigen Zeitpunkt interessant genug, dass ich mich die Zeit über gut unterhielt. Wir spielten knapp zwei Stunden, was als reine Spielzeit für eine Partie zu fünft vollkommen okay ist. Zu viert waren es sogar nur noch 90 Minuten. Es kam auch weniger Wartezeit auf als zu fünft.

Tribes of the Wind – Bei den Mitspielern versperrt der „Sichtschirm“ die Sicht.
Tribes of the Wind – Bei den Mitspielern versperrt der „Sichtschirm“ die Sicht.

Mechanisch hat „Tribes of the Wind“ logischerweise eine sehr geringe Komplexität. Zuerst muss ich die Verschmutzungsmarker mit roten Karten entfernen. Dann muss ich Wasser mit blauen Karten besorgen. Danach kann ich ein Waldplättchen mit grünen Karten bauen. Als Letztes bewege ich meine Windreiter mit gelben Karten auf die Waldplättchen. Und wenn sie voll sind, drehe ich sie mit einer Aktion um. Das erinnerte mich an „Cellulose“, was ich aus dem gleichen Grund sehr mag: Die Aktionen sind simpel, die Abläufe aber logisch und thematisch gut erklärbar. Und aus dem gleichen Grund mag ich auch „Tribes of the Wind“.

Dazu kommen noch die Stammeskarten, die man früh freischalten sollte. In meinen Fall ergab sich ein kleiner Engine-Effekt, da ich mit einer Karte mit einem Wasser weniger ein Waldplättchen bauen konnte. Und wenn ich das mache, durfte ich noch einen Verschmutzungsmarker entfernen. Und die zweite Karte erlaubt mir bei Entfernung eines Verschmutzungsmarkers zwei Wasser zu nehmen. Dadurch amortisierte sich die Ausgabe des Wassers für den verbilligten Bau der Waldplättchen, sodass ich mit der Ressource kein großes Problem mehr hatte im Laufe der Partie. Gewonnen habe ich damit dennoch nicht. Ich wollte das Spiel schnell beenden und war damit auch erfolgreich, vernachlässigte aber meine Verschmutzung zu sehr, sodass ich dafür keine Punkte mehr erhielt. Hätte ich eine Runde länger gewartet, hätte ich vermutlich noch mehr mit meinen letzten Aktionen erreichen können – aber vermutlich hätte dann jemand anderes das Spiel vorher beendet.

Zu zweit wurde das „Problem“ der Kartenrückseiten einfach gelöst: Hier dient die Auslage zum Nachziehen einfach als weitere Kartenhand. Einen offiziellen Solomodus gibt es nicht, aber auf BoardGameGeek gibt es verschiedene Varianten zum Ausprobieren. Zu fünft kann ich das Spiel zwar nicht empfehlen, aber darunter macht es definitiv Spaß. (8,5)

Wertung: (8,5)

#TribesOfTheWind

Planet Unknown (Strohmann Games, 2023)

Nominiert zum Kennerspiel des Jahres 2023 war unter anderem auch „Planet Unknown“. Etwas verspätet hatte ich nun auch endlich die Chance, eine Partie zu spielen. Wir einigten uns darauf, dass wir nicht mit den Standard-Planeten und -Konzernen spielen wollten, um gleich das komplette Spielerlebnis zu haben.

In „Planet Unknown“ besiedelt jede Spielerin mit einem eigenen Konzern einen eigenen Planeten. Hierfür steht in der Tischmitte ein Drehteller, auf dem Polyominos gestapelt sind. Der Drehteller hat sechs Segmente (für bis zu sechs Spielerinnen) und jeweils zwei Stapel zur Auswahl. Die aktive Spielerin entscheidet, welches Plättchen sie gerne nehmen würde und dreht die Auslage entsprechend. Alle anderen Spielerinnen haben dann nur auf die zwei Plättchenstapel Zugriff, deren Segment zu ihnen zeigt. Jedes Plättchen zeigt zwei der fünf Ressourcen an, die es im Spiel gibt. Wenn ich das Plättchen lege, schiebe ich die zwei Marker auf den zugehörigen Ressourcenleisten nach oben. Das gibt mir dann unterschiedliche Boni: Über Bevölkerung (schwarz) erhalte ich im Spiel maximal vier Zivilisationskarten (ich darf bei jeder Stufe aus den noch vorhandenen wählen), die mir einen besonderen Vorteil oder Siegpunkte gewähren. Mittels Wasser (blau), was zwingend auf Wasser/Eis gebaut werden muss, erhalte ich hauptsächlich viele Siegpunkte. Mit Biomasse (grün) kann ich 1-Feld-große Bonusplättchen erhalten und damit Lücken füllen. Technologie (grau) schaltet vier Technologie-Stufen frei, die mir dauerhafte Fähigkeiten, abhängig vom Konzern, geben. Und mit meinen im Regelfall zwei Rovern (rotbraun) kann ich über die Planetenoberfläche fahren, um meine sechs Rettungskapseln und gelandete Meteoriten einzusammeln. Die Meteoriten befinden sich ebenfalls auf manchen Plättchen. Zum Schluss gibt es noch Energie (braun), welche einfach als Joker genutzt werden können für eine Ressource, die an das gerade gelegte oder erweiterte braune Gebiet angrenzt. Das Spiel endet, wenn entweder ein Segment des Drehtellers leer ist oder wenn eine Spielerin kein Teil mehr valide bei sich einbauen kann. Dann gibt es Punkte für komplett ausgefüllte und geleerte Spalten und Zeilen auf dem Planeten, für die fünf Ressourcenleisten, für eingesammelte Rettungskapseln und Meteoriten, für erfüllte Mehrheiten für Ziele, die zwischen je zwei benachbarten Spielerinnen liegen, und für Zivilisationskarten.

„Planet Unknown“ kann ich extrem schwer bewerten. Es hat viele Elemente, die mir bei Spielen gefallen. Und es hat viele Elemente, die mich eher stören. Mechanisch funktioniert es wunderbar. Die aktive Spielerin stellt den Drehteller ein, alle wählen gleichzeitig eines der zwei verfügbaren Plättchen und puzzeln es auf den Planeten ein. Dadurch gehe ich in zwei Leisten hoch, erhalte ggf. Boni oder andere Aktionen und weiter geht's. Dieses Spielprinzip gefällt mir sehr gut. Was mich aber fast um den Verstand brachte, waren die Runden, in denen ich die Ausrichtung des Drehtellers bestimmen musste. Es gibt sechs Ausrichtungen und damit zwölf Plättchen, die ich prüfen muss, welches davon am besten bei mir irgendwo in die Auslage passt. Als AP-Spieler (Analyse Paralyse) bringen mich solche Entscheidungen wirklich an die Grenze des Kalkulierbaren und machen wir auch keinen Spaß, weil ich viel zu lange brauche, um mich zu entscheiden. Das Spiel ist nicht so schlimm wie „Five Tribes“ mit seinen über 1600 möglichen Eröffnungszügen, aber es reicht, dass ich mich dabei nicht wohlfühle. Wenn ich nicht an der Reihe war, musste ich nur aus zwei Plättchen wählen, was viel besser und schneller klappte.

Das klappte so gut, dass ich im Laufe der Partie oft als Erster gewählt, gelegt und Leisten verschoben hatte und dann auf die anderen warten musste. Aus dem Grund entstand bei mir eine hohe Downtime. Wir spielten zwar (ähnlich wie bei „Tribes of the Wind“) nur 90 Minuten, aber es kam mir länger vor. Und das, obwohl sich ein Großteil der Partie parallel auf den Spielertableaus abspielt. Das ist dann auch etwas schade, denn die Interaktion beschränkt sich auf die Wahl der Drehteller-Ausrichtung, das Wettrennen, wann ich meinen Planeten abschließe und den direkten Vergleich mit meinen beiden Nachbarn auf die jeweiligen Zielvorgaben. Zum Großteil spielte bei uns aber jeder vor sich hin und ich bekam eigentlich nur aufgrund der Wartezeit ein bisschen mit, was die anderen machten. Das lädt vor allem in den ersten Partien sehr gerne zu Fehlern ein. Auch wenn die Regeln recht leicht daherkommen, gibt es doch ein paar Besonderheiten beim Legen von Wasser und Energie sowie bei den Spezialfähigkeiten der Planeten und Konzerne. Unbeabsichtigt kann man sich da gerne einmal vertun.

Wegen der vielen Optionen bei der Plättchenwahl war ich sehr froh, dass mein Planet und mein Konzern ein bisschen die Strategie vorgaben, was ich tun soll. Dies hat mir auch sehr gut gefallen, da ich den Anfang eines roten Fadens sehe, an dem ich mich durch das Spiel entlanghangeln kann. In meinem Fall spielte ich mit Planet „Gaia“, welcher acht Städte auf dem Planeten abgedruckt hat. Pro nicht überbauter Stadt erhielt ich am Spielende zwei Siegpunkte. Dafür gab es aber keinen Bonus für abgeschlossene Reihen und Spalten. Die Positionierung der Städte fand ich dabei seltsam, da vier Städte „ungünstig“ auf den großen Reihen lagen und mich beim Nicht-Überbauen definitiv vier Siegpunkte gekostet, aber nur zwei gebracht hätten. Da lohnten sich die anderen vier Städte, die auf den „billigen“ Reihen lagen, mehr. Dort verlor ich nur vier Siegpunkte, gewann aber acht Siegpunkte dazu. Mein Konzern „Wormhole Corp“ stellte die zweite Weiche, da vor allem die grüne Biomasse-Leiste besonders aufgebaut war. Und die Technologie-Stufen beschäftigten sich alle mit dieser Leiste und den Bonusplättchen, die ich darüber erhalten könnte. Also konzentrierte ich mich auf Biomasse, was ganz gut funktionierte. Zuletzt musste ich mit meinen linken Nachbarn um Technologie-Symbole am Rand konkurrieren und mit meinem rechten um Energie-Symbole am Rand. Da mein rechter Mitspieler hier früh davonzog (da sein Planet Besonderheiten bei Energieplättchen hatte), konzentrierte ich mich da eher auf die Mehrheit bei Technologie, da ich dort sowieso voranschreiten wollte. Das Spielende konnte ich einläuten, was meinen Mitspielerinnen einige Punkte durch nicht abgeschlossene Reihen und Spalten kostete. Und so konnte ich knapp mit 61:59:54:41 gewinnen.

Planet Unknown
Planet Unknown

Die Nicht-Standard-Planeten und -Konzerne können aber auch fordernd sein – vor allem in der Erstpartie. Es ergeben sich hier einige Besonderheiten beim Legen von Plättchen oder Vorrücken auf den Leisten, sodass gerne etwas vergessen wird. Aus dem Grund mag ich keine Spiele, bei denen ich zahlreiche Effekte aktivieren kann, die ich dann alle im Kopf behalten muss. Auch bei „Planet Unknown“ störte mich das anfangs, zumindest die Technologie-Stufen meines Konzerns waren dann aber so leicht zu merken, dass ich in der Partie keine Probleme mehr damit hatte.

Wozu ich noch nicht gesagt habe, ist das Setting und Thema. Weltraum-Spiele interessieren mich meistens, sodass „Planet Unknown“ hier punkten kann. Die thematische Umsetzung ist aber sehr schwach. Ich habe in der Anleitung nicht einmal gefunden, wofür die Plättchen, die wir legen, stehen sollen. Terraformen wir Planeten? Oder bauen wir dort nur etwas darauf? Vielleicht auch beides? Dazu kommt noch das Hochschieben der Marker auf den Ressourcenleisten. Die Leisten hätten nicht einmal Bezeichnungen benötigt, da es irrelevant ist, was sich darauf befindet. Die Farben hätten vollkommen ausgereicht. Das alles trägt nicht dazu bei, das Thema zu transportieren. Für mich ist „Planet Unknown“ daher ein eher abstraktes Spiel mit bunten Polyominos, die ich auf ein vorgegebenes Raster lege, um in Leisten hochzuwandern.

Das abstrakte Ergebnis ist in meinen Augen dann leider nicht einmal schön anzusehen. Die ersten Bilder, die ich von „Planet Unknown“ gesehen habe, haben das Spiel schnell wieder von meiner Interessenliste verschwinden lassen. Ich finde, dass die Planeten zum Spielanfang wesentlich hübscher aussehen als bei Spielende. Die funktionale Grafik mit seinen eindeutigen Farben ist dafür aber gut, dass ich auch entfernt sehe, was auf dem Drehteller für Plättchen liegen, auch wenn ich die Symbole nicht mehr erkennen kann. Die waren für mich tatsächlich schwerer zu unterscheiden, vor allem Bevölkerung und Technologie brachte ich gerne durcheinander, weil sie halt thematisch auch recht generisch daherkommen. Für Wasser muss ich zumindest besondere Bauregeln beachten, die Biomasse aus den Wäldern war klar, weil mein Konzern diese förderte, und der Rover war auch eindeutig, weil ich damit fahren konnte.

Wo ordne ich „Planet Unknown“ nun ein? Ich spiele liebend gerne weitere Partien mit und würde das Spiel sogar ein paar Mal vorschlagen. Vor allem die unterschiedlichen Planeten und Konzerne, die einiges an Variabilität in die Partien hineinbringen werden, interessieren mich. Sie spielen sich strategisch schon recht unterschiedlich, was ich in unserer Erstpartie an nur vier Kombinationen gesehen habe. Aufgrund der Kontrapunkte oben wie AP-Anfälligkeit, fehlendem Thema, abstrakter Grafik und mitunter hoher Downtime ist es kein Spiel, welches ich in meinem Schrank haben möchte. Es würde sich dort wohl auch ständig mit „Insel der Katzen“ messen müssen – und verlieren. Auch wenn das Katzenspiel ebenso unthematisch ist, sagt es mir in den anderen Belangen mehr zu. (8,0)

Wertung: (8,0)

#PlanetUnknown

Black Hole Buccaneers (Pegasus, 2023)

Zum Abschluss gab es noch ein kleines, mir unbekanntes Spiel: In „Black Hole Buccaneers“ (Ja, das ist der deutsche Titel.) sammeln wir Weltraumschrott mittels Kartendrafting ein. Wir spielen über drei Runden und zu jeder Runde wird eine zufällige Karte aufgedeckt, wie schwer unsere Ladung am Rundenende maximal sein darf, damit wir nicht vom schwarzen Loch verschlungen werden. Zu Beginn einer Runde erhält jede Spielerin sieben Handkarten, wählt eine davon, spielt diese aus, gibt den Rest weiter etc. Die aufgedeckten Schrottkarten zeigen immer ein Gewicht und einen Wert. Nach sechs Karten ist die Runde vorbei (die siebte Karte wird abgeworfen) und das Gewicht der Karten wird addiert. Zufällig kommt noch eine Karte hinzu, die das zulässige Gesamtgewicht um bis zu plus 4 erhöht oder um bis zu minus 4 verringert. Wer jetzt nicht zu schwer ist, darf an der Wertung teilnehmen. Die wertvollste Fracht erhält die meisten Punkte. Nach drei Runden werden die Punkte aller drei Runden addiert und der erfolgreichste Frachtkapitän gewinnt.

„Black Hole Buccaneers“ lebt vor allem durch bzw. in meinen Augen schon fast allein von seinen Grafiken. Jede Karte zeigt eine popkulturelle Referenz, die Schrott anzeigt. Seien es Filme wie Terminator oder Star Wars, Serien wie Star Trek oder Doctor Who oder Spielzeuge wie Tamagotchi oder Gameboy. Die meiste Freude hatten wir alle wohl damit in der ersten Runde alle Bilder anzuschauen und die Referenz zu erkennen. Bereits in Runde 2 wiederholten sich die Bilder aber und in Runde 3 hatte ich fast alles gesehen. Hinter der Fassade steckt dann ein sehr simples, sehr zufälliges und in meinen Augen langweiliges Spiel. Wo ich in „7 Wonders“ mit identischem Draft über drei Runden lang meine Auslage aufbaue, wird hier jede Runde alles abgeräumt und der gesamte Kartenstapel gemischt. Welche der Karten im Spiel sind, entscheidet der Zufall, und entsprechend ist es schwer, überhaupt gezielt strategisch zu spielen. Vor allem die letzten beiden Karten, von denen ich zwingend eine legen muss, vereiteln sehr oft jeden Plan und das nicht einmal aus Böswilligkeit meiner Sitznachbarn, sollten einfach nur aufgrund des Zufalls, was am Ende übrig bleibt.

Black Hole Buccaneers
Black Hole Buccaneers

Ein bisschen vergleichbar ist das Spiel mit „Fantastische Reiche“, nur dass es weniger Karteneffekte und -interaktion gibt. In „Black Hole Buccaneers“ tragen die Karten zwar einzigartige Namen und Illustrationen, aber im Kern gibt es nur fünf Kartenfarben, die je Farbe den gleichen Effekt haben, plus einige Karten mit wirklich einzigartigen Effekten. Dementsprechend schnell kamen wir auch ins Spiel und mussten nicht mehr alle Texte auf den Karten lesen. Dementsprechend schnell nutzte sich das Spiel aber auch ab. In Runde 3 hatte ich das Gefühl, dass ich alles Interessante gesehen hatte. Dazu kommt noch, dass eine Partie ungefähr 45 Minuten dauert, was das Spielprinzip definitiv nicht trägt. Alles in allem funktioniert das Spiel, ist aufgrund der Illustrationen anfangs auch witzig, aber nach einer Partie will ich das Spiel nicht noch einmal spielen. (4,5)

Wertung: (4,5)

#BlackHoleBuccaneers

Mistwind (First Fish Games, 2024)

Großes Interesse hatte ich an der Kickstarter-Kampagne von „Mistwind“ erst einmal nicht. Das erste Bild zeigte mir zu viele Miniaturen und mechanisch geht es um Routenbau und Sachen von A nach B liefern. Zwei Mechanismen, die mir nicht so viel Spaß machen. Dennoch habe ich eine digitale Einladung angenommen und konnte via Tabletop Simulator eine Dreierpartie online absolvieren.

In „Mistwind“ sind wir Gesellschaften, die auf einer Landkarte ihr Routennetzwerk ausbauen, um damit die unterschiedlichen Häfen der vier Regionen ansteuern zu können. Wir können dazu Transportwale umherschicken, um an manchen Häfen bestimmte Fracht einzuladen und dann am Zielort (meist die Hauptstadt oder der Haupthafen einer Region) die Fracht wieder auszuladen. Die Bewegungen kosten Krill (schließlich haben wir fliegende Wale für den Transport eingestellt). Mittels Bau von Außenposten in den Häfen können wir die Kosten aber reduzieren. Gespielt wird bei zwei bis vier Spielerinnen über vier Runden. In jeder Runde haben wir unsere fünf Aktionsscheiben mit Werten von 1 bis 5 zur Auswahl, von denen wir zu Beginn eine verdeckt weglegen müssen, die wir nicht einsetzen können. Mit den restlichen vier Aktionsscheiben können wir die Aktionsfelder nutzen. Es gibt vier Aktionsbereiche. Im ersten erhalte ich einfach nur Ressourcen (Stahl, Holz, Krill oder Geld). Im zweiten kann ich mir Charakterkarten kaufen, die mir einen Sofortbonus, einen Einmalbonus später, einen Dauerbonus oder Siegpunkte am Spielende geben. Der dritte Bereich enthält die fünf unterschiedlichen Aktionen, mit denen ich beispielsweise Außenposten oder Transportwale bauen kann, Startspieler werde oder einen Wal bewegen kann. Im letzten Bereich stehen mir fünf Hafenkarten zur Verfügung. Wenn ich diese mit einer Scheibe nutze, kann ich sofort einen Außenposten oder Wal in dem auf der Karte angegebenen Hafen bauen. Liegt meine Scheibe bei Rundenende oben auf dem Stapel, erhalte ich auch noch den Sonderbonus der Hafenkarte. Das ist auch die Besonderheit, denn die Hafenkarten kann jeder nutzen, auch wenn sie bereits belegt sind. In allen anderen Bereichen kann jede Aktion zwingend nur einmal genutzt werden. Nach jeder Aktion darf ich meine Wale bewegen und am Bewegungsende entweder Fracht ein- oder ausladen. Beim Ausladen gibt es dann Marker, die mir Siegpunkte bringen und für eine Mehrheitenwertung am Spielende wichtig sind. Nach fünf Runden ist eine Partie vorbei. Es gibt Siegpunkte für die gelieferte Fracht, für Charakterkarten, für Netzwerkkarten (von denen jeder zu Beginn zwei erhält und eine auswählt, die er erreichen will), bei denen ich meist drei Orte mit einer Außenposten-Wal-Kette verbinden muss, für Errungenschaften, die ich in der Partie als Erstes erreicht habe, und für die Mehrheit gelieferter Fracht in den vier Regionen.

Zuerst möchte ich meine größte Enttäuschung nennen. Der Cover von „Mistwind“ verspricht etwas Großes. Ein riesiger Wal mit einem Schiff auf dem Rücken fliegt am Himmel entlang, vorbei an vermutlich fliegenden Städten über den Wolken. Ein Schäfer schaut gen Himmel und hat vielleicht Sehnsucht nach diesem Abenteuer. Und was merke ich von diesem Setting im Spiel? Rein gar nichts. Bereits als ich die leicht verständliche Anleitung gelesen habe, merkte ich, dass das Thema „Netzwerkbau und Warentransport“ völlig autonom vom Setting ist. Das Spiel hätte genauso gut auch mit Zügen und Bahnhöfen in den USA funktioniert, wobei ich Kohle statt Krill als Treibstoff benötige. Im Gegenteil hätte das sogar besser zum Thema gepasst, denn warum die Wale fliegen können und ich denen vermutlich auch fliegenden Krill als Treibstoff zuliefern muss, wird nicht erklärt. Die sechs Frachtgüter sind kleine farbige Würfel, die für alles Mögliche stehen könnten. Für mich sieht es so aus, als hätte die Mechanismen zuerst festgestanden und dann haben die Designer das Thema nur in irgendein Fantasy-Setting geworfen, weil Züge in den USA vielleicht nicht so viele Interessenten anziehen.

Mistwind – Spielertableau (TTS)
Mistwind – Spielertableau (TTS)

Davon abgesehen funktionieren die Mechanismen sehr gut. Die Auswahl der Aktionsscheibe, die ich zu Rundenbeginn entfernen muss, empfand ich als sehr kniffelig und essenziell. Werfe ich die falsche Scheibe ab, kann dies zu einer komplett vermurksten Runde führen. Dummerweise weiß ich oft nicht, was die falsche Scheibe ist. Wenn ich nicht Startspieler bin und ich aber ein bestimmtes Aktionsfeld unbedingt haben muss, sollte ich mir unbedingt einen Plan B zurechtlegen. Oder ich sollte es am besten erst gar nicht dazu kommen lassen, dass ich zwingend ein bestimmtes Feld benötige. Auch die Interaktion ist durch diesen Aktionswahl-Mechanismus recht hoch. Wir standen uns zu dritt nicht sehr, aber gut genug auf den Füßen, dass jeder von uns mal fluchen – und dann umplanen – musste, weil ein Mitspieler zuvor ein Feld belegt hatte. Startspieler zu sein, ist hier also von großer Bedeutung. Bei den Häfen wiederum hat der letzte Spieler einen Vorteil, weil er seine Scheibe grundsätzlich auf den Stapel setzen kann und damit sicher den Bonus erhält. Beides zusammen ergibt einen sehr schönen und interessanten Aktionswahl-Mechanismus, den ich bisher noch nicht gesehen habe.

Eher Standortkost ist der Routenbau. Ich baue Außenposten auf die Häfen. Der Grund, wieso ich das mache, ist aber wieder eine kleine Besonderheit. Nach jeder Aktion darf ich alle meine Wale beliebig weit bewegen. Jede Bewegung kostet 1 Krill – außer die Bewegung startet auf einem Feld mit eigenem Außenposten oder Wal (die füttern wahrscheinlich dann das Krill zu – auch hier hätten Bahnhöfe thematisch irgendwie besser gepasst). Und kann ich mir anfangs nur ganz wenige Bewegungen leisten, kann ich am Spielende fast über das ganze Spielfeld rennen, wenn ich ein entsprechendes Netzwerk aufgebaut habe. Von meinen zwölf Außenposten hatte ich elf gebaut, zusammen mit meinen drei Walen konnte ich also eine ordentliche Strecke abdecken. Auch dieser Kniff hat mir sehr gut gefallen. Damit ist „Mistwind“ in meinen Augen ein auf das Wesentliche konzentriertes Spiel für Netzwerkbau und Warentransport. Es hat kaum unnötige Schnörkel. Ebenso innovativ und interessant fand ich die Erfüllung der Netzwerkkarten und der nationalen Netzwerke (ich muss eine Kette an Außenposten und Walen von einem Ort zu einem anderen bilden), weil die Kette eben aus stationären Knotenpunkten (Außenposten) und beweglichen Knotenpunkten (Walen) besteht. Wenn ich die Außenposten gut setze, kann ich durch die Bewegung der Wale auf die Art im Laufe einer Partie mehrere Ketten erfüllen und Punkte sammeln.

Für manch einen könnten die fehlenden Schnörkel aber auch das Problem sein, da das Spiel nicht viel Variabilität bietet. Was ich von wo nach wo liefern muss, ist zwar von Partie zu Partie unterschiedlich, ändern aber nicht viel am Spielgefühl. Von den 26 Charakter- und 26 Hafenkarten kommen immer 20 ins Spiel (zu fünft sogar 25) und sie wiederholen sich selbst auch etwas, sodass dies auch wenig ändert. Einzig die 16 Errungenschaften, von denen jede Partie vier aufgedeckt werden (genau genommen sind es 4x4 Stapel und pro Stapel wähle ich eine aus vier Errungenschaften zufällig), ändern ein klein wenig das Rennen, wer diese zuerst erreicht. Nach einer Partie kann ich aber nur mutmaßen, dass das Spiel bei einer wöchentlichen Runde zu schnell uninteressant werden könnte. Dennoch fand ich die Errungenschaften und auch die persönlichen Netzwerkkarten sehr gut, um in das Spiel hineinzufinden, da ich dann bereits Ziele sehe, die ich verfolgen kann. Das erleichtert den Einstieg in das Spiel ungemein.

Was den Einstieg nicht erleichtert, ist die Symbolik. Ohne die Symbolübersicht in der Anleitung wären wir aufgeschmissen gewesen. Nach einer gewissen Zeit konnten wir uns diese zwar einprägen, aber intuitiv ist sie nicht. Eine Charakterkarte war gar nicht erklärt und auch nicht verständlich, sodass wir diese aussortieren mussten. Auch das Spielbrett könnte eindeutiger sein. Mehrfalls verwechselte jemand bei uns die Hauptstadt mit dem Haupthafen. Und ich habe mich bei der Unterscheidung zwischen lila und braunem Gebiet schwergetan, die dazu noch direkt nebeneinander liegen. Auch die weiße Schrift auf den gelben Aktionsscheiben war schwer zu erkennen, interessiert mich aber meist nicht, wenn ich nicht Gelb spielen muss. Grafisch ist das Spielbrett sonst eher funktional. Im Gegensatz zu den sehr schön von Gordon Oscar illustrierten Charakter- und Hafenkarten. Die dann aber leider ein Problem haben: Die Illustration nimmt circa 95% einer Karte ein und ist spielerisch absolut irrelevant. Die relevanten Symbole wiederum sind teilweise sehr klein in den Ecken abgedruckt. Ebenso schade ist es, dass die Kartenillustrationen sich wiederholen und absolut generisch sind. Sie passen in das Setting von „Mistwind“, aber ich sehe keinen Zusammenhang zwischen namenloser Kartenillustration und Funktion. Auch hier kommt es mir wieder so vor, als hätten die Autoren einen funktionieren Mechanismus gehabt und nur noch schöne, aber thematisch irrelevante Illustrationen dazu gesucht.

Mistwind – Schöne Illustrationen ohne Bedeutung (TTS)
Mistwind – Schöne Illustrationen ohne Bedeutung (TTS)

Wie oben geschrieben, hat der Aktionswahl-Mechanismus zu einer schönen Interaktion zu dritt geführt. Immer mal wieder kamen wir uns in die Quere, aber oft genug konnte ich auch immer noch etwas anderes Sinnvolles tun. Dazu gibt es noch das Wettrennen um die Errungenschaften und um die Verbindung der nationalen Netzwerke, was das Spiel in meinen Augen spannend macht. Die Spielzeit lag dabei bei 2:30 Stunden. Zum Ende hin wird die Partie leider immer langsamer, weil sich die Optionen mehren. Bewege ich in Runde 1 meist nur einen Wal und den nicht einmal weit, weil ich kein Krill habe, stehen mir in Runde 4 meist schon drei Wale zur Verfügung, die ich über mein Netzwerk koordinieren muss, um möglichst kaum Krill auszugeben. Diese Steigerung der Optionen macht natürlich auch den Reiz des Spieles aus, aber die Wartezeit steigt ebenso damit etwas an. Zusätzlich handelt es sich bei „Mistwind“ um ein typisches Planungsspiel, bei dem ich die möglichen Optionen im Kopf durchgehe, während ich nicht am Zug bin. Dadurch bekomme ich aber auch sehr wenig mit, was die anderen machen, obwohl ich das sehr interessant fand.

Da wir (fast alle) „Mistwind“ sehr gut in der Draufsicht spielen konnten, ist der Unterschied im Handhabungsaufwand von realem Tisch zur digitalen Version gar nicht so groß. Das heißt, auch real würde ich von 45 Minuten pro Spielerin für die vier Runden ausgehen. In Vollbesetzung zu fünft kann ich mir nicht vorstellen, dass eine Erstpartie in unter vier Stunden gespielt wird. Die Aktionen skalieren dagegen vermutlich gut. Die Anzahl der Aktionsscheiben auf dem Spielfeld ist bei jeder Spielerzahl ungefähr gleich: zu dritt sind es 12 Aktionsscheiben pro Runde, zu viert 16 und zu fünft 15 (weil zu fünft zwei Scheiben verdeckt abgelegt werden). Zu zweit kommt ein Automa ins Spiel, der Aktionsfelder belegt, sodass ebenfalls 12 Aktionsscheiben pro Runde eingesetzt werden. Auch die Anzahl der Aktionen pro Spielerin in einer Partie ist fast gleich. Zu zweit, zu dritt und zu viert hat jede Spielerin 16 Aktionen, zu fünft dagegen 15 Aktionen (weil fünf Runden mit drei Scheiben gespielt wird). Einzig auf dem Plan wird es mit mehr Spielerinnen etwas enger. Da man sich aber keine Häfen auf der Karte wegnimmt, wird niemandem etwas verbaut, was ich gut finde. Problematisch war bei uns zu dritt nur der Platz. Intuitiv stellte jeder seinen Außenposten oder Wal immer direkt auf den Hafen – womit dann nicht mehr sichtbar war, welche Ware dieser Hafen anbietet. Stellt man die Plastikminiaturen aber daneben, wird es spätestens bei zwei Außenposten und zwei Walen sehr eng. So eng, dass manchmal nicht klar war, ob der Wal nun auf dem einen oder auf dem anderen, benachbarten Hafen stand. Alles in allem denke ich nicht, dass das Spiel zu zweit oder zu fünft wirklich glänzen kann.

Es gibt auch eine Soloversion, die ich aber nicht getestet habe. Es gibt einen Automa, der mit drei Farben an Aktionsscheiben spielt, Felder besetzt und Warenmarker für Lieferungen nimmt. Ansonsten spiele ich für mich und muss zum Spielende je nach Schwierigkeitsstufe bestimmte Bedingungen an mein Netzwerk und Siegpunkten erfüllt haben.

Mistwind (TTS)
Mistwind (TTS)

Ich weiß nicht so recht, wie ich „Mistwind“ bewerten soll. Die Partie hat mir Spaß gemacht, auch wenn ein Mitspieler uns anderen beiden meilenweit davongerannt ist. Am Spielende stand es 75:44:28. Dafür passte einfach zu vieles bei ihm. Bei mir dafür umso weniger. Bereits in der ersten Runde merkte ich dann bei der Ausführung der Aktionen, dass ich die falsche Scheibe abgeworfen hatte. Und meine dritte Runde war völlig daneben, als ich unbedingt die 1 benötigte, um einen Außenposten auf einem bestimmten, braunen Hafen zu bauen. Meine erste Aktion bestand darin, dass ich die 1 auf die Ressourcenleiste gelegt habe, weil ich Ressourcen brauchte und schon wieder vergessen hatte, dass ich die 1 woanders einsetzen wollte. Der Dreier-Hafen wäre auch noch als Plan B gut gewesen – die Scheibe hatte ich aber zu Rundenbeginn abgeworfen. Und dann hätte ich als zweiter Spieler ja noch Aktionsfeld 4 nehmen können, um den Hafen zu bauen – was natürlich direkt vom Startspieler belegt wurde. In dem Spiel sollte man also immer einen Plan B, C und D in der Hinterhand haben, damit es nicht zum Desaster kommt. Eine von vier verkorksten Runden kann spielentscheidend sein.

Aber trotz der guten Unterhaltung ist „Mistwind“ kein Spiel, welches ich mir kaufen würde. Mitspielen in einer kleinen Runde würde ich es sicherlich wieder, aber nicht zu viert und erst recht nicht zu fünft. Und dass das Setting so irrelevant ist, trübt den Gesamteindruck auch noch einmal. (7,0)

Wertung: (7,0)

#Mistwind

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